Das Mahl des Herrn
1. Korinther 11,17-34

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 08.11.2004, aktualisiert: 01.03.2024

Leitverse: 1. Korinther 11,17-34

Warum feiern wir das Abendmahl?

Woraus ist eigentlich zu entnehmen, dass wir heute noch das Abendmahl feiern sollten? Woraus haben die Jünger das geschlossen? Denn sie taten es nach Apostelgeschichte 2,42.46 „täglich in den Häusern“. Die Jünger hatten wohl ihren Herrn so verstanden, dass Er das letzte Abendmahl als Gedächtnismahl eingerichtet hatte. Wir – aus den Nationen hingegen – lernen dies aus 1. Korinther 11 von dem Apostel der Nationen. Wenn wir dieses Kapitel nicht hätten, dann wüssten wir heute nicht, mit welcher Berechtigung auch wir dieses Mahl feiern sollten.

Wie oft sollten wir das Abendmahl feiern?

Die Schrift sagt in Vers 26: „Sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn“ (1Kor 11,26). Die ersten Christen taten dies täglich „in den Häusern“. In Troas hatte man bereits die Gewohnheit, dies am ersten Tag der Woche zu tun. Und ich glaube, dass dies eine gute Tradition ist. Der erste Tag der Woche wird auch der „Tag des Herrn“ (Off 1,10) genannt. Am ersten Tag ist der Herr Jesus auferstanden. Jeweils am ersten Tag der Woche kam der Herr Jesus in Johannes 20 in die Mitte seiner Jünger. Wir sind sicher frei darin, es öfter zu tun als einmal die Woche; wenn man es jedoch nur einmal im Jahr oder einmal im Quartal feiert, kann man nur schwer davon sprechen, dass man „im Brotbrechen verharrt“, so wie es Apostelgeschichte 2,42 sagt. Wir kommen einmal die Woche zur Verkündigung des Wortes zusammen, wir treffen uns einmal die Woche, um zu beten und unter dem Wort Gottes Gemeinschaft zu haben, und so treffen wir uns auch einmal in der Woche, um das Brot zu brechen; warum sollten wir dies geringer schätzen? Im Weiteren war das Ziel in Troas, nicht die lange Rede des Paulus zu hören, sondern sie waren am ersten Tag der Woche zu dem Herrn Jesus hin versammelt, „um Brot zu brechen“. Das war das Ziel der Zusammenkunft. Wegen dieser Erwähnung, die der Geist Gottes uns hinterlassen hat, und der Besonderheit, dass der erste Tag der Woche der Auferstehungstag ist (vgl. Mt 28,1) und zudem „des Herrn Tag“ (Off 1,10) genannt wird, ist es sicher auch für uns heute eine gute Gewohnheit, am ersten Tag der Woche zum Brotbrechen zusammenzukommen. Der Rhythmus des Christen ist der Tag und der Rhythmus der Gemeinde die Woche.

Was ist der Sinn einer gemeinsamen Mahlzeit?

Wenn wir uns als Familie zu einer Mahlzeit zusammenfinden, dann haben wir Gemeinschaft miteinander. Man ist so sehr miteinander verbunden, dass man gemeinsam an einem Tisch sitzt, um etwas zu essen. Selbst wenn wir in der Kantine mit unseren Kollegen zusammensitzen, dann sitzen wir dort mit solchen zusammen, mit denen wir entweder durch die gemeinsame Arbeit oder durch persönliche Freundschaft verbunden sind. Jedenfalls besteht in gewisser Hinsicht eine Beziehung zueinander, sonst würden wir (zumindest in der Regel) uns nicht gemeinsam an einen Tisch setzen. Essen bedeutet auch in der Bibel immer Gemeinschaft. So heißt es zum Beispiel auch nicht in 1. Korinther 5, dass wir mit dem Hurer nicht das Brot brechen sollten, sondern es heißt ganz allgemein, dass wir nicht mit ihm essen sollten (das betrifft allerdings nur jene Hurer, die sich Christ nennen!), wobei das Brotbrechen natürlich darin eingeschlossen ist. Wenn nach dem zweiten Johannesbrief schon ein einfacher Gruß Gemeinschaft oder Teilhaberschaft bedeutet, wie viel mehr eine Mahlzeit an einem gemeinsamen Tisch!

Wenn wir also auch in 1. Korinther 11 einiges über die persönliche Verantwortung lesen („einer jeder prüfe sich selbst“), so geht es hier doch auch sehr stark um den gemeinschaftlichen Aspekt, was wir auch gleich im ersten Vers, den wir betrachten werden, finden:

Vers 17

1Kor 11,17: Indem ich aber dieses vorschreibe, lobe ich nicht, dass ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt.

Der gemeinsame Aspekt ging verloren – das Fleisch gewann die Oberhand

„… sondern zum Schlechteren.“

Mit dem „Schlechteren“ meint der Apostel wohl dreierlei:

  1. die Spaltungen, auf die er im nächsten Vers zu sprechen kommt, und
  2. dann das unwürdige Verhalten in Verbindung mit dem Abendmahl, durch das die Spaltungen hervorgebracht worden waren. So klagt er im nächsten Vers, dass die Gemeinde in Korinth nicht einmütig war. Gerade der gemeinsame Aspekt war in Bezug auf das Zusammenkommen verdorben worden. Das Fleisch hatte, wie in vielen anderen Punkten in Korinth, auch in den Zusammenkünften überhandgenommen. Sie kamen nur noch zum Schlechteren zusammen. Das, wozu gerade das Zusammenkommen auch dienen sollte (nach 1. Korinther 14 – zumindest dann, wenn Brotbrechen, Gemeinschaft-Haben und In-der-Lehre-Verharren eine gemeinsame Veranstaltung war; siehe Apg 20,7) – nämlich dass jeder erbaut, getröstet und ermahnt nach Hause ging –, war völlig verlorengegangen. Wie in vielen anderen Punkten in Korinth musste der Apostel auch hier klagen: „Seid ihr nicht fleischlich“?, und: „In diesem lobe ich nicht.“
  3. Oder sie kamen zum Gericht zusammen, denn statt geistlich zu wachsen, wurden in Korinth etliche krank und manche entschliefen.

Vers 18

1Kor 11,18: Denn fürs Erste, wenn ihr als Versammlung zusammenkommet, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ich es.

Fürs Erste“

Der Apostel spricht hier von dem „Ersten“, wir hören aber nicht mehr von dem Zweiten und Dritten; das hätten wir wohl auch noch gern erfahren, aber dieses „Erste“ war schon wichtig genug. Vielleicht kann man sich das Zweite jedenfalls noch denken, wenn man die Spaltungen und die unwürdige Art und Weise beim Abendmahl voneinander trennt. Jedoch wollte der Apostel das Übrige, so erfahren wir es im Vers 1. Korinther 11,34b, mit ihnen besprechen, wenn er persönlich kommen würde: „Das Übrige aber will ich anordnen, sobald ich komme.“

Lehrmäßige und soziale Spaltungen

„Es seien Spaltungen unter euch …“

Zum Thema Spaltungen müssen wir uns fragen, was hier in Kapitel 11 wirklich gemeint ist. Schon im ersten Kapitel hören wir, dass Spaltungen unter den Korinthern entstanden waren. Sie äußerten sich darin, dass sie verschiedenen Dienern des Herrn hinterherliefen. Es mag sein, dass der Apostel Paulus diese Spaltungen und Parteiungen auch hier anspricht, aber wenn wir den Textzusammenhang hier betrachten, so ging es doch hier in erster Linie nicht um „lehrmäßige“ Spaltungen und Parteiungen, sondern um „soziale“ Spaltungen. Das können wir schließen aus den Versen

1Kor 11,21: „der eine ist hungrig“,
1Kor 11,22: „ihr beschämt die …“
1Kor 11,34a: „wartet auf einander“

Das waren hauptsächlich die Gründe für die Spaltungen in Bezug auf das Zusammenkommen zum Mahl des Herrn. Dass auch die Gruppenbildung durch die „lehrmäßigen“ Unterschiede unterstützt wurde, versteht sich dabei von selbst.

Nicht jedem Gerücht glauben

„Zum Teil glaube ich es.“

Der Apostel Paulus ist jedoch sehr vorsichtig, in dem was er glaubt und nicht glaubt. Wie wir in 1. Korinther 1,11 lesen, hatte er etliches über die Korinther von den „Hausgenossen der Chloe“ gehört. Aber er war sich der Gefahr bewusst, dass das, was weitergetragen wurde, auch sehr subjektiv sein konnte. Er wollte auch für die Meinung der Korinther offen sein und auch deren Meinung anhören. Es ist auch unter uns Christen heutzutage ein großes Problem, dass wir Gerüchte zu schnell glauben oder gar selbst weitererzählen. Wie viel Schaden ist dadurch entstanden, dass jemand eine Vermutung oder eine Schlussfolgerung aus einer Bemerkung ausgesprochen hat, die der andere dann als eine Gewissheit/Behauptung – natürlich mit besten Gewissen – weitergegeben hat. Wir sollten hier von Paulus lernen und nur das weitertragen, was wir wirklich wissen und ansonsten nach dem Motto leben: „Die Liebe denkt nichts Böses.“ Außerdem dürfen wir uns auch an einen sehr weisen Satz erinnern: „Was wir sagen, muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, müssen wir sagen!“

Vers 19

1Kor 11,19: Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.

Keine Rechtfertigung für Trennungen

„Es müssen auch Parteiungen unter euch sein.“

Das ist ein sehr schwieriger Vers, den man natürlich auch gerade so hinbiegen kann, wie man ihn für seine Situation braucht. Jene, die eine Parteiung bilden, können schnell argumentieren, dass ja schon der Apostel gesagt hat: „Es müssen auch Parteiungen unter euch sein“, und so rechtfertigt man eine Trennung unter Gläubigen. Aber was will der Apostel hier wirklich sagen? Das Ziel einer Parteiung, die „sein muss“, kann nur sein, „damit die Bewährten unter euch offenbar werden“.

Trennungen, Parteiungen sind Werke des Fleisches nach Galater 5. In Maleachi heißt es: „Gott hasst Trennungen.“ Aber manchmal kommen diese Dinge über uns als Erprobung. Anstelle „die Bewährten“ kann man auch übersetzen „die Erprobten“. Der Herr Jesus sagt in Matthäus 18,7, dass auch Ärgernisse notwenig sind, aber wehe denen, durch die sie produziert werden.

Die Bewährten

Wer sind nun die Bewährten? Wie wir in diesem Kapitel gelesen haben, gab es in Korinth viele fleischliche Gläubige (vgl. 1Kor 3), die lediglich ihre eigene Befriedigung suchten und nicht an die Armen dachten. Das war ganz gegen das, was die Christen bisher gekennzeichnet hatte und wozu Paulus sich selbst auch befleißigte. In dieser konkreten Situation war also klar, dass die Bewährten sich darin zeigten, dass sie sich um die Armen kümmerten. Es waren solche, die versuchten, als Glieder Christi nach Einheit und Eintracht zu streben; solche, die sich dessen bewusst waren, was Paulus einmal an die Galater schrieb: „Da ist nicht Jude noch Grieche noch Freier oder Sklave noch Mann und Frau, sondern ihr seid eins in dem Herrn“ (Gal 3,28). Im Allgemeinen zeigt sich an der Seite, die man bei einer Parteiung wählt, ob man zu den Bewährten gehört oder nicht. Ist man auf der Seite derer, die das Wort Gottes beachten, oder auf der Seite derer, die davon abweichen?

Die Bewährten führen wegen Meinungsverschiedenheiten keine Spaltung herbei

Die Bewährten werden aber auch dafür sorgen, nicht wegen einer Meinungsverschiedenheit oder irgendwelcher sozialen Unterschiede eine Spaltung der Gemeinde zu provozieren oder gar in der Gemeinde eine Zweiklassen-Gesellschaft einführen (was ja leider auch in der heutigen Gemeinde nicht selten vorgekommen ist). Die Bewährten sind nach Epheser 4 die, die sich befleißigen, „die Einheit des Geistes zu bewahren im Band des Friedens“, indem man sich in Liebe, Sanftmut und Langmut gegenseitig in Demut trägt und den anderen höher achtet als sich selbst. Dazu ist allerdings großer Fleiß notwendig und eine innige Verbindung zu dem Haupt des Leibes. Die Bewährten oder die Erprobten sind beseelt von dem Gedanken, die Einheit der Gemeinde zu wahren und jeglicher Spaltung entgegenzuwirken.

Wenn es zum Beispiel sehr gesetzliche Gläubige gibt, dann ist das nach dem Kolosserbrief eine Form von Weltlichkeit und in diese Kategorie lässt sich ein Bewährter oder Erprobter nicht einsortieren. Aber es gibt auch unter Gläubigen die sogenannten „Weltlichen“, die sich Freiheiten rühmen, die weit über die Schrift hinausgehen. Auch in diese Kategorie lässt sich ein Bewährter nicht einsortieren.

Vers 20

1Kor 11,20: Wenn ihr nun an einem Orte zusammenkommet, so ist das nicht des Herrn Mahl essen.

Mahl des Herrn – nicht Tisch des Herrn

Die Korinther hatten das Mahl des Herrn zu einer ganz gewöhnlichen Mahlzeit reduziert. Es ist schön, zu sehen, wie der Geist Gottes hier nicht von dem „Tisch des Herrn“ spricht, sondern von dem „Mahl des Herrn“. Er legt hier das Augenmerk mehr auf die Gegenstände, die mit dem Tisch in Verbindung standen – nämlich Brot und Wein –, als auf die Tatsache, dass alle an einem Tisch sitzen so wie in 1. Korinther 10. Beachte: Wir dürfen den Tisch des Herrn nicht als einen Tisch aus Holz verstehen.

Das Bewusstsein, wofür Brot und Kelch ein Bild waren, ging verloren

Die Korinther waren sich nicht mehr bewusst, wovon gerade dieses Brot und dieser Wein sprachen. Dass der Herr Jesus seinen Leib gegeben und sein Blut vergossen hatte, um die zerstreuten Gotteskinder „in eins“ zu versammeln, das leugneten die Korinther durch ihre Verhaltensweise. Gerade das, wofür Brot und Kelch ein Bild waren, nämlich für den Tod des Herrn, wurde geleugnet. Der Herr Jesus ist ja nicht nur gekommen, um die zerstreuten Gotteskinder in eins zu versammeln, sondern es heißt, dass Er starb, um die zerstreuten Gotteskinder in eins zu versammeln.

Der Charakter des Abendmahles darf nicht verändert werden

Der Apostel sagt jedoch: „Das ist nicht des Herrn Mahl essen.“ Sie hatten das „heilige Abendmahl“ zu einer rein menschlichen Mahlzeit herabgewürdigt. Auch wir dürfen das Mahl des Herrn nicht verändern; tun wir es dennoch, feiern wir nicht das Mahl des Herrn.

Wenn wir zum Beispiel glauben, dass das Mahl des Herrn als Gnadenmittel gedacht sei oder als Sakrament, um Errettung und Vergebung der Sünden zu erlangen, dann haben wir den Inhalt dieses Mahles des Herrn aufgegeben. Ich war einmal in einer Gemeinde, da machte man aus dem Mahl des Herrn eine „Zuspruchstunde“. Hier hat man den Inhalt dieses Mahles des Herrn völlig missverstanden. Und ich frage mich, ob das wirklich noch „des Herrn Mahl essen“ bedeutet. Ich will da vorsichtig sein, der Herr kennt die Herzen und weiß, wie sie es meinen, aber wir wollen doch nichts von dem Ernst wegnehmen. Der Apostel sagt, wenn wir den Inhalt dieses Abendmahles aufgeben, dann ist das nicht das Mahl des Herrn essen, obwohl man vielleicht rein äußerlich das Richtige tut, nämlich vom Brot isst und vom Kelch trinkt.

Die Tatsache an sich, dass Christen sich zusammenfinden und von dem Brot essen und von dem Wein trinken, ist noch kein Beweis dafür, dass der Herr dies als sein Abendmahl anerkennen kann.

Verse 21.22

1Kor 11,21.22: Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist trunken. Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken? Oder verachtet ihr die Versammlung Gottes und beschämet die, welche nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? In diesem lobe ich nicht.

Abendmahl folgte dem Liebesmahl

Wir sehen hier, dass die Korinther sozusagen die Gewohnheit hatten, eine doppelte Mahlzeit zu sich zu nehmen. Sie waren zu einem sogenannten „Liebesmahl“ (Jud 12) zusammengekommen und feierten dann im Anschluss noch das „Abendmahl“. Auch der Herr Jesus war am letzten Abend mit seinen Jüngern zu einer Mahlzeit versammelt und erst am Ende setzte Er das sogenannte Abendmahl ein. Daran war an sich nichts Verkehrtes. Es heißt ja auch in Apostelgeschichte 2, dass sie verharrten in der „Gemeinschaft“ und im „Brechen des Brotes“. Doch der Unterschied zwischen „Liebesmahl“ und „Abendmahl“ war in Korinth völlig verwischt worden. Die Grenze zwischen diesen beiden Mahlzeiten war nicht mehr zu erkennen. Es konnte also verkommen, dass der eine bereits fertig war und der andere noch gar nicht angefangen hatte. Man wartete nicht aufeinander (1Kor 11,33). Es kann sogar sein, dass sich manche etwas früher trafen und dann andere, die zum Beispiel als Sklaven in einem Haushalt arbeiteten, erst später eintrafen.

Das Wort „trunken“ muss hier nicht zwingend mit „betrunken“ in Form eines Besäufnisses zu tun haben. Als der Herr auf der Hochzeit zu Kana Wasser zu Wein machte, da warf man dem Speisemeister vor, dass man normalerweise den guten Wein erst dann reicht, wenn die Leute „trunken“ geworden sind. Das muss hier auch nicht zwingend, wenn überhaupt, ein Besäufnis gewesen sein, denn der Herr würde sicherlich kein typisches Trinkgelage unterstützt haben. Das erste Problem in Korinth war, dass manche einfach schon zu viel getrunken hatten und andere noch nichts bekommen hatten. Das Gleiche galt für die Speisen. Manche mussten hungrig wieder weggehen.

Das Liebesmahl, bei dem wir eigentlich mehr für uns selbst versammelt sind, mit dem Mahl des Herrn zu verbinden, hatte zu einer großen Missachtung des Mahles des Herrn geführt. Paulus löst diese Gewohnheit auf und zeigt, dass ein Liebesmahl nichts zu tun hat mit ihrem Zusammenkommen, das heißt, wenn sie „als Versammlung zusammenkommen“. Er fragt: „Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken?“

Vers 23

1Kor 11,23: Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in welcher er überliefert wurde, Brot nahm,

Eine besondere Offenbarung

Nun kommen wir zu dem Herzstück unserer Betrachtung. Dies ist so wichtig, dass der Herr Jesus es für nötig erachtet hat, dem Apostel Paulus eine besondere Offenbarung darüber zu geben. Und dass dies eine spezielle Offenbarung war, können wir schon daran ersehen, dass Paulus etwas sagt über das Abendmahl, was der Herr Jesus bis dahin noch nicht offenbart hatte – nämlich zum einen, dass sie das tun sollten, „bis er kommt“, und zum anderen, dass wir durch dieses Abendmahl „den Tod des Herrn verkündigen“. Außerdem hatte der Herr Jesus dem Paulus offenbart, dass das Brot nicht nur der Leib Christi ist, sondern dass auch die Gläubigen Glieder dieses Leibes sind, dass wir in dem Brot auch die „eine Gemeinde“ erblicken dürfen. Das hatte der Herr Jesus seinen Jüngern bis dahin noch nicht offenbart. Das sind alles besondere Offenbarungen, die erst der Apostel Paulus bekommen hatte. Es ist so ähnlich wie mit dem Evangelium, das der Apostel Paulus empfangen hatte, wovon es in Galater 1,12 heißt: „Ich habe es weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi.“

Das Richtige tun aus Liebe zum Herrn

Aber es handelt sich noch aus einem anderen Grund um das Herzstück unserer Betrachtung. Das deutet der Apostel Paulus durch die Worte an: „… in der Nacht, in der er überliefert wurde.“

Das finde ich persönlich so großartig von dem Apostel und überhaupt an den geisterfüllten Menschen der Bibel. Sie richten sich nicht allein an den Verstand, sondern auch an das Herz. Der Apostel wollte die Herzen der Korinther gewinnen, er wollte sie nicht einfach lehrmäßig überzeugen, sondern er wollte die Herzen für Christus gewinnen. Sie sollten aus Liebe zum Herrn das Richtige tun.

Die schrecklichste Nacht in der Menschheitsgeschichte

Paulus erinnert die Korinther an die Nacht, als der Herr Jesus verraten wurde: die schrecklichste Nacht – neben den drei Stunden der Finsternis natürlich, als es mitten am Tag Nacht wurde –, die es je in der Menschheitsgeschichte gab. Der Herr Jesus redet davon, wenn Er sagt: „Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“ (Lk 22,53).

In dieser Nacht stritten die Jünger darüber, wer der Größte unter ihnen sei. Während des Abendmahls musste der Herr Jesus sehen, wie der Teufel in einen seiner Jünger fuhr, wie Petrus Ihn bei der Fußwaschung nicht verstand. Es war die Nacht, in der der Herr Jesus geängstigt im Garten Gethsemane im Gebet rang; wo Er mit ansehen musste, wie einer seiner Jünger Ihn mit einem „zärtlichen“ Kuss verriet, wie die Jünger alle flohen, wie Er vor die Herrscher der damaligen Welt geführt wurde und geschlagen und gegeißelt wurde, und wo Er erleben musste, wie einer seiner Jünger Ihn dreimal und dabei einmal sogar mit einem Fluch verleugnete. Er hatte auf Mitleiden gewartet, aber da war keines (Ps 69,21). Er war der einsame Vogel auf dem Dach (Ps 102,8), wie es die Psalmen berichten. Auf diese Nacht folgte ein Tag und das Kreuz. Das Verhalten der Menschen hatte nichts Menschliches mehr an sich, der Mensch wurde „zum Tier“. „Hunde“ hatten Ihn umgeben, um Errettung „aus dem Rachen des Löwen“ hatte Er gebeten und „von den Hörnern der Büffel“ sollte Er erlöst werden. Und der Herr Jesus musste klagen: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mann, der Menschen Hohn und der vom Volk Verachtete“ (Ps 22,7.17.22). – Was war das für eine Nacht, als Er überliefert wurde, und was waren das für Leiden am Kreuz, als es mitten am Tag Nacht wurde und der Herr Jesus starb, dessen Tod wir heute beim Abendmahl verkündigen dürfen? Der Herr Jesus sagte zu den Ältesten des Volkes: „Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“ (Lk 22,53).

Obwohl wir „Söhne des Tages“ sind (1Thes 5,5), so befinden wir uns doch äußerlich in der Nacht. Der Herr Jesus sagte selbst: „Es kommt die Nacht“ (Joh 9,4). Wir feiern dieses „Nachtmahl“ aber als Söhne des Lichtes. Wir singen in einem Lied „In die Nacht der Welt hast du uns gestellt, deine Liebe zu bezeugen“[1]. Wir erinnern uns an den gestorbenen Christus, obwohl Er zur gleichen Zeit in unserer Mitte als der Lebendige ist. Das ist doch wirklich großartig. Aber was für eine Hoffnung, der Apostel Paulus sagt in Römer 13,12: „Die Nacht ist weit vorgerückt …“ – wir feiern das Abendmahl, „bis er kommt“.

Vers 24

1Kor 11,24: … und als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis.

Der Herr Jesus hat ein Denkma(h)l gestiftet

Das ist genauso großartig! In Psalm 111,4 heißt es: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seinen Wundertaten.“ Das ist genau das, was der Herr Jesus getan hat; durch seinen Tod hat Er sich ein Denkma(h)l errichtet. Vielen Personen der Geschichte wurde schon ein Denkmal errichtet, das heute allerdings nicht mehr steht; doch das Denkma(h)l, das der Herr Jesus gestiftet hat, wird so lange erhalten bleiben, „bis er kommt“. Solange es Christen auf dieser Erde gibt, wird auch dieses einzigartige Denkma(h)l sichtbar gemacht werden – Woche für Woche, wenn wir so wollen.

Der Herr Jesus hat alles unsertwegen aufgegeben

Dürfen wir es einmal so sagen: Der Herr Jesus hat in der Nacht, als Er überliefert wurde, und auch am folgenden Tag so sehr an uns gedacht, dass wir nun voller Freude und Liebe an den denken können, der wirklich alles gegeben hat. Alles? Wirklich alles? Ja, alles! Der Herr Jesus war der arme Zimmermann; schon bis zu seinem öffentlichen Auftreten war Er kein hochangesehener Mann. seine Eltern waren so arm, dass sie, als sie für ihr Kind opferten, nur einige Tauben geben konnten. Er hatte während seines Dienstes nichts, wo Er sein Haupt hinlegen konnte und musste Petrus bitten, Ihm eine Münze zu bringen. Paulus sagt später: „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2Kor 8,9).

Aber der Herr Jesus gab nicht nur alles Materielle auf für seine Mission, sondern als es so weit war, dass man Ihm selbst die Kleider auszog, da würde Er noch einen Schritt weiter gehen, denn Er sagte: „Dies ist mein Leib, der für euch ist.“ Wie lieb muss der Herr Jesus uns haben! Wollen wir diese Liebe nicht beantworten, indem wir das tun, wonach sich sein Herz so sehr gesehnt hatte? Wollen wir nicht auch heute in der Nacht dieser Welt jedem verkündigen, dass der Herr Jesus dort für mich gestorben ist, dass Er dort in diese Nacht – in die Nacht der Sünde – für mich gegangen ist? Er ist nach Psalm 69,3 „in tiefen Schlamm“ hinabgestiegen, damit du und ich nicht darin versinken müssen. Wenn wir seinen Tod verkündigen können mit so einer einfachen und schlichten Handlung wie dem Abendmahl, wollen wir das nicht im Andenken an seine Person tun? Wenigstens diesen einen kleinen Gefallen? Wie wenig sind wir davon wirklich noch berührt, wenn wir sehen, was der Herr Jesus für dich und mich getan hat.

Es heißt, wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat, und ich sage heute, wir gedenken an Ihn, weil Er zuerst an uns gedacht hat.

Vers 25

1Kor 11,25: Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahle und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute; dies tut, sooft ihr trinket, zu meinem Gedächtnis.

Der Neue Bund: Zukünftig und doch für uns relevant

Es ist nicht unser Thema, aber wir wollen doch kurz sagen, dass der Kelch den Neuen Bund versinnbildlicht. Es gab den Alten Bund im Alten Testament, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hatte (2Mo 24,8; Heb 9,18), den Bund des Gesetzes. Auch dieser Bund wurde mit Blut eingeweiht, aber er war nicht vollkommen.

Gott hatte es bereits in Jeremia 31,31-34 vorhergesagt, dass Er einen neuen Bund schließen würde:

  • Jer 31,31-34: Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund machen werde: nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern gemacht habe … Sondern dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel machen werde nach jenen Tagen, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr ein jeder seinen Nächsten und ein jeder seinen Bruder lehren und sprechen: Erkennet den HERRN! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken.

Dieser Bund ist allerdings noch zukünftig. Es wird auch ein Bund mit dem irdischen Volk Gottes mit Israel sein, dann im Friedensreich. Aber auch Paulus nennt sich bereits einen Diener dieses Bundes.

  • 2Kor 3,6: Er hat uns auch tüchtig gemacht zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.

Denn auch wir dürfen heute schon von den Segnungen dieses Neuen Bundes profitieren. Wir dürfen heute schon wissen, dass uns unsere Missetaten vergeben und Gott unserer Sünden nicht mehr gedenken wird. So wie wir in der Nacht doch bereits Söhne des Lichtes sind und nicht von der Nacht sind, so werden wir heute schon in die Segnungen dieses neuen Bundes eingeführt, obwohl er noch zukünftig ist. Aber die Grundlage für diesen neuen Bund hat der Herr Jesus auf Golgatha gelegt – auch dieser neue Bund wurde durch Blut eingeweiht. Deswegen heißt es auch hier in diesem Vers: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“

Spezielle Offenbarung des Paulus

Es ist übrigens interessant, dass es hier heißt: „Sooft ihr trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“; das gehört zu der besonderen Offenbarung, die der Apostel von dem Herrn empfangen hatte, denn das lesen wir nicht in den Worten des Herrn in den Evangelien.

Vers 26

1Kor 11,26: Sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Eckpfeiler: „Tod des Herrn“ – „bis er kommt“

Wir verkündigen beim Abendmahl den Tod des Herrn, und zwar bis Er kommt. Wir leben also in der Zeit zwischen diesen beiden Eckpunkten. Wir blicken zurück auf den Tod des Herrn Jesus und wir blicken nach vorn und halten Ausschau nach dem Kommen des Herrn. In dieser Zwischenzeit leben wir in der Nacht und warten darauf, dass der Morgenstern aufgehe (siehe auch 1Thes 1,9; Lk 19,13). Und wir haben viel mehr Grund, anzunehmen, dass die Nacht weit vorgerückt ist, als jene, die uns vorangegangen sind.

Wem verkündigen wir den Tod des Herrn?

Wem verkündigen wir denn den Tod des Herrn? Nun wir verkündigen den Tod des Herrn erst einmal uns gegenseitig. Jeder der Anwesenden wird immer wieder daran erinnert, dass Christus für uns gestorben ist – „unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden“ (1Kor 5,7) – und dass Er alles gutgemacht hat. Aber wir verkündigen dies auch der Engelwelt und jedem Fürstentum in den Himmeln (Eph 3). Und wir tun dies auch in gewisser Weise vor der ungläubigen Welt. Sie sehen, dass wir hier jeden Sonntag zusammenkommen; sie können es draußen lesen, dass wir hier zum Abendmahl zusammenkommen. Manche hören, wenn sie sonntags hier vorbeigehen, dass hier fromme Lieder vom Herrn Jesus gesungen werden. Es ist aber auch irgendwie eine schweigende Verkündigung, denn die eigentliche Handlung ist ja lautlos. Welch eine lautstarke Verkündigung war das, als die Montagsdemos stattfanden, bevor die Mauer fiel. Tausende gingen friedlich auf die Straße, oftmals ohne große Worte, sondern nur mit einer Kerze!! Aber das, was diese stummen Kerzen verkündeten, war nicht zu überhören.

Das Abendmahl ist kein Trauermahl

Und wir tun dies, „bis er kommt“. Hier sehen wir auch, dass das Abendmahl nicht nur ein „Trauermahl“ ist, sondern dass uns das auch daran erinnert, dass der Herr Jesus wiederkommen wird. Jesus lebt, Er hat gesiegt – das ist hier die Botschaft. Der Herr Jesus ist unserer Sünden wegen dahingegeben worden, aber unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden. Was wäre alles ohne die Auferstehung gewesen? Wäre Christus nicht auferstanden, wären wir noch in unseren Sünden, heißt es in 1. Korinther 15,17; unser Glaube wäre nichts als Eitelkeit.

Geisterfüllte Menschen erkennt man daran, dass sie den gleichen Wunsch haben wie der Geist Gottes. Und dieser ruft: „Komm, Herr Jesus“ (Off 22). Aber es heißt dort auch: „Der Geist und die Braut sagen: Komm!“ (Off 22,17). Das Sehnen des Geistes, der zu Pfingsten auf die Erde gesandt wurde, ist, dass Er wieder dort ist, von wo Er einst gekommen ist. Und den gleichen Wunsch sollten auch wir haben.

Vers 27

1Kor 11,27: Wer also irgend das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt unwürdiglich, wird des Leibes und Blutes des Herrn schuldig sein.

Leichtfertigkeit ist fehl am Platz

Nachdem wir uns so mit dem Herrn Jesus beschäftig haben, fragen wir uns: Müssen wir uns denn jetzt wirklich noch mit uns selbst und unseren geistlichen Zustand beschäftigen? – Ja, das müssen wir, wir müssen weitergehen und Vers 27 zu Herzen nehmen.

Wenn wir nämlich sehen, was es für den Herrn Jesus bedeutet hat, dieses Abendmahl einzusetzen, und wenn wir sehen, was der Herr Jesus mit diesem Abendmahl verbunden hat und wovon es ein Bild sein darf, dann kann es nicht anders sein, als dass wir damit sehr verantwortungsbewusst umgehen. Jede Leichtfertigkeit ist hier fehl am Platz.

Zweiklassen-Gesellschaft in Korinth

Die Korinther hatten eine Zweiklassen-Gesellschaft eingeführt, und wenn wir hören, dass der Herr Jesus starb, um die zerstreuten Gotteskinder „in eins zu versammeln“, und dass der Leib des Herrn aus allen Kinder Gottes besteht, dann machen wir uns des Leibes und Blutes des Herrn schuldig, wenn wir genau das Gegenteil tun: Wenn wir also nicht das Sammeln der Kinder Gottes, die Einheit des Geistes, die Eintracht im Auge haben, dann handeln wir dem Tod des Herrn entgegen. Wir verkündigen vielleicht den Tod des Herrn, aber unsere Taten zeigen ein anderes Bild.

Spaltungen und Parteiungen sind des Herrn unwürdig

Es ist nicht des Herrn würdig, wenn man solche sozialen Unterschiede in der Gemeinde zulässt; wenn man es zulässt, dass durch Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer Gemeinde Spaltungen und Parteiungen entstehen.

Verse 28.29

1Kor 11,28.29: Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch. Denn wer unwürdiglich isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet.

Nun kommt ein Vers, der in diesem Kapitel ganz besonders von der persönlichen Verantwortung spricht.

Nicht „unwürdig sein“, sondern „unwürdige Weise“

Es geht bei der Selbstprüfung nicht darum, festzustellen, ob wir würdig sind, an so einem Mahl überhaupt grundsätzlich teilzunehmen. Wenn es darum ginge, dann müssten wir sagen, wir sind alle unwürdig von Natur aus. Oder wir sagen, dass wir alle „passend gemacht“ wurden (Kol 1). Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es nicht darum, „unwürdig“ zu sein oder nicht, sondern darum, ob die Art und Weise des Herrn würdig ist.

Keine ungerichtete Sünde mit zum Mahl des Herrn bringen

Hier geht es darum, dass wir in einem Zustand sind, der nicht mit diesem Abendmahl übereinstimmt. Wir haben gesehen, dass der Herr Jesus in die Nacht der Sünde ging, um uns daraus zu befreien und zu erretten. Wenn wir nun mit Sünden, die wir nicht bekannt haben, uns dieser Mahlzeit nähern, dann ist das alles andere als würdig. Der Herr Jesus starb für deine und meine Sünden, und wir schämen uns nicht, diese mit an seinen Tisch zu bringen? Das kann nur Gericht und Züchtigung nach sich ziehen, und wir können dem Herrn dankbar sein, dass Er, obwohl wir das trotzdem hier und da sicher gemacht haben, nicht gleich in der weiter unten beschriebenen Art und Weise gehandelt hat. Aber der Herr Jesus hat diese Nacht und das anschließende Kreuz erduldet, weil Er das Gericht über die Sünde und über unsere Sünden tragen wollte. Sünde oder Nachlässigkeit im geschwisterlichen Umgang miteinander, mit diesem Tod in Verbindung zu bringen, heißt den Tod Christi entweihen, der lieber starb, als dass Er die Sünde vor Gott hätte bestehen lassen. Für uns wäre es gut, wenn wir lernten, die Sünde in dem Anblick des Kreuzes Jesu zu sehen. Erst wenn wir uns vergegenwärtigen, wohin die Sünde den Herrn am Kreuz brachte – nämlich in die Gottesferne –, erkennen wir, was Sünde in den Augen Gottes bedeutet. Und wenn wir die Sünde so beurteilten, dann würden wir uns auch selbst prüfen.

Deshalb heißt es hier, dass sich jeder selbst prüfen sollte. Und wenn er etwas entdeckt, dann soll er das mit Gott dem Vater bereinigen durch Bekenntnis  und dann sollte er essen, „und also esse er“.

Selbstprüfung beim letzten Abendmahl des Herrn

Bevor der Herr Jesus das Abendmahl einsetzte, sagte Er zu seinen Jüngern: „Einer von euch wird mich überliefern“ – wir erinnern uns, dass der Apostel in Vers 23 gerade auf diese Begebenheit anspielte („in der Nacht“!) –, und nun waren alle aufgefordert, sich selbst zu prüfen. Und alle sagten: „Ich bin es doch nicht, Herr?“ Auch Judas war dabei und fragte ganz unschuldig das Gleiche. Aber wir sehen auch bei dem ersten Abendmahl, dass die Prinzipien die gleichen waren. Auch der Herr Jesus wollte, dass die Jünger sich selbst prüften.

Vers 30

1Kor 11,30: Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil sind entschlafen.

Erziehungswege Gottes

So wie das Gericht für Judas schrecklich war („es wäre jenem Menschen besser, das er nicht geboren wäre“; Mt 26,24), so kann es auch für uns sehr ernst sein, den Herrn Jesus auf diese Art und Weise kennenzulernen. Sicher, wir werden nicht mehr verlorengehen, wenn wir Kinder Gottes sind. Aber es kann sein, dass wir es mit den Erziehungswegen Gottes zu tun bekommen, und dann nicht, weil Gott Freude an der Zucht hat, sondern weil Er nicht will, dass wir mit der Welt verurteilt würden (1Kor 11,32). Gott züchtigt jeden Sohn oder Tochter, den/die Er lieb hat (Heb 12).

Stellenwert des Abendmahls

Dieser Vers ist wirklich sehr ernst, und als mir klar wurde, welche Folgen ein unwürdiges Essen beim Abendmahl hatte, da wurde mir wieder erneut klar, welch hohen Stellenwert dieses Abendmahl in den Augen des Herrn hat, wenn derartige Konsequenzen damit verbunden sind.

Geduld und Gnade des Herrn

Gleichzeitig wurde mir die Gnade Gottes klar, der doch unendlich viel Geduld mit seinen Kindern hat. Wie oft haben wir in einer gleichgültigen Haltung von diesem Mahl gegessen, wie oft waren wir so weit weg und wie oft hätten wir – wenn wir ehrlich sind – das Brot und den Kelch vorüberziehen lassen müssen. Wir dürfen an dieser Stelle wirklich noch einmal ganz neu dem Herrn danken für seine Geduld mit uns.

Zusammenhang von Krankheit und Sünde

Aber wir sehen hier auch eine wichtige Wahrheit, die wir vielleicht schon längst wieder vergessen haben: dass Krankheit und sogar Tod auch etwas mit unserem schlechten geistlichen Zustand zu tun haben kann. Wenn wir eine Erkältung haben, fragen wir dann noch: Herr, willst du mir vielleicht etwas klarmachen?, oder sagen wir: Mensch, da hat mich der Kollege schon wieder angesteckt. – Natürlich dürfen wir einander nicht sagen: Schau, der ist krank, der hat bestimmt gesündigt oder etwas nicht ins Reine gebracht. – Auch die Jünger machten in Johannes 9 den gleichen Fehler und auch die Freunde Hiobs. Doch sollten wir zum einen bedenken, dass jede Krankheit eine Folge der Sünde ist, denn erst seit die Sünde in der Welt ist, gibt es auch Krankheiten. Die Frage ist nur, ob es Sünde im eigenen Leben ist, warum wir krank sind oder uns Leid trifft. Der Herr Jesus sagt nach der Heilung des Gelähmten in Markus 2 und in Johannes 5: „Gehe hin und sündige nicht mehr“ – hier stand die Krankheit offenbar mit begangener Sünde in Verbindung. Deshalb müssen wir uns selbst prüfen und fragen, ob wohl jede Wolke zwischen uns und dem Vater beseitigt ist und in welcher Beziehung ich zu meinem Mitbruder oder zu meiner Mitschwester stehe. Aber wie gesagt, nicht jedes Leid oder jede Krankheit müssen mit persönlich begangenen Sünden zu tun haben.

Sünde darf nicht bagatellisiert werden

Wir wollen uns ermuntern, Sünde in unserem Leben nicht zu bagatellisieren. Wir hatten über SoundWords eine Lesermeinung bekommen, wo jemand bekannt hat, dass er immer wieder mit der gleichen Sünde zu tun hat und dass man ihm geraten habe, er solle sich deswegen nicht fertigmachen und dies so annehmen. Damit konnte sich der Leser aber nicht abfinden. Das fanden wir sehr gut. Wenn wir Sünden in unserem Leben haben, die wir immer wieder begehen – ich meine jetzt nicht in dem Sinne, dass wir hier und da von der Sünde übereilt werden („wir alle straucheln oft“; Jak 3,2), sondern dass wir vielleicht über Wochen, Monate, Jahre und Jahrzehnte eine Sünde immer und immer wieder vor den Herrn bringen, ohne wirklich Befreiung von dieser Sünde zu erleben –, sind das Sünden, von denen wir spüren, dass wir wie ferngesteuert werden, und wo eine fremde Macht Einfluss auf unseren Körper oder auf unsere Gedanken hat. Wir wollen es so ernst sagen, wie es ist: Der Teufel hat dann einen Fuß in unserer Tür. Im Epheserbrief heißt es aber: „Gebt dem Teufel keinen Raum“ (Eph 4,27). Wenn wir aber in solch einer Sünde stecken, dann hat der Teufel einen gewissen Raum in unserem Leben – zumindest einen Fuß in der Tür. In den meisten Fällen braucht so jemand dann Seelsorge. Wir brauchen jemand an unserer Seite, dem wir uns anvertrauen können; bei dem wir uns sicher fühlen; der uns buchstäblich oder auch nur „geistig“ in den Arm nimmt und mit uns um Befreiung betet; der uns Mut macht und uns einen guten Rat geben kann; mit dem wir die geistliche Kriegsführung gegen die Mächte der Bosheit in der Himmelswelt (Eph 6) führen können. Wir können dann niemand gebrauchen, der uns verurteilt oder gleich mit großen Sprüchen daherkommt. Das sind Dinge, die uns total fremd geworden sind. Aber diese ganzen nicht gelösten Probleme in der Gemeinde bzw. mit Gemeindegliedern sind Dinge, die das geistliche Leben in einer Gemeinde ersticken können. Wir werden merken, dass wir kaum noch geistliche Kraft im persönlichen Leben oder im Gemeindeleben haben.

Ich weiß, wie schwer die Verwirklichung dessen ist, was ich hier gesagt habe. Aber wir müssen darüber wieder ins Gespräch kommen. Wir müssen wieder mehr Vertrauen zueinander gewinnen und den anderen Anteil nehmen lassen an unseren Sorgen und Sünden und überhaupt an unserem Leben. Jakobus sagt, dass wir einander die Vergehungen bekennen sollen. Es steht dort nicht – das machen wir schnell daraus –, dass wir nur dem die Sünde bekennen sollten, gegen den wir uns versündigt haben; das sollte sowieso eine Selbstverständlichkeit sein. Wir brauchen auch den Zuspruch des anderen in der Seelsorge, der uns an den Zuspruch aus Gottes Wort erinnert, wenn es heißt, dass, wenn wir unsere Sünden bekennen, Gott treu und gerecht ist, dass Er uns die Sünden vergibt.

Vers 31.32

1Kor 11,31.32: Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden.

Wie wir aus Hebräer 12 wissen, züchtigt der Vater nur aus Liebe. Warum? Weil Er nicht will, dass wir mit der Welt verurteilt würden. Wenn es heißt: „so würden wir nicht gerichtet“, dann ist hiermit das zeitliche Gericht gemeint, wie es in Vers 30 beschrieben wird („Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil sind entschlafen“; 1Kor 11,30). Wenn es in Vers 32 heißt: „damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden“, dann ist hier das ewige Gericht gemeint.


Nach einem Vortrag in Remscheid-Lennep im Oktober 2004

Anmerkungen

[1] Aus dem Lied „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“ von Peter Strauch (*1943).

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