Was ist die Sünde zum Tod?
1. Johannes 5,16 – mit Gedanken von W. Kelly

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Leitvers: 1. Johannes 5,17

Frage

Was ist die „Sünde zum Tod“ (1Joh 5,16)?
anonym

1Joh 5,16: Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tod, so wird er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tod; nicht für diese sage ich, dass er bitten {o. Fürbitte tun; ein anderes Wort als vorher} solle.

Antwort

Natürlich führt jede Sünde letztendlich zum Tod, denn der „Lohn der Sünde ist der Tod“. Aber in der angeführten Stelle geht es nicht darum, dass der Tod die natürliche Folge der Sünde ist, sondern darum, dass eine bestimmte Sünde unmittelbar mit dem Tod bestraft wird. Der Tod ist hier als Züchtigung zu verstehen. Manche mögen an ganz bestimmte Sünden (z.B. Mord, Ehebruch, Selbstmord usw.) denken, aber wir glauben, dass es hier nicht um eine bestimmte Sünde geht, sondern dass es prinzipiell Sünden zum Tod gibt. Andere haben diese Stelle damit zu erklären versucht, dass es hier um einen Abgefallenen geht, der, nachdem er das Christentum kennengelernt hat und auch eine Zeit mitgegangen ist, wieder abfällt und Christus verwirft – was tatsächlich auch in der Zeit des Johannes, als die Gnostiker unter anderem die Menschheit des Herrn leugneten, nicht selten war. Allerdings geht es in der angeführten Stelle ja um einen „Bruder“ und nicht um einen Abgefallenen, der vielleicht äußerlich dabei war, aber nie wirklich eine Wiedergeburt erlebt hat.

Allerdings neigen wir dazu, diese schwierige Stelle wie folgt auszulegen; wir zitieren dazu aus einer Betrachtung über die Johannesbriefe von William Kelly:

In den Versen 16 und 17 [1Joh 5,16.17] befasst sich der Apostel mit der heiklen Frage, ob unsere Bitte vor Gott wohlgefällig ist oder nicht vor Ihn gebracht werden sollte. „Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so wird er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; nicht für diese sage ich, dass er bitten solle. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde; und es gibt Sünde, die nicht zum Tode ist.“ Diese Stelle bereitet oft Schwierigkeiten, weil man mit Vorurteilen an sie herangeht und übersieht, dass Gott auch mit den Seinen Seine Regierungswege geht. Es handelt sich um die Frage, die schon im Buch Hiob erörtert wird und bei deren Behandlung die drei Freunde Hiobs so offenbar versagten. Das Neue Testament spricht ganz klar darüber in Johannes 15,1-10; 1. Korinther 11,27-32; Hebräer 12,5-11 und 1. Petrus 1,17 und an anderen Stellen, wie auch hier. Es handelt sich keineswegs um den „zweiten Tod“, sondern um einen Gläubigen, der wegen der Schwere oder den Umständen seiner Sünde aus dieser Welt weggenommen wird. Gott ahndet seine Sünde mit dem leiblichen Tod. Dabei kann es sich, wie wir aus dem Alten Testament ersehen, um Gläubige handeln, die mit hohen Ehren ausgestattet waren, wie Mose und Aaron, die den HERRN in Kades sehr erzürnt hatten (4Mo 20). Das Gericht kann auch unmittelbar ausgeführt werden, wie wir es bei Ananias und Sapphira finden (Apg 5). Der Grundsatz wird den Korinthern durch den Apostel Paulus in seinem Brief erläutert (1Kor 11); viele von ihnen waren nicht nur krank und schwach, sondern auch ein gut Teil war entschlafen. Es heißt dort: „Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht mit der Welt verurteilt werden.“ Die Korinther waren also in verschiedenen Schweregraden gezüchtigt worden, dabei war auch die „Sünde zum Tode“ bestraft worden. Der Herr züchtigt Seine irrenden Heiligen, jedoch ausdrücklich zu dem Zweck, dass sie nicht wie die Welt zum zweiten Tode verdammt werden müssen.

Es wäre also durchaus nicht nach den Gedanken des Herrn, für die Erhaltung des irdischen Lebens eines Bruders zu bitten, den der Herr wegen seiner Sünde durch den leiblichen Tod züchtigen wollte. Die Welt tut nichts anderes als sündigen, sie verwirft den Herrn; sie wird daher für den schrecklichen zweiten Tod, für das ewige Gericht, aufbewahrt. Wollte man diesen Gedanken aber in unsere obigen Verse hineinlegen, so würde man die geistliche Belehrung dieser Stelle nur verwirren. Andererseits zeigen diese Verse aber auch die Gnade, in der Gott Sich herablässt, unsere Freimütigkeit in Seiner Gegenwart uneingeschränkt zu erhalten und uns nur vor einem Irrtum zu bewahren, dem wir sonst verfallen würden.

Eine Lüge ist, besonders bei einem Christen, eine schwere Sünde. Von Anfang an ist diese Sünde aber häufig begangen worden, ohne den Tod nach sich zu ziehen. Durch das Herniederkommen des Heiligen Geistes und die reiche Wirksamkeit der Gnade und Macht in jenen Tagen war eine Lüge aber in Gottes Augen eine besonders schwere Sünde. Auch machten die Heuchelei und vorsätzliche Vereinbarung jener Ehegatten, die beide die ernste Beschuldigung des Petrus ableugneten, diesen Fall so schwerwiegend, dass eine offenbare Sünde zum Tode vorlag (Apg 5). Diese Lüge konnte umso weniger geduldet werden, als Gott gerade Seine wunderbaren Segnungen zur Verherrlichung Seines Sohnes austeilte. Wie verwerflich war es da, ein Maß an Ergebenheit vorzutäuschen, das gar nicht vorhanden war! Das gleiche gilt für Korinth, wo außerdem das Mahl des Herrn durch den schlechten Lebenswandel der Gläubigen entehrt wurde (1Kor 11).

Das erinnert mich an einen bemerkenswerten Fall, den ich vor Jahren selbst erlebte. Ein Bruder, der sich offenbar bei bester leiblicher Gesundheit befand, wurde plötzlich aufs Krankenlager gelegt. Ich besuchte ihn daraufhin. Da er Mediziner war, konnte er seinen eigenen Zustand sicher besser beurteilen als andere. Er erklärte mir ganz ruhig, jedoch nicht ohne tiefen Ernst und Ergriffenheit, dass er bald sterben werde. Es waren keinerlei Anzeichen einer Krankheit vorhanden, auch vermochte er selbst nicht zu sagen, was ihm fehlte. Trotzdem war er völlig überzeugt, dass seine letzte Stunde auf Erden nahe. Er fügte hinzu: „Ich habe eine Sünde zum Tode begangen“, und vertraute mir dann an, um was es sich handle. Er hatte kein Verlangen weiterzuleben; weder betete er selbst darum noch bat er mich, für ihn zu beten. Er beugte sich unter die Züchtigung des Herrn; es schmerzte ihn nur, dass seine Sünde sie verursacht hatte. Doch war er ganz zufrieden abzuscheiden, um beim Herrn zu sein. Er ist dann auch tatsächlich entschlafen. Er anerkannte die gerechte Handlungsweise des Herrn und starb ohne jeden Zweifel über seine Annahme bei dem Herrn.

Es handelt sich hier zweifellos um ein ernstes Mittel, das der Herr anwendet; es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, dass Er nur zu gewissen Zeiten zu einem solchen Zuchtmittel greift. Worin besteht aber der große Unterschied hinsichtlich der Folgen einer Sünde? Nicht die Ungeheuerlichkeit der Sünde an sich ist ausschlaggebend; es geht um die besonderen Umstände, unter denen sie begangen wird, die sie so abscheulich in Gottes Augen macht. Diesen Unterschied zu erkennen, erfordert geistliche Einsicht bei dem Betreffenden, der in einem solchen Fall selber keine Fürbitte wünschen und auch keinerlei Verlangen haben wird weiterzuleben. In dem erwähnten Fall wusste der Bruder, dass Fürbitte nicht am Platz gewesen wäre. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass für ihn diesbezüglich gebetet worden wäre; er starb tatsächlich innerhalb kurzer Zeit. Unter normalen Umständen ist die Fürbitte ja gerade das, wozu wir aufgefordert werden. Unser Mitgefühl wendet sich den Kranken zu; wir möchten sie gerne noch länger bei uns behalten. Es erfreut uns, ihre christliche Einstellung wahrzunehmen, die Erprobung ihres Glaubens auf die eine oder andere Weise und ihre Geduld in der Prüfung zu sehen. Das dient dann zu unserer eigenen Förderung.

„Es gibt Sünde zum Tod“, so heißt es richtig, nicht: „eine Sünde zum Tod“ [wie manche das griechische Substantiv ohne Artikel übersetzen, Anm. d. Üb.]. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde. Jede Tat, die nicht mit unserer Stellung in Christus übereinstimmt, ist Sünde; denn wir sind hiergelassen, um den Willen Gottes zu tun. Doch nur die besonderen Umstände, die sie im privaten oder öffentlichen Bereich zu einer groben Beleidigung Gottes machen, können sie eine „Sünde zum Tod“ werden lassen. Im Allgemeinen ist sie dieses nicht.[1]

Herzliche Grüße
die SoundWords-Redaktion

Anmerkungen

[1] W. Kelly, Was von Anfang war. Eine Auslegung der Johannesbriefe, Schwelm (Heijkoop) 1982, S. 424–426.

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