Auf die eigenen Rechte verzichten
Nehemia 5,14-19

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 21.12.2005, aktualisiert: 08.08.2022

Leitverse: Nehemia 5,14-19

Neh 5,14-19: Von dem Tag an, als er mich bestellt hatte, um ihr Statthalter … zu sein …, habe ich mit meinen Brüdern die Speise des Statthalters nicht gegessen. Aber die früheren Statthalter … hatten das Volk beschwert und Brot und Wein von ihnen genommen, dazu vierzig Sekel Silber … Ich aber tat nicht so, aus Furcht vor Gott. Und auch am Werk dieser Mauer fasste ich mit an; … ich forderte nicht die Speise des Statthalters, denn der Dienst lastete schwer auf diesem Volk.

Das Notwendige erkennen

Im Jahr 539 v.Chr. erließ der persische König Kores einen Befehl, der es den Juden in Babylon ermöglichte, in ihre Heimat zurückzukehren und ihren Tempel wiederaufzubauen. Die Juden waren als Gefangene in Babylon, seit Nebukadnezar das jüdische Reich 586 v.Chr. erobert und den herrlichen Tempel zerstört hatte, den König Salomo in Jerusalem erbaut hatte. Nachdem Kores die Erlaubnis zur Rückkehr der Gefangenen gewährt hatte, zogen etwa fünfzigtausend Juden 538 v.Chr. in ihr Land zurück. Sie bauten den Tempel innerhalb von etwa zwanzig Jahren wieder auf, aber die Mauer rund um Jerusalem lag immer noch in Trümmern. Wir lesen im Buch Esra, dass einige Anläufe zum Wiederaufbau der Mauer schon vor Nehemias Zeit gemacht wurden, aber diese waren kraftlos und unzulänglich. Die Ereignisse im Buch Nehemia spielten sich fast hundert Jahre später ab, nachdem die erste Gruppe Juden nach Jerusalem gekommen waren.

Nehemia wohnte in Susa, einer persischen Hauptstadt, und war ein Nachkomme der Juden, die fast hundertfünfzig Jahre vorher in Gefangenschaft geführt worden waren. Er hatte eine beneidenswerte Stellung als Mundschenk Artaxerxes, des Königs von Persien, erreicht. Ein Mundschenk war kein niedriger Diener, der dem König nur die Getränke servierte; er war ein vertrauter Berater von hohem Rang und trug die Verantwortung dafür, dass die Getränke des Königs nicht vergiftet waren, was ein einfacher Weg gewesen wäre, einen unbewachten König zu beseitigen. Als Nehemia den Bericht erhielt, dass die Mauer rund um Jerusalem immer noch in Trümmern lag und die heilige Stadt für einen feindlichen Angriff völlig offen lag, war er sehr besorgt. Nach vielem Beten nahm er die Gelegenheit wahr, die der HERR ihm gegeben hatte, und fragte den König um die Erlaubnis, nach Jerusalem zurückzukehren und die Mauer der Stadt wiederaufzubauen.

Als wunderbare Antwort auf das Gebet und zum Zeichen göttlichen Eingreifens wurde ihm die Erlaubnis gewährt. Zusätzlich machte ihn der König zum Landpfleger und gab ihm Geld und Ausrüstung, um das Werk durchzuführen. Nehemia kehrte um 445 v.Chr. nach Jerusalem zurück, und nachdem er die zerstörte Mauer besichtigt hatte, ermunterte und organisierte er die ängstlichen und trägen Einwohner aufzustehen und zu bauen. Die Bewohner Jerusalems folgten dem Aufruf und in großartiger Darstellung von Unbeugsamkeit und harter Arbeit konnte das Werk des Wiederaufbaus in nur zweiundfünfzig Tagen vollbracht werden; ein erstaunliches Ergebnis. Teile der Mauer Nehemias kann man heute noch bei den Ausgrabungsstätten der alten Stadt Davids sehen.

Die Mauer bauen

Im Buch Nehemia finden wir Belehrungen für uns über den geistlichen Mauerbau. Früher schützten Mauern die Städte vor Feinden und gaben den Bewohnern Sicherheit, ihr Leben zu gestalten und ihre Familien aufzuziehen. So wie Gott die Stadt seines Tempels gut verteidigt hinter starken und sicheren Mauern wünschte, so möchte Er den Tempel des Heiligen Geistes heute von starken geistlichen Mauern umgeben und geschützt sehen. Jeder Gläubige heute ist ein Tempel des Heiligen Geistes. So sehen wir, dass geistlicher Mauerbau wichtig ist, sowohl auf persönlicher als auch auf gemeinschaftlicher Ebene (örtliche Gemeinde). Das Bauen starker geistlicher Mauern sollte einen herausragenden Platz einnehmen – für jeden Gläubigen, für christliche Familien, für örtliche Gemeinden und für die Kirche im Allgemeinen. So wie das Volk in der Zeit Nehemias sind auch heute viel zu viele Christen damit zufrieden, innerhalb zerstörter geistlicher Mauern zu wohnen.

Satan, der Feind unserer Seelen, tut selbstverständlich alles, um uns von dem Bauen starker geistlicher Mauern abzuhalten und uns mit dem Wohnen in geistlicher Unsicherheit zufriedenzustellen. Satan liebt keine Gemeinden, in denen das reine Wort Gottes sorgfältig gelehrt wird und in denen man folgsam ist und in denen man Sorge für die Herde trägt. Satan möchte keine Christen sehen, die Gottes Wort gut genug kennen, um lehrmäßige Irrtümer wahrzunehmen und zurückzuweisen und spitzfindige Verführungen zur Sünde zu erkennen und zu vermeiden. Er möchte keine vertrauensvollen Christen mit starken geistlichen Mauern sehen, die für den Glauben kämpfen und die der Versuchung widerstehen. Er möchte keine christlichen Familien sehen, wo die Kinder vor dem Bösen beschützt werden und wo das Wort Gottes beständig vorgestellt und sorgfältig gelehrt wird. All die unterschiedlichen Taktiken Satans, um unsere geistlichen Mauern einzureißen, sehen wir im Buch Nehemia in den Anstrengungen der Feinde Israels, den Fortschritt des Mauerbaus zu verhindern. Und alle Reaktionen Nehemias, den Widerstand zu überwinden, sind biblische Grundsätze, um Satans Widerstand gegen den geistlichen Mauerbau zu überwinden. Der Bau starker geistlicher Mauern ist also das Hauptthema im Buch Nehemia, und es gibt viele Belehrungen, die sich auf diesen Bereich beziehen.

Das Volk führen

Wir lernen im Buch Nehemia eine Menge über geistliches Führertum. Es ist ein großartiges Buch, um etwas von den biblischen Grundsätzen christlichen Führertums zu lernen, und diese Grundsätze sind für alle Gläubigen wichtig, nicht nur für diejenigen, die sich in einer Führungsposition befinden.

Nehemia war ein Mann der Einsicht; er sah, dass da eine Arbeit getan werden musste, und anstatt sich nach jemand anderem umzusehen, der das tun konnte, wurde er selbst aktiv und blickte auf die Kraft Gottes und auf seine Anweisungen. Jeder Christ kann Arbeiten sehen, die getan werden müssen, und kann aktiv werden, genau wie Nehemia es tat. Im Verlauf des Buches sehen wir, dass Nehemia andere führen konnte, den Willen Gottes auszuführen. Durch persönliches Beispiel, Ermunterung und Ermahnung war Nehemia in der Lage, das Volk zu motivieren, aufzustehen und die Mauer zu bauen. Deshalb ist Nehemia ein Musterbeispiel für einen geistlichen Führer, einen Gott wohlgefälligen Führer, dem das Volk willig folgte. In Nehemia 5 sehen wir einen der ersten Grundsätze für christliche Führerschaft. Ein Führer muss ständig und unter allen Bedingungen ein Beispiel geben, auch in dem Punkt, die eigenen persönlichen Rechte aufzugeben. Nehemia tat genau das.

Als Landpfleger der Provinz Juda, mit Vollmachten vom persischen König ausgestattet, hätte er von dem Volk bedeutende Steuern eintreiben und davon einen riesigen Teil für sich selbst behalten können. Außerdem hätte er als Landpfleger in Luxus leben und das Projekt des Mauerbaus leiten können, ohne sich die eigenen Hände schmutzig zu machen. Schlussendlich hätte er das Projekt so für sich manipulieren können und sich einen eigenen Namen machen können, sogar indem er in die Steine der Mauer seinen Namen als Inschrift hinterließ. All das tat Nehemia nicht. Er nahm keine Steuern, saß nicht auf seinem „Hintern“ und ließ die „Puppen tanzen“, ohne selbst an der Mauer mitzuarbeiten. Und wenn er die mehr Wohlhabenden tadelte, die selbstsüchtig die Armen übervorteilten, dann tat er es nicht, ohne die weniger von Glück Bedachten selbstlos zu versorgen, und zwar aus eigener Tasche. Nehemia verleugnete seine eigenen Rechte, weil es nicht sein Bestreben war, sich einen eigenen Namen zu machen, sondern Gott zu verherrlichen. Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass Gott ihn gebrauchen konnte.

Gott verherrlichen

Wir können Gott ebenfalls verherrlichen, indem wir vielleicht „noch eine Meile“ laufen und auf unsere persönlichen Rechte verzichten. Wir haben kaum die Wahl, als auf unsere eigenen Rechte zu verzichten, wenn wir uns in einer untergeordneten Position befinden und uns nicht in selbstsüchtiger Weise einen Vorteil aus der Situation verschaffen können, sogar dann nicht, wenn wir es wollten. Aber wir verherrlichen Gott, wenn wir in einer starken und mächtigen Position sind, in der wir uns auf Kosten anderer leicht einen Vorteil zum Gewinn oder zum Prestige verschaffen könnten, wir uns aber doch dafür entscheiden, unsere eigenen Interessen zum Wohl für die Sache des Reiches Gottes zurückzustellen. Der Verzicht auf unsere Rechte mag uns Stellung, Zeit und Geld kosten und kommt bei denen, denen wir helfen wollen, nicht einmal gut an. Erwarte keinen Dank von den Menschen und nicht einmal eine Belohnung in diesem Leben. Es ist sicher schön, wenn uns solche Dinge begegnen, aber meistens passiert es nicht. Es ist wie die Hoffnung auf einen jährlichen Bonus, „vielleicht nächstes Jahr“. Wir sollten das tun, was Nehemia am Ende von Kapitel 5 tat, was wir am Anfang dieses Artikels zitiert haben; wir sollten Dank oder Belohnung in die Hand des Herrn legen: „Gedenke mir, mein Gott, zum Guten alles, was ich für dieses Volk getan habe!“ (Neh 5,19).

Eigene Rechte verleugnen, ist nicht nur der biblische Grundsatz, den christliche Führer verwirklichen können, sondern ein Prinzip für alle Gläubigen. Die meisten von uns haben viel weniger aufzugeben als Nehemia, als er auf seine persönlichen Rechte verzichtete, um Gott und seinem Volk zu dienen. Der Herr erwartet von uns, dass wir in allen Bereichen unseres Lebens auf unsere Rechte verzichten. Wir sollten Philipper 2,3-5 lesen (s.u.) und uns selbst einige Fragen stellen. Verherrliche ich Gott, wenn ich mich nur in Bezug auf die Interessen der anderen in der Gemeinde verleugne, aber zum Beispiel zu Hause selbstsüchtig und fordernd bin? Wie viel Ehre erhält Gott, wenn ich diene und andere in der Gemeinde den Vorrang gebe, mich aber nicht für die Interessen meiner Mitarbeiter oder auch der eigenen Familienmitglieder verleugne? Auf unsere Rechte zu Hause zu verzichten, ist vielleicht das Schwerste von allem, weil dort alle Masken fallen und es dort am leichtesten ist, andere zu treiben und unsere Rechte zu fordern. Wir sollen die anderen in allen Bereichen unseres Lebens mit Liebe und Respekt behandeln.

Natürlich ist das hervorragendste Beispiel im Verzicht auf eigene Rechte der Herr Jesus. Lies Philipper 2,5-11 und denk darüber nach, wie viel Er aufgab, als Er auf seine persönlichen Rechte verzichtete, um Mensch zu werden und die Strafe für meine und deine Sünden auf sich zu nehmen. Als seine Nachfolger sollten wir aktiv arbeiten und seine menschlichen Eigenschaften im Dienst für andere weiterentwickeln. Wir sollten bereit sein, unsere eigenen Rechte, unsere winzigen Vergünstigungen und unsere selbstsüchtigen Ambitionen beiseitezulegen, dafür aber bereit sein, anderen in allen Bereichen zu dienen.

Lasst uns auf unsere Rechte verzichten und Gott verherrlichen!

„Tut nichts aus Parteisucht und eitlem Ruhm, sondern in Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst, ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen, denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war“ (Phil 2,3-5).


Originaltitel: „Denying Our Rights“ 
Quelle: www.growingchristians.org

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