Ist die Gemeinde das geistliche Israel?
Mit wem wurde der neue Bund geschlossen?

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 17.10.2008, aktualisiert: 30.06.2021

Leitverse: Jeremia 31,31-37 (vgl. Hebräer 8,8-12); Lukas 22,20; 1. Korinther 11,25; 2. Korinther 3,6

Jer 31,31-37: Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde: nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, diesen meinen Bund, den sie gebrochen haben; und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt, spricht der HERR. Sondern dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr jeder seinen Nächsten und jeder seinen Bruder lehren und sprechen: „Erkennt den HERRN!“, denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken. So spricht der HERR, der die Sonne gesetzt hat zum Licht bei Tag, die Ordnungen des Mondes und der Sterne zum Licht bei Nacht, der das Meer aufwühlt, und seine Wogen brausen, HERR der Heerscharen ist sein Name: Wenn diese Ordnungen vor meinem Angesicht weichen werden, spricht der HERR, so soll auch die Nachkommenschaft Israels aufhören, eine Nation zu sein vor meinem Angesicht alle Tage. So spricht der HERR: Wenn die Himmel oben gemessen und die Grundfesten der Erde unten erforscht werden können, so will ich auch alle Nachkommen Israels verwerfen wegen all dessen, was sie getan haben, spricht der HERR.

Lk 22,20 {vgl. 1Kor 11,25}: Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.

2Kor 3,6: … der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.

Heb 13,20: Der Gott des Friedens aber, der aus den Toten wiederbrachte {eig. Der Wiederbringer aus den Toten; eine charakteristische Bezeichnung Gottes} unseren Herrn Jesus, den großen Hirten der Schafe, in dem {d.h. in der Kraft des} Blut des ewigen Bundes {vgl. Hes 37,26} …

Einleitung

Mehrere alttestamentliche Prophezeiungen sprechen von einem zukünftigen Bund, den Gott mit seinem Volk Israel schließen wird. Einige Male wird dieser Bund „ewiger Bund“ und in Jeremia 31,31 „neuer Bund“ genannt. Der Alte Bund war das Gesetz, das Gott durch Mose gab. Es war ein bedingter Bund, geschlossen mit dem Volk Israel. Israel brach diesen Bund, aber Gott in seiner Gnade erklärte, dass Er einen bedingungslosen neuen Bund mit seinem auserwählten Volk schließen würde. Gott versprach seinem Volk, dass Er ihnen unter diesem Bund „ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken“ werde.

Der alttestamentliche Kontext des verheißenen neuen Bundes

Wenn wir die alttestamentlichen Prophezeiungen über den zukünftigen neuen und ewigen Bund im Kontext betrachten, sehen wir, dass dieses Versprechen Israel gegeben wurde – das sind die Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs. In Jeremia 31 heißt es von dem neuen Bund, dass er speziell mit dem „Haus Israels und dem Haus Judas“ geschlossen wird.

In den Tagen Jeremias war das Volk Gottes nicht mehr eine vereinte Nation, sondern zwei Nationen – das „Haus“ (Königreich) Israel im Norden und das „Haus“ (Königreich) Juda im Süden. Das Königreich Israel im Norden war schon hundert Jahre vor Jeremia in die Hände der Assyrer gefallen, und das Königreich Juda war dabei, von Nebukadnezar und seinen babylonischen Armeen eingenommen zu werden.

Als Jeremia sagte, dass der neue Bund mit „dem Haus Israels und dem Haus Judas“ geschlossen werden würde, war es für die Zuhörer offensichtlich, wen er exakt mit diesen Titeln meinte. Das Volk, das Jeremia reden hörte oder seine Prophezeiungen las, hätte klar verstanden, dass der neue Bund mit den Juden geschlossen werden würde – den buchstäblichen Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs. Diese waren das Volk, das den Alten Bund – das Gesetz Moses – gebrochen hatte und das jetzt mit der Verheißung eines neuen Bundes ermutigt werden sollte.

Beachte, dass der Herr garantierte, dass das jüdische Volk niemals ausgelöscht werden sollte oder aufhören sollte zu existieren (Jer 31,35-37). In diesen Versen benutzte Er die Gezeiten in der Natur, um ihnen den festen Status des jüdischen Volkes als Gottes auserwähltes Volk zu veranschaulichen. Dann fährt er fort und vergleicht die Unmöglichkeit, dass Er sie jemals verwerfen würde (obgleich sie gesündigt hatten), mit der Unmöglichkeit, die Weite des Universums zu messen! Das sind sehr starke Aussagen über die Festigkeit seines neuen Bundes mit seinem Volk Israel!

Bezüge zum neuen Bund im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird der neue Bund einige Male erwähnt. Als der Herr Jesus das Mahl des Herrn (Abendmahl) einführt, sagte Er: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20; 1Kor 11,25). In 2. Korinther 3,6 schreibt Paulus, dass der Herr Jesus „uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes“. Die nächsten neutestamentlichen Bezüge zum neuen Bund findet man in dem Brief an die Hebräer. Der neue Bund wird, in Hebräer 7,22; 8,6 als „ein besserer Bund“ und in Hebräer 13,20 als „ewiger Bund“ beschrieben. Er wird, in Hebräer 8,8.13, 9,15; 12,24 ausdrücklich der „neue Bund“ genannt.

In all diesen neutestamentlichen Bezügen könnte ein überzeugendes Argument geliefert werden, dass der neue Bund mit allen Gläubigen geschlossen wurde – und nicht nur mit den Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs. Schließlich spricht Paulus zu den Christen in Korinth, als er sagt, dass sie „Diener des neuen Bundes sind“, und der Hebräerbrief ist an die hebräischen Christen gerichtet.

Allerdings garantiert Jeremia 31,31-37, dass der neue Bund mit den buchstäblichen Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs geschlossen wird, und Vers 37 stellt klar, dass sie nie von Gott verworfen werden, egal, was sie getan haben. In diesem bedingungslosen Bund ist gewiss nicht der Gedanke inbegriffen, dass Israel ersetzt oder neu definiert wird – weder damals noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der Zukunft.

Harmonisierung der Bibelstellen über den neuen Bund

Wie ist dieser scheinbare Widerspruch in der Bibel also zu erklären? Wenn der neue Bund mit dem Volk Israel geschlossen werden soll, wie der Herr im Alten Testament verheißen hatte, warum scheint das Neue Testament dann den neuen Bund auf die an Jesus Christus Gläubigen anzuwenden? Eine Vielzahl von Antworten wird darauf von Theologen und Bibelauslegern geliefert. Die am weitesten verbreitete und geläufigste Erklärung ist die, dass Gott aufgrund des Versagens Israels als das Bundesvolk Gottes das buchstäbliche Israel durch die Kirche ersetzt hat. Die heutige Kirche sei also das neue Israel. Diese Erklärung wird „Substitutionstheologie“ oder „Ersetzungstheologie“ genannt.

Unglücklicherweise hat diese Theologie ein ernsthaftes hermeneutisches (auslegendes) Problem, indem sie das Volk und das Land Israel, wie es im Alten Testament vorgestellt wird, komplett neu definiert. Es ist bildlich das „Land der Segnung“ für die Kirche, das „neue Israel“. Außerdem steht die Ersetzungstheologie Römer 11 entgegen, wo zwischen der Kirche und dem Volk Israel ein klarer Unterschied gemacht wird. Aus diesem inspirierten Text geht deutlich hervor, dass beide, Israel und die Kirche, gegenwärtig existieren. Die Aussage von Römer 11 ist, dass Israel nur zeitweise bis zum geistlichen Wiederaufbau „ganz Israels“ (Röm 11,26) in der Zukunft beiseitegestellt wurde. In der Zwischenzeit ist in Gottes Ratschluss die Kirche in dieser bevorzugten und gesegneten Position – aber die Kirche hat Israel nicht ersetzt. Israel ist immer noch Israel!

Um dieses offensichtliche Problem, wer genau die Empfänger des neuen Bundes sind, zu lösen, hatten einige Bibelausleger den Vorschlag, dass es zwei neue Bündnisse geben könne. Aus dieser Sichtweise ist der erste neue Bund mit dem Volk Israel und der zweite neue Bund mit der Gemeinde geschlossen worden. Das Problem dieser vorgeschlagenen Lösung ist jedoch, dass es nirgendwo in der Schrift einen Hinweis auf zwei neue Bündnisse gibt. Wenn der Autor des Hebräerbriefes sich in Kapitel 8 auf den neuen Bund bezieht, zitiert er direkt Jeremia 31,31-37. Die Verheißung eines neuen Bundes galt Israel, und es gibt keinen Hinweis auf einen zweiten Bund, der hinzugefügt und für die Gemeinde errichtet wird.

Eine andere Erklärung, um die Bezüge im Neuen und Alten Testament über den neuen Bund zu harmonisieren, ist, dass die Verheißung des neuen Bundes sich in den Juden erfüllt hat, die gläubig geworden sind und Jesus als ihren Retter und Messias angenommen haben. Schließlich werden die jüdischen Gläubigen in Galater 6,16 als das „Israel Gottes“ bezeichnet und der Hebräerbrief wurde an jüdische Christen geschrieben. Und kann es nicht sein, dass, als der Apostel Paulus 2. Korinther 3,6 schrieb, er den Gedanken hatte, den Dienst des neuen Bundes den jüdischen Gläubigen anzubieten? Wir wissen, dass viele, wenn auch nicht alle der frühen Christen Juden waren. Juden, die heute gläubig werden, kommen sicherlich unter die Segnungen des neuen Bundes, aber im Kontext der Verheißung des Herrn in Jeremia 31 ist es schwierig, sich vorzustellen, dass gläubige Juden in der Kirche die vollständige Erfüllung dessen sind, was Gott sich vorstellte, als Er seinen neuen Bundes mit Israel ankündigte. Er hat sehr speziell die geistliche Wiederherstellung der ganzen Nation verheißen – dem Haus Israel und dem Haus Juda.

Darüber hinaus ist einer der Gründe, warum der Schreiber des Hebräerbriefes die Verheißungen des neuen Bundes anspricht, die jüdischen Empfänger, an die er schrieb, zu ermahnen und zu ermutigen. Seine jüdischen Leser sollten ermahnt werden, nicht zurückzufallen und ihren Glauben in die Rituale und Zeremonien des Judentums zu legen, die alle mit dem Alten Bund verknüpft waren. Warnungen gegen diese Gefahr gibt es in diesem Brief an die Hebräer zuhauf. Zugleich aber sollten die jüdischen Leser des Hebräerbriefes ermutigt werden, zu wissen, dass die Verheißung des neuen Bundes in Jeremia 31 immer noch für die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs gültig war, obwohl die Segnungen des neuen Bundes jetzt auf alle Gläubigen ausgeweitet waren.

Und das bringt uns auf den besten Weg, die Schriftstellen, die den neuen Bund behandeln, in Übereinstimmung zu bringen.

Erweiterung der Segnungen des neuen Bundes

Während der Herr sich selbst auslieferte, um seine Versprechen dem Volk, mit dem Er diesen bedingungslosen Bund machte, zu halten, ist Er nicht gebunden oder eingeschränkt, die Wohltaten seiner Bündnisse auf jeden auszuweiten, den Er erwählt hat. Schließlich ist Er Gott und Er kann seine Gnade jedem in seiner souveränen Auswahl zeigen! Die Verheißung des neuen Bundes wurde Israel gegeben und wird mit dem buchstäblichen Israel erfüllt – mit den Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs, wenn der Herr wiederkommt. Die Segnungen des neuen Bundes wurden dagegen auf alle Gläubigen heute ausgedehnt.

Was Israel betrifft, so wird aus der jetzigen weltlichen Nation Israel eine Gruppe gottesfürchtiger Juden nicht nur in das Land zurückkehren, sie werden auch im Herrn wiederhergestellt. Das ist der „gottesfürchtige Überrest“, der in Römer 11,26 „ganz Israel“ genannt wird. Es ist der gottesfürchtige Überrest Israels, dem der Herr die Verheißung des neuen Bundes erfüllen wird, und sie werden seine Segnungen empfangen.

Die Kirche hat Israel nicht ersetzt, sondern die geistlichen Segnungen des neuen Bundes, der mit Israel gemacht wurde, wurden auf die Kirche ausgeweitet. Alle heute lebenden Gläubigen haben „das Gesetz Gottes in ihre Herzen geschrieben“ und wissen um die Gegenwart des Herrn in ihrem Leben.

Eine Veranschaulichung des neuen Bundes

Hier ist eine Veranschaulichung, die uns helfen soll, unsere Beziehung als Christen zum neuen Bund, der von Gott mit Israel gemacht wurde, zu verstehen. Stell dir vor, ich habe einen Sohn, und ich verspreche, ihm an seinem 18. Geburtstag ein neues Auto zu schenken. Es wurde ein bedingungsloser Bund zwischen mir und meinem Sohn gemacht, ihm ein Auto zu schenken. An seinem 18. Geburtstag präsentiere ich ihm, wie versprochen, das neue Auto, aber ich gebe ihm die Schlüssel nicht. Warum nicht? Weil er bei der Führerscheinprüfung durchgefallen ist. Er hat die Verkehrsregeln missachtet und ist verantwortungslos gefahren. So sage ich ihm, dass das Auto ihm gehört, aber dass er die Schlüssel erst in der Zukunft bekommt, nachdem er gelernt hat, die Regeln zu beachten und richtig und sicher zu fahren. Unterdessen habe ich mich entschieden, einen anderen Sohn zu adoptieren. Er wird Teil meiner Familie, aber ich habe ihm nie ein neues Auto zum 18. Geburtstag versprochen. Als er 18 wird, hat er allerdings die Regeln des Straßenverkehrs gelernt und hat bewiesen, dass er ein guter und verantwortungsvoller Fahrer ist, also entscheide ich mich, ihm ein Auto zu schenken, samt Schlüssel. Er ist nun in der Lage, die Segnungen des Versprechens, die ich meinem älteren Sohn gegeben hatte, zu genießen.

In dieser Veranschaulichung ist mein Bund/Versprechen mit dem älteren Sohn wie der neue Bund des Herrn mit Israel. Ich habe den Bund nicht in irgendeiner Weise rückgängig gemacht oder verändert, als ich ihm die Autoschlüssel vorenthielt. Ich habe ihm diese Segnung nur zeitweise vorenthalten. In der gleichen Weise hat der Herr seinen Bund mit Israel niemals rückgängig gemacht, aber Er hat zeitweise die Erfüllung bis zu einem zukünftigen Zeitpunkt zurückgehalten, wenn die Juden sich Ihm wieder zuwenden. Das Auto und die Schlüssel meinem Adoptivsohn zu geben, obwohl ich ihm kein Versprechen gegeben hatte, das ist ähnlich wie die Erweiterung der Segnungen des neues Bundes auf alle Christen, obwohl der neue Bund nicht mit der Kirche geschlossen wurde und die Kirche in keiner Weise Israel ersetzt. Diese Veranschaulichung mit den Autoschlüsseln soll uns helfen, die Wahrheit zu verstehen, dass es einen neuen Bund, aber kein neues Israel gibt!


Originaltitel: „A New Covenant, but not a New Israel“
Quelle: www.growingchristians.org

Übersetzung: Ruben Isenberg

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