Wahres oder falsches Evangelium?
Galater 1,8

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 03.12.2003, aktualisiert: 23.10.2022

Leitvers: Galater 1,8

Gal 1,8: Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte außer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: Er sei verflucht!

Einleitung

Nicht zuletzt durch ProChrist kommt immer wieder die Frage auf: Wahres oder falsches Evangelium? (Ich werde in diesem Artikel nicht in erster Linie auf die Verkündigung bei ProChrist eingehen. Dazu fehlt mir einfach die Hintergrundinformation.) Manche sind sehr schnell dabei, anderen ein falsches Evangelium unterzuschieben. Aber auch die andere Gefahr besteht: dass man nicht erkennen will, dass hier und dort wirklich ein falsches oder verkürztes Evangelium gepredigt wird. Sicher gibt es auch irgendwo wieder die typischen Grenzbereiche: Ist es nun das wahre oder schon ein falsches Evangelium, ist es schon ein falsches oder doch noch das wahre Evangelium?

Ich möchte versuchen, einige grundsätzliche Dinge zu diesem Thema zu sagen und dies anhand der Schrift zu belegen. Jeder muss dann wohl selbst das, was er hört (ob bei ProChrist oder sonstwo), anhand der Schrift untersuchen und entscheiden, ob das wahre Evangelium verkündigt wurde oder nicht.

Das Evangelium vor dem Kreuz

Das Wort „Evangelium“ bedeutet „eine gute Nachricht“ oder „eine frohe Botschaft“. Es ist also zuerst einmal etwas Frohes und Gutes, was uns verkündigt wird. Das Evangelium ist nicht zuerst die Verkündigung, Buße zu tun, sondern es ist eine gute Botschaft und wird begleitet von der Aufforderung, Buße zu tun. Das lernen wir aus Markus 1,15: „Jesus sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubet an das Evangelium.“

Die gute Nachricht, die der Herr Jesus verkündigte, war, dass das Reich Gottes nahegekommen war. Und damit verbunden wurde die Botschaft der Buße und die Sorge um die rein äußerlichen Bedürfnisse des Menschen, zum Beispiel die Heilung der Kranken und jedes Gebrechen der Menschen. Das lernen wir aus Matthäus 4,23, denn hier wird die gute Botschaft vom Reich Gottes mit der Heilung von Krankheiten verbunden, so wie in Markus 1,15 die Verkündigung der Frohen Botschaft mit der Buße verbunden wurde. Der Herr Jesus selbst predigte nicht nur die gute Botschaft vom Reich Gottes, sondern kümmerte sich auch um die Bedürfnisse der Menschen: „Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk“ (Mt 4,23).
(Nebenbei bemerkt: Das Evangelium des Reiches ist nicht gleich dem Evangelium von Paulus. In unserem Artikel „Gibt es mehr als ein einziges Evangelium?“ gehen wir der Frage nach, ob zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Evangelien verkündet wurden und werden.)

Wenn der Herr Jesus das Evangelium verkündete, dann war das also eine gute Nachricht in misslichen Umständen. Das Gute dieser Nachricht konnte aber nur erreicht werden, wenn man umkehrte und Buße tat, also zur Einsicht der eigenen Schuld kam. Deshalb war mit dem Verkünden des Evangeliums der Aufruf zur Buße verbunden. Der Herr definiert seinen Auftrag folgendermaßen: „Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße!“ (Lk 5,32).

Das Evangelium nach dem Kreuz

Das Evangelium bzw. die Verkündigung wird im Neuen Testament mit der Auferstehung des Herrn sehr stark verbunden (s. Apg 17,18; 4,2; 4,33; 17,3; 2Tim 2,8). Es gehörte unmittelbar zu dem, was die Jünger im Anfang predigten und verkündigten und wofür sie sogar bereit waren, in den Tod zu gehen. Die Auferstehung ist sicherlich die gute Botschaft schlechthin, denn ohne Auferstehung wären wir die jämmerlichsten aller Menschen heißt es in 1. Korinther 15,16-19. Die Auferstehung war allerdings nur ein Aspekt des Evangeliums, das Verkünden von Buße und Vergebung der Sünden war ein anderer Aspekt (Apg 2,38), der mit diesem Evangelium verbunden war.

Nach dem Kreuz gehört eigentlich alles, was mit der Person des Herrn Jesus zusammenhängt und was der Herr Jesus selbst verkündigt hat, zu diesem Evangelium. In Apostelgeschichte 8,12 lesen wir zum Beispiel: „Als sie aber Philippus glaubten, der das Evangelium von dem Reich Gottes und dem Namen Jesu Christi verkündigte, wurden sie getauft.“

Paulus schrieb an die Römer von dem „Evangelium seines Sohnes“ (Röm 1,9), und er wollte den Römern, also Gläubigen, das Evangelium verkünden (Röm 1,15). Die Apostelgeschichte endet mit den Worten: „Er predigte das Reich Gottes und lehrte mit aller Freimütigkeit ungehindert die Dinge, die den Herrn Jesus Christus betreffen.“ Einmal wird das Evangelium auch beschrieben als das „Evangelium der Gnade Gottes“ (Apg 20,24).

Lernen aus dem, wie der Herr Jesus das Evangelium verkündigte

Es ist nicht verkehrt, wenn wir genau hinsehen, was die Menschen heute umtreibt und was ihre tiefsten Sehnsüchte sind, um sie dort abzuholen, wo sie stehen. Die tiefste Sehnsucht des Aussätzigen in Markus 1 war, geheilt zu werden, endlich wieder in die Gemeinschaft der Mitmenschen aufgenommen zu sein und nicht ausgegrenzt am Rande der Gesellschaft zu stehen. Jesus sah die tiefe Not dieses Menschen und wurde darüber innerlich bewegt, vielleicht vergoss Er sogar Tränen. Wir wissen, dass dieses Beispiel eine tiefere Bedeutung hat: dass der Herr Jesus kam, um uns von Sünden zu reinigen. Und der Aussatz ist ein Bild der Sünde. Der Heiland möchte uns hier lehren, dass wir alle von Natur so sind wie dieser Aussätzige und dass wir nötig haben, gereinigt zu werden. Was war das für eine frohe Botschaft für den Aussätzigen, als Jesus zu ihm nur diese zwei Worte sagte: „Ich will, sei gereinigt“ (Mk 1,41)!

Wenn wir die Menschen dort abholen, wo sie stehen, und ihnen einen Ausweg aus ihrem Dilemma zeigen, dann müssen wir ihnen aufzeigen, dass der Weg dorthin nur über Buße und Vergebung der Sünden geschehen kann. Der Gelähmte in Markus 2 ist dafür ein gutes Beispiel. Sein tiefstes Bedürfnis war, geheilt zu werden. Aber was sagt der Herr diesem Menschen? Was war seine gute Botschaft für diesen Menschen? „Als Jesus aber ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben“ (Mk 2,5). Um sein tiefstes Bedürfnis zu stillen, musste zunächst sein Sündenproblem gelöst werden.

Welche tiefen Sehnsüchte hatte die Frau am Jakobsbrunnen in Johannes 4! Die vielen Männer, die sie hatte, sprechen eine deutliche Sprache. Der Herr vermittelt ihr eine neue Sichtweise, und so lernt sie, sich nach dem lebendigen Wasser auszustrecken, so dass sie nicht immer wieder neu Durst bekommen müsste. Aber dies konnte sie nur erlangen, indem der Herr Jesus ihr ihre Sünden ins Bewusstsein rief und den wunden Punkt in ihrem Leben ansprach.

Wir können und sollen die Menschen dort abholen, wo sie sind (siehe auch Apostelgeschichte 17, wo Paulus auf dem Areopag ein heidnisches Götzenbild zum Anlass nahm, das Evangelium zu verkündigen) – ob sie ein Schuldproblem haben, ausgebrannt, betrogen oder enttäuscht sind. Wir müssen genau hinhören, was die Menschen bewegt, was ihre tiefsten Wünsche und Sehnsüchte sind. Und entweder müssen wir diese Wünsche in eine neue Richtung führen, so wie bei der Frau am Jakobsbrunnen, oder wir haben die gute Botschaft, dass jemand seine Sehnsucht gestillt bekommt, wenn er zum Herrn Jesus umkehrt und Buße tut, wie im Beispiel des Gelähmten, der geheilt wurde. Es sagte mal jemand: „Bei Jesus Christus kommt absolute Sehnsucht zur absoluten Erfüllung.“ Wie gesagt, entweder indem Er unsere Sehnsucht verändert (in eine neue Richtung lenkt) oder unsere Sehnsucht stillt.

Wie wir es nicht machen sollten

Wenn wir die Botschaft verkünden, sollten wir unbedingt darauf achten, dass wir die Botschaft nicht verwässern. Manchmal hört man Sätze wie: „Wenn du nicht zu dem Herrn umkehrst, dann hast du das Ziel deines Lebens nicht erreicht.“ Hier verkürzt man das Evangelium. Denn es ist ja etwas anderes, wenn ich bloß das mögliche Ziel meines Lebens nicht erreicht habe oder wenn ich stattdessen eine ewige Strafe zu erleiden habe. Man scheut sich heute vielfach, die Konsequenzen aufzuzeigen, die eine Ablehnung des Evangeliums zur Folge hat. Wenn das Evangelium nur noch darin besteht, dem Menschen mitzuteilen, dass Gott sie unbeschreiblich liebt und Gott sie sucht, weil Er nicht ohne uns leben will (so als ob Gott uns am Ende noch dankbar sein müsste, wenn wir uns dann zu Ihm bekennen), dann ist irgendetwas fürchterlich schiefgelaufen. Aber tatsächlich kann man so eine Verkündigung heute sogar unter evangelikalen Christen hören.

Im Evangelium muss der Mensch dahin gebracht werden, dass er ein Bewusstsein von der Heiligkeit Gottes bekommt; dass wir, so wie wir sind, nicht vor Gott bestehen können und dass der einzige Weg zurück der ist, dass wir uns vor Gott ganz klein machen, unsere Schuld und unser Abweichen erkennen und Ihm bekennen. Der Mensch möchte natürlich immer gern etwas Besonderes sein und nicht daran erinnert werden, wie es tatsächlich um ihn bestellt ist. Und deshalb ist diese Botschaft auch sehr unpopulär und mancher Prediger begibt sich hier oftmals in Grenzbereiche. Diese Gefahr dürfen wir nicht verkennen. Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 2,4: „So, wie wir von Gott als bewährt befunden worden sind, mit dem Evangelium betraut zu werden, so reden wir, nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft.“ Bei allem Verständnis für die Menschen unserer Zeit darf das Evangelium nicht verkündigt werden, um dem Menschen zu gefallen, sondern um ihn zu überführen und ihn mit einem sowohl heiligen als auch liebenden Gott in Verbindung zu bringen.

Aber dem Menschen ins Gesicht zu schleudern: „Du bist ein Sünder, bekehre dich! Du bist in einem so erbärmlichen Zustand, dass du das ewige Gericht verdient hast“, ist sicher auch nicht immer die richtige Art, um Menschen zu Jesus Christus zu führen. Wir können dann zwar selbstgerecht von dannen ziehen und uns einbilden, dem Ungläubigen mal wieder so richtig ernst das Evangelium verkündigt zu haben. Aber macht man sich dann in Wirklichkeit nicht etwas vor? Es liegt dann nicht nur an der „bösen Welt“ um uns herum, wenn keiner mehr zum Glauben kommt, sondern auch daran, dass wir einfach nicht gelernt haben, die Menschen in ihrer Not und ihren Bedürfnissen zu verstehen und ernst zu nehmen. Wenn du heute einem Menschen erzählst, dass er ein Sünder ist, dann musst du aufpassen, dass er dich nicht anzeigt, weil man heute unter „Sünder“ vielfach einen Schwerverbrecher versteht. Man kann auch nicht losziehen und dem Menschen erzählen: „Du musst durch das Blut des Lammes gereinigt werden“ – damit konnte man zu Jesu Zeiten etwas anfangen, aber heute kann sich kaum noch einer etwas darunter vorstellen, wie das gehen soll, dass durch Blut etwas rein wird. Die Erfahrung lehrt die Menschen ja das Gegenteil.

Also, man muss sich schon gut überlegen, wie man Menschen heutzutage ansprechen soll. Natürlich muss man sich dann auch einmal über die Verkündigungsmethode unterhalten. Aber in diesem Artikel sollte es in erster Linie darum gehen, wodurch das wahre Evangelium gekennzeichnet wird und dass es nicht verkehrt ist, über die Brücke der unerfüllten Sehnsüchte der Menschen die gute Botschaft zu verkünden. Der Herr Jesus tat das auch.

Um sich den Makel eines falschen Evangeliums nachsagen zu lassen, muss man schon einige grundsätzliche Bestandteile dieses Evangeliums umstoßen, wie zum Beispiel jene Begebenheit im Galaterbrief, wo man anfing, wieder nach dem Gesetz zu leben, als ob Gerechtigkeit durch das Gesetz kommen würde. Hier könnte der Mensch dann selbst etwas zu seiner Seligkeit beisteuern; das steht aber gerade dem wahren Evangelium genau gegenüber. Oder wenn man zum Beispiel die grundsätzliche Verdorbenheit des Menschen und die leibliche Auferstehung des Herrn leugnen oder böse Lehren über die Person des Herrn verkünden würde, dann müssten wir von einem falschen Evangelium sprechen. Ob man bereits von einem falschen Evangelium sprechen kann, wenn man zum Beispiel das Gericht und die ewige Verdammnis verheimlicht (obwohl man durchaus daran glaubt!), wage ich persönlich nicht zu sagen. Allerdings wäre dieses Evangelium verkürzt und verwässert.

Kernwahrheiten, die verkündigt werden sollten

Wir haben gesehen, wie umfassend doch das Evangelium ist und dass es unmöglich ist, in der Predigt immer alle Aspekte gebührend zu behandeln; auch Paulus beschränkte sich auf einige wenige Aspekte, als er in Apostelgeschichte 17 auf dem Areopag das Evangelium verkündigte. Dennoch sollten wir uns der Kernwahrheiten erneut bewusst werden:

  • Predigt von der Verlorenheit und Verdorbenheit des Menschen
  • Predigt von Buße und Umkehr
  • Predigt von der Vergebung der Sünde
  • Predigt von Christi Tod und Auferstehung
  • Predigt von Gericht und ewiger Strafe

Weitere Artikel des Autors Stephan Isenberg (117)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen