Lektionen für die Nachfolge
1. Könige 13

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 01.01.2001, aktualisiert: 22.04.2022

Leitverse: 1. Könige 13

Willst du einmal eine richtig verwirrende Geschichte in der Bibel lesen? Dann lies die Geschichte von den zwei Propheten in 1. Könige 13! Es gibt wohl kaum einen Christen, der 1. Könige 13 zum ersten Mal liest (oder auch zum x-ten Mal) und sich nicht verwundert fragt: Was ist hier los? Gott lässt es zu, dass sein mutiger und gehorsamer junger Prophet von einem alten Propheten überrumpelt und am Ende von einem Löwen getötet wird – scheint das nicht irgendwie ungerecht zu sein? Die „andächtigen“ Gefühle, die beim Lesen anderer Kapitel der Bibel ganz natürlich aufsteigen, werden verdrängt von Fragen und dem Gefühl der Enttäuschung, wenn wir diese ungewöhnliche biblische Erzählung lesen! Bevor wir versuchen, den Knoten der Geschichte zu entwirren und einige Unterweisungen für heute daraus zu gewinnen, wollen wir einen Blick auf den historischen Hintergrund dieses verblüffenden Ereignisses werfen.

Eine wahre Geschichte

Ungefähr im Jahr 931 v.Chr. spaltete sich Israel in zwei getrennte Königreiche auf. Hundertzwanzig Jahre lang hatte ein einiges Israel unter den Regierungen Sauls, Davids und Salomons an Reichtum, Macht und Glanz zugenommen. Nach dem Tod König Salomos führten wirtschaftliche und politische Faktoren jedoch zum Zusammenbruch des vereinten Königreichs, und zwei getrennte Königreiche entstanden. Rehabeam, der Sohn Salomos, wurde der König des Südreiches, das Juda genannt wurde und Jerusalem und Gottes Tempel umschloss. Jerobeam I., der nicht aus der königlichen Linie Davids stammte, wurde der erste König des Nordreiches Israel. Um seine Position im Nordreich zu stärken, richtete König Jerobeam sein eigenes Gottesdienstsystem ein, indem er zwei Götzenaltäre mit den Standbildern goldener Kälber aufstellen ließ! (Lies 1. Könige 12.) Der eine Altar wurde in Dan aufgerichtet, im Norden des Reiches; der andere wurde strategisch geschickt in Bethel platziert, an der Grenze zum judäischen Südreich. Bewohner des Nordreiches, die nach Süden reisten, um im Tempel in Jerusalem anzubeten, würden sich so möglicherweise verlocken lassen, in Bethel einen Zwischenstopp einzulegen, um die neue Form der „Anbetung“ auszuprobieren. Da ja Gottes wahre Priester im Tempel in Jerusalem dienten und in Juda lebten, rekrutierte Jerobeam darüber hinaus seine eigene Priesterschaft aus seinem eigenen Volk. Diese unrechtmäßigen „Priester“ waren nicht aus dem Stamm Levi. Außerdem legte König Jerobeam seine eigenen religiösen Feiertage fest. Aufgrund all dieser bösen Handlungen ist Jerobeam in der Heiligen Schrift bekannt als der König, „der Israel sündigen gemacht hat“ (1Kön 14,16; 15,30.34).

Bald nachdem König Jerobeams sündiges religiöses System aufgerichtet war, sandte Gott einen jungen Propheten aus Juda nach Bethel im Norden, der Gericht über die götzendienerische Form der Anbetung ausrufen sollte. Der Prophet kam eben in dem Augenblick an, als der König Weihrauch auf dem falschen Altar des goldenen Kalbes opferte! Mit bemerkenswerter Genauigkeit sagte er voraus, dass ein zukünftiger König, ein Nachkomme Davids mit Namen Josia, die Gebeine der falschen Priester Jerobeams auf diesem Götzenaltar verbrennen würde. Und tatsächlich breitete sich 300 Jahre später die Reform des guten Königs Josia nach Norden aus und der Götzenaltar bei Bethel wurde niedergerissen. 2. Könige 23,15.16 beschreibt, wie die Gerichtsprophezeiung in Erfüllung ging, genau wie der Prophet aus Juda vorausgesagt hatte.

Um die Autorität der Prophezeiung zu untermauern, veranlasste Gott den Propheten, dem König ein spontanes Wunderzeichen zu geben. Der Altar spaltete sich in zwei Teile, und die Fettasche und der Weihrauch wurden verstreut! Als Jerobeam versuchte, den Propheten festnehmen zu lassen, wurden seine ausgestreckte Hand und sein Arm steif und gelähmt. Nachdem Gott in seiner Gnade die Hand des Königs wiederhergestellt hatte, lud Jerobeam den Propheten ein, mit ihm nach Hause zu kommen, um sich ein wenig zu stärken, bevor er wieder zurück nach Juda gehen würde. Obwohl dem Propheten sogar ein Geschenk angeboten wurde, lehnte er es ab, sich zu bereichern oder sich durch den verdorbenen König unterhalten zu lassen. Gott hatte seinen Propheten ausdrücklich angewiesen, nicht zu verweilen oder irgendwie von seinem Auftrag abzuweichen, sondern direkt nach Hause zurückzukehren. Ein alter Prophet jedoch, der in der Gegend um Bethel lebte, hatte von den Geschehnissen des Tages gehört; er jagte dem Propheten aus Juda nach und lud ihn ein, mit ihm in sein Haus zu kommen, um ein wenig zu essen und die Gemeinschaft zu genießen. Da Gott ihm aber ja ausdrückliche Anweisungen für seinen Auftrag gegeben hatte, lehnte der Prophet aus Juda die Einladung ab. Aber als der alte Prophet darauf bestand, gab der Jüngere schließlich nach und kehrte mit ihm um. Der alte Prophet behauptete, der Herr selbst habe ihn beauftragt, den jüngeren Propheten mit nach Hause zu nehmen; die Schrift weist aber sorgfältig darauf hin, dass der ältere Prophet log.

An dieser Stelle erhält die Geschichte von den zwei Propheten eine unerwartete Wendung. Während der Mahlzeit „geschah das Wort des Herrn“ zu dem älteren Propheten, so dass er den Ungehorsam des jüngeren Propheten anklagte. Als Folge seines Ungehorsams wurde der jüngere Prophet auf dem Weg heim nach Jerusalem von einem Löwen getötet! Der Löwe verschlang weder den Mann noch tötete er dessen Esel; vielmehr blieb er wie eine Wache über seinem Leichnam stehen, was für jedermann ein deutliches Zeichen dafür war, dass es sich hier nicht um einen „unglücklichen Unfall“ oder das natürliche Verhalten eines hungrigen Raubtiers handelte! Als der alte Prophet von dem Geschick des jungen Propheten hörte, brachte er den Leichnam in Sicherheit, beweinte den Propheten aus Juda und gab ihm ein ehrenvolles Begräbnis in seinem eigenen Grab. Weiterhin bekräftigte er, die Voraussage des jüngeren Propheten werde eintreffen. Seine Söhne bat er, sie möchten ihn, wenn er sterben würde, neben dem Propheten aus Juda bestatten.

Aus Römer 15,4 wissen wir, dass die Geschichte von den zwei Propheten „zu unserer Belehrung geschrieben“ ist. Wie können wir diese ungewöhnliche Geschichte auf uns anwenden? Wir wollen drei unmissverständliche Lektionen betrachten.

Die Lektion für Ungläubige

Die Lektion für Ungläubige ist recht offensichtlich und eindeutig. Wenn der Herr dir die Chance gibt, deine Wege zu ändern und in eine gesunde Beziehung zu Ihm einzutreten, dann lass die gute Gelegenheit nicht verstreichen! In 1. Könige 11,38 lesen wir, dass Gott König Jerobeam eine gute Gelegenheit gab, bevor er an die Macht kam. Der Herr sagte ihm durch den Propheten Achija: „Und es wird geschehen, wenn du hören wirst auf alles, was ich dir gebiete, und auf meinen Wegen wandeln wirst und tun wirst was recht ist in meinen Augen, indem du meine Satzungen und meine Gebote beobachtest, wie mein Knecht David getan hat, so werde ich mit dir sein.“ Aber Jerobeam beachtete diese Botschaft des Herrn nicht, ja, er trotzte Gott und beleidigte Ihn, indem er sein eigenes falsches Gottesdienstsystem erfand!

In seiner Gnade gab der Herr Jerobeam noch eine zweite Gelegenheit, Buße zu tun, sich von seinen bösen Wegen abzuwenden und seine Herzenseinstellung und seine Handlungsweisen zu korrigieren. Der Herr sandte den jungen Propheten aus Juda, damit dieser Jerobeam gegenübertreten sollte. Der Auftrag war zeitlich genau so geplant, dass König Jerobeam das Wort des Herrn unmittelbar hörte. Nachdem seine Hand und sein Arm in der Gegenwart des machtlosen „Gottes“, den er geschaffen hatte, plötzlich gelähmt waren, konnte Jerobeam nicht mehr leugnen, dass dieser Prophet von dem wahren und allmächtigen Gott kam. Und als seine verdorrte Hand und sein Arm vollständig geheilt waren, wusste Jerobeam, dass Gott ihm Gnade erwiesen hatte. Was für eine gute Gelegenheit für Jerobeam, seine Schuld zu bekennen, das falsche Gottesdienstsystem zu widerrufen, sein Herz dem Herrn zu übergeben und das Nordreich Israels wieder Gott zuzuwenden! Aber König Jerobeam I. ließ diese Gelegenheit verstreichen.

Und du? Vielleicht bist du ein skeptischer Bibelleser oder du kannst einfach nicht glauben, dass es wirklich einen Gott gibt, vor dem wir uns alle verantworten müssen. Vielleicht denkst du, der Gott der Bibel sei irgendwie unfair oder ungerecht. Wie viele Gelegenheiten hat Gott dir schon gegeben, deine Wege zu ändern und ihn und seine Ansprüche an dein Leben anzuerkennen? Vielleicht bist du ein religiöser Mensch. Das war Jerobeam auch! Aber er hatte einen Gott „nach seinem eigenen Bild“ geschaffen. Ist das auch dein Problem? Vielleicht hast du den wahren Gott verlassen und dich einer weniger anspruchsvollen „religiösen Erfahrung“ zugewandt. Vielleicht glaubst du, Gott zu gehorchen, aber in Wirklichkeit hast du die Bibel in Stücke geschnitten und nach deinem Geschmack wieder zusammengeleimt, um dir einen „Gott“ zu schaffen, der besser in deine bevorzugte Lebensweise und Weltanschauung passt als der wahre Gott der Bibel. Warum gestehst du dir nicht die Möglichkeit ein, dass du falschliegst? Nimm die Gelegenheit wahr, die Gott dir anbietet, und tue jetzt gleich Buße! Wende dich zu Ihm, bevor es zu spät ist!

Die Lektion für ältere Christen

In der Geschichte von den zwei Propheten war der ältere Prophet höchst wahrscheinlich einer, der an den wahren Gott glaubte, und nicht direkt ein Teil von Jerobeams falschem Gottesdienstsystem. Aber anstatt sich Ärger einzuhandeln, indem er öffentlich gegen König Jerobeam I. gesprochen hätte oder in den Süden nach Juda umgesiedelt wäre, wie andere es getan hatten, blieb er in Bethel und hielt sein Ansehen als „pensionierter Prophet“ aufrecht. Anstatt Jerobeam gründlich bloßzustellen, passte er sich dem System an, weil er dabei Vorteile für sich sah. Vielleicht war er so wie einer der siebentausend verborgenen Gläubigen, die in den Tagen Elias in dem götzendienerischen Nordreich von Israel wohnten (s. 1Kön 19,18). Aber als der junge Prophet aus Juda mutig den König und sein falsches Gottesdienstsystem anklagte, wurde der ältere Prophet plötzlich aktiv. Leider wurde diese Aktivität nicht in die richtige Richtung gelenkt. Vielleicht war der ältere Prophet verstimmt, weil Gott ihn auf ein Nebengleis gestellt hatte – obwohl ja seine passive Lebensweise und sein Mangel an Hingabe ihn als Boten für Gott unbrauchbar gemacht hatten. Vielleicht hatte er eine übertrieben hohe Meinung von seiner Bedeutung als Prophet im Gebiet von Bethel. Vielleicht war er neidisch auf die Jugend des Propheten von Juda. Wie auch immer die Situation war, der ältere Prophet belog den jüngeren Propheten. Er verführte ihn und überredete ihn, Gottes Willen ungehorsam zu sein.

Was für eine Lektion für ältere Christen heutzutage! Ältere und reife Christen sind verantwortlich, jüngere Gläubige zu ermutigen, dem Willen des Herrn für ihr Leben zu folgen. Manchmal aber kann falsche Anleitung durch ältere Christen jüngere Gläubige auf einen falschen Weg führen oder sie zum Schlechten beeinflussen. Dies ist eine schlimme Sünde, denn es kann zur Folge haben, dass jüngere Gläubige den Ruf des Herrn für ihr Leben verpassen! Manchmal mag das Problem darin bestehen, dass der ältere Christ wohl eine aufrichtige Gesinnung hat, aber mit seinem Ratschlag einfach irrt; aber manchmal wurzelt die falsche Anleitung in Neid. Manchmal ist die Ursache Enttäuschung oder Verbitterung darüber, dass der Herr einen jüngeren Christen mit einer Aufgabe betraut und den älteren Christen übergangen hat – obwohl doch der ältere Christ für die Aufgabe geistlich ungeeignet geworden ist. Manchmal verhindern ältere Christen die Leitung des Herrn und den guten Eifer in der jüngeren Generation, weil sie fürchten, dass ihr eigenes Ansehen oder ihre Macht oder Einfluss in der örtlichen Gemeinde geschwächt werden!

Bist du ein „älterer“, reiferer Christ? Gott hat dich dazu bestimmt, über jüngere Gläubige zu wachen und sie anzuleiten. Sei sehr vorsichtig, dass du nicht Gottes Anweisung und Berufung im Leben eines jüngeren Christen behinderst oder durchkreuzt! Es ist möglich, dass ein begabter und geistlicher junger Gläubiger durch den falschen Rat eines älteren Christen vom Willen Gottes abgelenkt wird. Suche ernsthaft die Führung des Heiligen Geistes, wenn ein jüngerer Christ dich um Rat fragt! Schüttle nicht zu schnell einen Rat aus dem Ärmel in Angelegenheiten, deren Folgen ein jüngerer Gläubiger für den Rest seines Lebens zu tragen hat! Prüfe vor dem Herrn die Aufrichtigkeit deiner Beweggründe. Verschaffe dir Sicherheit darüber, dass deine Ratschläge biblisch und angemessen sind. Bedenke, dass der Dienst eines jüngeren Christen von deinem reifen, weisen und biblischen Rat abhängen kann!

Die Lektion für jüngere Christen

Dies ist die schwierigste Lektion von allen – nicht weil die Lektion so schwierig einzusehen wäre, sondern weil es echte geistliche Feinfühligkeit erfordert, den Willen Gottes gut zu erkennen. Jüngere Christen müssen zuerst und vor allem lernen, dem Willen des Herrn für ihr Leben – und nicht dem Willen anderer! – zu gehorchen. Führung durch den Herrn geschieht auf verschiedene Weise, unter anderem durch den Rat älterer Christen. Aber wie wir gesehen haben, ist es auch möglich, dass ältere Christen eine Führung geben, die aussieht, als käme sie vom Herrn, obwohl sie nicht von dem Herrn ist.

Wenn du ein jüngerer Christ bist, hüte dich vor dem Rat eines älteren Christen, der sagt: Der Herr hat mir gesagt, was du tun oder nicht tun sollst! – Diese Art von Ratschlag könnte ein gutgemeinter Irrtum sein; es könnte aber auch eine Verführung sein. Sei absolut wachsam, wenn irgendein Christ versucht, dir eine Anweisung zu geben mit den Worten „Der Herr hat mir gesagt …“! Der beste Rat für alle Gläubigen ist: Finde heraus, was du glaubst, was der Herr von dir verlangt; dann lass den Herrn seinen Willen auf verschiedene Weise bestätigen, auch durch den Rat vieler Gläubiger! Wähle sorgfältig die älteren Gläubigen (Mehrzahl!) aus, die du um Rat fragst! Vergewissere dich, dass diese Gläubigen ein Leben führen, das den Herrn ehrt, und dass sie eine gute Kenntnis des Wortes Gottes haben!

Die Geschichte von den zwei Propheten ist nicht leicht zu verstehen. Dennoch können wir auch diesen Teil von Gottes Wort schätzen lernen, wenn wir uns ein wenig hineinvertiefen. Wie die gesamte Schrift, so enthält auch die Geschichte von den zwei Propheten wertvolle Lektionen für uns heutige Menschen.


Originaltitel: „A Tale of Two Prophets“
Quelle: www.growingchristians.org

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