Wes Geistes Kind sind wir?
Lukas 9,49-56; Römer 8,15; 2.Timotheus 1,7

D. R.

© SoundWords, online seit: 10.08.2001, aktualisiert: 17.12.2020

Leitverse: Lukas 9,49-56; Römer 8,15; 2. Timotheus 1,7

Einleitung

Was die Welt heute nötig hat, ist Christus, aber nicht nur dem Bekenntnis nach, sondern in Wirklichkeit. Selbst Weltmenschen geben dies in gewissen Augenblicken zu und beklagen, dass so wenig davon wahrzunehmen ist. Es fordert uns also heraus, die bekennende Christenheit zu lehren, „wessen Geistes wir sind“, und unsere drei Textabschnitte zeigen doch klar, was der Geist Christ ist und was nicht. Auch in unseren Tagen ist es noch wahr, dass „Christus geschlagen worden ist im Hause derer, die ihn lieben“. Wenn boshafter Unglaube Ihn tausendmal geschlagen hat, so aber die Widersprüchlichkeit der Christen Zehntausende von Malen.

Der Geist der Aufopferung

Johannes und seine Genossen Petrus und Jakobus hatten eine höchst wunderbare Offenbarung auf dem Berg der Verklärung. Sie sahen die Macht und das Kommen des Herrn und waren Augenzeugen seiner Majestät. Jetzt war Er nicht mehr der verachtete, unterwürfige Nazarener, sondern Er war verwandelt, mit strahlendem Angesicht, wie die Sonne, und in Kleidern, weiß und glänzend. Jesus sprach mit den Heiligen in Herrlichkeit, mit Mose und Elia. Worüber? Vom Gericht über die Empörer, die die Botschaft verworfen hatten und die nun Ihn selbst verwerfen würden? Nein! Er sprach von Aufopferung, von seinem Ausgang, den Er in Jerusalem erfüllen sollte. Als sie dann in das Tal herabstiegen, war hier der krasse Gegensatz zu finden – tiefste Entfaltung menschlicher Schwachheit, Verzweiflung und Bedrängnis: ein geängstigter Vater, ein besessener Knabe sowie hilflose Jünger. „Ich brachte ihn zu deinen Jüngern, und sie konnten ihn nicht heilen.“ Was für ein Bild von dem Zustand von heute: Christus aus dem Gesichtsfeld verschwunden und die Jünger, auf die man blickt, machtlos.

Nun beachte aber den Fortgang dieses Geschehens. Er, der das Kind heilen konnte und dies auch tat, Er, der Hohe und Allmächtige, der Herrliche und Majestätische, redete jetzt davon, an den niedrigsten Platz, den Ort der Schande, an das Kreuz zu gehen. Die Jünger, schwach, hilflos und kleinmütig angesichts des Bösen, streiten sich, wer der Größte unter ihnen wäre. Dann zeigt der Herr den wahren Geist des Christentums: Denn während der Weg, groß zu werden, jener ist, ein Diener zu sein, wird doch der höchste Platz dem aufbewahrt, der willig ist, ein Knecht aller zu werden. Und hiervon ist der Herr das vollkommenste Beispiel. Er, der nicht kam, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben. Lasst uns nur auf Ihn und seinen Dienst blicken: „Jesus, wissend, dass der Vater ihm alles gegeben, … fing an, die Füße der Jünger zu waschen.“ Früher wurden Sklaven unter Hohn und Gelächter dazu gezwungen. Der Sohn des Höchsten, dem alle Macht gehörte, neigte sich freiwillig herab, das zu tun. Welche Gnade und welche Herablassung! Oh, Geheimnis der Gnade! Der, welcher Gott gleich war, denn Er war Gott, nahm Knechtsgestalt an.

Natürlich, der Geist der Selbstsucht ist nicht der Geist Christi, auch nicht der Geist der Sektiererei. Johannes, der damals noch vieles in der Schule Christi zu lernen hatte, sagte: „Meister, wir sahen jemand Dämonen austreiben in deinem Namen, und wir wehrten ihm, weil er dir nicht mit uns nachfolgte.“ Ist das nicht schrecklich? Sie selbst waren doch in dieser Sache machtlos gescheitert, und nun verboten sie einem anderen, das zu tun, wozu sie selbst unfähig waren. Haben wir nicht moderne Parallelen zu dieser Lieblosigkeit und Unduldsamkeit, in welcher der Eifer für unser verdorbenes „Ich“ uns leitet? Wenn das bei uns auftritt und selbst wenn wir uns täuschen und meinen, dass es der Eifer für die Ehre Christi ist, lasst uns durch die Worte unseres Herrn daran erinnert werden, dass ein sektiererischer Geist nicht der Geist Christi ist: „Wehret nicht, denn wer nicht wider euch ist, ist für euch.“ Sicher sagte Er auch: „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich“, doch es ist aber ein riesiger Unterschied zwischen seinem „Mich“ und unserem „Uns“.

Auch ist ein rachesüchtiger Geist, der nach Macht zur Ausführung des Gerichtes verlangt, nicht der Geist Christi. Jakobus und Johannes wollten die Macht, Feuer vom Himmel auf die Samariter fallen zu lassen, weil die sich weigerten, Christus in ihr Dorf aufzunehmen. Wie muss es das Herz unseres Herrn betrübt haben, der eben sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen, um dort das bedeutendste Opfer aller Zeiten zu bringen. Wie mögen aber auch seine Worte der Strenge und der Gnade die Herzen dieser beiden Brüder berührt haben: „Ihr wisset nicht, wessen Geistes ihr seid.“ Denn der Sohn des Menschen war doch nicht gekommen, das Leben der Menschen zu zerstören, sondern es zu retten. Doch kennen wir nicht selbst auch solche Situationen, wo wir nach Macht für das Gericht über andere ausschauen, aber eigentlich nur um unsere Kleinheit zu vertuschen? Lasst uns nicht nach Macht streben, sondern vielmehr nach Willigkeit, unser Alles auf den Altar zu legen und unser Ich in den Tod zu geben. „Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf täglich und folge mir nach.“

Obwohl der Geist Christi uns zur Selbstverleugnung leitet, lasst uns bedenken, dass er nicht gekommen ist, uns arm zu machen, sondern zu bereichern. „Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, auf dass sie Leben haben und es im Überfluss haben.“ Ach, dass wir den Reichtum kennen, den Er gibt, und dass das vollpulsierende und überfließende Leben unser Sein erfüllen und durchfluten möchte, so dass wir in der Tat, getränkt durch seinen Geist, vorangehen, Leben und Segnung jenen zu bringen, die im Begriff stehen, verlorenzugehen.

Der Geist der Besonnenheit

Über das Festland Europas rollen gegenwärtig zwei mächtige Wogen des Bösen. Von Russland aus dringt die Flut des Atheismus, der Gottlosigkeit westwärts, während vom Süden die größte Nachahmung des Christentums, der Romanismus, seinen scheinbaren Triumphzug verfolgt.[1] Wodurch kann nun diesen beiden mächtigen Gewalten begegnet werden? Was sollte unsere Haltung sein? Auslieferung oder Anpassung? Nein! Denn Gott hat uns nicht den Geist der Feigheit gegeben, sondern den Geist der Kraft verbunden mit Liebe und Besonnenheit. Der Christ kann die Dinge annehmen, wie sie sind, und ihnen ohne Furcht ins Angesicht schauen. Denk an die schwere Zeit in der Geschichte der Kirche, wo gerade diese Worte geschrieben wurden. Paulus, der Zeuge Christi, lag im Gefängnis, Nero saß auf dem Thron. Dieser römische Kaiser war so blutrünstig, dass er wünschte, die Köpfe aller Römer sollten alle auf nur einem Nacken sitzen, damit er sie alle mit einem Hieb abschlagen könnte. Die Nero’sche Verfolgung, in der Paulus und Petrus umkamen, wollte der jungen Kirche den Todesstoß geben. Auch die Verfolgung unter Herodes (Apg 12) hatte das gleiche Ziel. Doch der Verfolger starb von Würmern zerfressen, aber das Wort Gottes wuchs und vermehrte sich. Wieder und wieder hat der Feind während der langen Geschichte der Kirche seine Hand ausgestreckt, um die Heiligen zu beunruhigen, doch die Pforten des Hades können sie nicht überwältigen.

Es ist nicht leicht, ein Christ in irgendeinem Kreis dieses Lebens zu sein. Doch besonders schwer ist es in gebildeten und intellektuellen Kreisen, wo es Mode geworden ist, das biblische Christentum zu bespötteln, auch wenn die Gründe der Spötter fortwährend widerlegt werden. Und der Christ, der nicht verwirklicht, dass Gott ihm den Geist der Liebe und Macht gegeben hat, geht hierbei unter. Aber in der Schrift lesen wir: „So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch meiner, seines Gefangenen.“ Paulus war kein guter Genosse für Christen, die Bequemlichkeit und Anpassung lieben. Und die Christen, die Gott ehren, sind oft jene, die von den Weltmenschen und auch von den weltförmigen Christen gemieden werden. Lasst uns nicht dem Geist der Feigheit hingeben, sondern einen Geist der Besonnenheit offenbaren. Lasst uns kühn im Glauben und voller herzlicher Begeisterung sein, aber nicht unüberlegt und fanatisch. Denn Christentum ist die einzige wahrhaft gesunde Sache, die Offenbarung weiser Zurückhaltung. Lasst uns immer bedenken, welche Art des Geistes wir haben, und nie törichten, fleischlichen Eifer anstelle der gesunden und herzlichen Begeisterung setzen, die in uns durch Gottes Heiligen Geist geschaffen ist.

Der Geist der Sohnschaft

Wie schmerzlich bewegt es einen, zu sehen, wie in denen, die den Namen Christi bekennen, in weitem Maß die Tendenz vorhanden ist, zu einem Geist der Knechtschaft zurückzukehren, anstatt zu verwirklichen, dass der Christ zu dem Vorrecht der Sohnschaft berufen ist. Auf allen Seiten ist die Freiheit, die zum Teil in der Reformation wiederentdeckt worden war, verlorengegangen. Gesetzlichkeit und Ritualismus erscheinen an Orten, wo man sie zuletzt erwartet. Wie unterschiedlich davon ist der wahre christliche Geist, durch den wir erkennen, dass wir jetzt Kinder Gottes sind. Wir sind passend gemacht, mit den Worten „Abba, Vater“ auf den Lippen in die Gegenwart Gottes zu treten. Wir sind zu Gott gebracht durch das Blut dessen, der für uns auf Golgatha starb. Wir sind durch Ihn in unserem Lobpreis geleitet, durch Ihn, der des Vaters Liebe kennt und der uns den Namen des Vaters kundtut und zu uns von der Liebe redet, die alle menschlichen Gedanken weit übersteigt.

Manche mögen diese Wahrheit der Sohnschaft als Vermessenheit bezeichnen. Und in der Tat wäre diese Wahrheit nicht zu glauben, hätte Gott uns nicht durch sein Wort und seinen Geist diese Wahrheit bestätigt. Lasst uns darum feststehen in der Freiheit, für die der Christus uns freigemacht hat, und uns nicht wiederum unter ein Joch der Knechtschaft bringen. Dreimal ist im neuen Testament von dieser kostbaren Wahrheit die Rede. Aus Epheser 1 lernen wir, dass der Vater selbst uns in seinem Ratschluss von Ewigkeit her zur Sohnschaft bestimmt hat. Dann kam der Sohn, „geboren von einer Frau“, um uns zu erlösen, auf dass wir die Sohnschaft empfingen (Gal 4). Und jetzt wohnt die dritte Person der Gottheit in uns als der Geist der Sohnschaft. Welch ein Wechsel von dem Schrei in Römer 7 „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten?“ zu der herrlichen Versicherung, dass Gott uns zuvorbestimmt hat, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein.

Möchten wir Gnade finden, bis zu dem Tag, wenn die Söhne Gottes sichtbar erscheinen, den Geist Christi zu offenbaren in Aufopferung, weisen Mut mit Besonnenheit und in der Freude an unserem Vorrecht als Söhne und Erben Gottes.

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Artikel erschien 1933; heute könnte dafür Gottlosigkeit, Aberglauben und Islamismus eingesetzt werden.

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