Die Entrückung – wie und wann?
1. Thessalonicher 4,13-18

Werner Mücher

© W. Mücher, online seit: 30.12.2011, aktualisiert: 29.10.2022

Leitverse: Römer 1; 3. Mose 18,22; 20,13

Vorwort

Die Wahrheit von der Entrückung der Gläubigen, wie die Bibel sie uns lehrt, greift – wenn das Herz davon erfüllt ist – tief in das Leben eines Christen ein. Bei der Entrückung begegne ich einer Person, die ich liebe und von der ich weiß, dass sie mich liebt. Was bedeutet es mir, bald den zu sehen, der unendlich viel für mich getan hat? Er hat einen unschätzbar großen Preis für meine Erlösung bezahlt. Das hat Er aus einer Liebe heraus getan, die göttlich vollkommen ist. Kann ich anders, als mich darauf zu freuen, dass ich Ihn dann von Angesicht zu Angesicht sehe?

Für uns bedeutet das Kommen Christi die denkbar größte Veränderung. Ich möchte einmal einige Punkte herausheben:

  1. Wir werden von einem auf den anderen Augenblick aus unseren irdischen Umständen herausgenommen und dem Herrn entgegengerückt.

  2. Im selben Augenblick wird unser durch die Folgen der Sünde gezeichneter, für Krankheiten anfälliger und sterblicher Leib in einen geistlichen Leib verwandelt.

  3. Die sündige Natur – im Neuen Testament oft das Fleisch genannt –, die uns augenblicklich noch so manche Mühe macht, wird uns für immer verlassen.

  4. Wir werden den Herrn das erste Mal Auge in Auge sehen.

  5. Den Bruchteil einer Sekunde früher werden alle Entschlafenen von Adam an auferstehen – wir werden also alle Gläubigen sehen, die wir gekannt haben, und die, die wir jetzt noch nicht kennen.

  6. Wir werden kurze Zeit später vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, so dass alles, was wir hier nicht als Sünde erkannt und bekannt haben, ausgeräumt werden wird. Damit wird unsere Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, dass Er für unsere Sünden gestorben ist, um vieles zunehmen.

  7. Wir werden einen bleibenden Frieden und eine bleibende Freude erleben, wie wir das – wenn überhaupt – nur selten erlebt haben.

  8. Mit einem Mal erkennen wir den ganzen himmlischen Reichtum und die Segnungen, die der Herr uns durch sein Werk erworben hat und die wir jetzt nur bruchstückhaft erkennen.

Sicher ließen sich noch manche Punkte hinzufügen. Wir werden, um es mit den Worten der Königin von Scheba auszudrücken, gleichsam sagen: „Ich habe … nicht geglaubt, bis ich gekommen bin und meine Augen es gesehen haben. Und siehe, nicht die Hälfte ist mir berichtet worden von der Größe deiner Weisheit“ (2Chr 9,6).

Wir werden aus dem Staunen nicht herauskommen. Weil es dann keine Hindernisse durch die Sünde mehr in uns gibt, werden wir den Herrn Jesus und den Vater und unsere Mitgeschwister in einer vollkommenen Weise lieben können. Bis dahin war das nur sehr unvollkommen. Gott hat uns zwar schon jetzt seinen ganzen Ratschluss offenbart – wir werden also keine grundsätzlich neuen Dinge erfahren –, doch unser jetzt noch schwaches Begreifen wird dann vollkommen sein, und damit wird auch unsere Wertschätzung zunehmen.

Es ist nicht verwunderlich, dass der Widersacher Gottes und des Herrn Jesus, der auch der Widersacher der Gläubigen ist, alles darangesetzt hat, dass die Wahrheit von der Entrückung vielen Christen in den vergangenen Jahrhunderten unbekannt blieb. Sie ist erst vor etwa 200 Jahren wieder an die Oberfläche gekommen. Bei vielen führte das Kennenlernen dieser Wahrheit dazu, dass ihr Leben stark verändert wurde und sie sich ganz neu dem Herrn hingaben.

Doch kaum war dieser Teil Wahrheit wieder neu entdeckt, da wurde er diskreditiert und scharf bekämpft, und zwar bis in unsere Tage hinein. Man kann sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass der Kampf zum Ende hin sogar stärker wird. Diese Schrift soll kein Diskussionsbeitrag sein, sondern dazu anregen, vermehrt die Schrift zu diesem wichtigen Thema sorgfältig zu studieren und dadurch zu eigenen Überzeugungen zu gelangen, die uns ein festes Fundament unter die Füße geben und uns befähigen, auch andere von der biblischen Wahrheit über die Entrückung zu überzeugen.

In diesem Sinn bitte ich den Leser, den Inhalt dieses Aufsatzes anhand der Heiligen Schrift zu prüfen. Es steht uns gut an, das in der Haltung der frühen Christen in Beröa zu tun: „Diese aber waren edler als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11).

1. Wie geschieht die Entrückung?

Zuerst wollen wir uns einen Abschnitt im Wort Gottes näher anschauen, der wie kaum ein anderer wichtige Mitteilungen über die Entrückung enthält. Dieser Abschnitt steht in 1. Thessalonicher 4,13-18:[1]

1Thes 4,13: Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unwissend seid, damit ihr nicht betrübt seid wie auch die Übrigen, die keine Hoffnung haben.

Das Thema der Verse dieses Kapitels ist das Kommen des Herrn.

[Wenn wir uns präzise ausdrücken wollen, sollten wir das Kommen des Herrn Jesus in Niedrigkeit, als Er vor etwa 2000 Jahren auf die Erde kam, um hier zu leben und zu sterben, sein erstes Kommen nennen. Sein Wiederkommen in Zukunft ist dann sein zweites Kommen, das aber in zwei Phasen verläuft: (a) zuerst die Entrückung oder Heimholung der Gläubigen und (b) einige Jahre später sein Kommen in Herrlichkeit, seine Erscheinung (epiphania). Wir nennen beide Phasen das zweite Kommen des Herrn, wenn sie auch einige Jahre auseinanderliegen.]

Bereits in Kapitel 1 schrieb Paulus, dass die Thessalonicher sich bekehrt hatten, um Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten. Doch was wird nun genau geschehen, wenn der Sohn Gottes aus dem Himmel wiederkommt? Um diese Frage geht es in diesem Abschnitt von Kapitel 4. Der ganze Brief macht deutlich, dass die Thessalonicher den Herrn Jesus als König zur Errichtung seines Reiches erwarteten. Gemeinsam freuten sie sich auf dieses gewaltige Ereignis. Man hat den Eindruck, dass sie täglich mit dem Kommen des Herrn rechneten.

Obwohl seit der Entstehung der Gemeinde in Thessalonich (siehe dazu Apg 17,1-10) nur wenige Monate vergangen waren, waren offensichtlich einige der Mitgeschwister entschlafen.

Was ist mit den Entschlafenen?

Die Thessalonicher beschäftigte nun die Frage, ob denn die Entschlafenen das Wiederkommen des Herrn Jesus nicht miterleben würden. Es scheint so, als habe Timotheus keine befriedigende Antwort darauf geben können. Es ist keine Schande, wenn man eine Frage nicht beantworten kann. Jedenfalls ist es besser, das zuzugeben, als über etwas zu sprechen, was man nicht genau weiß oder nicht mit dem Wort Gottes belegen kann. Glücklicherweise sind wir nicht auf Spekulationen über die Wiederkunft des Herrn angewiesen, denn der Herr hat es uns durch Paulus genau mitteilen lassen.

Vielleicht war die Beantwortung der Frage, was mit den Entschlafenen geschieht, sogar der eigentliche Anlass für das Schreiben dieses Briefes. Wie gut, dass dieser Brief geschrieben worden ist (vgl. 1Thes 2,18).

Die Übrigen, die keine Hoffnung haben

Mit diesem Ausdruck nimmt der Apostel eine Zweiteilung aller Menschen vor: solche, die die Hoffnung des Wiederkommens des Herrn Jesus haben und Ihn erwarten, und solche, die die Hoffnung auf sein Wiederkommen nicht kennen und daher überhaupt keine Hoffnung, die über den Tod hinausgeht, haben.

Hast du schon einmal eine Beerdigung miterlebt, wo der Verstorbene und die Hinterbliebenen nicht an den Herrn Jesus glaubten? Das schneidet ins Herz. Da wird man sich dankbar der großen Hoffnung bewusst, die wir als Kinder Gottes haben.

1Thes 4,14: Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott die durch Jesus Entschlafenen mit ihm bringen.

Die Hauptaussage dieses Verses ist: Gott wird die durch Jesus Entschlafenen mit Ihm bringen. Wann wird Gott das tun? Das ist derselbe Zeitpunkt, von dem Paulus bereits in 1. Thessalonicher 3,13 gesprochen hat, dass der Herr Jesus mit allen seinen Heiligen kommen würde.

Wie können aber nun die Entschlafenen dabei sein, wenn der Herr wiederkommt? Ihr Leib ruht doch in der Erde, Seele und Geist sind im Paradies. Nun, sie müssen vorher auferweckt worden sein. Doch bevor Paulus über die Auferweckung der entschlafenen Gläubigen spricht, spricht er hier über den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus. Sein Tod und seine Auferstehung sind das sichere Fundament des christlichen Glaubens. Ohne seinen Tod und seine Auferstehung gäbe es keine Auferstehung der entschlafenen Gläubigen. Das eine ist untrennbar mit dem anderen verbunden.

Lieber Leser, glaubst du, dass der Herr Jesus deiner Sünde wegen unter dem Gericht Gottes gestorben ist? Glaubst du auch, dass Gott Ihn nach drei Tagen auferweckt hat? Es gibt heute Millionen von „Christen“, die nicht daran glauben, dass Jesus Christus auferstanden ist. Weise bitte die ausgestreckte Hand Gottes nicht ab. Der Glaube an den Herrn Jesus ist die einzige Möglichkeit, errettet zu werden und einmal zur großen Schar der Erlösten zu gehören, die das miterleben werden, was in diesen Versen beschrieben ist.

Die durch Jesus Entschlafenen

Im Allgemeinen spricht das Neue Testament im Blick auf das Abscheiden von Gläubigen vom Entschlafen. Es mag sein, dass sich dadurch die Vorstellung gebildet hat, dass Gläubige bis zu ihrer Auferstehung gleichsam schlafen und nichts bewusst erleben. Das ist jedoch eine irrige Auffassung. Sie wird bereits durch drei Bibelstellen gründlich widerlegt:

  1. Als sich einer der beiden gehängten Verbrecher am Kreuz dem Herrn Jesus mit den Worten zuwandte: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst!“, hörte er aus dem Mund des Herrn die Zusicherung: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,42.43).

  2. Als der Apostel Paulus den Philippern von seinem Wunsch schrieb, heimzugehen, sagte er: „Indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein“ (Phil 1,23).

  3. An anderer Stelle schreibt er, dass er zu einem früheren Zeitpunkt ins Paradies entrückt wurde und dort „unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf“ (2Kor 12,1-4).

Die Entschlafenen sind im Paradies also bei vollem Bewusstsein, sie sind in der Gegenwart Christi, und sie hören unaussprechliche Worte der Glückseligkeit.

Es ist sehr tröstlich, zu wissen, dass Gläubige durch Jesus entschlafen.[2] Er bestimmt den Zeitpunkt ihres Heimgangs; sie entschlafen durch Ihn. Der bekannte Prediger und Evangelist Ernst Modersohn hat einmal geschrieben, dass ein Mensch nicht an seiner Krankheit stirbt, sondern am Willen Gottes.

1Thes 4,15: (Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden.

Die Verse 1. Thessalonicher 4,15-18 sind eine Einschaltung, was in manchen Bibelübersetzungen dadurch deutlich gemacht ist, dass sie in Klammern gesetzt sind. In diesen Versen haben wir die Erklärung, auf welche Weise Gott die durch Jesus Entschlafenen an jenem Tag mit Ihm bringen wird: Das wird nämlich dadurch geschehen, dass die Entschlafenen auferweckt werden und zusammen mit den dann auf der Erde lebenden Gläubigen zuvor in den Himmel entrückt werden.

Die Lösung des Problems, wie es möglich ist, dass bei der Ankunft des Herrn alle seine Heiligen dabei sein werden, liegt also darin, dass der Herr Jesus zuerst einmal kommt, um die Seinen heimzuholen. Er kommt für sie, um sie von der Erde in den Himmel zu entrücken. Einige Jahre später wird Er dann mit ihnen wiederkommen, wenn Er das Reich errichtet. Die Wahrheit von der Entrückung wird in Gottes Wort hier überhaupt zum ersten Mal erwähnt. Der Apostel konnte dazu nicht auf eine Bibelstelle im Alten Testament oder auf Worte des Herrn Jesus während seines Erdenlebens zurückgreifen. (Der Herr hatte auf dem Obersaal zu den Jüngern zwar über die Heimholung ins Vaterhaus gesprochen, doch keine näheren Einzelheiten genannt [Joh 14,1-3].) Die Gemeinde war im Alten Testament ein Geheimnis, das erst zur Zeit des Neuen Testamentes offenbart worden ist. Daher betont der Apostel hier ausdrücklich, dass er das „im Wort des Herrn“ sagte. Das bedeutet, dass er dazu eine Offenbarung vom Herrn empfangen hatte.

Um es noch einmal zu sagen: Wenn entschlafene Gläubige mit dem Herrn Jesus aus dem Himmel kommen sollen, müssen sie zuerst einmal bei Ihm sein, und zwar als vollständige Menschen mit Geist, Seele und Leib. (Der jetzige Zustand der Gläubigen im Paradies ist ein Zwischenzustand. Sie sind zwar bei vollem Bewusstsein, haben aber keinen Leib.) Die Entschlafenen bekommen bei der Auferstehung einen neuen, verherrlichten Leib, den Auferstehungsleib, und die Lebenden werden verwandelt.

Wir, die Lebenden

Wenn Er kommt, wird es zwei Gruppen von Gläubigen geben: (a) wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, und (b) die Entschlafenen. Dabei werden die Lebenden den Entschlafenen nicht zuvorkommen.

Ankunft des Herrn

Der Ausdruck „Ankunft (parousia) des Herrn“ kann sowohl das Kommen des Herrn Jesus zur Entrückung der Gläubigen – also für die Seinen – als auch sein Wiederkommen mit den Seinen bezeichnen. Im Grunde ist es ein- und dasselbe Kommen – wie wir bereits gesehen haben –, allerdings mit einem zeitlichen Abstand von einigen Jahren. Hier geht es um sein Kommen zur Entrückung.

1Thes 4,16: Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen.

Wir fassen die jetzt folgenden Ereignisse zuerst einmal zusammen:

  1. Der Herr selbst kommt wieder.
  2. Er kommt vom Himmel hernieder, und zwar
    a) mit gebietendem Zuruf
    b) mit der Stimme eines Erzengels
    c) mit der Posaune Gottes.
  3. Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen.
  4. Danach werden sowohl die Lebenden als auch die auferweckten Entschlafenen entrückt.
  5. Wir werden allezeit beim Herrn sein.

Der Herr selbst kommt … vom Himmel

Dass Er selbst kommt, bedeutet auch, dass Er allein kommt. Er schickt niemand anders, nicht etwa einen Engel. Er wird dann auch von niemandem begleitet. Wir werden in 2. Thessalonicher 2 finden, dass nach der Entrückung eine Zeit der Gerichte Gottes über die Menschen hereinbrechen wird. Diese Zeit großer Drangsal kommt dadurch zum Abschluss, dass der Herr Jesus eingreift, indem Er sichtbar vom Himmel kommt, wobei Er von allen seinen Heiligen, die dann eine riesige Streitmacht bilden, begleitet wird (siehe Off 19,11-16). Er wird der Anführer dieses himmlischen Heeres sein. Hier kommt Er, um diese Streitkräfte „frühzeitig“ zu sammeln.

Mit gebietendem Zuruf

Andere übersetzen diesen Ausdruck mit „Kommandoruf, Befehlsruf“. Die Gläubigen werden „rekrutiert“; sie werden gleichsam zu Königen und Herrschern gemacht, um einige Jahre später mit Ihm wiederzukommen, um die Kriege Gottes zu führen und dann mit Ihm zu herrschen.

Mit der Stimme eines Erzengels

Wir kennen aus der Bibel namentlich nur einen Erzengel, und zwar den Erzengel Michael. Von ihm lesen wir in Daniel 10,13.21; 12,1, in Judas 9 und in Offenbarung 12,7. Alle diese Stellen stehen in Verbindung mit dem Volk Israel. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass zu diesem Zeitpunkt auch die Gläubigen aus der Zeit des Alten Testaments auferweckt werden.

Posaune Gottes

Das Bild der Posaune ist dem römischen Armeewesen entnommen. In 1. Korinther 15 lesen wir von der letzten Posaune, die geblasen wurde, wenn eine Armee sich in Bewegung setzte.

Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen

Das sind alle entschlafenen Gläubigen vom Pfingsttag an und die Gläubigen aus der Zeit des Alten Testamentes.[3] Es sind also alle Gläubigen von Abel an (dem Gläubigen, der als Erster entschlafen ist) bis zu dem letzten, der soeben entschlafen ist (gerade an diesem Tag?). Sie werden zuerst auferstehen. Bis zu diesem Augenblick waren sie alle, das heißt ihre Seele und ihr Geist, im Paradies. Alle anderen Toten – das heißt die ungläubig Gestorbenen – bleiben im Hades und werden erst beim Gericht vor dem großen weißen Thron auferstehen – das nach dem Friedensreich stattfinden wird –, obwohl sie dann weiterhin „die Toten“ genannt werden (Off 20,11-15).

1Thes 4,17: Danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.

Wir, die Lebenden

Nahezu zeitgleich werden alle in diesem Augenblick auf der Erde lebenden Gläubigen verwandelt. Die auferstandenen Gläubigen sind dann in ihren Herrlichkeitsleibern auferweckt worden, und die lebenden Gläubigen sind verwandelt (vgl. 1Kor 15,51.52).

Entrückt

Diese große Schar von Erlösten wird dem Herrn entgegengerückt[4]. Das wird so schnell geschehen, dass kein einziger Mensch, der auf der Erde zurückbleibt, davon auch nur das Geringste mitbekommen wird. Natürlich werden viele sofort das Fehlen bestimmter Menschen bemerken. Der Herr Jesus braucht für die Durchführung solcher Ereignisse keine Zeitspanne. So wie Er einmal das Weltall durch ein Wort erschuf, „er gebot, und es stand da“ (Ps 33,9), ebenso wird Er durch ein Wort die vielen Gläubigen aus ihren Gräbern auferwecken, die Lebenden verwandeln und alle zusammen zu sich entrücken. Er ist „die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25).

Plötzlich sind viele Millionen Menschen von einem auf den anderen Augenblick nicht mehr da. Wir können uns nicht ausmalen, was dann hier auf der Erde geschehen wird.

Und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein

Niemals werden wir wieder von seiner Seite weichen. Wir lassen alles hier zurück. Wir lassen auch die sündige Natur (das Fleisch), die bis zuletzt noch in uns war, zurück. Wir können dann nicht mehr sündigen. Es gibt für uns dann keinerlei Versuchung zur Sünde mehr. Wir werden in ununterbrochener, glücklicher Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus, mit Gott und mit allen anderen Heiligen sein. Der Herr wird uns ins Vaterhaus einführen, wovon Er am letzten Abend vor seinem Kreuzestod zu seinen Jüngern gesprochen hat: „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich! In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh 14,1-3).

1Thes 4,18: So ermuntert nun einander mit diesen Worten.)

Wie viele Gläubige haben beim Nachdenken über diese Ereignisse schon eine tiefe Vorfreude empfunden und sich schon gemeinsam daran erfreut. Sie haben sich gegenseitig ermuntert. Die gegenseitige Erinnerung an das Kommen des Herrn ist wirklich ein sehr gutes Mittel, einander zu ermuntern. Wollen wir es nicht vermehrt tun? Dazu braucht man nicht erst alt zu werden – das können auch Menschen tun, die sehr jung im Glauben sind, so wie die Thessalonicher es waren.

2. Wann geschieht die Entrückung?

Wie aus den Darlegungen zu den Versen in 1. Thessalonicher 4,13-18 deutlich geworden ist, glaube ich, dass die Schrift lehrt, dass die Entrückung vor den sieben Jahren der Gerichte – der letzten Jahrwoche Daniels, die aus sieben Jahren bestehen wird – stattfinden wird, also weder in der Mitte noch am Ende der Jahrwoche. Diese Sichtweise möchte ich nun durch eine Reihe von Argumenten untermauern.[5]

Muss vor der Entrückung noch etwas geschehen?

Viele Bibelstellen im Neuen Testament weisen auf die Wiederkunft Christi bzw. auf die Erlösung unseres Leibes hin, die im Augenblick des Kommens des Herrn zur Entrückung stattfindet. An keiner dieser Stellen ist davon die Rede, dass vorher noch irgendetwas zu geschehen hätte (siehe z.B. Röm 8,23; 1Kor 11,26; 2Kor 5,2; Gal 5,5; Phil 3,20.21; 4,5; 1Thes 1,9.10; Tit 2,13; Heb 9,28; 10,37; Jak 5,7-9; 1Pet 4,7; 1Joh 3,3; Jud 21). Im Gegenteil: Der Herr sagt gerade im Buch der Offenbarung, dass Er bald kommt, und das heißt, dass vorher nichts mehr geschehen muss (Off 3,11; 22,7.12.20).

Wie ist damit vereinbar, dass wir durch die deutlich im Wort Gottes beschriebene Zeit der großen Drangsal zu gehen hätten? Wo finden wir auch nur den geringsten Hinweis darauf, dass wir diese Zeit erleben müssen? Ganz im Gegenteil finden wir einen eindeutigen Beweis in Offenbarung 3,10, dass wir die Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, nicht erleben werden. Das ist aber nicht die einzige Stelle, wie wir im Weiteren sehen werden.

Bewahren vor der Stunde der Versuchung

Im Sendschreiben an Philadelphia erhalten die Gläubigen die Verheißung, dass sie vor der Stunde der Versuchung[6], die über den ganzen Erdkreis kommen wird, bewahrt werden (Off 3,10). Das ist eine der wichtigsten Stellen in der Heiligen Schrift für die Vor-Entrückung der Gläubigen.

Solche, die annehmen, dass die Gläubigen noch die Zeit der – wie sie sagen – „großen Drangsal“ oder einen Teil davon erleben werden, gehen davon aus, dass bei dem Ausdruck „vor der Stunde“ (ek tes horas) die Präposition ek „aus“ bedeutet. Das ist zwar im Allgemeinen die richtige Übersetzung dieser Präposition, aber nach Auffassung vieler Bibelübersetzer und Ausleger an dieser Stelle nicht die Bedeutung. Dann würde man vielmehr an dieser Stelle die Präposition en (= „in“) oder dia (= „durch“) erwarten. Wenn man an dieser Stelle ek mit „aus“ übersetzen will, dann in dem Sinn von „aus [den Gefahren]“, was aber dann auf die Bedeutung von „vor“ hinausläuft.

Außerdem wird das griechische Wort für „bewahren“ (tereo) in Wörterbüchern auch mit zum Beispiel „behüten“ oder „schützen“ übersetzt,[7] was die Aussage unterstützt, dass die Gläubigen vor der Zeit der Gerichte entrückt werden.

Außerdem finden wir tereo ek noch an folgenden Bibelstellen: „Jesus, der uns errettet von [ek] dem kommenden Zorn“ (1Thes 1,10), und: „sondern dass du sie bewahrst vor [ek] dem Bösen“ (Joh 17,15). In beiden Stellen ist es deutlich, dass die Gläubigen vor dem kommenden Zorn verschont werden bzw. dass der Herr Jesus den Vater gebeten hat, dass die Gläubigen nicht in den Machtbereich des Bösen kommen mögen.

Vorbereitungen auf eine besondere Zeit der Drangsal?

Man könnte erwarten, dass der Apostel Paulus oder andere Schreiber des Neuen Testamentes die Gläubigen auf die Zeit einer besonderen Drangsal vorbereiten würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Es ist zwar richtig, dass der Herr Jesus davon gesprochen hat, dass die Gläubigen Drangsal oder Bedrängnis oder Trübsale haben würden (Joh 16,33); auch haben die Apostel von Bedrängnissen gesprochen (Apg 14,22; Röm 12,12; 2Kor 4,17; 1Thes 3,3.4; 2Tim 2,3; 4,5; Jak 5,13). Doch an keiner dieser Stellen geht es um die bestimmte Drangsal, wie wir sie in Matthäus 24,15ff. und Offenbarung 6-19 finden und wie sie dem Friedensreich vorausgehen wird.

Errettung vom [ek] Zorn

Wir wollen uns noch einmal die Bibelstelle in 1. Thessalonicher 1,10 etwas näher ansehen. Der Apostel Paulus schreibt dort davon, dass die Gläubigen vom Zorn errettet werden. Was ist nun genau die Bedeutung des Wortes „Zorn“ an dieser Stelle? Geht es hierbei um den ewigen Zorn Gottes, also um die ewige Verdammnis? Das kann nicht die Bedeutung sein, denn von diesem Zorn wird jeder Gläubige für immer bei seiner Bekehrung errettet.

„Zorn“ muss an dieser Stelle eine Zeit der Gerichte hier auf der Erde bedeuten (siehe dazu 1Thes 5,9; Röm 1,18; Off 6,17). Es geht in 1. Thessalonicher 1,10 um eine Errettung vom Zorn Gottes und des Lammes, der über die Erde kommt. Aus Römer 1,18 wissen wir, dass sich der Zorn Gottes vom Himmel (auf die Erde) ergießen wird. Und in Offenbarung 6,16.17 ist ebenfalls vom Zorn des Lammes – im Buch der Offenbarung immer ein Name des Herrn Jesus – und von dem großen Tag seines Zornes die Rede. Bei den Siegelgerichten in Offenbarung 6 handelt es sich um vorlaufende Gerichte, auf die später die eigentliche Zeit der Drangsal folgt, die 3½ Jahre dauert (Off 7–19).

Das Kommen Christi für die Seinen und mit den Seinen

Christus kommt vor den Gerichten für die Seinen wieder, um sie heimzuholen (vgl. Joh 14,1-3; 1Thes 4,16-18). Die Entrückung selbst wird die Welt nicht miterleben, wohl die entsprechenden Auswirkungen. Sieben Jahre später kommt der Herr Jesus zusammen mit den bereits früher entrückten Gläubigen vom Himmel zurück (1Thes 3,13; vgl. Sach 14,5; siehe auch Off 19,10ff.). Dann wird Er sichtbar erscheinen, und seine Füße werden auf dem Ölberg stehen (Sach 14,4).

Die 24 Ältesten im Himmel

Die Gläubigen sind bereits vor den Gerichten im Himmel, denn die 24 Ältesten (ein Bild der Gläubigen aus der Zeit des Alten und des Neuen Testaments) sind ab Offenbarung 4 im Himmel und daher auch während der gesamten Zeit der Gerichte (Off 6–19). Sie umgeben den Thron des Lammes, sind in weiße Gewänder gekleidet (Priesterkleidung) und haben goldene Kronen auf ihren Häuptern (Königsherrschaft).

Ist der Leser mit mir darin einig, dass die Kapitel 2 und 3 in der Offenbarung eine kleine „Kirchengeschichte“ sind? Wenn das der Fall ist – woran ich nicht zweifle –, ist die Zeit Laodizeas die letzte Phase der Christenheit. Sofort im Anschluss daran erfolgt die Aufforderung an Johannes, den Schreiber der Offenbarung: „Komm hier herauf“ (Off 4,1). Darin sehen wir einen Hinweis auf die Entrückung. Die Gerichte der großen Drangsalszeit folgen dann in den Kapiteln 7–19. Übrigens sehen wir in Kapitel 4 und 5 der Offenbarung 24 Älteste im Himmel, die ein Bild für die auferstandenen entrückten Gläubigen sind (und zwar sowohl aus der Zeit des Neuen als auch des Alten Testaments).

Gibt es Christen nach der Entrückung?

In den ersten 3½ Jahren nach der Entrückung gibt es Märtyrer aus dem Volk Israel (Off 6,9-11). Das bedeutet also, dass Menschen nach der Entrückung zum Glauben kommen werden. Heißt das nun, dass sie Christen geworden sind, wie manche lehren? Durchaus nicht. Wäre die Entrückung noch nicht geschehen, so müssten alle Menschen, die in der Zeit der Drangsal zum Glauben kommen, Christen sein.

Nach Daniel 9,27, einem Schlüsselvers für das Verständnis der Zeit der großen Drangsal, wird das dort beschriebene Bündnis eine Woche (von Jahren) dauern, das sind 7 Jahre. Diese 7 Jahre teilen sich in zwei Teile von je 3½ Jahren auf. Alle Zeitangaben in der Offenbarung (Zeiten, eine Zeit und eine halbe Zeit oder 42 Monate oder 1260 Tage) beziehen sich auf die zweite Hälfte. Doch bereits in der ersten Hälfte der letzten Jahrwoche (also den ersten 3½ Jahren) gibt es Märtyrer aus Israel, die wegen ihres Glaubens umkommen werden (Off 6,9-11). Diese Juden sind aber keine Christen geworden. Wäre die Gemeinde während dieser Zeit noch auf der Erde, würden diese Juden nicht dazugehören müssen?

Es ist aus meiner Sicht nicht möglich, dass während der Zeit der Gnade (oder der Gemeinde) Menschen in Israel gläubig sein können, ohne zur Gemeinde zu gehören. Was für Gruppen von Überwindern würden wir dann in Offenbarung 7 finden, wenn die Gemeinde noch auf der Erde wäre?

Es gibt dann zwar noch „Christen“, doch das sind unechte Christen, diejenigen, die bei der Entrückung übriggeblieben sind, weil sie sich nie bekehrt haben. Sie alle werden in den Gerichten umkommen, wie es im Bild der Hure in Offenbarung 17 und 18 ausführlich beschrieben wird. Das sind alle die „Christen“, die nie in ihrem Herzen geglaubt haben und deshalb auch die Entrückung nicht miterleben werden.

Die große Drangsal ist für Israel

Die große Drangsal[8] ist keine Drangsal für Christen. Sie hat überhaupt keinen Bezug zur Gemeinde,[9] sondern ist eine Drangsal für Jakob: „Wehe! denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob; doch wird er aus ihr gerettet werden“ (Jer 30,7). „Jakob“ ist hier ein Name für das Volk Israel. Ein gläubiger Überrest aus dem Volk Israel wird in dieser Zeit durch das Gericht gereinigt und so passend für das Friedensreich.

Was und wer zurückhält

Der Antichrist wird offenbar, wenn das, was zurückhält (Gemeinde/Heiliger Geist), weggenommen ist (siehe dazu ausführlich 2Thes 2). Die Entrückung muss also vor dem Offenbarwerden des Antichrists stattgefunden haben. J.N. Darby schreibt in seiner Synopsis zum zweiten Brief an die Thessalonicher dazu:

Der Entwicklung dieses Zustandes, in dem alle Zügel weggenommen sein werden, stand bis dahin eine Schranke im Wege. Der Apostel hatte bereits von dem Abfall und der Offenbarung des Menschen der Sünde mit den Thessalonichern gesprochen. Jetzt sagt er ihnen, dass sie das Hindernis kennen sollten, das sein Fortschreiten und sein Offenbarwerden vor der bestimmten Zeit zurückhielt. Er sagt nicht, dass er es ihnen mitgeteilt habe, sondern sie hätten es kennen sollen. Kannte man den Charakter des Gesetzlosen, so ergab sich die Schranke von selbst. Die Hauptsache hier ist, dass jenes Hindernis eine Schranke bildete. Der Grundsatz des Bösen war schon wirksam, nur verhinderte eine Schranke die völlige Entwicklung desselben. Sein Charakter würde sich, wenn er einmal entwickelt sein würde, als ein zügelloser Wille offenbaren, der sich selbst erhöht und widersteht. (Man beachte diesen Punkt. Zur Zeit des Apostels war alles bereit und vollständig, nur wurde es zurückgehalten. So war auch Christus bereit zu richten. Nur wartet die Langmut Gottes jetzt in der wohlannehmlichen Zeit.)

Wenn der ungezügelte eigene Wille der Grundsatz des Bösen ist, so ist das, was diesen Willen zügelt, die Schranke. [Dazu war die Regierung gegeben worden, siehe 1Mo 9,5.6.] Nun, der Mensch der Sünde erhöht sich über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist; daher ist das, was ihn zurückhält, die Macht Gottes, welche hier auf der Erde in den Obrigkeiten wirksam ist, die ihre Gewalt von Ihm haben. Selbst der größte Missbrauch der Gewalt entkleidet diese noch nicht jenes Charakters. Christus konnte zu Pilatus sagen: „Du hättest keinerlei Gewalt wider mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.“ Wie böse Pilatus auch sein mochte, so wird doch seine Gewalt, als von Gott kommend, anerkannt. Obwohl also die Menschen den Sohn Gottes verwarfen und kreuzigten, so dass ihre Bosheit den Höhepunkt erreicht zu haben schien, war doch noch das Hindernis völlig vorhanden. Später sammelte Gott, nachdem Er seinen Geist gesandt hatte, die Kirche, und obgleich das Geheimnis der Gesetzlosigkeit sofort zu wirken begann, indem es den Willen der Menschen mit der Anbetung Gottes im Geiste vermengte [siehe auch Mt 13,33], hatte Gott doch allezeit (auch heute noch) den Gegenstand seiner liebenden Fürsorge auf der Erde. Der Heilige Geist ist hier auf der Erde; die Versammlung, in welchem Zustand sie auch sein mag, ist noch auf der Erde, und Gott hält die Schranke aufrecht. Und gleichwie der Türhüter, trotz aller Hindernisse, Jesus die Tür geöffnet hatte, so hält Er auch jetzt alles aufrecht, mögen die Kraft und die Fortschritte des Bösen auch noch so groß sein. Das Böse wird im Zaum gehalten; Gott ist die Quelle der Autorität auf der Erde.

Da ist Einer, der zurückhält, bis Er aus dem Wege ist. Wenn nun die Versammlung (d.h. die aus den wahren Gliedern Christi bestehende Versammlung) weggenommen sein wird und infolgedessen der Heilige Geist als Sachwalter nicht mehr hier auf der Erde wohnt, dann findet der Abfall statt [der Grundsatz des Abfalls mag in ausgedehnter Weise in einzelnen Personen wirksam sein (nach 1Joh 2 hatte er schon begonnen), aber seine volle, öffentliche Darstellung steht noch bevor. Bei Judas wird das Verderben hervorgebracht durch „Einschleichen“, bei Johannes kennzeichnet das „Ausgehen“ den Antichristen]; die Zeit zur Beseitigung des Hindernisses ist dann gekommen, das Böse ist ohne Zaum und Zügel, und schließlich (ohne zu sagen, wie viel Zeit darüber vergehen wird) nimmt das Böse in dem, der das Haupt desselben ist, eine bestimmte Form an. Das Tier steigt aus dem Abgrund herauf. Satan, nicht Gott [wie seit Noah, siehe Röm 13,1], gibt ihm seine Gewalt [kursiv von uns]; und in dem zweiten Tiere ist alle Kraft Satans anwesend. Der Mensch der Sünde ist da. Ich wiederhole, dass hier nicht von einer äußeren und weltlichen Macht die Rede ist, sondern von der religiösen Seite der Macht Satans.

Was die einzelnen Werkzeuge, welche die Schranke bilden, anlangt, so mögen sie jeden Augenblick wechseln, und es war nicht der Zweck des Heiligen Geistes, sie zu nennen. Der zur Zeit der Abfassung unseres Briefes als eines dieser Werkzeuge vorhanden war, ist es in der gegenwärtigen Zeit nicht mehr. Wenn daher der Heilige Geist damals seinen Namen genannt hätte, so würde das für uns heute ohne Nutzen sein. Es galt, die Thessalonicher zu belehren, dass das Böse, welches gerichtet werden sollte, bereits wirksam war, dass es kein Heilmittel dafür gab, sondern nur ein Hindernis vonseiten Gottes vorhanden war, das der völligen Entfaltung dieses Bösen im Wege stand. Dieser Grundsatz ist von der höchsten Wichtigkeit im Blick auf die Geschichte der Christenheit.

Entrückung Henochs vor dem Gericht der Sintflut

Ohne aus Vorbildern des Alten Testaments eine Lehre ableiten zu wollen, können wir doch in der Tatsache, dass Noah und seine Familie in der Arche durch die Wasser der Gerichtsflut bewahrt wurden, ein Vorbild von der Bewahrung eines Überrestes aus dem Volk Israel durch die Gerichte sehen. Henoch hingegen ist ein Vorbild der Gläubigen der Gemeinde; er wurde vor der Flut entrückt (1Mo 5). Henoch war übrigens der einzige Mensch (außer Elia), der, ohne zu sterben, in den Himmel aufgenommen worden ist.

Die Gläubigen im Vaterhaus

Bei der Entrückung gehen die Gläubigen nach Johannes 14,1-3 zuerst einmal ins Vaterhaus:

Joh 14,1-3: Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich! In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seit.

Diese Bibelstelle ist geeignet, die Gläubigen zu befestigen, zu trösten und zu ermutigen. Der Herr Jesus hat diese Worte den Jüngern in der Nacht vor seinem Kreuzestod gesagt. Schade, dass die Wahrheit von der Heimholung der Gläubigen zu einem Zankapfel geworden ist und sogar zu Trennungen unter Gläubigen geführt hat, gerade was den Zeitpunkt der Entrückung betrifft.

Würden die Gläubigen die Zeit der großen Drangsal auf der Erde erleben und würde die Entrückung danach stattfinden, kämen sie sogleich mit Christus zur Erde zurück, ohne ins Vaterhaus eingegangen zu sein.

Anhang 1 – Bewahrung vor der Stunde der Versuchung (Roger Liebi)

[Aus Halte fest, Jg. 33, 1990, S. 217–219]

Im Sendschreiben an die Versammlung von Philadelphia hat der Herr Jesus eine wunderbare Zusage im Blick auf die Entrückung gegeben: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen. Ich komme bald“ (Off 3,10.11).

Zunächst einige klärende Bemerkungen: Was bedeutet der Ausdruck „Stunde“? Das hier im Grundtext stehende Wort meint nicht zwingend unsere Stunde von 60 Minuten. Nein, hora kann auch irgendeine längere oder kürzere Zeitperiode bezeichnen.

Was umfasst die Stunde der Versuchung? Man beachte, dass nicht von einer, sondern von der Stunde der Versuchung gesprochen wird. In der Geschichte der Menschen hat es schon viele Perioden der Versuchung gegeben. Hier jedoch denkt der Herr an eine ganz bestimmte Zeit in der Zukunft, sozusagen an die Versuchungszeit, die in ihrer Intensität, Gefährlichkeit und Schrecklichkeit alle früheren Versuchungszeiten übertreffen wird. Diese Zeit wird in Offenbarung 6–19 beschrieben. Sie zerfällt in zwei Teile:

  1. In Matthäus 24,8 nennt der Herr Jesus die erste Hälfte den „Anfang der Wehen“. Diese Zeitperiode wird unter anderem in Matthäus 24,4-14 und in Offenbarung 6 in Verbindung mit dem Öffnen der sechs ersten Siegel beschrieben. Man beachte die Übereinstimmungen in diesen zwei Schriftabschnitten!

  2. Die zweite Hälfte bezeichnet der Herr Jesus als die „große Drangsal“ (Mt 24,21). Diese Periode wird unter anderem in Matthäus 24,15-28 und in Offenbarung 7–19 beschrieben (es ist die Zeit der Öffnung des siebten Siegels, das aus sieben Posaunengerichten besteht, wobei mit der siebten Posaune sieben Schalengerichte ausgelöst werden).

Somit dürfen die Erlösten heute wissen, dass der Herr es nicht zulassen wird, dass sie in diese fürchterliche Verführungs- und Gerichtszeit hineinkommen. Ist das nicht eine tröstliche und ermutigende Zusage, besonders für uns, die wir in den „letzten Tagen“ leben, die in 2. Timotheus 3 geschildert werden, und bereits deutlich wilde Wehen der kommenden Schreckenszeit verspüren? Wir stellen fest, dass unsere Zeit „gefahrvoll“ ist, wie der Apostel Paulus das angekündigt hat (vgl. die Fußnote zu 2Tim 3,1).

Allerdings bekommt man immer wieder zu hören, dass die Übersetzung „ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung“ falsch sei und korrekt mit „ich werde dich bewahren aus der Stunde der Versuchung“ wiedergegeben werden sollte. Schließlich bedeute doch das griechische Wort ek so viel wie „aus“ oder „heraus“. Was soll man dazu sagen? Folgende Überlegungen mögen den Sachverhalt klären:

  1. Das griechische Wort ek bedeutet sehr oft „aus“ oder „heraus“, aber längst nicht immer. Es hat noch diverse andere Bedeutungen, so zum Beispiel eben auch „vor“.

  2. In Offenbarung 3,10 ist ek mit dem Verb tereo (= „bewahren“) verbunden. Durch dieses Wort wird die Bedeutung von ek in unserer Stelle festgelegt. Man bewahrt jemanden nicht aus, sondern vor einer Gefahr. Man kann jemanden aus einer Gefahr retten. Der Heilige Geist gebraucht aber in Offenbarung 3 nicht das Verb sozo (= „retten“), sondern tereo. Die Wortverbindung tereo ek muss somit zwingend mit „bewahren vor“ übersetzt werden. Übrigens kommt die Wortverbindung tereo ek außer in Offenbarung 3 noch einmal im Neuen Testament vor, nämlich in Johannes 17,15. Hier hört man den Sohn Gottes für die Seinen beten: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.“ Interessanterweise will hier wohl kaum einer übersetzen: „dass du sie bewahrst aus dem Bösen“. Dies widerspräche völlig der Bedeutung von „bewahren“.

Somit sehen wir, dass wir uns voll Vertrauen auf das bewahrende Eingreifen des Herrn Jesus ausrichten dürfen. Aber achten wir darauf, dass dieses Wissen keine einschläfernde Wirkung auf uns hat. Wir müssen uns vielmehr immer wieder neu an die Ermahnung in Epheser 5,15.16 erinnern: „Gebt nun acht, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die die gelegene Zeit auskaufen, denn die Tage sind böse.“

Anmerkungen

[1] Zum weiteren Studium der beiden Briefe an die Thessalonicher siehe mein Buch Die Briefe des Apostels Paulus an die Thessalonicher, Lychen (Daniel-Verlag) 2006.

[2] Der englische Bibelausleger William Kelly (1821–1906), dessen Schriften ich sehr empfehle, hat es so ausgedrückt: „Sie wurden durch Jesus schlafen gelegt.“

[3] Die Auferweckung der Gläubigen aus der Zeit des Alten Testamentes zum Zeitpunkt der Entrückung finden wir unter anderem auch in Hebräer 11,40, wo es von ihnen heißt, dass sie nicht ohne (o. getrennt von) uns (den Gläubigen des NT) vollkommen gemacht werden (d.i. auferweckt werden). Außerdem sind die 24 Ältesten ab Offenbarung 4 ein Bild der auferstandenen und verherrlichten Heiligen (beider Zeitabschnitte), die nach der Entrückung im Himmel sind.

[4] Das griechische Wort für „entrücken“ (harpazo) kann auch übersetzt werden mit: „raffen, rasch ergreifen, an sich reißen, rauben, wegreißen, (her)ausreißen, entraffen, (aus)plündern; rasch einnehmen, schnell ausführen“. Das macht deutlich, dass die Entrückung die Sache eines Augenblicks ist und mit großer Macht geschieht.

[6] Griech. ek tes horas tou peirasmou.). Folgende Bibelübersetzungen haben beispielsweise „vor“: Elberfelder (Edition CSV), Luther 1912, Schlachter 1951, Schlachter 2000, Ernst Dietzfelbinger, Das Neue Testament, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch.

[7] Siehe Bauer-Aland, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments, Berlin, New York (Walter de Gruyter) 19886, S. 1626: zu tereo: bewahren = behüten, schützenjmdn. vor jmdm. oder vor etw. J 17 15 Apk 3 10b (vgl. Spr 7,5 …). Vgl. auch Menge-Gütling, Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch-Deutsch, Berlin, 198726, S. 684: Folgende Übersetzungen sind möglich: beobachten, wahrnehmen, abwarten, abpassen, aufpassen, auflauern, belauern, achtgeben, im Auge haben, auf der Hut sein … 2. behüten, bewachen, (be)schützen, bewahren, behalten, aufbewahren, hegen, pflegen verwahren, (aufrecht)erhalten, aufheben …

[8] Der Begriff „große Drangsal“ kommt in der gesamten Heiligen Schrift nur in Matthäus 24,21 vor: „Denn alsdann wird große Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist“; Off 2,22: „Siehe, ich werfe sie in ein Bett und die, die Ehebruch mit ihr treiben, in große Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken; Off 7,14: „Und er sprach zu mir: Dies sind die, die aus der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem Blut des Lammes.“ Siehe auch Daniel 12,1, wo es um dieselbe Zeit geht: „Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit.“

[9] Es ist ein sehr wichtiger Grundsatz der Auslegung der Heiligen Schrift, dass wir Stellen, die für Israel bestimmt sind, nicht auf die Gemeinde anwenden, genauso wenig, wie wir Stellen, die für die Gemeinde gelten, nicht auf Israel anwenden. Beachtet man das nicht, entsteht ein heilloses Durcheinander.

Weitere Artikel zur Bibelstelle 1. Thessalonicher 4 (35)

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