Gnade und Heiligkeit
Psalm 93,5

Charles Henry Mackintosh

© SoundWords, online seit: 19.09.2001, aktualisiert: 01.11.2018

Leitvers: Psalm 93,5

Ps 93,5: Deinem Haus geziemt Heiligkeit, HERR, auf immerdar.

Dank sei Gott, dass wir unter der Gnade sind. Aber – sollte diese gesegnete Tatsache auch nur in irgendeiner Weise die Wahrheit abschwächen, dass „Heiligkeit dem Hause Gottes auf immerdar geziemt“? Ist das Wort nicht mehr gültig, das da sagt: „Er ist ein Gott, schrecklich in der Versammlung der Heiligen und furchtbar über alle, die rings um ihn her sind“ (Ps 89,8)? Ist der Maßstab der Heiligkeit für Gottes Kirche ein geringerer, als er für das alte Israel war? Ist es nicht länger wahr, dass „auch unser Gott ein verzehrendes Feuer“ ist (Heb 12,29)? Wird Böses geduldet, „weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind“ (Röm 6,15)? Warum waren viele der Korinther schwach und krank? Und warum war „ein gut Teil entschlafen“ (1Kor 11,30)? Warum wurden Ananias und Sapphira mit einem Schlag niedergestreckt (Apg 5)? Tastete dieses feierliche Gericht die Wahrheit an, dass die Kirche unter Gnade war? Freilich nein! Die Gnade stellte sich dem Gerichtshandeln Gottes keinesfalls in den Weg. Gott kann kein bisschen mehr über Böses in seiner Gemeinde hinwegsehen oder es dulden, als Er es in den Tagen Achans (Jos 7) tat.

Man sagt: Wir dürfen Gottes Handeln mit seinem irdischen Volk und mit seiner Gemeinde nicht vergleichen. – Was haben aber denn folgende Worte in 1. Korinther 10 zu bedeuten?

  • 1Kor 10,1-6: Ich will nicht, dass ihr darüber unwissend seid, Brüder, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und in dem Meer und alle dieselbe geistliche Speise aßen und alle denselben geistlichen Trank tranken; denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der sie begleitete. (Der Fels aber war der Christus.) Aber an den meisten von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste niedergestreckt worden. Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir nicht nach bösen Dingen begehren, wie auch jene begehrten.

  • 1Kor 10,11: Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist.

Wird in dieser Stelle nicht ein Vergleich gezogen zwischen Gottes Handeln mit seinem irdischen Volk und mit seiner Gemeinde in der Gegenwart? Ja, und wir tun gut daran, uns diesen Vergleich zu Herzen zu nehmen und uns ermahnen zu lassen. Es wäre wirklich traurig, wollten wir uns herausreden mit der reinen und überaus großen Gnade, in der wir stehen, um den Maßstab für Heiligkeit etwas herunterzuschrauben. Wir sind berufen, den alten Sauerteig hinauszufegen (1Kor 5,7) auf der gesegneten Grundlage, dass „auch unser Passah, Christus, geschlachtet worden ist“ (1Kor 5,7). Wird nicht auch hier wieder ein Vergleich gezogen? Der Versammlung in Korinth wird befohlen – wehe ihnen, wenn sie sich geweigert hätten –, den Bösen aus ihrer Mitte hinauszutun, um ihn „dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches“ (1Kor 5,13).

Zugegeben, sie wurden nicht aufgerufen, ihn zu steinigen oder zu verbrennen; und hier finden wir eher einen Gegensatz als eine Parallele. Aber sie sollten ihn aus ihrer Mitte hinaustun, wenn sie weiter die göttliche Gegenwart in ihrer Mitte haben wollten. „Deine Zeugnisse sind sehr zuverlässig. Deinem Haus geziemt Heiligkeit, HERR, auf immerdar“ (Ps 93,5). Können wir Ihn für die Heiligkeit nicht genauso preisen wie für die Gnade? Können wir nicht – weil der Maßstab der Heiligkeit so gewaltig groß vor uns wird – mit einstimmen in den Lobgesang „Gepriesen sei der HERR in Ewigkeit! Amen, ja, Amen!“ (Ps 89,53)? Wir denken, das können wir sicherlich.

Wir dürfen niemals – während wir in der Gnade stehen – vergessen, dass wir in Heiligkeit wandeln müssen. Und was die Versammlung anbelangt: Wenn wir es ablehnen, falsche oder böse Lehre und schlechte Sitten zu verurteilen, stehen wir überhaupt nicht mehr auf dem Boden der Gemeinde Gottes. Die Leute sagen: Wir sollten nicht verurteilen. Gott sagt uns: Wir müssen urteilen: „Ihr, richtet ihr nicht, die drinnen sind? Die aber draußen sind, richtet Gott; tut den Bösen von euch selbst hinaus“ (1Kor 5,12.13). Wenn die Versammlung in Korinth es abgelehnt hätte, diesen Bösen auszuschließen, hätte sie jeglichen Anspruch verspielt, als die Versammlung Gottes angesehen zu werden, und alle Gottesfürchtigen hätten sie verlassen müssen.

Es ist wirklich eine sehr ernste Angelegenheit, sich auf den Boden der Versammlung Gottes zu stellen. Alle, die solches tun, sollten bedenken, dass es hier nicht im Mindesten um die Frage geht, wen wir empfangen oder was wir noch dulden können, wozu wir (noch) schweigen können, sondern es geht um die Frage: Was ehrt unseren Herrn und Gott? Heutzutage wird viel geredet über den „breiten“ und über den „schmalen“ Weg; wir sollten gerade so breit und so schmal sein wie das Wort Gottes.


Originaltitel: „Grace and Holiness“
in Short Papers, Teil 1;
auch in Things New and Old, Jg. 21, 1878, S. 272–274

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