Leitvers: 1. Thessalonicher 4,3
1Thes 4,3: Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit.
Einleitung
In einem früheren Artikel („Was bedeutet Heiligkeit?“) haben wir uns in erster Linie mit der Heiligkeit Gottes beschäftigt. Wir haben dabei gesehen, dass Heiligkeit auf Gottes Seite nicht in erster Linie darin besteht, dass Er abgesondert vom Bösen ist – was natürlich auch stimmt –, sondern dass Gott genauso heilig in seiner Liebe und in seinem Erbarmen ist, wie Er auch heilig in seiner Gerechtigkeit und seinem Gericht ist. Wenn es aber um die Seite des Menschen geht, dann steht die Heiligkeit besonders mit der persönlichen Absonderung vom Bösen in Verbindung.
Falsche Vorstellungen über Heiligkeit
Manche meinen, Heiligkeit bedeute, einen Regelkatalog mit vielen Punkten zu erledigen, und wenn ich dann diese Dinge „gut drauf habe“, es gut stehe mit meiner Heiligkeit. Manche denken bei dem Wort Heiligkeit gleich an endlose Regeln, lange Röcke sowie an Kleidung, die seit zwanzig Jahren aus der Mode ist. Manche verbinden das Wort Heiligkeit mit einer besonderen Form geistlichen Hochmuts. Und viele haben von Gott so eine Vorstellung, dass, wenn man als Christ Freude und Spaß hat, Er von einem himmlischen Balkon herunterruft: „Hört endlich auf damit!“ Andere wiederum meinen, dass man, um heilig zu werden (oder gesprochen zu werden!), erst tot sein müsse. Damit aber noch nicht genug: Man müsse auch noch viele Jahre tot sein.
Das alles hat mit Heiligkeit aber überhaupt nichts zu tun und zeigt nur, wie das Christentum darin versagt, den Menschen wahre Heiligkeit vorzuleben – und wie wir auch oftmals darin versagt haben. Wir werden den Begriff Heiligkeit in der Folge in dem Sinne gebrauchen, dass damit in erster Linie das Abstehen von der Sünde gemeint ist. Wenn Paulus in 1. Thessalonicher 4,3 schreibt: „Dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit“, dann fügt er hinzu: „dass ihr euch von der Hurerei enthaltet“. Auch steht in Epheser 5,3: „Hurerei aber und alle Unreinigkeit oder Habsucht werde nicht einmal unter euch genannt, gleichwie es Heiligen geziemt.“ In 1. Korinther 6,9.10 werden viele Formen der Sünde aufgezählt und dann heißt es in Vers 11: „Und solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt.“ Unserer Heiligkeit steht ein Leben in der Sünde gegenüber.
Bevor wir uns nun mit dem eigentlichen Thema beschäftigen, was praktische Heiligkeit bedeutet und welche Verhinderungen es dafür geben kann, wollen und müssen wir klären, dass es auch eine Seite der persönlichen Heiligkeit gibt, die nichts mit unserem praktischen Wandel zu tun hat. Sie betrifft mehr unsere Position, die wir vor Gott nach unserer Bekehrung eingenommen haben.
Wenn wir uns zu Christus als unserem Erlöser gewandt haben und Ihn als Herrn in unserem Leben angenommen haben, dann sind wir Heilige und Geliebte, unabhängig von unserem praktischen Wandel (z.B. 1Kor 1,2; 6,11). Wie wir ja alle wissen, führten die Korinther alles andere als ein heiliges Leben. Sie waren fleischlich, denn es waren Streitereien und Parteisucht unter ihnen, sie duldeten Hurerei unter sich, sie hatten Probleme mit dem Götzendienst, sie waren unfreigiebig und sie gingen vor weltliche Gerichte. Wir fragen uns: Sehen so Heilige aus? Nun, lesen wir 1. Korinther 1,2: „der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen“. Außerdem heißt es in 1. Korinther 6,11: „Und solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.“ Obwohl also diese Probleme in Korinth gegenwärtig waren, spricht Paulus die Korinther als „Geheiligte in Christus Jesus“ an. Das ist die gewaltige Position, in der wir vor Gott stehen!
Das ist also die Grundlage, die wir immer im Hinterkopf halten müssen, wenn wir uns nun mit dem Thema praktischer Heiligkeit und deren Hindernissen beschäftigen. Diese beiden Seiten – die Position als Heiliger vor Gott und unsere praktische Heiligkeit in unserem Wandel – bergen zwei Gefahren in sich.
Zwei Gefahren
Auf der einen Seite gibt es Christen – sie legen viel Wert auf praktische Heiligkeit, kennen aber kaum ihre heilige Position vor Gott –, die ständig in der Ungewissheit leben, ob sie wirklich am Ende vom Herrn angenommen werden, weil sie immer wieder ihre eigene Unvollkommenheit erkennen. Denn weil sie ihre Position als Geheiligte vor Gott nie erkannt haben, haben sie nie Heilsgewissheit, was sehr bedauerlich ist. Und in die andere Gefahr fallen Christen, die sich so sehr in ihrer Position als Geheiligte (siehe oben!) sonnen und ihres scheinbaren Heiles so sehr sicher sind, dass sie überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass, wenn ihr Leben von Unheiligkeit geprägt ist, eventuell etwas mit ihnen überhaupt nicht stimmt – schließlich hat man ihnen schon von Kindheit an eingeschärft, dass wir Kinder Gottes sind und unser Heil nicht verlieren können (was übrigens auch stimmt, wenn eine echte Bekehrung da war!). Wenn man mich fragen würde, welche dieser beiden Gefahren die weniger schlimme ist, würde ich mich unbedingt für die erste Gefahr entscheiden. Denn diese Christen, so sehr sie auch zu bedauern sind, führen doch in der Regel ein hingegebenes Christenleben. Wobei in der zweiten Gruppe sicherlich etliche schwarze Schafe vorhanden sind, also solche, die tatsächlich gar keine Heilige sein können, weil sie keinen rettenden Glauben besitzen. Und darf ich das auch mal nebenbei erwähnen: In den meisten Gemeinden gibt es solche schwarze Schafe oder sogenannte Karteileichen.
Lieber Leser, bist du solch ein Mitläufer? Nein? Dann lass dir vom Herrn die Augen dafür öffnen, damit wir andere, die seelenruhig dem ewigen Verderben entgegenlaufen, auf ihren verhängnisvollen Irrtum hinweisen. Aber vielleicht sollten wir auch gar nicht wählen, welche Gefahr nun die weniger schlimme ist. Wir sollten zu dem biblischen Vorbild von Heiligkeit zurückkehren.
Wenn wir wirklich nun „Geheiligte“ sind – das heißt solche, die sich in Glauben und Vertrauen auf das vollbrachte Werk des Erlösers stützen, dann wird sich das auch auf unser praktisches Leben auswirken. Zumindest würde das einem normalen Christsein entsprechen. Wir werden zwar nicht vollkommen sein, aber unser Leben wird durchzogen und geprägt sein von dem Wunsch, unserem Herrn zu gefallen. Die Frage ist nur, was uns als überzeugter Christ bei diesem Streben nach praktischer Heiligkeit helfen und was uns dabei verhindern kann. Eine falsche Vorstellung von Heiligkeit (siehe oben) kann uns durchaus im Weg stehen.
1. Hindernis: Das Fehlen einer Willensentscheidung
Das Streben nach praktischer Heiligkeit setzt eine Willensentscheidung in unseren Herzen unsererseits unbedingt voraus. Wir können uns nicht einfach in den Lehnstuhl setzen und warten, bis Gott uns mehr praktische Heiligkeit schenkt. So lesen wir in 2. Chronika 29,34: „Denn die Leviten waren redlichen Herzens, sich zu heiligen, mehr als die Priester.“ Hier hatten redliche, das heißt aufrichtige Herzen eine Willensentscheidung getroffen. Aber wir sehen auch, es gab schon damals solche, die diese Entscheidung nicht so treffen wollten, und erstaunlicherweise waren das sogar die weit mehr Bevorrechtigten: die Priester. Gibt es nicht auch heute manche, die, wenn sie ganz ehrlich sind, eigentlich gar nicht wollen? Weil sie bestimmte Dinge einfach nicht aufgeben wollen? Gott hat in der Gabe seines Sohnes bereits alles getan, damit wir nun auch unserer Stellung vor Gott durch unseren praktischen Wandel gerecht werden können. Gott gab uns Christus und Christus gab uns den Heiligen Geist (Joh 14). Wir dürfen nicht einfach damit zufrieden sein, dass wir jetzt unserer Stellung nach „Geheiligte“ sind.
In jeder Sportart gibt es in der Regel zwei Elemente: die Defensive und die Offensive. Wenn wir uns ständig in der Defensive befinden, werden wir das Spiel nie gewinnen! So werden wir auch nie praktische Heiligkeit erzielen, wenn wir nicht heute eine Willensentscheidung treffen und in die Offensive gehen. Wenn wir der Verweltlichung, dem Individualismus, dem Konsumzwang nicht erliegen wollen, dann müssen wir in die Offensive gehen und einen von Christus her geführten Lebensstil kultivieren. So lesen wir in 2. Chronika 31,18: „In ihrer Treue heiligten sie sich, um heilig zu sein.“ Wie würden wir heute diesen Vers für uns lesen müssen? Würde es nicht vielleicht so heißen: Bewegt, durch eine entschiedene Haltung zu Christus zu stehen (= in ihrer Treue), kultivierten sie einen von Christus her geführten Lebensstil (= heiligten sie sich), um heilig zu sein. – Wie oft lesen wir gerade in der Bibel: „Strebe aber“, „Befleißige dich“, „Jage nach“!
Eine „defensive“ Lebensauffassung, die sich in völliger Passivität oder auch Lethargie bemerkbar macht, ist das erste große Hindernis für ein heiliges Leben.
2. Hindernis: Ungehorsam
Du sagst: Ich will gern in die Offensive gehen, ich möchte schon gern die Initiative ergreifen. – Gut! Dann wollen wir uns nun damit beschäftigen, was uns auf dem Weg zu einem heiligen Leben helfen kann. Wer jetzt aber eine komplizierte Auslegung darüber lesen möchte, was mich nun zu einem heiligen Leben führt, der wird enttäuscht sein. Denn es ist – Gott sei Dank – nicht die Art und Weise unseres Herrn, uns derartige elementare Dinge des Christseins so kompliziert zu machen. Nein! Es heißt einmal: „Dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit.“ Deshalb ist dies auch für jeden, der Gottes Wort ernst nimmt, erreichbar.
Ein heiliges Leben ist zuerst einmal geprägt durch Gehorsam. Wenn Gott uns in eine heilige Stellung vor sich selbst gebracht hat, dann hat Er das getan, damit wir auch praktisch heilig wären. Und das beschreibt Er in 1. Petrus 1,1 so: „auserwählt nach Vorkenntnis Gottes des Vaters durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam … Jesu Christi“. Dieser Gehorsam ist zunächst einmal Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes. Denn nur im Wort Gottes können wir den Willen Gottes für unser Leben erkennen. Wie oben bereits erwähnt, ist Gottes Wille unsere Heiligkeit; und dann müssen wir in der Bibel lesen, um diesen Willen Gottes zu erkennen. Es gibt keine außerbiblischen Quellen wie Regelkataloge oder Katechismen, worin wir etwas über die Heiligkeit Gottes lernen können.
Als Nächstes geht es um die Art dieses Gehorsams. Kein sklavischer Gehorsam, nach dem Motto: „Ich muss ja“, sondern der „Gehorsam Jesu Christi“. Und wie war Er gehorsam? Er konnte sagen: „Meine Speise ist, dass ich allezeit den Willen dessen tue, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34). Und an anderer Stelle (Joh 14,31) sagt Er, dass Er den Vater liebe und also tue, wie Ihm „der Vater geboten hat“. Das war kein sklavischer Gehorsam, sondern Gehorsam aus Liebe.
Was wir also auch hier brauchen, ist die Willensentscheidung, unserem Herrn zu folgen und dem zu gehorchen, was im Wort Gottes steht. Als der Herr Jesus gefragt wurde, was das größte Gebot der Zehn Gebote wäre, da antwortete Er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.“ In 1. Samuel 12,20 sagt Samuel zu dem Volk: „Fürchtet euch nicht! … weicht nicht ab von der Nachfolge des HERRN und dient dem HERRN mit eurem ganzen Herzen.“ Und in Micha 6,8 heißt es: „Er hat dir kundgetan, o Mensch, was gut ist; und was fordert der HERR von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu wandeln mit deinem Gott?“
Wenn wir diese Willensentscheidung getroffen haben, dann glauben wir, dass wir uns gar nicht mehr besonders anstrengen müssen, um heilig zu leben. Wir stehen dann nach wie vor mit beiden Beinen auf dem Boden, aber wenn wir Gott täglich in seinem Wort und im Gebet suchen, Ihn anbeten und vor unseren Brüdern und Schwestern ein offenes und ehrliches Leben führen, wird es uns immer schwerer fallen, zu sündigen oder uns allzu sehr mit irdischen Dingen zu beschäftigen.
Es geht also um aufrichtigen und liebevollen Gehorsam, der gegründet ist auf Gottes Wort! Auch geht es bei uns nicht in erster Linie um Vollkommenheit. Wenn ein achtjähriger Junge vom Vater gebeten wird, ihm bei der Arbeit etwas zu helfen, dann passieren dabei Fehler. Er ist nicht vollkommen, aber er war gehorsam – indem er tat, was er konnte. Und der freudige Ausdruck auf seinem Gesicht, das Wissen, dass er dem Vater eine Freude damit machen konnte, macht den Vater sehr glücklich. Gott freut sich über unseren Gehorsam aus Liebe und vergibt gern unsere Schuld, wenn wir nicht ganz so sind, wie wir es uns selbst oftmals gewünscht haben.
Gott freut sich über ein Herz, das sich Ihm hingegeben hat. In 4. Mose 14,24 wird von Kaleb gesagt: „Aber meinen Knecht Kaleb, weil ein anderer Geist in ihm gewesen und er mir völlig nachgefolgt ist, ihn werde ich in das Land bringen, in welches er gekommen ist; und sein Same soll es besitzen.“ – Auch Kaleb war nicht vollkommen – weil kein Mensch vollkommen ist –, aber sein Verhalten war doch so, dass Gott von ihm sagt, dass er Ihm „völlig nachgefolgt“ sei, und kein „aber“ oder „außer“ hintenanhängt.
3. Hindernis: Ich will mich toll fühlen
Wir haben gesehen, dass biblisch verstandene Heiligkeit eine Willensentscheidung bei uns voraussetzt. Nun wollen wir sehen, wie diese Willensentscheidung zustande kommt.
In der Regel läuft dies so ab: Der Heilige Geist stellt die Wahrheit vor unseren Verstand, der Wille (Herz) trifft dann die Entscheidung und unsere (geistlichen!) Gefühle folgen dieser Entscheidung. Das ist die normale Reihenfolge und kennzeichnet gesundes geistliches Erwachsenwerden.
Leider läuft dieser Prozess bei vielen Christen und Menschen unserer Zeit in genau umgekehrter Reihenfolge ab, und es ist dem großen Durcheinanderbringer, Satan, gelungen, auch diese von Gott gegebene Reihenfolge geradezu umzudrehen. Heute fragt man zuerst danach, ob mir irgendetwas ein gutes Gefühl vermittelt; und wie uns der erste Thessalonicherbrief an einem Beispiel zeigt, artet das im Extremfall in leidenschaftliche Lust aus: Gier nach Befriedigung, so dass wir dort ermahnt werden, „dass ein jeder von euch sein eigenes Gefäß in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu besitzen wisse, nicht in Leidenschaft der Lust, wie auch die Nationen, die Gott nicht kennen“ (1Thes 4,4.5).
Wenn auch nicht immer so extrem, so ist es doch heute üblich, erst einmal zu fragen: Was bringt mir das? Wir wollen uns selbst verwirklichen. Wir wollen ja eben nicht zuerst Gott gefallen und unser Leben in den Dienst des Nächsten stellen. Wir wären blind, wenn wir nicht sehen, dass diese Welt von dem Gedanken bestimmt und regiert wird, was uns ein „gutes Gefühl“ einbringt. Ernest Hemingway sagt: „Gut ist, was mir ein gutes Gefühl verschafft, und schlecht ist, was mir ein schlechtes Gefühl verschafft.“ Wenn wir aber unsere Gefühle zum Maßstab unseres Handelns machen, unterliegen wir dem Geist der Zeit – dem Geist der Selbstsucht und des Eigennutzes. Leider ist dieser Geist sehr weit verbreitet und hat auch in der Gemeinde Gottes Einzug gehalten – und überfällt auch uns persönlich allzu schnell, wenn wir nicht wachsam sind.
Wir müssen dieses Dilemma erkennen und auch unsere jungen Leute darüber aufklären. Viele erkennen, wenn sie sich zum Herrn gewandt haben, dass ihr bisheriger Lebensstil der Selbstverwirklichung mit dem, was der Heilige Geist möchte, in Konflikt gerät.
Floyd McClung schreibt:
Es fühlt sich nicht gut an! Die Lebensgewohnheiten, die der Selbstverwirklichung dienen, werden aufgedeckt, und ein schmerzhafter Prozess der Buße und Selbstverleugnung setzt ein. Wenn aber kein entschiedener Christ in der Nähe ist und erklärt, warum der Neubekehrte sich mit dieser Phase der Selbstverleugnung und der Abwendung von Lebensgewohnheiten der Selbstverwirklichung auseinandersetzen muss, kann es passieren, dass dieser wieder von seinem alten Leben eingeholt wird. Und was noch schlimmer ist, weltlich gesinnte Pseudo-Christen könnten kommen und ihre Art des gefühlsbetonten Christentums anbieten, welches nichts anderes ist als ein nichtchristlicher Lebensstil in christlichem Gewand. Es findet dann keine innerliche Veränderung statt, und der verwirrte junge Christ fährt fort, seine Gefühle zum Maßstab seines Handelns zu machen. Heiligkeit stellt Selbstverwirklichung immer in Frage. Gott ruft uns auf, die Wahrheit und nicht unsere Gefühle zum Maßstab unseres Handelns zu machen. Unsere Gefühle werden folgen, und diese gefühlsmäßige Ermutigung wird uns für unseren Gehorsam gegenüber der Wahrheit belohnen. Gott hat uns mit der Fähigkeit geschaffen, fühlen zu können. Es war seine Absicht, dass unsere Gefühle uns zum Leben im Willen Gottes ermutigen. Unsere Gefühle sollten aber nicht Grundlage unserer Entscheidungen sein. Wir streben nach Heiligkeit, indem wir uns von allen Formen der Sünde abwenden. Wenn wir uns von unserer Egozentrik, der sinnlichen Begierde und der Habsucht abwenden, verwandelt uns Gottes Geist in das Ebenbild Christi (Kol 3,5-10).
4. Hindernis: Christus ist nicht der Zentralpunkt unserer Herzen
In 1. Petrus 3,14.15 heißt es: „Aber wenn ihr auch leiden solltet um der Gerechtigkeit willen, glückselig seid ihr! Fürchtet aber nicht ihre Furcht, noch seid bestürzt, sondern heiliget Christus, den Herrn, in euren Herzen.“
Vers 15 verdeutlicht uns einmal mehr den wahren Sinn von „heiligen“. Es bedeutet ursprünglich nicht „heilig machen“, denn der Herr kann nicht heiliger sein, als Er ist. Er kann jedoch in unserem Herzen den Ihm bestimmten eigenen Platz der Herrlichkeit, Oberhoheit und Autorität erhalten. Das ist eine gewaltige Kraftquelle, die sogar ausreicht, um Leiden zu ertragen, die aus unserem praktischen Leben in Heiligkeit hervorgehen. Aber in gewisser Weise ist sie auch die einzige Kraftquelle für ein heiliges Leben überhaupt.
Wahre und praktische Heiligkeit ist eine „offensive“, im Sinne von „aktive“, Hinwendung zu Christus und zu seinem Wort – und zwar in der Reihenfolge: Verstand, Wille, Gefühl; und es ist eine „offensive“, im Sinne von „aktive“, Wegwendung von aller Sünde. So wird das Wesen unserer Heiligung/Absonderung auch in Hebräer 13,13 beschrieben: „Deshalb lasst uns [Willensentscheidung] zu ihm hinausgehen [Hinwendung zu Christus], außerhalb des Lagers [Wegwendung von der Sünde oder dem Bösen], seine Schmach tragend [z.B. Verzicht auf positive Gefühle].“
Es ist eigentlich nicht erstaunlich, dass gerade Petrus sagt (wie eben erwähnt): „Fürchtet aber nicht ihre Furcht, noch seid bestürzt, sondern heiligt Christus, den Herrn, in euren Herzen.“ Er hatte das ganz praktisch erfahren. Denn als Petrus auf dem See zu seinem Herrn kommen wollte, da hörte er zuerst die Worte „Fürchtet euch nicht“ von seinem Herrn, und dann sagte er: „Herr, wenn du es bist, so befiehl mir [Gehorsam], zu dir [Christus, sein Ziel und Zentralpunkt] zu kommen auf den Wassern.“ Er heiligte Christus, seinen Herrn, in seinem Herzen, das heißt, er stellte Ihn und sein Wort allein vor sich. Er wollte auf das Wort des Herrn hin gehen und Christus sollte allein sein Ziel und sein einziger Gegenstand sein. Er sagte nicht: Es wäre doch mal ein geniales Gefühl, auf dem Wasser zu gehen, und außerdem ist ja auch der Herr noch da. Nein! Er wollte auf das Wort des Herrn hin zu Ihm kommen. Das allein befreit uns von religiösen Regeln, Kleiderordnungen und endlosen Geboten und Formen, die wie das Schiff, in dem Petrus verweilte, lediglich eine Vorrichtung sind, Menschen über Wasser zu halten – es war wie das Judentum, das lediglich vermochte, den Menschen religiös zu halten. Und so ist auch heute noch jedes von Menschen erdachte System. Wenn diese Systeme auch, durch Gebote und Regeln, einen Menschen religiös über Wasser halten können – denn im Schiff war es zwar auch gefährlich, aber dennoch sicherer als auf dem See –, so vermögen sie nicht die Kraft zu geben, über das Wasser zu wandeln. Dafür brauchen wir Christus und sein Wort.
Wann fangen wir damit an, Christus, unseren Herrn, in unserem Herzen zu „heiligen“? Wann werfen wir alle weltlichen Vergnügungen, die irdischen Interessen, die uns so gefangen nehmen und vielleicht auch mal unsere vermeintlichen Sicherheiten wie Petrus über Bord und vertrauen dem Herrn allein? Wir wollen uns gegenseitig zu einem heiligen Leben ermutigen.