Gesetzlichkeit
Das Gesetz hat nichts zustande gebracht

Ulrich Furrer

© Beröa-Verlag, online seit: 04.10.2003, aktualisiert: 06.07.2022

Leitvers: Matthäus 5,17

Gott hatte einst seinem Bundesvolk Israel die Zehn Gebote gegeben: das Gesetz. Es war ihnen zum Leben gegeben, das heißt, es versprach: „Wer diese Dinge getan hat, wird durch sie leben.“ Weil aber in der Praxis niemand alle Gebote gehalten hat, konnte das Gesetz nur dazu dienen, dem Menschen seine Unfähigkeit zu zeigen.

Das Gesetz der Zehn Gebote stellt die Mindestanforderungen Gottes an den Menschen dar. Es kann aber nur fordern, vorschreiben, was sein muss, aber es kann keinerlei Kraft geben, um die einzelnen Gebote einzuhalten. Deshalb wirkt das Gesetz wie ein Spiegel, der uns zeigt, dass wir nicht sind, was wir sein sollten.

Wir sind eben ganz und gar unfähig, das Gesetz zu erfüllen. Bis wir dies realisieren, haben wir es schon hundertfach übertreten. Somit wirst du auf der ganzen Erde keinen finden, der alle Gebote gehalten hat. Keinen? Jawohl, außer Christus. Er konnte sagen:

Mt 5,17: Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.

Gerade weil die Menschen unter den Fluch des Gesetzes verkauft waren, kam Er, um sie vom Fluch des Gesetzes loszukaufen.

Trotzdem trifft man immer wieder auf Leute, die das Gesetz gern erfüllen möchten. Man kann sie in folgende vier Kategorien einteilen:

  1. Die erste Kategorie meint es ernst und gibt sich alle Mühe. Allerdings erfolglos! Aber so leicht gibt sie sich nicht geschlagen. Immer und immer wieder unternehmen diese Menschen einen neuen Anlauf, um es diesmal – nur einmal – zu schaffen. Erfolglos! Es ist zum Weinen und zum Verzweifeln!
    Durch die Gnade Gottes aber lernt man mit der Zeit, dass das Ziel auf diesem Weg nicht zu erreichen ist. Der gute Wille, alle Liebesmühe und zähe Beharrlichkeit – sie alle führen nicht zum Ziel. Christus allein ist der Weg. Christus ist auch das Ziel. Nicht eigene Anstrengungen, sondern fremde Hilfe bringen die Lösung. Erlösung durch den Erlöser. Wer im Glauben festhält, dass er mit Christus gestorben ist, an den stellt das Gesetz keine Forderungen mehr. Es richtet sich nur an Lebende. Es wendet sich auch nicht an die neue Natur, sondern an den natürlichen Menschen.

  2. Die zweite Kategorie meint, es mit dem Halten des Gesetzes auch ernst nehmen zu müssen. Aber es genügt ihr, wenn die äußere Form stimmt. Da ist zum Beispiel einer, der das Auto verwünscht und der Umwelt zuliebe nie eines kaufen würde – aber er ist doch froh, bei Bedarf eines benützen zu können. Ein anderer hält die Home-&-Business-High-Tech-Systeme für Teufelszeug – und möchte ihre Vorteile doch nicht missen! Ein Dritter würde sich nie im Leben einen Fernseher anschaffen – aber zu Besuch gehen und mit den Gastgebern fernsehen? Warum nicht, man will doch kein Spielverderber sein. Die schlechtesten Sendungen braucht man sich ja nicht anzusehen!
    Dies sind nur ein paar Beispiele, die die zweite Kategorie charakterisieren; Gesetzlichkeit mit Selbstüberlistung!

  3. Die dritte Kategorie macht es anders. Sie versucht um jeden Preis, das Gesetz zu halten, und weil ihr das mehr schlecht als recht gelingt, so redet sie sich ein: Ich sündige ja gar nicht, wenn ...! Dazu ein Beispiel aus Matthäus 23,16-21: Wer beim Gold des Tempels schwört, der macht sich schuldig, wer aber beim Tempel schwört, nicht. Oder wer beim Opfer auf dem Altar schwört, der macht sich schuldig, wer aber beim Altar schwört, nicht. Was sagt der Herr Jesus dazu? „Ihr Narren und Blinden! Was ist denn größer, die Gabe oder der Altar, der die Gabe heiligt? Wer nun bei dem Altar schwört, schwört bei ihm und bei allem, was darauf ist. Und wer bei dem Tempel schwört, schwört bei ihm und bei dem, der ihn bewohnt.“ Deshalb empfiehlt Er in der Bergpredigt: „Schwört überhaupt nicht.“
    Die dritte Kategorie verbindet somit Gesetzlichkeit mit Selbstbetrug!

  4. Eine vierte Gruppe nimmt es sehr genau, allerdings nur in Kleinigkeiten, zum Beispiel beim Verzehnten von Anis und Kümmel. Das tut nicht weh. Nur ja kein Körnlein zu wenig abliefern, lieber eins zu viel! Doch die gewichtigeren Dinge lässt man geflissentlich beiseite. Hauptsache, die Etikette stimmt, das Übrige merkt sowieso niemand.
    Niemand? Doch: der Herr Jesus. Für Ihn sind solche Leute eigentliche „Mückenfiltrierer“ und „Kamelverschlucker“, weil sie es mit einigen Gesetzen peinlich genau nehmen, aber das Wesentliche außer Acht lassen: „das Gericht und die Barmherzigkeit und den Glauben“ (Mt 23,23). Ihre Etikette ist nichts anderes als Heuchelei. Sie leben Frömmigkeit und Gesetzestreue vor – tragen sie aber nur zur Schau.

Was sollen wir denn nun tun, wenn Gesetzlosigkeit falsch und Gesetzlichkeit nicht richtig ist?

Wir müssen zuerst einsehen, dass das Gesetz nicht mehr leisten kann, als uns zu zeigen, dass wir nicht so sind, wie wir sein sollten. Wobei das nicht am Gesetz, sondern an uns liegt. Das Gesetz mag ein noch so guter Bildhauer sein, aber auch es vermag aus einem Haufen Sand keine Statue zu meißeln. Das Gesetz an sich ist gerecht und heilig und gut, aber das „Material“ taugt nichts.

Das Gesetz kann also nicht die Lebensregel des Christen sein. Somit stellen sich Christen ein Armutszeugnis aus, wenn sie sich unter ein Gesetz stellen, sei es nun das vom Sinai oder ein eigenes.

„Sollen wir denn sündigen, weil wir nicht unter Gesetz sind?“ – „Das sei ferne!“, gibt Paulus entschieden zurück [Röm 6,15]. Aber der Punkt ist, dass die neue, uns geschenkte Natur die gleichen Interessen wie Gott hat und von sich aus nicht gegen die Gedanken Gottes verstoßen will. Die Frage ist also: Welche Natur fördern wir in uns, die alte oder die neue?

Wenn zum Beispiel ein Bauernsohn die Haushaltshilfe heiratet, so untersteht diese als Hausherrin nicht länger der Hausordnung für die Mägde! Ihr Geliebter muss sie nicht mehr zur Pflichterfüllung anhalten. Die Liebesbeziehung zu ihrem Geliebten motiviert sie zu den häuslichen Verrichtungen.

So sind auch wir als von oben Geborene in einem neuen Stand. „Da ist eine neue Schöpfung, siehe, Neues ist geworden“, schrieb Paulus den Korinthern [2Kor 5,17]. Gerade er betont in seinen Briefen immer wieder das „Einst“ und das „Jetzt“ und weist auf den Widersinn hin, wenn ein Christ auf den Boden des Gesetzes hinuntersteigt. Das hieße, aus der Gnade fallen. Wer wollte das?

Der Apostel Johannes schreibt: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“ [1Joh 3,9]. Wenn einer nicht sündigt, weil er eine Natur hat, die nicht sündigen kann, so braucht er auch kein Gesetz, das ihm das Sündigen verbietet.

So lasst uns, deren Leben Christus ist, denn auch in Neuheit des Lebens wandeln!


Originaltitel: „Das Gesetz hat nichts zustande gebracht“
aus Halte fest, Jg. 41, 1998, S. 176–180.
Mit freundlicher Genehmigung des Beröa-Verlages

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