Die Gedanken Gottes erkennen
Aus einem Brief um 1902

Alexander Hume Rule

online seit: 30.12.2016, aktualisiert: 25.04.2020

Du fragst, ob du nach x oder y gehen sollst. Nun, ich kann da nicht viel raten. Ich möchte nur, dass du die Gedanken des Herrn dazu kennst. Und ich zweifle nicht, dass du sie kennenlernen wirst, wenn du nur ein einziges Ziel im Auge hast: wenn es dir allein um die Herrlichkeit des Herrn geht.

Wenn wir die Gedanken des Herrn erkennen möchten, dann müssen wir uns vor allem fragen, in welchem Zustand sich unsere Seele befindet: Haben wir nur ein einziges Ziel? Möchten wir nur den Willen des Herrn tun? Oder sind wir auf die eine oder andere Weise  durch Selbstsucht oder Eigenwillen verblendet? Übergeben wir alles dem Herrn und warten wir auf Ihn, damit wir seinen Willen erkennen? Wenn ja, dann wird Er leiten.

Wir warten nicht auf irgendeine Offenbarung oder auf etwas Außergewöhnliches, sondern Gott wird uns seinen Willen zeigen, indem Er uns auf die Seele legt, was Ihm wohlgefällig ist, oder Er zeigt uns seinen Willen durch eine glückliche Fügung. Das kann so klar und deutlich sein, dass wir Gewissheit haben, auch wenn wir das einem anderen nicht erklären können. Es kommt darauf an, dass wir dem Herrn nahe sind und uns Ihm unterwerfen mit dem Wunsch: „Deine Wege, HERR, tu mir kund, deine Pfade lehre mich!“ (Ps 25,4). Er öffnet vor uns eine Tür, und irgendetwas zeigt uns, dass wir eintreten dürfen. Wir sehen darin seine Hand, erkennen sein Wirken und handeln dementsprechend.

Das ist etwas, was wir durch Erfahrung lernen müssen. Es ist nicht einfach, das einem anderen zu vermitteln, weil es nicht um eine rein verstandesmäßige oder intellektuelle Handlung geht. Vor etwa 27 oder 28 Jahren war ich in großer Unruhe und dachte darüber nach, wie ich den Willen des Herrn erkennen kann, ob ich hierhin oder dorthin gehen soll. Ich sprach darüber mit J.N. Darby, als ich ihn in Alton, Illinois, traf. Seine Antwort war: „Das Geheimnis des HERRN ist für die, die ihn fürchten“ (Ps 25,14). Das habe ich nie mehr vergessen. Und seit damals habe ich festgestellt: Wenn ich kein Licht über etwas bekommen konnte, dann gab es dafür einen Grund: etwas in meinem geistlichen Zustand oder etwas, was die volle Gemeinschaft mit Gott behindert hat.

Oft hatte ich mehr oder weniger Zweifel, ob ich Gottes Gedanken hatte, aber meistens habe ich erfahren: Wenn ich einen Schritt in der Furcht des Herrn gegangen bin, ist früher oder später deutlich geworden, dass Er mich geleitet hat. Manchmal sind es „Zaum und Zügel“ (Ps 32,9) – ein Hemmnis, ein Hindernis. Das kommt dort vor, wo unsere Natur oder unser Eigenwille am Wirken ist und wo wir unseren Blick nicht ungeteilt auf den Herrn richten. Und es ist Gnade, wenn wir zurückgehalten werden, anstatt dass wir unseren eigenen Weg gehen. „Ich will dich mit meinen Augen leiten“ (Ps 32,8; Luther) – das ist das Normale im Christenleben.

Das Wort Gottes teilt uns die großen Grundsätze mit; der Geist Gottes gestaltet unsere Herzen nach diesen Grundsätzen; und die kleinen Einzelheiten fügen sich dann passend dazu ein. Wir fällen unser Urteil, aber es ist das Urteil eines „Geistes der Besonnenheit“ (2Tim 1,7); das heißt, unsere geistige Haltung wird in ihrem Handeln durch das Wort Gottes geformt. Dann „habe ich den HERRN stets vor mich gestellt“ (Ps 16,8).

Wenn wir den Herrn vor unseren Blicken haben, dann formt und regiert das die Beweggründe unseres Handelns. Das ist das, was sonst durch den Begriff „die Furcht des HERRN“ ausgedrückt wird. Der Herr bekommt den Platz in unserer Seele, der Ihm zusteht; und Er formt unsere Gedanken und Wünsche, und wir handeln für Ihn.


Übersetzt aus einem Brief („Discerning the Lord’s Mind“), geschrieben um 1902,
in Selected Ministry of A.H. Rule, Bd. 2, S. 82–83

Übersetzung: Gabriele Naujoks

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