Euthanasie – ein Euphemismus?
2. Mose 20,13; 4,11; Hiob 2,10; 5. Mose 32,39; Prediger 3,1.2

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 30.05.2001, aktualisiert: 23.10.2022

Leitverse: 2. Mose 20,13; 4,11; Hiob 2,10; 5. Mose 32,39; Prediger 3,1.2

2Mo 20,13: Du sollst nicht töten!

2Mo 4,11: Da sprach der HERR zu ihm: Wer hat dem Menschen den Mund erschaffen, oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe nicht ich es getan, der HERR?

Hiob 2,10: Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Bei alledem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

5Mo 32,39: Seht nun, dass ich bin, der da ist, und kein Gott neben mir. Ich töte, und ich mache lebendig, ich zerschlageund ich heile; und niemand ist da, der aus meiner Hand errettet!

Pred 3,1: Alles hat seine Zeit und jegliches Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde. Geborenwerden hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit, und Gepflanztes ausraufen hat seine Zeit.

Was ist ein Euphemismus?

Ein Euphemismus ist ein angenehmeres oder schöneres Wort, das oft anstelle eines möglicherweise angreifenden, provokanten oder unangenehmen Ausdrucks verwendet wird. „Senior“ ist ein Euphemismus für „alter Mensch“. „Stämmig“ oder „vollschlank“ sind Euphemismen für „Übergewicht“. „Souvenirjagd“ ist ein Euphemismus für „Vandalismus“. Ist Euthanasie ebenso ein Euphemismus?

Was bedeutet Euthanasie?

Das Wort „Euthanasie“ bedeutet rein sprachlich „guter Tod“ oder „einfacher Tod“. Die Euthanasie ist der Akt der Tötung hoffnungslos Kranker, Behinderter oder Verletzter aus Barmherzigkeit. Konsequenterweise ist Euthanasie im Allgemeinen eher bekannt als „gnädiges Töten“. Aber ist dieses Töten aus Mitleid in irgendeiner Form besser als Töten? Ist dieses „gnädige Töten“ nicht einfach nur ein Euphemismus für Mord?

Das Thema Euthanasie ist sehr modern in unserer Kultur. Fortschritte in der medizinischen Technik haben uns befähigt, das menschliche Leben zu erhalten und zu verlängern, heute noch besser als in der Vergangenheit. Folglich sind auch alle Arten schwerer Fragen noch gestiegen. Warum zum Beispiel sollte es einem alten Menschen nicht erlaubt sein, warum sollte man ihn nicht überreden, in Würde zu sterben? Warum verlängert man die irdische Existenz älterer Menschen, die ein ausgefülltes, frohes und sinnvolles Leben genossen haben? Was ist mit den hoffnungslos Kranken oder schwer verletzten Menschen jeden Alters? Warum zieht man nicht gnädig „den Stecker“ und umgeht so überflüssige Schmerzen und Leiden? Warum verlängern wir das Leben von Kleinkindern, die mit schwersten physischen Behinderungen oder ernsten geistigen Schäden geboren wurden? Könnte man nicht großen Kosten und angstvollen Jahren aus dem Weg gehen, wenn man solchen Neugeborenen einen natürlichen Tod zugestehen oder ihnen sogar zum Tod „helfen“ würde?

Diese Fragen sind nur ein kleiner Teil von vielen gewaltigen und besorgniserregenden Fragen in diesem Bereich ohne klare Orientierung, die heute beantwortet werden müssen. Es ist klar, dass Euthanasie kein Thema mit schnellen und einfachen Antworten für den Christen ist. Tatsächlich ist Euthanasie wahrscheinlich eines der schwierigsten Themen, die sich der christlichen Gemeinschaft heute stellen. Was sind also die biblischen Antworten?

Euthanasie im Licht der Bibel

Man wird das Wort „Euthanasie“ nicht in einer biblischen Konkordanz finden, aber es gibt sicherlich Prinzipien in Gottes allgültigem Wort, die sich auf diesen komplexen Gegenstand anwenden lassen. Die fünf obigen Schriftstellen geben uns einige Richtlinien und auch einige Grenzen für unsere Beschäftigung mit dieser Frage. Einerseits lehrt die Bibel offensichtlich, dass es absolut falsch ist, ein unschuldiges menschliches Leben vorsätzlich und geplant zu beenden. Wer dies täte, würde das sechste Gebot brechen: „Du sollst nicht töten“ (2Mo 20,13). Doch was ist mit „unnormalem“ menschlichen Leben? Gottes Antwort in 2. Mose 4,11 ist eine solide Stellungnahme, die zeigt, dass das Vorhandensein einer physischen Behinderung den Wert des menschlichen Lebens keineswegs mindert. Wir lesen hier, dass Gott behinderten Menschen bewusst erlaubt zu leben. 2. Mose 4,11 verurteilt deshalb logischerweise das Töten behinderter Neugeborener oder behinderter Individuen jeden Alters. Es geht hier nicht um Gründe, warum Gott Stumme und Taube, Sehende und Blinde machte. (Johannes 9,1-3 könnte eine Antwort darauf geben.) Entscheidend ist hier, dass das vorsätzliche geplante Beenden von sogenanntem „unnormalen“ Leben eines Menschen definitiv Mord ist – selbst wenn es sehr barmherzig oder in einigen Fällen vernünftig scheinen mag.

Was aber ist mit einer Person, die durch extreme Leiden geht oder intensive Schmerzen durch Krankheit oder Verwundung erfährt? Wäre die Euthanasie in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt? Hier zeigt uns das Buch Hiob einige Grundsätze. Hiob ist gut bekannt für sein geduldiges Ausharren während großer Leiden. Einen Einblick in Hiobs schrecklichen und schmerzlichen körperlichen Zustand gibt Hiob 2,7.8; 7,5; 13,28; 30,16-18.30. Wäre für Hiob ein einfacher und gnädiger Tod nicht besser gewesen statt dieser unaufhörlichen Tortur, als fräßen Würmer seinen Körper weg? Selbst Hiobs Ehefrau meinte, es wäre besser, Gott zu fluchen und zu sterben, als in einem solch miserablen und elenden Zustand zu bleiben. Hiob selbst wünschte sicher auch, zu sterben. Er sehnte sich nach dem Tod (Hiob 3,20-22). Aber er entschied sich auszuharren. Seine Antwort war: „Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen?“ Hiob erkannte, dass sein Leiden göttlich zugelassen und beabsichtigt war. Die Tatsache, die in Hiob 2,10 bestätigt, dass Hiob in diesem allen nicht sündigte, lässt keinen Zweifel daran, dass seine Analyse der Situation richtig war. Seine Entscheidung, die Leiden durchzustehen, statt sein Leben vor der von Gott bestimmten Zeit zu beenden, war richtig. Wieder fragen wir an dieser Stelle nicht, warum Gott diese Leiden zuließ (das Buch Hiob in seiner Gesamtheit kann die Antwort dazu geben). Ebenso wenig steht die Frage zu schmerzstillenden Mitteln vor uns (Spr 31,6). Das Fazit ist, dass das gnädige Beenden eines Lebens wegen Leid und Schmerz nicht gerechtfertigt ist. Es ist unrechtmäßiges Nehmen menschlichen Lebens. Es ist Mord.

Wer gibt und wer beendet das Leben?

Andererseits lehrt die Bibel deutlich, dass Gott das Recht hat, Leben zu beenden. Ob in der Beurteilung, ob in der Gnade oder ob bei anderen Absichten, niemals macht Gott einen Fehler, wenn Er das Leben eines Menschen beendet. 5. Mose 32,39 stellt fest, dass Gott tötet und Leben gibt – siehe dazu auch folgende Bibelstellen:

  • 1Sam 2,6: Der HERR tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und wieder herauf.

  • Ps 90,3: Du lässt den Menschen zum Staub zurückkehren und sprichst: Kehrt zurück, ihr Menschenkinder!

Geben und Beenden des menschlichen Lebens gehört zu den Vorrechten Gottes allein. Es ist richtig, dass Gott die Verantwortlichkeit zur Bestrafung und Krieg oder Verteidigung etc. an die menschliche Regierung delegiert hat. Diese Thematik hat ebenfalls biblische Grundlagen, aber wir wollen hier nicht näher darauf eingehen. Worum es uns hier geht: Während wir nicht das Recht haben, unschuldiges Leben zu beenden, hat Gott dieses Recht sehr wohl. Prediger 3,1-3 geht noch weiter und zeigt auf, dass es eine „Zeit zum Sterben“ gibt. Gott hat also nicht nur das Recht, Leben zu nehmen, Er hat auch die Zeit bestimmt, wann Er dieses Leben beendet.

Die Hauptaussage in Prediger 3,1-8 ist, dass alle Ereignisse im Leben des Menschen göttlich festgelegt sind. Es geht hier in diesem Abschnitt aber auch um die Verantwortung, die wir Menschen in Bezug auf diese göttlich festgesetzten Zeiten haben. Wenn es zum Beispiel Zeit ist, still zu sein (Pred 3,7), können wir still sein oder den Fehler machen, unsere großen Mäuler aufzureißen. Wenn es Zeit ist, zu weinen (Pred 3,4), wie es uns auch in Römer 12,15 gesagt wird, können wir weinen; wir können aber auch sündigen, indem wir unempfindlich sind dem Leid anderer gegenüber. Der Mensch hat die Verantwortung, in allen Bereichen (selbst für Todesstrafe und gerechten Krieg, wie es in Prediger 3,3 angedeutet wird) auf Gottes vorbestimme Zeiten zu achten und dementsprechend zu handeln. Wenn dem so ist, können wir anhand dieser Beurteilung dann nicht den Fehler begehen und den Tod eines Menschen verhindern, dessen göttlich bestimmte „Zeit zum Sterben“ gekommen ist? Sollten wir wirklich jede neue und außergewöhnliche medizinische Behandlung nutzen, um das biologische Leben so lange wie möglich zu verlängern? Gibt es nicht eine Grenze zwischen dem Schutz des Lebens und dem Hinauszögern des Todes? Wenn es falsch ist, ein Leben vor der von Gott festgelegten Zeit zu beenden, ist es dann nicht ebenso falsch, ein Leben über die von Gott gesetzte Zeit hinaus zu verlängern? Wie aber können wir diese göttlich bestimmte „Zeit zum Sterben“ für ein Individuum erkennen? Das ist die fundamentale Frage für einen Christen. Oder anders ausgedrückt: Euthanasie steht für einen Christen per definitionem außer Frage.

Wir haben gesehen, dass Euthanasie oder das „gnädige Töten“ gemäß der biblischen Lehre absolut falsch ist. Es ist tatsächlich ein Euphemismus für Mord. Das Ende eines Lebens, das Gott beenden will, zu verhindern ist allerdings ein anderes Thema. Es ist richtig, dass bei diesem Thema eine gewisse Überlappung mit der sogenannten „passiven Euthanasie“ vorhanden ist. Wie auch immer, es ist wahrscheinlich besser, über nicht lebensverlängernde Maßnahmen als separates Thema nachzudenken, denn in vielen Fällen der passiven Euthanasie hätte etwas für den Sterbenden getan werden müssen, statt durch Nichtstun seinen Tod herbeizuführen. Leider kann man in solchen Fällen nicht Entscheidungen nach festen Schablonen fällen. Bei einem Kleinkind, das ohne Gehirn geboren wurde, bei einem Unfallopfer, dessen Gehirn zerstört worden ist, wäre die „Zeit zum Sterben“ offensichtlich gekommen, und würde man ihre Körper allein durch Maschinen „lebend“ erhalten (was ja durchaus möglich ist), wäre das falsch. Jedoch sind die meisten Situationen sehr komplex, und meist müssen sehr viele Faktoren berücksichtigt werden. Die Bitte eines Krebskranken im Endstadium, der Lebenswille eines konstant bewusstlosen Menschen, die begründete Hoffnung auf Wiederherstellung einer gewissen geistigen Leistungsfähigkeit für ein Unfallopfer mit ernsten Gehirnschäden oder dergleichen, die Möglichkeit einer Wunderheilung oder Wunderkur sind nur einige der vielen Einzelheiten, die gegeneinander abgewägt werden müssen, bevor eine Entscheidung gefällt werden kann.

Wir brauchen nicht zu sagen, dass Christen, die in solche Fälle verwickelt sind, beten müssen, dass Gottes Wille sich zeigt und auch ausgeführt wird. Und in allen Fällen sollte die Liebe und Sorge der Christen dem Patienten jeden Alters gelten. Wir alle sollten versuchen, den biblischen Grundsätzen auch im Bezug auf das Sterben zu folgen.


Originaltitel: „Is Euthanasia a Euphemism?“
Quelle: www.growingchristians.org

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