- Einleitung
- Heiligkeit
- Der Tempelbau
- Grade von Heiligkeit
- Die Wolke und die Schechina
- Die Schechina und der Heilige Geist
- Die Schechina in der Gemeinde
- „Da bin ich in ihrer Mitte“
- Der Tisch des Herrn
- Der Brandopferaltar
- Altar und Abendmahl
- Der Rauchopferaltar
- Eine himmlische Familie
- Der Fürst
- Leiter des Anbetungsdienstes
- Die Festzeiten
- Eine heilige Zusammenkunft
Leitverse: Hesekiel 40–43
Einleitung
In diesem Artikel wollen wir uns einige Gedanken machen über den Tempel, der in Hesekiel 40 bis 43 beschrieben wird. Da denken wir vor allem an die Bedeutung, die der Tempel in der gegenwärtigen Zeit hat. Die Beschreibung des Tempels Hesekiels muss im doppelten Sinne ausgelegt werden. Zum Ersten wird dieser Tempel einmal buchstäblich in Israel gebaut werden zu Beginn des tausendjährigen Friedensreiches, wie es auch in Jesaja 56,4-7, Hesekiel 37,16-28 und in Sacharja 6,12-15 angekündigt wird. Während des Tausendjährigen Reiches werden die zwölf Stämme Israels in ihrem Land wiederhergestellt sein und dort dem Herrn mit ihren Opfern dienen, die symbolisch zurückweisen werden auf das ein für alle Mal vollbrachte Werk Christi.
Zum Zweiten werfen auch alle Aspekte des messianischen Friedensreiches nun schon ihre Schatten voraus in die gegenwärtige Haushaltung. Wir leben jetzt schon in dem Reich Gottes (vgl. u.a. Röm 14,17.18 u. Kol 1,13). Das Reich besteht zwar noch in einer verborgenen Form – es wird bald in offenbarer Herrlichkeit aufgebaut sein bei der Erscheinung des Herrn –, aber die Grundsätze, die bald im messianischen Friedensreich gelten werden, gelten nun schon in moralisch-geistlichem Sinn in der Gemeinde. Diesem Gedanken werden wir nun nachgehen in dem, was den Tempel Hesekiels betrifft. Wir werden die geistlichen Lektionen besprechen, die Hesekiel 40–43 für die Gemeinde haben.
In der Kirchentradition hat man wenig oder gar kein Auge gehabt für die buchstäbliche Erfüllung Hesekiel 40–43 im zukünftigen messianischen Reich. Nun hat man diese Kapitel deswegen oft angewendet auf die Gemeinde. Als man im vergangenen Jahrhundert [im 18. Jh.] wieder die Augen geöffnet bekam für die buchstäbliche Bedeutung der Prophetien, fiel man ins andere Extrem und dachte nur noch an die zukünftige Erfüllung in Bezug auf Israel und nicht mehr an die Bedeutung, die die Prophezeiungen für uns heute haben. Wenn wir uns dann auch überlegen, welche geistliche Bedeutung das für die Gemeinde hat, dann sieht es so aus, als ob wir einen Schritt zurückgehen würden hin zur kirchlichen Tradition. Aber wir müssen uns dann bewusst sein, dass diese Tradition sehr wenig verstanden hat von der Bedeutung der Prophezeiung für die Gemeinde, vor allen Dingen deswegen, weil sie den wahren Charakter der Gemeinde nicht verstanden hat. Das mag aus dem Nachfolgenden sichtbar werden. Für die Auslegung von Hesekiel 40–43 in Bezug auf die Gemeinde gelten die folgenden neutestamentlichen Ausgangspunkte:
Die Gemeinde wird außer als Leib, Braut, Haus, Stadt auch angedeutet als Tempel, vor allen Dingen deswegen zuallererst, weil der Gott der Heilige Geist in ihr wohnt (1Kor 3,16; 2Kor 6,16; Eph 2,21). Insofern ist die Gemeinde ein vollkommen heiliger Ort, abgesondert von der Welt. Das wird vor allen Dingen deutlich aus 2. Korinther 6,14-18, wo die Gemeinde mit einem heiligen, von dem Bösen abgesonderten Tempel verglichen wird.
So wie in dem Tempel Opfer und Anbetungsdienst stattfand, so geschieht das auch in der Gemeinde und besonders während der Anbetungszusammenkunft (vgl. Eph 3,21; 1Pet 2,5; Heb 3,1-6; 10,19-22; 13,15), weil die Glieder der Gemeinde Priester genannt werden (vgl. 1Pet 2,5; Off 1,6; 5,10; 20,6) und weil ihre Lobpreisungen buchstäblich Schlachtopfer genannt werden (1Pet 2,5; Heb 13,15). Nicht das Versammlungsgebäude ist der Tempel, sondern das Zusammenkommen der Gemeinde ist in vollständig geistlichem Sinn Opfer- und Anbetungsdienst im Tempel.
Im Lichte dieser drei Punkte sieht es so aus, dass auch der Tempel in Hesekiel mindestens drei Bedeutungen hat:
- Er ist der Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes.
- Er formt ein mächtiges Lehrbuch betreffend die Heiligkeit Gottes.
- Er ist der Platz der Anbetung für das Volk Gottes.
Heiligkeit
Wir werden uns nun dem zweiten Punkt zuwenden. Die Heiligkeit Gottes wird in diesem Tempel noch viel stärker betont als in der Stiftshütte oder im Tempel Salomos. Diese Heiligkeit des Tempels beinhaltet Folgendes:
- die vollkommene Hingabe dieses Gebäude an Gott bis in die kleinsten Besonderheiten,
- das vollkommene Entfernen aus diesem Gebäude all dessen, was mit dem Wesen Gottes in Widerstreit ist.
Auf allerlei Weisen wird die Heiligkeit des Tempels betont. Wir wollen sieben Punkte nennen:
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Die Heiligkeit des Tempels wird umschrieben in dem„Gesetz des Hauses“. Auf der Spitze des Berges soll heiliges Gebiet sein von allen Seiten. „Siehe das ist das Gesetz für das Haus“ (Hes 43,12). Alle Regeln des Hauses werden hier in diesem einen Gesetz zusammengefasst. Der ganze Tempelkomplex ist hochheilig. Das ist besonders deswegen der Fall, weil die Heiligkeit Gottes in dem Tempel wohnt. Dieses Gesetz erinnert uns an Psalm 93,5: „Die Heiligkeit geziemt deinem Haus als Zierde.“ So ist auch die Gemeinde ein heiliger Tempel im Herrn (Eph 2,20), abgesondert von dem Bösen und dem Herrn geweiht. Auch wir müssen das Gesetz des Hauses kennen, und zwar mit dem Herzen (Hes 40,4), damit wir wissen, wie man sich im Hause Gottes (1Tim 3,15) verhalten soll.
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Die Beschreibung beginnt mit der Mauer rund um den Tempel (Hes 40,5). Von dieser Mauer wird weiter gesagt, dass sie da ist, um Scheidung zu machen zwischen dem Heiligen und dem Nichtheiligen (Hes 42,20). Diese Scheidung geht so weit, dass auch ein großes Gebiet rund um den Tempel noch heilig genannt wird – das Gebiet, das den Priestern zugemessen wird, so dass auch ihr praktisches, alltägliches Leben in demselben Maß heilig ist wie der Dienst im Tempel (Hes 45; 48,10-12; siehe auch den Schluss dieses Artikels). Auch in der Gemeinde ist die Mauer von größter Wichtigkeit. Sie ist in der Gemeinde der Heiligen (vgl. 1Kor 14,33) ein scharfe Trennung von allem Unheiligen, das heißt auch von allen Ungläubigen. Die Mauer wird deutlich beschrieben in 2. Korinther 6,14-18, wo die Gemeinde mit einem Tempel verglichen wird und wo auch ihr praktisches Leben unter das Gesetz der Heiligkeit gestellt wird.
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Daraufhin beschreibt der Prophet die Tür zwischen der Außenwelt und dem äußersten Vorhof (Hes 40,6-16.20-27) und die Tore zwischen dem äußersten und dem innersten Vorhof (Hes 40,28-37). Es geht hier um sehr große Tore, durch die jeder Besucher des Tempels gehen muss. Zu beiden Seiten des zentralen Durchgangs sind Wachzimmer für die Torwächter, die aufpassen auf alle, die das Gebäude betreten. In gleicher Weise achtet die Gemeinde darauf, wer ihren Zusammenkünften beiwohnt und am Abendmahl teilnehmen will, damit kein Ungläubiger und kein Gläubiger, der in Sünde lebt, dem Tisch des Herrn naht. Einige Brüder haben dabei eine besondere geistliche Berufung, um als Türwächter auftreten zu können (vgl. 1Chr 26,1-19; Neh 11–19).
Der Tempelbau
- Der eigentliche Tempelbau ist verteilt in
- eine Vorhalle (Hes 40,48 ff.),
- ein Hauptsaal, das ist das Heilige (Hes 41,1ff.),
- ein Innenzimmer, das ist das Allerheiligste (Hes 41,3ff.).
Es ist auffallend, dass derjenige, der in den Tempel hineingehen will, buchstäblich stets höhere Treppen besteigen muss. Bei sieben Stufen kommt man von außen in eins der Tore in den äußersten Vorhof (Hes 40,22). Über acht Stufen kommt man von da in eins der Tore zu dem innersten Vorhof (Hes 40,37). Und über zehn Stufen kommt man in den eigentlichen Tempelbau (Hes 40,49); insgesamt fünfundzwanzig Stufen. Es ist übrigens merkwürdig, dass in der Beschreibung des Tempelkomplexes fast nirgendwo Höhenmaße angegeben werden. Man steigt in die Höhe zu Gott, aber es ist sozusagen keine Grenze dieser Höhe angegeben. Der Tempel scheint nach oben, Richtung Himmel, ganz offen zu sein, als ob der Himmel und die Erde hier einsgeworden sind. In der Gemeinde Gottes als das himmlische Volk hat sich die Herrlichkeit Gottes der Erde mitgeteilt, wo sich die Gemeinde noch befindet. Der Herr ist hier derjenige, in dem Himmel und Erde zusammen vereinigt sind.
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Das Verständnis für die Bedeutung des Tempels steht eigentlich nur denen offen, die ein moralisches Gefühl für seine Heiligkeit haben. In Hesekiel 43,10-27 muss der Prophet dem Volk über den Tempel erzählen und darüber, dass es wegen der Heiligkeit des Platzes erst einmal zur Buße über die eigenen Sünden kommen muss. Danach erst kann das Volk von den Besonderheiten des Tempels Kenntnis nehmen. Auch uns gilt, dass das wirkliche Verständnis von der Gemeinde als Tempel Gottes nicht in erster Linie eine Sache von Einsicht ist, sondern vor allen Dingen auch von einem moralischen Begriff von der Heiligkeit Gottes. Wie sollen wir anders den wahren Charakter der Gemeinde als ein himmlisches und heiliges Volk von Herzen unterscheiden können?
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Die Heiligkeit der Priester kommt zum Ausdruck in den zwei Priestergebäuden direkt nach Norden und nach Süden von dem eigentlichen Tempelgebäude (Hes 42,1-15). In diesen zwei Gebäuden befinden sich in drei Etagen die heiligen Zimmer, die Küche, Esszimmer und Kleiderkammer für die Priester, die dem Herrn nahestehen und dienen. Die Hauptaufgabe von diesen Gebäuden ist, dass die Priester das Allerheiligste essen können. Und man wird das Allerheiligste dorthin bringen – das Speisopfer, das Sündopfer und das Schuldopfer –, denn der Platz ist heilig (Hes 42,13). Dieselben Priester müssen das Volk den Unterschied lehren zwischen heilig und nicht heilig (Hes 44,23).
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In Hesekiel 43,7-11 und vor allen Dingen in Hesekiel 44,5-27 gibt der Herr selbst eine lange Auseinandersetzung bezüglich der Heiligkeit seines Tempels. Der Herr erinnert an die böse Vergangenheit Israels, als der Tempel so verunehrt wurde und daher auch die strengen Vorschriften in Bezug auf die Frage, wer in dem neuen Tempel den Dienst ausüben soll und auf welche Weise dieser Dienst geschehen soll (s.a. Hes 45,4; 48,10-12). Das ganze tägliche Leben der Priester spielte sich auf heiligem Gebiet ab. Auch muss das Heiligtum zwei Mal pro Jahr entsündigt werden mit einem Sündopfer (Hes 45,18-20). So ist es auch in der Gemeinde, wo wir ernst machen müssen mit den Normen der Heiligkeit Gottes für die Zusammenkünfte, besonders für den Anbetungsdienst, damit kein moralisches oder fundamental Böses den Ort der Anbetung verunreinigt.
Grade von Heiligkeit
Wenn wir uns den Tempel nun einmal anschauen, sehen wir sieben aufsteigende Stadien von Heiligkeit. Teilweise haben wir sie schon genannt.
- Der Tempel liegt mitten in der heiligen Erhebung von 15.000 x 15.000 Ellen (Hes 48,10.18.20ff.), das die Stadt Jerusalem und die Wohngebiete der Priester an die Leviten umfasst. Diese letzten Gebiete von 25.000 x 10.000 Ellen werden noch einmal getrennt genannt als ein heiliges Stück des Landes (Hes 45,1).
- Das eigentliche Gebiet der Priester, 25.000 x 10.000 Ellen, worin auch der Tempel liegt, wird ein allerheiligstes Gebiet genannt (Hes 48,12).
- Der eigentliche Tempelplatz wird das Allerheiligste genannt (Hes 45,3). Es ist das Heiligtum des Herrn (Hes 48,10).
- Zwischen den Mauern des Tempelkomplexes finden wir den äußersten Vorhof (Hes 40,17-19).
- Noch weiter innen finden wir den innersten Vorhof (Hes 40,28-31).
- Innerhalb des Tempelgebäudes kommen wir zum ersten Hauptsaal: das Heilige (Hes 41,1ff).
- Der heiligste Teil ist der dahinter gelegene Innenhof, das Allerheiligste (Hes 41,3ff.).
Die Wolke und die Schechina
In Hesekiel 10 lesen wir, wie die Herrlichkeit des Herrn den Tempel zu Jerusalem verlassen hatte während der Zeit der Regierung Zedekias, des letzten Königs von Juda, kurz vor der Verwüstung Jerusalems durch Nebukadnezar. Während der Zeit ist der Herr nicht zu seinem Tempel zurückgekehrt, auch nicht nach der Wegführung, als unter Serubbabel ein neuer Tempel gebaut wurde. Kurz nach der Wiederkunft Christi – nachdem der neue Tempel wieder gebaut worden ist (Sach 6,12-15) – wird die Herrlichkeit des Herrn zu diesem Tempel zurückkehren (Hes 43,1-9). Es wird im Hesekiel 43,1-5 nicht über eine Wolke gesprochen, aber die Parallelen mit Hesekiel 10 sind auffallend, so dass auch hier an die Wolke von Hesekiel 10,3ff. gedacht werden kann. Diese Wolke ist allezeit das sichtbare Zeichen von dem, was die Rabbiner die Schechina nannten – dieses Wort, das nicht in der Bibel vorkommt, wohl aber das Tätigkeitswort sjachan (wörtlich: „wohnen, verkehren“), was so viel bedeutet wie „das Sich-Aufhalten der Herrlichkeit Gottes inmitten seines Volkes, die Gegenwart Gottes“.
Die Wolke kennen wir alle aus der Geschichte des Auszugs und der Wüstenreise. Sie war das Zeichen der Herrlichkeit Jahwes (Hes 16,10; vgl. 24,16; 34,5; 40,34; 4Mo 12,5). Sie wies Israel den Weg (Hes 13,21ff.), stellte sich zwischen Israel und die nachfolgenden Ägypter (2Mo 14,20), verhüllte den Gipfel des Sinai (Hes 19,9; 24,15-18; 5Mo 5,22), kam herab auf das erste Zelt der Zusammenkunft (2Mo 33,9ff.) und auf die Stiftshütte (2Mo 40,34-38) und befestigte sich auf dem Versöhnungsdeckel (3Mo 16,2). Die Wolke leitete das Volk durch die Wüste (4Mo 9,15-22; 10,11-13.34; 11,25; 12,45; 5Mo 1,33; 31,15; Ps 78,14; 99,7). Dieselbe Wolke von Gottes Herrlichkeit erfüllte später auch den Tempel Salomos (1Kön 8,10ff.; 2Chr 5,13ff.). Auch in der Zeit, wo die Wolke schon lange aus dem Tempel gewichen war, kam sie doch noch einmal wieder. Wir denken dabei vor allen Dingen an die Wolke auf dem Berg der Verklärung (Mt 17,5; Mk 9,7; Lk 9,34). Bemerkenswert ist, dass auch Hesekiel den Tempel ansah von einem sehr hohen Berg (Hes 40,2). Dass es hier um die Schechina geht, kommt auch aus der Tatsache hervor, dass die Stimme Gottes aus der Wolke hervorkam. Petrus redet von der prachtvollen Herrlichkeit (2Pet 1,17). Das wird auch deutlich durch das merkwürdige Wort „überschatten“, das wir nicht allein hier finden, sondern auch in 2. Mose 40,35, nach der Septuaginta: „Die Wolke ruht darauf, auf dem Zelt“, oder so wie die Septuaginta sagt: „überschattete sie, bedeckte sie“. Das Gleiche in Psalm 105,39: „… und breitete ihren Schatten über sie aus.“
Die Schechina und der Heilige Geist
Was hat dies alles nun für uns zu bedeuten? Dem wollen wir in sieben Punkten nachgehen:
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Vor allen Dingen aus 4. Mose 9,15-22, wo wir sehen, wie die Wolke des Volkes Gottes durch die Wüste leitete, ist es deutlich, dass die Wolke die Gegenwart des Herrn ein besonderes Bild ist von Gott dem Heiligem Geist, der auch uns leitet durch die Wüste des Lebens (vgl. Lk 4,1-14; Apg 8,19-39; 10,19; 11,12; 16,7; 21,4; Röm 8,14; Gal 5,16-18.25).
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Eine besonders bemerkenswerte Sache finden wir in auch in Lukas 1,35, wo der Engel zu Maria sagt: „Der heilige Geist wird auf dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ Hier wird dasselbe merkwürdige Wort „überschatten“ gebraucht wie bei der Verherrlichung auf dem Berg. Hier ist es so, als wenn die Schechina auf Maria herabkommt. Die Wolke überschattet sie, um Jesus in ihr zu erwecken. Aber anstelle der Wolke hören wir hier über den Heiligen Geist und die Kraft des Allerhöchsten, zusammengenommen die Kraft des Geistes.
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Während Christi Leben hier auf der Erde und besonders nach seiner Taufe durch Johannes ruhte die Schechina auf Ihm. Darum kann Er von seinem Leib sagen: „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten“ (Joh 2,20). Er hat hier auf der Erde gezeltet (Joh 1,14, Fußnote). In diesem Zelt bzw. dem Tempel seines Leibes wohnt die Schechina, nämlich der Heilige Geist (vgl. Lk 3,21ff.; 4,1.14; Joh 1,33). In diesem Zusammenhang ist auch die Verurteilung des Herrn sehr wichtig. Der Herr sagt zu dem Hohen Rat: „Von jetzt an sollt ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels“ (Mt 26,64). Im tiefsten Sinne bedeutete dieses Wort in der Tat, dass die Wolke nicht im Tempel Herodes war, sondern in Ihm, Jesus, und dass sie mit Ihm aufsteigen sollte nach dem Himmel. Das war [Anm. d. Red.: natürlich nur aus Sicht der Juden] Gotteslästerung, eine Übertretung, worauf die Todesstrafe stand. Siehe ausführlich das Buch von H.P. Medema Der Prozess gegen Jesus.
Die Schechina in der Gemeinde
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So wie die Schechina erst die Stiftshütte, später den Tempel Salomos und in der Zukunft den Tempel Hesekiels erfüllt, so erfüllt sie auch jetzt den Tempel Gottes, das heißt die Gemeinde. Apostelgeschichte 2 kann man direkt mit 2. Mose 40 und 1. Könige 8 und Hesekiel 43 vergleichen. Genauso gepaart gehen auch die sichtbaren Zeichen; das Geräusch eines gewaltigen Windes, die Zungen von Feuer und das Sprechen in anderen Sprachen, was stattfand bei der Ausgießung des Heiligen Geistes, der aus dem Himmel auf die Erde gesendet worden war (vgl. Joh 14,26; 15,26) und in der Gemeinde wohnen wollte, die in demselben Moment entstand (vgl. 1Kor 12,13).
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Seit Apostelgeschichte 2 ist deswegen die Gemeinde der Wohnplatz des Heiligen Geistes. „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Jesus Christus, in welchem der ganze Bau wohl zusammengefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, in welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste“ (Eph 2,21). So wie die Schechina im Alten Testament den Tempel erfüllte, so erfüllt der Heilige Geist heute den Tempel Gottes – die Gemeinde.
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Das Wohnen des Heiligen Geistes in der Gemeinde kommt besonders zum Ausdruck in den Zusammenkünften der Gemeinde. Wir haben schon gesehen, dass in der Typologie der Schrift der Opfer- bzw. Anbetungsdienst in dem Tempel übereinkommt mit der Anbetungszusammenkunft der Gemeinde. In der Anbetungszusammenkunft ist der Geist besonders wirksam, um Lobopfer in unseren Herzen zu wirken, die wir Gott anbieten im Lobgesang und im Dankgebet. Jedem geistlichen Gläubigen ergeht es bei der Anbetung wie Johannes, der an dem Tag des Herrn im Geiste war (Off 1,10). Dabei ist ein enger Zusammenhang mit Christus, der in jenem Moment dem Johannes erschien. Wir bringen unsere Opfer in der Kraft des Geistes, aber in 1. Petrus 2,5 und Hebräer 13,15 lesen wir, dass wir durch Ihn (Christus) unsere geistigen Schlachtopfer von Lob und Anbetung an Gott bringen. Durch Ihn (Christus) haben wir in einem Geist Zugang zu dem Vater (Eph 2,18). Der Heilige Geist wird auch der Geist von Jesus genannt (Apg 16,7), der Geist von Christus (Röm 8,9; 1Pet 1,11), der Geist von Jesus Christus (Phil 1,19) und der Geist des Sohnes Gottes (Gal 4,6). Es fällt auf in diesem Zusammenhang die Übereinstimmung auf zwischen der Erscheinung der Schechina in Hesekiel 43 und der Erscheinung Christi. Sie sind nicht dasselbe. Der Messias auf dem Thron Davids ist etwas anders als die Wolke im Tempel. Trotzdem gibt es eine enge Parallele. Beide erscheinen aus dem Osten mit großem Geräusch und strahlender Herrlichkeit (Hes 43,2; Sach 14,4; Mt 24,27). Beide gehen durch die Tür (Hes 43,4; 44; Ps 24,7-10); beide kommen zu dem Tempel. „Plötzlich soll er zu seinem Tempel kommen, der Herr, den ihr sucht und der Engel des Bundes, den ihr begehrt“ (Mal 3,1; vgl. Mk 11,11). Die Schechina und den Messias finden wir vereinigt in Haggai 2,7: „Alle Heiden sollen kommen zu dem Wunsch aller Heiden [nämlich dem Messias], und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit erfüllen.“
„Da bin ich in ihrer Mitte“
- Der Zusammenhang zwischen der Schechina und Christus wirft besonderes Licht auf Matthäus 18,20, wo der Herr Jesus sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in Ihrer Mitte.“ Diese Stelle ist von Auslegern schon oft in Zusammenhang gebracht worden mit einer Aussprache aus der jüdischen Tradition, die auch der Herr gut gekannt hat. Dieser Satz, der sich gründet auf Maleachi 3,16, besagte, dass, wenn zwei Juden zusammenkamen und sich mit der Thora beschäftigten, dann die Schechina zwischen ihnen ist. Auf dieselbe Weise verheißt der Herr, dass, wo die kleinste Anzahl von zwei Nachfolgern zusammen wären, die göttliche Gegenwart, das heißt die Schechina, unter ihnen sein sollte. So sehr wie wir die Wolke zuerst in Verbindung gebracht haben mit dem Heiligen Geist, so tun wir das nun mit Christus. Wir wollen zwar den Unterschied zwischen der Person Gottes und der Person des Heiligen Geistes festhalten, aber wir müssen doch auch auf die Verbindung achten, denn wenn der Herr über das Herniederkommen des Heiligen Geistes spricht, die bevorstand, dann sagt er in Johannes 14,18 nicht „er“, sondern: „Ich werde euch nicht als Waisen lassen. Ich komme zu euch.“ Und dabei spricht er ganz klar über das Kommen des Geistes. So sehr, wie wir sagen können, dass die Gemeinde erfüllt ist mit der Herrlichkeit des Heiligen Geistes, so sehr ist sie auch erfüllt mit der Herrlichkeit Christi. Genauso wie Offenbarung 21,11 sagt: „Und sie bekleidet sich mit der Herrlichkeit Gottes (vgl. Off 21,23). Das macht das Zusammenkommen als Gemeinde – da wo sie wirklich im Namen Christi zusammen ist – zu einem wunderbar herrlichen und heiligen Geschehen, das aber viel zu sehr unterschätzt wird. Auf dem Platz, wo sie zusammenkommt, ist – allerdings ohne äußerliche Zeichen – die Schechina anwesend. Diese Tatsache ist allerdings auch an unseren praktischen, geistigen Zustand gebunden. Wenn der optimal ist, dann wird in Erfüllung gehen, was 1. Korinther 14,25 sagt über den Fremdling, der in die Zusammenkunft kommt: „Er wird auf sein Angesicht niederfallen und Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter uns ist.“ Genauso soll es einmal gehen im Friedensreich, wenn die Schechina wieder den Tempel erfüllt. Dann werden die Heiden ausrufen: „Allein bei euch ist Gott“ (Jes 45,14). Wenn unser geistlicher Zustand optimal wäre, dann würde auch unter uns die Schechina so fühlbar, dass es uns ergeht, wie in Apostelgeschichte 4,31: „Während sie beteten, wurde der Platz, wo sie versammelt waren, bewegt. Und sie waren alle erfüllt mit dem Heiligen Geist und sprachen das Wort Gottes mit Freimütigkeit“, und dann würde auch uns das geschehen, was wir in Johannes 20 lesen, wo der auferstandene, verherrlichte Herr inmitten der versammelten Jünger erscheint. Und die Jünger freuten sich, als sie den Herrn sahen und sagten später zu Thomas: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Wie sehr erschien der Herr da in der Tat in göttlicher Herrlichkeit wie die Schechina. Er ist derjenige, der als der Schöpfer einer neuen Schöpfung in seine Jünger atmet, und Er ist es, vor welchem Thomas niederfällt mit den Worten: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28), so wie Hesekiel niederfällt vor der Schechina (Hes 43,3c; 44,4c).
Der Tisch des Herrn
In 1. Korinther 10,16-21 zieht Paulus eine Parallele zwischen der Abendmahlsfeier und der Gemeinde und den Friedensopfern Israels (vgl. 3Mo 3 u. 7). In beiden Fällen geht es um eine Mahlzeit des Volkes Gottes, die gehalten wird in Verbindung mit einem bestimmten Altar. Bei den Friedensopfern war das der Brandopferaltar im Vorhof der Stiftshütte, später des Tempels. Beim Abendmahl ist es das, was Paulus den Tisch des Herrn nennt. Er meint damit nicht den buchstäblichen Tisch, sondern den geistigen Ort, wo die Gemeinde Abendmahl feiert. Es ist nicht Paulus, der den Ausdruck „Tisch des Herrn“ eingeführt hat. Schon im Alten Testament wird der Altar mit diesem Namen angedeutet. Paulus sagte auch, dass wir einen Altar haben, wo wir unsere Mahlzeit haben, genauso wie Israel das bei dem Friedensopfer tat; den Altar deutete er an mit dem alttestamentlichen Namen „Tisch des Herrn“. In einem etwas allgemeineren Sinn als Andeutung für den ganzen Anbetungsdienst scheint es auch, dass Hebräer 13,10 hierauf Bezug nimmt. Wir haben einen Altar, wovon die, die der Hütte dienen, kein Recht haben zu essen.
Wo kommt der Ausdruck „Tisch des Herrn“ nun im Alten Testament vor? Insgesamt vier Mal. Als Allererstes nennen wir Maleachi 1,7.12, wo es speziell um den Brandopferaltar im Tempel Serubbabels geht. Es ist das Volk selbst, das den Altar mit diesem Namen benennt und zu gleicher Zeit den Tisch verachtet. Aber das ist jetzt hier nicht unser Thema. Die anderen zwei Mal finden wir in den Ausführungen in Hesekiel: „Der Altar von Holz drei Ellen hoch und seine Länge war zwei Ellen und die Wände waren von Holz und er sagte zu mir: Dies ist der Tisch die ihr vor dem Angesicht des Herrn steht“ (Hes 41,22). „Die levitischen Priester sollen in meinem Dienst stehen, um mir das Fett und Blut zu bringen nach dem Wort des HERRN. Sie sollen in mein Heiligtum eingehen und sie sollen zu meiner Tafel sich nähern, um mir zu dienen, und sie sollen meinen Dienst erfüllen“ (Hes 44,15.16).
Der erstgenannte Altar steht unverkennbar in dem eigentlichen Tempelgebäude und scheint übereinzukommen mit dem Rauchopferaltar, den wir aus der Stiftshütte und dem Tempel Salomos kennen. Was den zweiten Altar betrifft, ist die Sache weniger deutlich. Einige meinen, dass es auch hier um den Rauchopferaltar gehen muss, weil
- hier die Sprache ist von „in mein Heiligtum eingehen“ (Hes 44,16) und
- dieser Altar früher der Tisch des Herrn genannt wird (Hes 41,22). Aber das Heiligtum hat hier eine weitergehende Bedeutung von dem Tempelkomplex – so wie in ganz Hesekiel 44 und wenn der Rauchopferaltar des Tisch des Herrn genannt wird, dann kann auch der Brandopferaltar so angedeutet werden, genauso wie in Maleachi 1.
- Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass in Vers 15 der Dienst der Priester näher umschrieben wird als ein Bringen von dem Fett und Blut für den Herrn. Und dies geschieht ausschließlich auf dem Brandopferaltar.
Wir kommen also zu der merkwürdigen Tatsache, dass sowohl der Rauch- als auch der Brandopferaltar „Tisch des Herrn“ genannt werden. Noch genauer ausgedrückt: „der Tisch, der vor dem Angesicht des Herrn steht“, und: „mein Tisch“, sagt der Herr. Nun wollen wir uns erst einmal den Brandopferaltar näher anschauen.
Der Brandopferaltar
Die Beschreibung dieses Altars (Hes 43,13-17) ist ziemlich schwierig. Die Handschriften und die alten Übersetzungen liefern den Auslegern große Probleme, so wie eigentlich ganz Hesekiel 40-48. Wenn man verschiedene Abbildungen von diesem Altar sich ansieht, sieht man verschiedene Maße. Aber ein paar Dinge scheinen doch ziemlich deutlich, und das sind vor allen Dingen die gigantischen Abmessungen dieses Altars: so ungefähr (abhängig von verschiedenen Auslegungen) zehneinhalb Meter lang und breit und so ungefähr sechs Meter hoch. Damit verglichen war der Brandopferaltar in der Stiftshütte klein – 2¼ x 2¼ x 1,35 m – (2Mo 27,1). Der Brandopferaltar im Tempel Salomos war viel größer – 9 x 9 x 4,5 m – (2Chr 4,1), aber nicht so groß wie in Hesekiel 43. Der Letzte besteht von unten noch oben aus einem Unterbau (Hes 43,13), einem großen und einem kleinen Umlauf (Hes 43,14-17) und einer Feuerwand (Hes 43,15) – das ist jedenfalls der Sinn der Worte Harel und Ariel, wiedergegeben als „Gottesberg/Gottesherz“. Diese vier liegen als Vertiefung aufeinander, wobei sie nach oben noch immer kürzer und schmaler werden. Dadurch kann um die verschiedenen Etagen herumgelaufen werden. Auch sind Abflüsse da für das abfließende Blut. Dieser Brandopferaltar wird eingeweiht während sieben Tagen; am ersten Tag wird ein junger Stier zum Sündopfer und an den übrigen Tagen ein Ziegenbock zum Sündopfer und ein junger Stier und ein Widder zum Brandopfer gebracht (Hes 43,18.17). Danach kann der Altar gebraucht werden für allerlei Opfer:
- das tägliche Brandopfer, das genauso wie in der Stiftshütte und im Tempel Salomos auf dem Brandopferaltar dargebracht wird, ein einjähriges Schaf, aber dann nur morgens (Hes 46,13-15);
- ein tägliches Extra-Brandopfer von sieben Stieren und sieben Widdern plus Sündopfer, am ersten Tage einen Stier für den Fürsten und das Volk danach jeden Tag einen Ziegenbock, während der sieben Tage des Festes der ungesäuerten Brote (Hes 45,21-24);
- genauso zusätzlich ein Brand- und Sündopfer während der sieben Tage des Laubhüttenfestes (Hes 46,25);
- das spezielle Brand- und Friedensopfer des Fürsten am Sabbat (Hes 46,2.4);
- freiwillige Brand- und Friedensopfer spontan durch den Fürsten oder durch das Volk für den Herrn (Hes 43,27; 44,11; 46,12; 46,24).
- Sündopfer für den verunreinigten Priester (Hes 44,27).
Altar und Abendmahl
Die Opfer im Alten Testament konnten natürlich keine Sünde hinwegnehmen (Heb 10,4). Ihr einziger Wert lag auch darin, dass sie vorauswiesen auf das Werk Christi am Kreuz. Auf dieselbe Weise kann es kein Problem sein, dass während des Friedensreichs wieder Opfer gebracht werden sollen, die dann zurückweisen auf das Werk Christi. Allein während der Haushaltung der Gemeinde werden keine blutigen Opfer gebracht, weil ihr Anbetungsdienst von geistlicher Art ist. Ihre Schlachtopfer sind die Frucht der Lippen (Heb 13,15; vgl. Hos 14,3). Also auch die Gemeinde kennt zur gleichen Zeit eine sichtbare und betastbare (wenn auch nicht blutige) Zurückweisung auf das Werk Christi – das Abendmahl. Das ist von großer Wichtigkeit, denn wir sehen, dass Paulus in 1. Korinther 10 eine deutliche Verbindung legt zwischen dem Brandopferaltar im Alten Testament und dem Tisch des Herrn im Neuen Testament. Diese Verbindung wird noch tiefer, wenn wir noch einmal zurückdenken an die riesigen Maße des Altars. Es ist, als ob Gott in diesem gewaltigen Altar während des Friedensreichs ein Eindruck erweckendes Monument aufrichten will als Andenken an das Werk Christi. Wir kennen nicht die Höhe von den Mauern rund um den inneren Vorhof, wohl aber die der Außenmauer – 3,20 Meter – (Hes 40,5). Aber wir können uns vorstellen, wie von der Ferne her gesehen der Altar über die Mauern herausragt mit den Priestern, die dort von oben ihr Werk tun an dem Feuerrand. Aus der Ferne werden auch die vier Hörner an den Ecken des Feuerrands zu sehen sein (Hes 43,15). Diese Hörner verweisen auf die Enden der Erde und zeugen von der unzählbaren Schar von Menschen, die durch das Blut Christi für ewig gereinigt sind und sich zu Gott nähern dürfen. Dieser Gedächtnisaspekt – der Altar als zentrales Monument für die ganze Erde – kommt auch zum Ausdruck in der Tatsache, dass der Brandopferaltar wahrscheinlich exakt im Mittelpunkt des quadratischen Tempelkomplexes gedacht werden muss, den man sich wiederum selbst vermutlich im Mittelpunkt des Heiligen Gebietes von 25.000 x 25.000 Ellen (Hes 48,20ff.) vorstellen muss.
Dieser sehr wichtige Gedächtnisaspekt steht auch beim Abendmahl im Vordergrund, wird da aber manchmal einseitig gesehen. Wenn der Herr sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, dann bedeutet dies nicht allein: „Tut dies, um an mich zu denken“, oder: „um euch an mich zu erinnern“. Das ist der individuelle oder subjektive Aspekt. Aber es ist auch ein kollektives und objektives Gedächtnis. Und in diesem Sinne bedeutet das Wort dasselbe wie „Denkmal/Monument“. Das Abendmahl hat neben dem persönlichen Sicherinnern an das Leiden und das Sterben des Herrn die Bedeutung eines Gedenkopfers (vgl. 3Mo 24,7; Ps 38,1; 70,1). Das Abendmahl ist nicht ein Wiederholen des Opfers Christi, wie die römische Kirche lehrt, sondern ein Wieder-in-Erinnerung-Bringen, ein Zurückdenken. Genauso ist auch das Passah ein Zurückdenken (2Mo 13,9), worin der Auszug aus Ägypten wieder mit Zeichen in Erinnerung gebracht wird; so zum Beispiel die bitteren Kräuter, die an das durchgestandene Elend und an die Erlösung daraus erinnern.
So wie Gott einmal diesen riesigen Brandopferaltar und damit verbunden den Anbetungsdienst als ein Gedenkmahl aufrichten wird für das Werk Christi, so tut Er das heute mit dem Abendmahl überall, wo Gläubige auf schriftgemäße Weise Abendmahl feiern an dem Tisch des Herrn. Unser Altar wird ein aufgerichtetes Zeichen, sichtbar zum Erinnern an den Tod Christi, ein Monument zu seinem Gedächtnis. Darum auch interpretiert Paulus in 1. Korinther 10 das „zu meinem Gedächtnis“ wie folgt: „Denn so ihr das Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1Kor 10,26). Essen und Trinken zu seinem Gedächtnis ist ein Wieder-in-Erinnerung-Bringen seines Todes und durch den sichtbaren Charakter davon ein öffentliches Zeugnis an alle Geschöpfe. Es ist auffallend und auch prächtig, dass dieses Gedenkmahl des gestorbenen Herrn gefeiert wird in Anwesenheit des auferstanden und verherrlichten Herrn. So wird es auch im Friedensreich sein. Während die Herrlichkeit des auferstandenen und verherrlichten Herrn den Tempel erfüllen wird, steht im Vorhof das Monument seines Leidens und Sterbens. Priester bringen dort die Opfer, die von dem Tod des Herrn reden, während der lebendige Herr den Platz mit seiner Herrlichkeit erleuchtet. So ist es in dem Anbetungsdienst: die Schechina anwesend inmitten der Versammlung der Gläubigen, wobei sie bei jeder Abendmahlsfeier in gewisser Weise ein Monument aufrichtet von dem Tod von Christus. Gott legt großen Wert auf dieses Monument. Er selbst ist es, der sowohl heute als auch bald im Friedensreich für seine Wundertaten in Christus ein Gedächtnis aufrichtet, so wie wir das in Psalm 111,4 nachlesen können. Was für ein wunderbarer Platz ist dann heute schon der Anbetungsdienst der Gemeinde. Da wird auf Tausenden Plätzen auf der ganzen Welt jeden Sonntagmorgen gleichzeitig ein rührendes Denkmal von dem Leiden und Sterben unseres Heilands angeschaut, während zur gleichen Zeit seine göttliche Schechina in all ihrer Herrlichkeit unsichtbar den Ort erfüllt. Es ist auf der ganzen Erde kein herrlicherer Platz zu finden.
Der Rauchopferaltar
In dem vorgenannten Artikel haben wir gesehen, dass der Tisch des Herrn in 1. Korinther 10,16-21 übereinstimmt mit dem Altar im Alten Testament. In Hesekiel kommt dieser Ausdruck zweimal vor. Sowohl in Hesekiel 41,22 als auch in Hesekiel 44,15. In diesem zweiten Abschnitt geht es höchstwahrscheinlich um den Brandopferaltar, der in Hesekiel 43,13-17 beschrieben wird. Wir kommen nun zu dem erstgenannten Altar. In Hesekiel 41,22 lesen wir: „Der Altar war von Holz drei Ellen hoch und seine Länge war zwei Ellen und Hörner waren daran, das Fußstück und die Wände waren aus Holz. Und er sagte zu mir: Dies ist der Tisch, der vor dem Angesicht des Herrn steht.“ Dieser Altar scheint übereinzustimmen mit dem Rauchopferaltar, den wir aus der Stiftshütte und dem Tempel Salomos kennen. Jedenfalls steht er ganz klar mitten in dem eigentlichen Tempelgebäude, obwohl nirgends ein Wort erwähnt wird, ob er in dem Heiligen oder in dem Allerheiligsten steht. Und der einzige Altar, der von alters her mitten im Tempel steht, ist der Rauchopferaltar. Er ist viel größer als der von der Stiftshütte; er war 90 cm hoch und 45 cm lang und breit. Dieser Altar ist 1,60 m hoch und 1,06 m lang und (nach der Septuaginta) 1,06 m breit. Von diesem Rauchopferaltar in dem Tempel Salomos werden keine Maße gegeben (1Kön 6,20; 7,48). Was das Übrige angeht, stellt uns der Altar vor große Rätsel:
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Wie kann ein Altar aus Holz als Rauchopferaltar dienen? Die früheren Rauchopferaltäre waren mit Gold überzogen. Ein hölzerner Tisch, worauf feurige Kohlen liegen, würde verbrennen bzw. verschmoren. So müssen wir annehmen, dass dieser neue Altar mit Gold überzogen wird. Auch das wird hier nicht erwähnt. In jedem Fall ist es sehr merkwürdig, dass nirgendwo in Hesekiel 40-48 über Gold gesprochen wird. Es ist, als ob dieses Symbol für die göttliche Herrlichkeit überflüssig geworden ist, nun wo die Schechina in ihr, die Person des Messias selbst, dieses Haus mit seiner Herrlichkeit erfüllt (Hag 2,8-10).
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Warum hören wir überhaupt nichts über andere Dinge im Tempel? Dass die Lade des Bundes nicht da ist, ist begreiflich. Sie ist für alle Zeit verlorengegangen und kann nicht mehr zurückgeholt werden (vgl. Jer 3,16). Aber warum hören wir nichts von einem Leuchter oder einem Tisch der Schaubrote? In dem Tempel Salomos standen mindestens zehn Leuchter und zehn Tische (2Chr 4,7ff.). Aber der Tempel Hesekiels ist vollkommen leer, außer diesem kleinen hölzernen Altar. Ist vielleicht etwas von der Bedeutung des Tisches der Schaubrote übergegangen auf diesen Altar? Und wird er darum der Tisch, der vor dem Angesicht des Herrn steht, genannt? Oder heißt es „ein Tisch“, weil er genauso wie der Brandopferaltar ein Platz ist, wo eine Mahlzeit gehalten wird? Und wenn ja, was kann das dann für eine Mahlzeit sein?
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Warum hören wir überhaupt nichts, wofür dieser Altar dient? Warum hören wir überhaupt nichts über irgendeinen Dienst, den der Priester in der Tempelhalle tun soll? In Hesekiel 40-48 ist die Tempelhalle nicht nur fast leer, sondern es scheint auch total nichts darin zu geschehen. Die Sachen, die die Priester zu verrichten haben, stehen alle mit dem Brandopferaltar in dem Vorhof. Die einzige Ausnahme scheint in Hesekiel 44,17 zu sein: „… Dienst in den Toren des innersten Vorhofes in dem Haus.“ Aber wörtlich steht hier: „nach dem Haus hin“. Es ist überhaupt kein Beweis, dass die Priester überhaupt in das Haus hineingehen. Es sind im Eingang des Hauses drehende Türflügel (Hes 41,23ff.), die einen einladenden Eindruck machen, ohne dass die Priester von der Einladung Gebrauch machen. Das wird unterstrichen durch die Tatsache, dass der Priester Hesekiel in seinen Visionen wohl den innersten Vorhof betreten darf, aber nicht die Tempelhalle (vgl. Hes 40,28.48; 41,1.3).
Eine himmlische Familie
Wir denken, dass es eine Antwort auf diese Fragen gibt. Eine Antwort, die von außergewöhnlicher Bedeutung ist für unseren eigenen Anbetungsdienst. Die Tatsache, dass der Altar von Holz ist, bedeutet in der Tat, dass er nicht bestimmt ist für Feueropfer, Schlachtopfer oder Räucherwerk, sondern für das Halten einer Mahlzeit. Aber wer sind dann diejenigen, die dort eine Mahlzeit halten? Wer geht durch die drehenden Türflügel nach innen? Gibt es noch eine andere Familie von den Söhnen Zadoks, die dort hineingeht?
Um das zu begreifen, müssen wir bedenken, dass, wenn die gewöhnlichen Israeliten im Alten Testament zu Gott nahten, dies ausschließlich in Verbindung mit dem Brandopferaltar war. Die Priester, die Söhne Aarons, waren ihnen dabei zu Dienst verpflichtet. Aber zu gleicher Zeit sind Aaron und seine Söhne ein Bild von der himmlischen Priesterfamilie. Und als solche steht ihr Dienst und ihr Nahen zu Gott in Verbindung mit dem Rauchopferaltar, wozu kein einziger Israelit nahen konnte. In dem Alten Testament gab es diese himmlische Priesterfamilie noch nicht, aber in der Zeit des Friedensreiches liegen die Sachen anders. Die Söhne Zadoks sollen dann noch ausschließlich die Vergegenwärtiger des irdischen Volkes sein, so dass ihr Dienst auch ausschließlich verbunden ist mit dem Brandopferaltar in dem innersten Vorhof. Die Aufgabe, die sie hatten – innerhalb des Tempels –, wird dann ausgeführt werden durch die himmlische Familie, die Gemeinde, von der sie nur ein Vorbild waren.
Die einladenden, drehenden Türflügel und der hölzerne Altar in der weiten großen Tempelhalle, wo kein Priester noch irgendein Israelit hineinkommen darf, scheinen ein Zeugnis an Israel zu formen, dass im Friedensreich eine Familie bestehen soll, die näher bei Gott stehen wird und einen erhabeneren Dienst ausüben wird als das irdische Volk und diese irdischen Priester. Die Familie besteht aus dem wahren Aaron und seinen Söhnen (vgl. Heb 2,10; 3,6.14; 10,21), das heilige Priestertum des neuen Bundes (1Pet 2,5; Off 1,6; 20,6). Wir meinen natürlich nicht, dass diese verherrlichte, himmlische Gemeinde buchstäblich in dem Tempel auf Erden Gott dienen und eine Mahlzeit halten sollen. Es geht darum, dass in dem irdischen Tempel während des Friedensreiches dieses Zeugnis besteht, das auf die himmlische Familie weist, die mit Gott Mahlzeit hält in dem himmlischen Heiligtum (vgl. für diesen Gedanken von einer himmlischen Mahlzeit auch Lk 12,37; 22,29ff.; Off 19,9). Darüber hinaus haben wir schon gesehen, dass für den Tempel Hesekiels keine Höhenmaße erwähnt werden. Der Tempel scheint nach oben offen zu sein, als ob er direkt in Verbindung mit dem Himmel steht.
Das Vorrecht, mit Gott Mahlzeit zu halten, das heißt Gemeinschaft auszuüben in dem himmlischen Heiligtum, ist für uns keine zukünftige Sache, sondern etwas, was nun schon für uns offensteht. Viele Christen sind damit zufrieden, dass ihre Sünden vergeben sind und dass sie als Menschen auf der Erde in der Gunst Gottes stehen. Sie gehen damit nicht über die Kenntnis und die Vorrechte des irdischen Volkes Israel in Verbindung mit dem Brandopferaltar hinaus. Aber für uns ist dieser Altar wichtig. Er stimmt überein mit dem Tisch des Herrn, woran wir das Abendmahl feiern zur Verkündigung des Todes des Herrn. Aber doch haben wir das unglaubliche Vorrecht, um von diesem Altar einzugehen in das himmlische Reich (Heb 10,19-22), wo wir zu tun haben mit den geistlichen, himmlischen Segnungen und Vorrechten in Verbindung mit dem auferstandenen und verherrlichten Herrn zur Rechten Gottes. Unser Dienst in dem Heiligtum ist Anbetung in dem erhabenen, himmlischen Platz, wo die Schechina wohnt. Wenn wir in dem Namen des Herrn zusammenkommen, erfüllt Er seine Verheißung und lässt die Schechina sich hier auf der Erde in unserer Mitte wohnen. Aber noch größer ist das Vorrecht, dass wir im Geist eingehen in das himmlische Heiligtum (vgl. Hes 43,5), an den Ort wo die Schechina zu Hause ist, da, wo wir frei in ihrer Gegenwart verkehren dürfen, aber wo wir Gemeinschaft ausüben können mit Gott in der Erkenntnis und in dem Genuss unserer himmlischen Segnungen.
Auch für diesen Dienst ist schließlich der Tod Christi die Grundlage. Darum lesen wir bei der Stiftshütte, dass auf den Hörnern des Räucheraltars mit Blut von dem Sündopfer des großen Versöhnungstages einmal pro Jahr Sühnung getan werden musste (vgl. 2Mo 30,10; 3Mo 16,18, wenn da wenigstens auch der Rauchopferaltar gemeint ist). Alle unsere Segnungen und Vorrechte sind in dem Werk Christi gegründet, darum können wir auch sagen, dass der Tisch des Herrn, so wie wir ihn kennen und wo wir den Tod des Herrn verkündigen, sowohl spricht von dem Tisch in Hesekiel 44,16 als auch von dem Tisch in Hesekiel 41,22. Der erste Tisch ist dann der Brandopferaltar, der uns erinnert, dass alle unsere Sünden für ewig weggetan sind und dass wir angenehm gemacht sind in Christus. Der zweite Tisch ist der Altar in dem Heiligtum, der uns daran erinnert, dass wir ein himmlisches Volk sind, das dort hingehört, wo die Schechina zu Hause ist und das einsgemacht ist mit dem verherrlichten Christus im Himmel und da seine eigentlichen Vorrechte kennt. Im Vorbild sehen wir dies in Lukas 9,34 auf dem Berg der Verklärung. „Es kam eine Wolke (die Schechina) und überschattete sie (so wie die Schechina dies mit der Stiftshütte tat) und sie fürchteten sich, als sie in die Wolke eintraten.“ Das erste„sie“ sind die Jünger, aber man kann darüber verschiedener Meinung sein, wer das letzte „sie“ bedeutet. Wir glauben, dass hiermit – neben Christus – Mose und Elia (Vorbilder der himmlischen, verherrlichten Gläubigen) gemeint sind. Aber in jedem Fall sehen wir hier etwas Außergewöhnliches, das noch niemals geschehen war. Menschen, Gläubige, aber auch Geschöpfe gehen ein in die Schechina. Das wird selbst für die Priester im Friedensreich ein undenkbares Vorrecht sein. Gerade weil das Haus mit der Schechina erfüllt ist, ist ihnen der Zugang dazu versagt. Aber es gibt eine andere, eine himmlische Priesterfamilie, die das Vorrecht hat, nicht allein direkt buchstäblich in vollstem Maße, sondern jetzt schon an dem Tisch des Herrn im Geiste einzugehen in die Schechina in das Heiligtum – in die Wolke, wo in der prachtvollen Herrlichkeit die Stimme des Vaters gehört wird, in dem Wohlgefallen, das Er über seinen Sohn ausspricht (2Pet 1,17) und wo die himmlische Familie vollkommen und bis in Ewigkeit das Wohlgefallen mit Ihm teilt.
Der Fürst
Eins der auffallendsten Merkmale von Hesekiel 44–48 ist die häufige Erwähnung des Fürsten. Der Titel „Fürst“ wird sonst in Hesekiel auch gebraucht für den Messias. „Mein Knecht David soll Fürst sein in euer Mitte“ (Hes 34,24) und „er soll für ewig zum Fürst sein“ (Hes 37,25). Zur gleichen Zeit wird der Messias„König“ genannt (Hes 37,24) und das ist nicht der Fall bei dem Fürsten in Hesekiel 44-48. Nun, das ist noch nicht alles. Wenn der Fürst früher Fürsten (Könige von Israel) zum Vorbild gestellt bekommt (Hes 45, 8), dann muss er selbst auch königlich sein. Obwohl der Text es nicht sagt, kann es darum kaum anders sein, als dass dieser zukünftige Fürst ein Nachkomme aus dem Geschlecht Davids ist. Genauso wie die Priester in dem Friedensreich ausdrücklich Söhne Zadoks sein müssen (Hes 40,46; 43,19; 45,15; 48,11) – durch David und Salomo in ihrem Amt bestätigt (2Sam 8,17; 1Kön 2,35; 1Chr 16,39; 24,3-5; 29,22.23), kann der Fürst niemand anders als ein Sohn Davids sein. Er ist die Erfüllung von Jeremia 30,21, wo wir im Zusammenhang mit der zukünftigen Wiederherstellung Israels lesen: „Sein Fürst soll aus ihm hervorkommen, sein Herrscher aus seiner Mitte aufstehen und ihm werde ich mich nahen, das er mir naht.“
Zur gleichen Zeit muss es auch deutlich sein, dass mit dem Fürst nicht der Messias der große Sohn Davids gemeint sein kann. Zum Ersten muss der Fürst am Passah einen Stier als Sündopfer bringen, sowohl für sich als auch für das Volk (Hes 45,21). Es ist natürlich undenkbar, dass der Herr Jesus für sich selbst Sündopfer bringen müsste. Zum Zweiten wird gesprochen über die Söhne des Fürsten (Hes 46,16). Und auch das ist nicht auf den Herrn Jesus passend. Darüber hinaus beweisen diese Söhne, dass der Fürst ein irdischer und sterblicher ist. Das kommt auch weiter aus der Tatsache, dass er über seine eigenen fürstlichen Bereiche herrscht (Hes 45,7ff.; 48,21) und dass er seine eigene Garde hat – wenigstens interpretieren einige so Hesekiel 48,18 – und dass er allerlei besondere Vorschriften auferlegt bekommt (Hes 45,9-12; 46,16-18) und dass er Opferdienst verrichtet in dem Tempel (s.u.). Es gibt dann noch etwas, woraus klarwird, dass er der Messias nicht sein kann. Von dem Messias lesen wir, dass Er Priester sein soll auf seinem Thron (Sach 6,13), ja dass Er Priester ist in der Ordnung Melchisedeks (Ps 110,4; Heb 5,6.10; 6,20). Aber der Fürst ist ausdrücklich kein Priester. Wenn er auch Opfer bringt am Sabbat und am Neumond, so kann er doch – was niemand außer der Priester sonst kann – in die Vorhalle des innersten Osttores eingehen. Aber weiter als bis zur Schwelle kann er nicht kommen. Er steht sozusagen am Rand des innersten Vorhofes, aber das ist auch die Grenze. Seine Opfer werden übernommen von den Priestern, die sie weiter zubereiten in dem innersten Vorhof (Hes 46,2; vgl. auch Hes 46,12).
Der Fürst erinnert deutlich an die Könige Judas, die manchmal anstelle des ganzen Volkes opferten und dabei selbst einen gewissen Dienst taten am Altar (vgl. 1Kön 8,22; 62–64). Dieser Dienst gereichte dann an den eigentlichen Priesterdienst. Zur gleichen Zeit steht neben dem König allezeit ein Hoherpriester, und der fehlt nun gerade merkwürdigerweise in Hesekiel 40–48. Wir hören in Hesekiel 45,18-20 nur von dem Priester, der (nach dem Fürsten?) auftritt im Opferdienst. Hiermit kann der Hohepriester gemeint sein, aber es kann auch um den Dienst der Hohenpriester gehen, ohne dass von einem Hohenpriester die Rede ist. Dies wird die besondere Berufung des Fürsten, um als Leiter und Repräsentant des ganzen Volkes aufzutreten im Anbetungsdienst noch weiter unterstreichen. Besonders am Passah, wenn der Fürst das Sündopfer für sich und das Volk bringt (Hes 45,21), erinnert sein Dienst ganz besonders an den des früheren Hohenpriesters (3Mo 16). Der Fürst ist ausdrücklich kein Hoherpriester, aber andererseits fehlt der Hohepriester und erinnert der Dienst des Fürsten manchmal stark an den des früheren Hohenpriesters.
Leiter des Anbetungsdienstes
Sicher hat der Fürst auch königliche Aufgaben, aber die praktisch einzige Anweisung dafür in Hesekiel 45,9 wo ungefähr gesagt wird: „Lass den Fürst nicht so tun wie die früheren Fürsten von Israel. Er soll abstehen von Gewalt und Unterdrückung und Bestechung und dass er Recht und Gerechtigkeit ausübt.“ Für den Rest liegen alle Aufgaben, die der Prophet von dem Fürsten auflistet, auf dem Gebiet des Anbetungsdienstes. Dazu empfängt der Fürst auch ein spezielles Hebopfer (Hes 45,13-16), nicht für seinen persönlichen Unterhalt, sondern als Material, um die vorgeschriebenen Festopfer bringen zu können.
Was bedeutet dieser Fürst nun vorbildlich für uns? Wir haben gesehen, dass der Tempel der Platz ist, wo der Anbetungsdienst für das Volk Gottes ist (vgl. Eph 3,21; 1Pet 2,5; Heb 3,1-6; 10,19-21; 13,15), und dass die Zusammenkünfte der Gemeinde – also Opfer- und Anbetungsdienst – im Tempel sind. Wenn nun der Fürst der Leiter und Repräsentant des Volkes im Anbetungsdienst ist, dann können wir an ihm sicherlich einen Hinweis auf Christus sehen. Einerseits verweist der Messias in Hesekiel typologisch nach dem Herrn, so wie wir Ihn nun kennen, zur Rechten Gottes im Himmel. Andererseits ist der Fürst ein Bild von dem Geist Christi, der in den Gläubigen die Leitung übernimmt im Anbetungsdienst. Zum Vergleich können wir denken an Josua, der auch ein Bild von dem Geist Christi in den Gläubigen ist. Aber dann als derjenige, der sie einführt in die Segnungen des verheißenen Landes. Eine noch deutlichere Parallele finden wir in den genannten David und Salomo, die in Person sowohl Vorbilder des Messias sind, aber in ihrem praktischen Lebenswandel und als Repräsentanten des Volkes von Gott primär Vorbilder sind von dem Geist Christi in den Gläubigen. Wichtig ist auch der Vergleich mit Hebräer 8,2, wo Christus ein Diener des Heiligtums und der vollkommenen Hütte genannt wird. Natürlich ist Er das als Hoherpriester (Heb 8,1), was der Fürst ausdrücklich nicht ist, aber es geht uns um den Punkt, dass alle Gläubigen in der Tatsache Diener des Heiligtums sind, aber das in Hebräer allein Christus so benannt wird, weil er der Leiter und Repräsentant des Volkes Gottes ist und alle Gläubigen allein in Ihm gesehen werden. So werden die Gläubigen im Hebräerbrief auch nicht Priester genannt, aber sie werden gesehen in dem einen großen Priesterhaupt des priesterlichen Hauses Gottes (Hes 10,22). Zusammenfassend sehen wir, wie Christus in dem Reichtum an Bildern vorgestellt wird im Tempel Hesekiels und damit auch in unserem Anbetungsdienst:
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Die Schechina ist ein Bild von Christus in seiner göttlichen Herrlichkeit, die uns naht beim Anbetungsdienst, und zu der wir nahen in dem Heiligtum.
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Der Messias, der direkt zu seinem Tempel kommt (Mal 3,1) ist Christus in Person selbst. Aber dann wird mehr der Nachdruck auf Ihn als den auferstandenen und verherrlichten Menschen gelegt, den Sohn Davids, der König seines Volkes. Christus, der inmitten seiner Gemeinde persönlich anwesend ist, ist da in der vollen Herrlichkeit seiner Person, sowohl was seine Gottheit als auch was seine Menschheit angeht (vgl. Hag 2,8-10).
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Der Fürst ist ein Bild von dem Geist Christi, der in uns in der Gemeinde (Eph 3,21) Leitung nimmt im Anbetungsdienst als Repräsentant seiner Gemeinde. Er ist es, der in ihrer Mitte den Lobgesang anstimmt, als ob Er der Einzige ist, der singt. Unser Singen ist in Ihm inbegriffen (Heb 2,12). Und durch Ihn bringen wir unsere Schlachtopfer Gott (Heb 13,15; 1Pet 2,5).
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Der Mann aus Kupfer, der Hesekiel umherführt in dem neuen Tempel (Hes 40,3) zeigt uns ein Bild von dem Geist von Christus, der uns durch sein Wort unterweist in Bezug auf die Art und Weise, wie das himmlische Heiligtum und unser Anbetungsdienst damit in Verbindung steht und uns unterstützt in diesem Dienst (vgl. Hes 43,6, siehe auch die Verbindung zwischen diesem Mann, die den Prophet umherführt, und dem Geist in Hes 43,5).
Die Festzeiten
Es ist der Mühe wert, einmal nachzugehen, was Hesekiel über den Anbetungsdienst im messianischen Friedensreich schreibt und zu versuchen, dies auf unseren Anbetungsdienst anzupassen. Schauen wir erst einmal nach den Festen Israels. In 3. Mose 23 finden wir noch sieben Feste: Passah, das Fest der ungesäuerten Brote, die Erstlingsgarbe, das Wochenfest, das Fest des Posaunenhalls, der große Versöhnungstag, Laubhüttenfest. Aber in Hesekiel 45 sind die Erstlingsgarbe und das Wochenfest (das typologisch das christlichste Fest ist), vollständig verschwunden. Es folgen:
- eine neue Art vom großen Versöhnungstag und wohl der erste Tag von dem ersten Monat, nicht für das Volk, sondern ausschließlich zur Entsündung des Heiligtums durch die Priester (Hes 45,18ff.; 3Mo 16,8);
- ein Erinnern daran am 7. des Monats (Hes 45,20); aber es kann auch sein, dass die Septuaginta hier die rechte Lesart hat: der siebte Monat, am ersten des Monats (siehe Punkt e);
- das Passah am 14. des ersten Monats (Hes 45,21ff.). Das Passahlamm wird nicht genannt, aber wohl ein Sündopfer, das der Fürst für sich und das Volk bringt.
- das Fest der ungesäuerten Brote von dem 15. bis zum 21. Tag des ersten Monats. Jeder Tag gefeiert mit großen Brand- und Friedensopfern, dargebracht durch den Fürsten (Hes 45,23ff.).
- der zweite große Versöhnungstag am Beginn in der 12. Hälfte des Jahres (wenn die Lesart der Septuaginta in Vers 20 richtig ist; siehe Punkt b). Das ist der Tag, an dem früher der Posaunenschall erklang (3Mo 23,24).
- das Laubhüttenfest vom 15. bis zum 21. Tag des siebten Monats. Jeder Tag wurde gefeiert mit Brand- und Friedensopfern durch den Fürsten (V. 25). Dieses Fest wird einfach „das Fest“ genannt, genauso wie zum Beispiel in 2Chr 5,3; 7,8ff.
Das ist für die Symmetrie des ersten und siebten Monats zu beachten. Ein Versöhnungstag zu Beginn, ein Fest am 15. bis zum 21.
Der Fürst steht auch an dem Festtage im Mittelpunkt als Leiter und Repräsentant des Volkes, und das ganz buchstäblich. Der Fürst soll, wenn sie (die Anbeter) nach innen gehen, in ihre Mitte hineingehen, und wenn sie nach draußen gehen, dann soll er auch nach draußen gehen (Hes 46,10). Noch zutreffender kommt dieses heraus am Sabbat und am Neumondtag (der erste von jedem Monat). An solchen Tagen wird das innerste Osttor, das Aussicht hat auf den Brandopferaltar und die Tempelhalle, geöffnet. Und durch dieses Tor werden die Opfertiere, die dann durch die Priester zubereitet werden als Brand- und Friedensopfer (Hes 46,1ff. vgl. auch Hes 46,12 in Bezug auf die freiwilligen Opfer an den Wochentagen), in den innersten Vorhof gebracht. Aber worum es uns nun geht, ist Folgendes: An solchen Tagen kommt zuallererst der Fürst, um sich kurz über die Tempeltür niederzubeugen und den Herrn anzubeten, und danach kommt das Volk, um direkt vor dieser Pforte den Herrn anzubeten (vgl. Hes 46,2ff.). Der Fürst geht buchstäblich vor in der Anbetung des Volkes. Zur gleichen Zeit ist er von dem Volk unterschieden und darüber erhaben. Das kommt zum Ausdruck in seinem Essen von dem Friedensopfer in der Vorhalle des äußersten Osttores. Durch diese Pforte ist die Schechina zu Beginn in den Tempel hineingegangen (Hes 43,4) und darum muss die Pforte an der Außenseite allezeit geschlossen werden. Allein der Fürst kann von der Binnenseite der Vorhalle her das Torgebäude betreten und da ganz allein das Friedensopfer essen (Hes 44,1-3). Das ist sehr merkwürdig, weil normalerweise das Friedensopfer ein typisches Gemeinschaftsmahl ist, das man mit anderen essen kann. Aber geben diese Vorschriften nicht an, dass es in der Tat bei dem Genuss der Opfer ein Element gibt, dass allein der Geist von Christus zum Vollen würdigen kann und das in Verbindung steht mit der Schechina, der vollen Herrlichkeit Gottes? Der Geist leitet uns in unserer Anbetung und vergegenwärtigt uns vor Gott, aber zu gleicher Zeit ist seine eigene Einsicht und der Genuss davon, was Er in uns wirkt, weit erhaben über unsere Einsicht und unseren Genuss.
Eine heilige Zusammenkunft
3. Mose 23 gibt uns als Hauptkennzeichen von jedem Fest, dass an den betreffenden Tagen eine heilige Zusammenkunft gehalten werden muss. Das sagt auch etwas über den Charakter unser Anbetung (siehe auch 5Mo 16,16ff.). In unserer heiligen Zusammenkunft muss von all diesen Festen etwas zum Ausdruck kommen:
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Ausgangspunkt ist stets ein entsündigtes Heiligtum; das heißt Gottes Volk kann singen: „Mit einem reinen und freien Gewissen können wir an deinem Tisch sitzen“ (vgl. auch Hes 44,25-27).
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Zentral steht in dem Anbetungsdienst der Tisch des Herrn, der nicht allein eine Parallele angibt mit dem Friedensopfer, sondern auch mit dem Passah als Gedächtnis an unsere Erlösung durch den Tod des Passahlammes. Nicht umsonst sind es das Passahbrot und der Passahkelch, die der Herr bei der Einsetzung des Abendmahls gebraucht hat.
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Der Anbetungsdienst steht selbst wieder zentral in dem ganzen Christenleben. Dafür gilt: Auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet. Lasst uns darum Festfeier halten mit ungesäuerten Broten der Lauterkeit und Wahrheit (1Kor 5,7ff.).
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Das Laubhüttenfest ist das Fest der Ansammlung am Ende des Jahres (2Mo 23,16; 34,22), das Fest des Friedensreiches (Sach 14,16), das Fest von „der Fülle der Zeiten“ (Eph 1,10). Aber alles, was dann sichtbar wird, ist nun schon offenbar geworden für den Gläubigen, auf welche das Ende der Zeiten gekommen ist (1Kor 10,11). Das himmlische Teil, das die verherrlichten Heiligen bald im Friedensreich genießen sollen, ist dem Wesen nach jetzt schon ihr Teil und kommt zum Ausdruck in ihrer heiligen Zusammenkunft. Bald bricht die Fülle der Zeiten an, aber wir kennen nun schon die Verborgenheit des Willens Gottes und „den Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rate seines Willens“ und „dem Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“ (Eph 1,9.11.18).
Der „Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbteils“ ist, wirkt nun schon inmitten der Gläubigen alles, was „zum Lobe seiner Herrlichkeit ist“ (Eph 1,13ff.). Das ist Christi Geist, der uns vorgestellt wird in dem Fürst, dem großen Anführer des Anbetungsdienstes eines wiedergeborenen Volkes in dem messianischen Reich.
Aber noch herrlicher und erhabener ist der Anbetungsdienst, den wir jetzt schon kennen dürfen; herrlicher ist der Fürst, der unseren Anbetungsdienst leitet, herrlicher ist das Heiligtum, zu dem wir Zugang haben dürfen – ein freierer Zugang selbst als der Fürst und die Söhne Zadoks selbst im irdischen Heiligtum genießen dürfen, und herrlicher sind die Feste, die wir bei unserem Anbetungsdienst feiern dürfen. Gebe der Herr, dass dies auch praktisch Wirklichkeit sein möge.
Übersetzt aus Bode des heils in Christus, Jg. 134, 1991