Frust im Dienst für den Herrn …?!
Die Zeiten Jeremias

Autor unbekannt

© SoundWords, online seit: 13.05.2003, aktualisiert: 01.09.2023

Leitverse: Jeremia 42

Vorwort von H. Smith:

Der nachfolgende Artikel wurde um 1860 geschrieben und in einer damals vielgelesenen Monatsschrift veröffentlicht. Wenn es ein für jene Zeit passendes Wort war, wie viel mehr für unsere Tage [1930], in denen das Fehlen und die Schwachheit unter dem Volk Gottes so stark zugenommen haben. Dieser Artikel wird nun noch einmal gedruckt in der Hoffnung, dass jeder aufrichtige Christ ermutigt wird, inmitten großer Schwachheit angesichts so weitverbreiteten Fehlens und trotz des Wegwendens so vieler Mitgläubiger den Weg der Absonderung zu gehen und nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden zu streben. Manche können, so wie Jeremia, auf bessere Tage unter dem Volk Gottes zurückblicken, und im Gegensatz zu jenen Zeiten beklagen sie den Zustand, in dem wir uns jetzt befinden. Wenn solche Erfahrungen uns nicht zum Herrn treiben, dann mögen sie ein Gefühl der Enttäuschung hervorrufen, das uns der Gefahr aussetzt, den Kampf aufzugeben und den Übungen zu entfliehen, indem wir einen leichteren Pfad aussuchen in einer entweder weiteren oder engeren Gemeinschaft als die, die uns im Wort Gottes vorgeschrieben ist. Sollten wir unter solchen Umständen in der Geschichte des Propheten Jeremia, in den Bedingungen, in denen er arbeitete, in dem Geist, in dem er handelte, und in den Übungen, durch die er hindurchging, nicht reiche Belehrungen für unsere Tage finden und Ermutigungen, auf die wir blicken, die wir festhalten und uns einschärfen sollten?

Der Dienst der Propheten in den verschiedenartigen, schwierigen Lagen Israels entfaltet die Gnade und Langmut Gottes. Die Zeiten, in denen Gott sie erweckte, und der folgerichtige Charakter ihres Dienstes macht die Geschichte eines jeden von ihnen äußerst anziehend, doch von all den Zeiten, in denen Propheten prophezeiten, war keine so schmerzlich wie die des Jeremia.

Nicht wegen besonders segensreichem Wirken steht Jeremia so groß vor uns – im Gegenteil: Arbeitserfolge sind nirgends so gering wie bei ihm. Der Dienst des Mose redet Wundervolles von dem Zustand des Volkes Gottes. Er fand es unter dem harten Joch des Pharao und er verließ es angesichts des verheißenen Landes. Josua schied von ihnen, als sie es in Besitz genommen hatten. Die Geschichte der verschiedenen Befreier vor den Tagen Samuels gibt uns einen Bericht von erlangten Siegen. Jeder von ihnen hinterlässt einige Fußspuren auf dem Weg, die uns zeigen, dass er ihn gegangen war. So war es auch später mit den Propheten. Die Tage von Elia und Elisa waren durch Zeiten der Güte Gottes einem untreuen Volk gegenüber gekennzeichnet, doch wenn wir fragen, was die Ergebnisse der Prophezeiungen Jeremias waren, sehen wir nichts als Verwüstung und Untergang, und nach und nach verlieren wir ihn selbst in der großen Verwirrung.

Zu derselben Zeit sehen wir unaufhörlichen Dienst, unermüdliche Treue, und zwar so lange, als nur ein Teil des in Verfall geratenen Volkes vorhanden war, dem er treu sein konnte. Andere, die vor ihm gewesen waren, hatten Israel vorhergesagt, wohin die Wege des Ungehorsams und der Widerspenstigkeit führen würden, aber das Los des Jeremia war es, im Schiff zu bleiben, bis es zerschellte. Er warnte und warnte wieder vor den Klippen, die gefahrdrohend vorauslagen, aber Israel beachtete dies nicht. Bis zum letzten Augenblick wurde er von Gott benutzt, ihren Gewissen ihren traurigen Zustand einzuschärfen, doch ohne Erfolg; und auch nachdem der Hauptteil des Volkes in die Gefangenschaft weggeführt worden war, blieb er, um den eigensinnigen Überrest, der im Land zurückgelassen worden war, zu führen; jedoch nur, um auch ihrerseits dieselbe Halsstarrigkeit und Entschlossenheit, unterzugehen, zu erfahren.

Das Wort des Herrn kam zu ihm im dreizehnten Jahr der Regierung Josias, einer Zeit der Segnung und der Neubelebung. Im achtzehnten Jahr war es, als das Passah gefeiert wurde, von dem es heißt: „Es war kein solches Passah in Israel gefeiert worden wie dieses, seit den Tagen Samuels, des Propheten“ (2Chr 35,18). An jener Freude wird Jeremia teilgehabt haben. Ich habe oft daran gedacht, wie viel doch von einem guten Anfang eines christlichen Laufes abhängt. Wie leicht nimmt doch das Herz das auf, was um es herum vorgeht, sei es nun verderblich oder heilsam. Wer in Zeiten gesunder Zustände bezüglich des Hauses Gottes lebte, wer die Wirksamkeit des Geistes gespürt hat, der genießt dadurch Vorteile, die nicht das allgemeine Teil der Gemeinde Gottes sind. Solcherart waren die ersten Tage Jeremias in den Tagen Josias; seine Wege waren von Segnungen umgeben, und noch dazu von solchen, wie sie seit den Tagen Samuels in Israel nicht geschmeckt worden waren.

Jeremia beklagt die entschwundenen Tage Josias. Diese blühenden Freuden waren von so kurzer Dauer gewesen. Doch es besteht eine vertraute Verbindung zwischen der Freude der Gemeinschaft und des treuen Kampfes. Es wird wenig aus dem einen ohne die andere. Jeremia hatte den edlen Trank der Segnungen geschmeckt, die so reichlich vorgesehen gewesen waren, und deshalb war er imstande, die Bitterkeit jenes Kelches zu empfinden, den Israel zu trinken hatte.

Das letzte Kapitel des zweiten Buches der Chronika zeigt uns, wie hervorragend er als Prophet war. Seine Worte wurden verachtet mit dem Ergebnis, dass Gott sein Volk für eine Zeitlang verwarf. Einer der Dienste Jeremias während dieser Tage war es – wenn ich meine Gedanken so ausdrücken darf –, den Fall Israels abzuschwächen. Aufmerksames Lesen zeigt, mit welcher Sorgfalt sich der Prophet den damals bestehenden Bedürfnissen des Volkes widmete, und es ist wunderbar, das Erbarmen Gottes zu sehen, wie es durch ihn gezeigt wird. Jona bedauerte es, dass das Gericht Gottes nicht über Ninive hereinbrach; aber die Besorgtheit Jeremias war die sorgender Eltern, die gern das Unheil verhüten möchten, das ihr ungehorsames Kind befällt, die aber, weil ihnen dies nicht gelingt, die widerspenstigen Klagen jenes Kindes durch ihr herzliches Mitgefühl und ihre Tränen erweichen möchten.

Wie oft handeln wir in unserem Umgang mit unseren Brüdern so ganz anders. Wenn ich Eigenwille und Ungehorsam sehe, warne ich; ich weise auf die Folgen hin, die daraus entstehen; mit Fleiß verstärke ich jene Warnungen; bleiben alle unbeachtet, dann kommt das Unheil, so schlimm oder noch schlimmer als vorhergesagt. Wie geneigt ist da das Herz, in seiner eigenen Treue zu triumphieren und das arme Opfer seiner Unvorsichtigkeit sich selbst zu überlassen, während ich in einer Art Überlegenheit zu ihm sage: „Dies alles ist verdient.“ Das Herz Jeremias konnte sagen: „Wenn ihr aber nicht hört, so wird meine Seele im Verborgenen weinen wegen eures Hochmutes, und tränen wird mein Auge und von Tränen rinnen, weil die Herde des HERRN gefangen weggeführt ist“ (Jer 13,17). Solche Herzen und solcher Dienst sind heute nötig.

In dem Buch dieses Propheten haben wir die Geschichte des Teiles Israels, der nicht aus dem Land weggeführt wurde. Der Dienst Jeremias war nicht zu Ende, als die Stadt eingenommen und die Mauern zerstört worden waren. Ein Herz, das gleich diesem Propheten treu zu Gott und seinem Volk steht, wird immer etwas zu tun haben. Der besondere Platz, den er einnahm, war der, das Volk zur Buße zu führen, es zu warnen; er wurde nicht beachtet und die Gerichte Gottes suchten es heim.

Die Gefangenen waren erst hinweggeführt worden, als ein völlig neues Arbeitsfeld vor ihm entstanden war, und man möchte annehmen, dass das, was sich zugetragen hatte, ihn zu einem willkommenen Gast in dem Haus der armen, verlassenen Israeliten gemacht hatte. In Kapitel 42 sehen wir diese neue Arbeit, die Jeremia fand. Die zerstörende Flut hatte alles hinweggefegt, in dessen Mitte er vorher geweilt hatte: den König, die Priester, die Fürsten, den Tempel, die Gefäße; die Herrlichkeit Israels war dahingegangen. Wie oft haben wir doch gesehen, dass der Diener sich zurückzog, wenn Dienstleistungen scheinbar nicht angenommen wurden. Wenn wir für einen Gegenstand gearbeitet haben, finden wir plötzlich alles aus unserer Hand geschlagen, gleich einem schönen Gefäß, vor der Welt und vor uns; unsere Arbeit ist vergebens und das Herz wird verzagt und müde. Niemals hat es ein völligeres Fehlgehen gegeben als das, was vor den Augen des Propheten stattfand. Sein Herz allein blieb heil inmitten von diesem allen, und er war bereit für einen neuen Dienst. Der Überrest sammelte sich zu ihm, ihr Bekenntnis scheint ehrenvoll, ihre Herzen wahrhaftig. „Lass doch unser Flehen vor dich kommen, und bete für uns zu dem HERRN, deinem Gott, für diesen ganzen Überrest, denn wenige sind wir übriggeblieben von vielen, wie deine Augen uns sehen: damit der HERR, dein Gott, uns den Weg kundtue, auf welchen wir gehen, und die Sache, die wir tun sollen“ (Jer 42,2.3). Jeremia hatte Erfahrungen betreffs des menschlichen Herzens, doch bereit zu handeln wie vordem, sagte er: „Jedes Wort, das der HERR euch antworten wird, werde ich euch kundtun“ (Jer 42,4). Nach zehn Tagen wurde die Antwort derselben Gemeinschaft gegeben (Jer 42,9-22).

Das Herz des Volkes war nach Ägypten geneigt. Trotz all seiner Knechtschaft ist dort etwas, was dem Herzen von Natur aus begehrenswert erscheint. Der durch die hindurchgegangenen Anstrengungen ermüdete Überrest suchte Ruhe für das Fleisch. „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben“, kommt es nach und nach aus den Herzen der Israeliten. Es ist etwas dort, was unser aller Herzen anzieht, etwas, was das Fleisch schätzt, und kein Wunder, wenn wir sagen können: „Nein, sondern wir wollen in das Land Ägypten ziehen, wo wir keinen Krieg sehen und den Schall der Posaune nicht hören und nicht nach Brot hungern werden“ (Jer 42,14). Vor dieser Todesruhe bewahre uns der Herr. Das enttäuschte Herz ist in Gefahr, hier umzukehren. Als das Volk zu Jeremia kam, sprach es: „… damit der HERR, dein Gott, uns den Weg kundtue, auf dem wir gehen, und die Sache, die wir tun sollen“ (Jer 42,3). Gott trägt Fürsorge für die Zeit der Not. Es hat nie einen Tag gegeben, an dem Gott nicht den gesegnet hat, der auf Ihn vertraute. Es hat nie einen Platz gegeben – wie verkehrt oder verlassen er auch war –, wo Gott nicht den bedrängten Seinen begegnet wäre. Sein Wort war: „Wenn ihr in diesem Land wohnen bleibt, so werde ich euch bauen und nicht abbrechen und euch pflanzen und nicht ausreißen, denn es reut mich des Übels, das ich euch getan habe. Fürchtet euch nicht vor dem König von Babel … Und ich werde euch Barmherzigkeit zuwenden, dass er sich eurer erbarmt und euch in euer Land zurückkehren lässt“ (Jer 42,10.11).

Die Worte des Propheten werden verachtet, und trotz der Drohungen, wenn sie nach Ägypten zurückkehrten, sind sie bald dahingegangen; noch einmal strebten sie den Gerichten Gottes entgegen. Noch einmal sieht sich Jeremia verachtet. Unfähig, sie durch Segensverheißungen zurückzuhalten oder durch Drohungen mit Gericht von ihrem Drang nach Ägypten abzuschrecken, zeigt sich die Macht des Unglaubens so stark, dass trotz aller Warnungen Jochanan, der Sohn Kareachs, und alle Führer der Streitkräfte das Volk des Landes nach Ägypten hinwegschwemmten und mit dem Rest Jeremia selbst. Doch auch hier finden wir ihn mit einem Wort von Gott. Das einmal nach Ägypten zurückgekehrte Volk opferte bald anderen Göttern Weihrauch. Wenn wir einmal in eine Strömung geraten sind, so führt uns diese weit über unsere Absicht hinaus. Dieser Überrest hoffte Ägypten zu dem Zweck zu erreichen, damit sie nie mehr den Krieg sehen oder den Ton der Trompete hören oder Hunger leiden möchten, aber dabei gerieten sie in all den Götzendienst jenes Volkes. Wie oft haben wir dem Grundsatz nach dasselbe gesehen. Während der ganzen Geschichte Israels finden wir keinen verhärteteren Zustand als den, in den der Überrest nun versank (siehe ihre Antwort an Jeremia, Jer 44,15-19). Hier scheinen wir den Propheten zu verlieren; mochte er nicht sagen: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“ (Jes 49,4)?

Ich meine, wir verlieren Segnungen, wenn wir den Spuren Gottes in Gnade seinem Volk gegenüber nicht folgen, und wenn wir es tun, dann müssen wir Schulter an Schulter mit Jeremia gehen. Andere hatten ihren Dienst weitab in Babylonien. Gott gedenkt der Seinen dort, doch indem wir uns diesem Propheten anschließen, lernen wir die unerschöpfliche Gnade, die da in Gott ist, wo nur ein Herz auf Ihn vertraut, während wir zur gleichen Zeit sehen, dass die Trübsale des menschlichen Herzens größer und größer werden, wie jene Gnade vergeblich vorgestellt wird.

Durch wie viel Verschiedenartiges ging dieser Mann Gottes von der Zeit an hindurch, da er mit Freuden an dem Passah in den Tagen Josias teilnahm, bis er die Verheerungen sah, die er so ergreifend in seinen Klageliedern schildert für Herzen gleich dem seinen: „Mit Wasserbächen rinnt mein Auge wegen der Zertrümmerung der Tochter meines Volkes“ (Klgl 3,48).

Wie wir schon bemerkten, sahen jene, die vor ihm durch den Willen Gottes ihrem Geschlecht dienten, die Früchte ihrer Arbeit. Jedoch in keinem von ihnen finden wir das gleiche Maß von Zartheit der Seele. Gott hatte Jeremia für seinen Tag aufbewahrt und ihm ein Herz für sein Werk gegeben, ein schwer geprüftes Herz, doch eins, das über Israels Elend weinen konnte. Dieser Prophet war auch der Ausdruck des Herzens Gottes seinem Volk gegenüber. „Wie sollte ich dich hingeben, Ephraim?“ (vgl. Hos 11,8), war die Sprache des HERRN, und sein Prophet war als ein Beweis der Gnade Gottes da.

Wenn wir auf die Geschichte der Kirche Gottes zurückblicken, so sehen wir ein beständiges Erwecken des einen nach dem anderen, damit den Bedürfnissen der Kirche begegnet wird. Der Geist Gottes handelt entsprechend dem Vorhandensein ihrer Nöte. Manchmal sind Werkzeuge viel benutzt worden, die weder durch Richtigkeit in der Erkenntnis noch durch Reinheit im Wandel gekennzeichnet waren (ich meine, wenn wir sie durch das Wort hinsichtlich ihrer Verbindungen beurteilen). Ich zweifle nicht daran, dass in den letzten Tagen des Christentums – wie freigebig die Hand Gottes auch im Geben von Herzen gleich dem Jeremias sein mag, um den Bedürfnissen der Seinen zu begegnen – der Abfall doch so dunkel sein wird, dass die Arbeit darin auch des ergebensten Charakters selten eine Spur zurücklassen wird. Je mehr wir uns dem Ende nähern, desto mühsamer wird einerseits der Dienst und desto erfolgloser ist er andererseits auch für das Auge des Menschen.


Originaltitel: „Die Zeiten Jeremias“
aus Der Dienst des Wortes, Jg. 8, 1930, S. 92–100;
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