Kommunikation unter Christen
Was müssen wir für eine gelungene Kommunikation beachten?

Johannes Philippus Fijnvandraat

© EPV, online seit: 28.08.2004, aktualisiert: 14.02.2024

Einleitung

Trotz aller unserer fast vollkommenen Kommunikationsmittel werden die Missverständnisse, Zwistigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Menschen in dieser Zeit immer größer statt kleiner! Offenbar gibt es Hindernisse nicht technischer Art, die einem guten Gedankenaustausch zwischen den Menschen im Weg stehen. Diese Hindernisse müssen nicht in den Kommunikationsmitteln gesucht werden, sondern in den Menschen, die miteinander in Verbindung treten wollen. Kommunikationsmittel, ob es sich nun um Papier, Telefon, Satelliten im All oder was auch immer handelt, sind in sich völlig neutrale Dinge. Das Problem besteht aber darin, dass man von Papier, selbst Briefpapier mit einem bunten gedruckten Briefkopf, und von allen anderen Kommunikationsmitteln einen bösen Gebrauch machen kann. Es ist wichtig, dass wir uns auf die Bedingungen für eine fruchtbare und segensreiche Kommunikation besinnen. Bevor wir das tun, ist es aber notwendig, die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte kennzeichnende Eigenschaft von Kommunikation zu richten.

Jede Kommunikation ist in gewisser Hinsicht subjektiv

Wenn zwei Menschen miteinander sprechen, ist das auf beiden Seiten eine subjektive Sache, das heißt, es ist für beide Seiten nicht bloß eine äußerliche, sondern vor allen Dingen eine innerliche Erfahrung. Wenn ich jemandem zuhöre, wird das, was ich von dem Gesagten aufnehme, durch mein Wahrnehmungsvermögen, mein Urteilsvermögen, meine Fähigkeit zu folgen, zu verarbeiten, anzuwenden usw. mitbestimmt. Wenn zwei Menschen dasselbe sagen hören, hören sie damit noch nicht dasselbe. Der eine wird unter den folgenden Worten etwas völlig anderes verstehen als der andere: „Der Doktor sagte, der Notar sei ein ganz netter Mann.“ Es hängt von meiner Meinung über den Doktor und den Notar ab, was ich unter diesen Worten verstehe! Viele Schwierigkeiten zwischen Gläubigen sind auf diese Eigenschaft jeder Kommunikation, die Subjektivität, zurückzuführen. Ein Bruder oder eine Schwester sagt etwas, zwei andere Gläubige hören daraus zwei verschiedene Dinge und ziehen daraus total verschiedene Schlussfolgerungen, und schon ist eine Meinungsverschiedenheit geboren. Kommt der Faktor Misstrauen noch dazu, dann folgen rasch gegenseitige Beschuldigungen von Unwahrhaftigkeit, Lügen und was nicht alles!

Bedingungen für einen guten Gedankenaustausch zwischen Gläubigen

1. Eine erste Forderung ist Verständlichkeit

Man muss wirklich noch nicht „in Zungen“ reden, um für andere unverständlich zu sein. Ein lautes und gut artikuliertes Sprechen oder selbst Schreien ist bestimmt nicht ohne weiteres eine Garantie für gutes Verstehen! Der natürliche Mensch versteht die Dinge nicht, die vom Geist Gottes sind, auch wenn man noch so laut und deutlich spricht. Aber auch für Mitgläubige kann man eine unverständliche Sprache sprechen oder schreiben. Die Forderung nach Verständlichkeit hat deshalb folgende Konsequenzen:

  1. Man muss sich in die Denk- und Gefühlswelt des (oder der) anderen hineindenken. Das erfordert Aufmerksamkeit, Mühe und Selbstzucht. Dieser Faktor ist auch in den Worten des Paulus mit eingeschlossen: „Ich bin den Juden geworden wie ein Jude … und den Schwachen bin ich geworden wie ein Schwacher.“

  2. Man muss sich klar ausdrücken und vermeiden, verworren zu reden. Lukas zeigt das deutlich in Lukas 1,3.

  3. Menschliche Sprache ist eine Sache des Geistes und nicht nur des Gefühls. Unsere Rede sollte deshalb von einem gesunden Verstand beherrscht sein.

2. Ein zweites Erfordernis ist gutes Zuhören

Beim Empfangen von Mitteilungen muss man auch innerlich gut hören. Dabei sollte man suchen, sich recht in die Gedanken und Gefühle des anderen hineinzuversetzen. Auch das bedeutet, sich Mühe zu geben und nicht egozentrisch zu sein.

3. Ferner ist Kommunikation eine Sache unseres Willens

Bei gegenseitiger Kommunikation muss man sich für den anderen öffnen und sich damit unter Umständen eine Blöße geben. Vor allem das Letzte bedeutet, dass man bereit ist, sich verwundbar zu machen. Manche Kommunikation zwischen Gläubigen misslingt, weil man nicht bereit ist, sich dem anderen zu öffnen. Man fürchtet, das eigene Terrain, das eigene Gesicht oder die eigene Überzeugung zu verlieren, mit der Folge, dass man sich äußerst krampfhaft und unbeugsam benimmt und nicht wirklich sagt, was man denkt oder fühlt. Bei unterschiedlicher Einsicht führt dies unvermeidlich zu einer bedauernswerten Verhärtung der Standpunkte.

Sich selbst verwundbar zu machen, bedeutet unter anderem:

  1. Eigene Unsicherheit nicht verschleiern durch nachdrückliche Beteuerungen, die die eigene Möglichkeit eines Fehlers oder Irrtums verneinen. Paulus lässt sich in 1. Korinther 1,16 in Frage stellen, indem er schreibt: „Sonst weiß ich nicht, ob ich jemand anders getauft habe.“ Gerade dadurch wurden seine Ausführungen bekräftigt!

  2. Nicht schweigen, um persönlichen Vorwürfen aus dem Weg zu gehen. Abraham schwieg, als der Pharao ihm seine Halblüge vorwarf (1Mo 12,18-20). Erst nachdem er zum zweiten Mal denselben Fehler gemacht hat, kommt er dazu, die volle Wahrheit zu sagen (siehe 1Mo 20,11.13).

  3. Dem anderen eine wirkliche Chance geben, damit er sich verteidigen, deine Auffassungen widerlegen oder Kritik üben kann. Es ist eine schlechte Gewohnheit, jemanden nach stundenlangen Gesprächen über allerlei Dinge beim Aufbrechen, wenn keine Zeit mehr bleibt, um viel zu entgegnen, die eigentlichen Beschwerden vorzubringen. Der Satz „Ach ja, was ich dir noch sagen wollte …“ – obwohl man gerade deswegen das Gespräch angeknüpft hatte – zeugt meistens von Unaufrichtigkeit! Aus demselben Grund ist auch das In-Eile-Weitergeben von ein paar kritischen Bemerkungen nach dem Ablauf einer Zusammenkunft, wenn kaum Zeit für ein ausführliches Gespräch besteht, eine deutliche Weigerung, sich selbst in Frage stellen zu lassen. Man missbraucht den Faktor Zeit, um sich selbst zu decken! Matthäus 18,5 lehrt mit den Worten „Geh hin und …“, dass man für so etwas eine besondere Zeit reservieren muss!

  4. Von vornherein die eigenen schwachen Stellen erkennen und sie auch nennen, wo es ehrlicherweise notwendig ist oder auch nur notwendig erscheint. Petrus scheut sich nicht zu erklären, dass er das eine oder andere in den Briefen des Paulus schwer verständlich findet, und bekennt damit bescheiden seine eigene Schwachheit (siehe 2Pet 3,15.16). Gerade damit verweist er anmaßende und unbescheidene Irrlehrer auf ihren Platz!

  5. Sich nicht über den anderen stellen mit frommen Phrasen wie „Der Herr hat mir deutlich gemacht“ und so die eigene Meinung für den anderen bindend machen. Wer in der betreffenden Frage eine andere Meinung hat, bekommt damit von vornherein den Stempel aufgedrückt, dass er zu denen gehört, die sich gegen den Willen des Herrn wenden. Paulus gibt uns in 1. Korinther 7,40 ein prächtiges Vorbild, wie es sein soll. Man achte besonders auf die Worte „Meinung“ und „auch“, die die anderen nicht herabsetzen, wenn sie anders denken als er.

David gibt uns ein sehr schönes Vorbild, wie wir uns in Frage stellen lassen sollen, wenn er in Psalm 139,23.24 sagt: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg!“

Gute Kommunikation ist also auch eine Sache unseres Willens. Wo der Wille fehlt, eigene Standpunkte loszulassen, wenn uns gezeigt wird, dass wir falsch stehen, ist selbst eine vollkommene Kommunikation fruchtlos! So sagt der Herr Jesus: „Wenn jemand seinen [Gottes] Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede“ (Joh 7,17). Zu den Bewohnern Jerusalems musste Er sagen: „Ihr habt nicht gewollt.“

4. Fruchtbare Kommunikation ist an moralische Werte gebunden

Um nicht irrezuführen, muss Kommunikation mit Aufrichtigkeit, Wahrheit und Vertrauen verbunden sein. Das gilt sowohl für den, der spricht, als auch für den, der hört. Für das richtige Hören von Gottes Botschaft gilt: „Den Aufrichtigen geht Licht auf“ (Ps 112,4). Die Bibelschreiber waren sich der moralischen Forderungen, die an eine Kommunikation gestellt werden, durchaus bewusst. Paulus konnte sagen: „Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, wobei mein Gewissen mir Zeugnis gibt im Heiligen Geist“ (Röm 9,1). Johannes sagt in Johannes 19,35: „Und der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahrhaftig; und er weiß, dass er sagt, was wahr ist.“

5. Eine gute Kommunikation muss unter der Kontrolle der Hirtenfürsorge für den anderen stehen

Das bedeutet unter anderem, dass wir nicht berufen sind, unter allen Umständen alle Argumente gegenüber jedem auf den Tisch zu bringen. Der große Meister gibt uns in dieser Hinsicht ein deutliches Beispiel: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen“ (Joh 16,12). Viele Unannehmlichkeiten wären unter Gläubigen nicht vorgekommen, wenn man diesem göttlichen Vorbild mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Wie wenig werden oft der Charakter und die Umstände berücksichtigt, die die Fähigkeit des anderen, Schläge einzustecken, beeinträchtigen. Wie oft benehmen wir uns wie ein Elefant im Porzellanladen! In dem Satz „Ich hab’ ihm die Wahrheit gesagt“ sollten wir die Betonung einmal etwas mehr auf „ihm“ anstatt nur auf „Wahrheit“ legen und dann gut bedenken, wer und was er ist. Natürlich kann da auch „ihr“ oder „ihnen“ stehen! Ist er ein Herzpatient und deshalb emotionell empfindlich und schnell gereizt als Folge seines Leidens? Oder habe ich selbst eine ziemlich unempfindliche Natur und eine besonders gute Fähigkeit, Schläge einzustecken, weil ich eine harte und strenge Erziehung erfahren habe? Bin ich daher mit meiner dicken Haut wohl der Richtige, um eine sanfte, empfindsame Natur anzufassen? Oder umgekehrt, bin ich so leicht erregt, dass es für mich besser wäre, zu schweigen, als dem anderen das Nötige zu sagen?

Kurzum, Brüder und Schwestern, lasst uns mehr bedenken, dass für eine fruchtbare Kommunikation im Umgang miteinander große Sorgfalt erforderlich ist. Vielleicht könnten wir eine großartige Erklärung über die typologische und daraus folgende evangelistische Bedeutung des Briefes an Philemon geben …, während wir in unserem eigenen Verhalten deutlich zeigen, dass wir kein Jota von dem prächtigen praktischen Vorbild einer hochstehenden und guten Kommunikation verstanden haben, das uns darin durch den Apostel Paulus und vor allen Dingen durch den Heiligen Geist gegeben ist.

Selbst wenn jemand von Natur aus ein Hitzkopf oder ein Fanatiker ist, kann er sich trotzdem total verändern, indem er sich von dem großen Vorbild „nährt“, das der Herr Jesus uns in seinen Gesprächen mit den Menschen gegeben hat. Ein hervorragendes Beispiel sehen wir in dem Leben des Hitzkopfes und Fanatikers Paulus. Man beachte bezüglich seines natürlichen Charakters unter anderem Apostelgeschichte 9,1 und die Worte „über die Maßen“ in Apostelgeschichte 26,11!


Originaltitel: „Gedankenaustausch unter Brüdern“
aus Hilfe und Nahrung, Ernst-Paulus-Verlag, 1988, S. 55–62

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