Gefahren für die Brüderbewegung
aus „Die Brüder, ihr Ursprung, ihre Vermehrung, ihr Zeugnis“, 1879

Adelbert Percy Cecil

© Franz Kaupp, online seit: 10.12.2001, aktualisiert: 30.04.2020

Brüder, ertraget ein Wort der Ermahnung! Der Herr hat einen Rechtsstreit mit uns. Gerade in dem Augenblick, da wir uns „Brüder“ nennen und von unserem Ursprung, unserem Wachstum und unserem Zeugnis reden, schüttelt uns der Herr bis ins Innerste.

Ich erschrecke darüber, dass manche von uns keinen höheren Gedanken haben als den, dass wir zu den „Brüdern“ gehören, die vor fünfzig Jahren [1879 geschrieben!] mit der Absonderung begonnen haben. Wenn wir solch einen Gedanken mit der Heiligen Schrift vergleichen, so können wir ihn nur als einen solchen bezeichnen, wie ihn 1. Korinther 1 hinstellt: als eine erbärmlich sektiererische Weisheit, die durch das Kreuz gerichtet werden muss.

In unseren Unterhaltungen reden wir leichthin von dem uns beigelegten Sektierernamen „Plymouthbrüder“; und bald, fürchte ich, gehen wir weiter und finden uns damit ab, als ob nichts dabei wäre – es ist ja nur ein Name! Es genüge, zu sagen, dass 1. Korinther 1 das ganz und gar verurteilt; es trifft die Grundlagen des Christentums und ist ein Abdruck der menschlichen Weisheit der Philosophen (s. 1Kor 1 u. 2). Es trifft die Wurzel der wahren Natur der Versammlung, wie sie uns in 1. Korinther 3 gezeigt wird.

Aus Gott aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1Kor 1,30). Wir sind keinem noch so gesegneten Lehrer oder ebensolcher Lehrerschaft verschrieben, sondern gehören zum Tempel Gottes, und Gottes Heiliger Geist wohnt in uns.

Wir sind nicht „die Brüder“, bei Sektierern und der Welt als „Plymouthbrüder“ geschmäht, deren Ursprung auf die Zeit vor fünfzig Jahren zurückgeht; sondern wir sind „Brüder“ inmitten der vielen Brüder der großen Familie Gottes, die schon vorher bestand; Brüder, welche durch die Gnade Gottes aus der gleichsam viele Jahre währenden babylonischen Gefangenschaft der Versammlung (Ekklesia) befreit worden und zu dem ursprünglichen Boden der Versammlung zurückgekehrt sind, die in Christus in die himmlischen Örter versetzt ist; um den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus als die Quelle der Einheit, zu bekennen – den Gott und Vater der ganzen zerstreuten gesammelten Familie Gottes (Eph 1,1-23); Christus zu bekennen als das Haupt seines Leibes (Eph 1,19-23; 2,1-18) und den Heiligen Geist zu bekennen als den Erbauer und Bewohner des Hauses Gottes (Eph 2,19-22).

Wir stammen nicht von Lehrern her, so gesegnet und von Gott anerkannt sie sein mögen, vor fünfzig Jahren von Ihm erweckt und mächtiglich gebraucht, um lange unter den Trümmern der bekennenden Kirche begrabene Wahrheiten wieder aufleben zu lassen, sondern von dem Gott, der durch seine unumschränkte Gnade Petrus, Andreas und Johannes berief, der Christus für unsere Übertretungen dem Tode überlieferte und unserer Rechtfertigung wegen auferweckte (Röm 4,25), der später von der Herrlichkeit aus den Saulus von Tarsus berief, ihn aus der jüdischen und heidnischen Welt, die Christus verworfen hatte, herausbefreite und ihn von der Herrlichkeit aus als einen mit Christus einsgemachten Menschen aussandte, um von der Herrlichkeit des Christus und von dem Einssein der Heiligen mit Ihm als seinem Leibe und seiner Braut zu zeugen.

Unsere Stellung ist nicht in einer Körperschaft, deren Ursprung fünfzig Jahre zurückliegt, sondern in dem Christus, der, nachdem Er der Maria die in den Worten „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“ geformte neue Beziehung kundgetan hatte, in die Mitte seiner versammelten Brüder kam, ihnen „Friede euch“ zurief und in sie hauchte. Es war der Friede, den Er in seinem Sterben am Kreuze für sie gemacht hatte, wovon Er ihnen in seinen verwundeten Händen und in seiner durchbohrten Seite den Beweis gab.

Wir sind in dem Christus, der ein zweites Mal „Friede euch“ zu ihnen sprach, als der vom Vater gesandte Sohn, indem Er sein eigenes Auferstehungsleben in sie hauchte, sie also mit sich selbst als dem auferstandenen Haupte der neuen Schöpfung verbindend.

Wir sind in dem Christus, der nach diesem hinaufstieg als Mensch und den Heiligen Geist als die Verheißung des Vaters herabsandte, damit Er in ihnen wohne, so dass nun die neue, volleingeführte Familie Gottes rufen konnte „Abba, Vater!“ (Joh 20,19-23; Apg 1,4).

Gleichzeitig taufte der Heilige Geist sie alle zu einem Leibe und baute sie zusammen auf, damit sie seine Behausung auf der Erde seien. Dergestalt ist unser Ursprung, dergestalt unsere Stellung. Zu dieser Familie, zu diesem Leibe und zu diesem Hause allein gehören wir; und wir sind berufen, dem Zeugnis zu geben, ebenso dem Einen, welcher der Gott und Vater ist. O edler Ursprung! O hehre Abstammung! Brüder, vergesst es nicht! Lasst niemand eure Krone nehmen!

Die Fortschritte, welche die Versammlung Gottes machte, kennt ihr ja; ich brauche also nicht dabei zu verweilen. Sie breitete sich wunderbar aus. Aber, o weh! In dem Maße, wie sie sich ausbreitete, sank sie von ihrer Höhe herab. Eifrig darauf aus, das Böse wegzutun, verließ sie leider ihre erste Liebe, und der Herr musste drohen, den Leuchter wegzunehmen. Das durch Verfolgung eingehaltene Böse brach neu hervor in der Verbindung, welche die Kirche mit der Welt durch die besoldeten Leiter der Christenheit einging. Ein böses System tauchte inmitten des Hauses Gottes selbst auf; es lehrte Götzendienst; eine babylonische Gefangenschaft breitete sich über die ganze Kirche aus. Die Wahrheit von der Einheit des Leibes und vom Kommen des Herrn gingen verloren, und es herrschte gleichsam eine mitternächtliche Finsternis.

Der Schrei der Reformation erscholl; es gab ein teilweises Herauskommen aus der Gefangenschaft, doch nur, um wiederum in etwas Verhängnisvolles zu fallen: in etwas, „das den Namen hat, dass es lebe“, obwohl moralischer Tod über dem Bekenntnis lag. Dann ließ sich die Stimme des Heiligen und Treuen vernehmen, und ein Überrest der Schafe leistete dem Rufen Folge und kehrte um zu Christus allein. Aber denkt daran, Brüder, es war ein Überrest, der zurückkam, nicht das Ganze. Wir sind „Brüder“, ein zu Christus zurückgekehrter Überrest, aber nicht „die Brüder“, viel weniger „Plymouthbrüder“ als eine neue Körperschaft.

Das ist die traurige Geschichte der „Brüder“ und des Hauses Gottes. Und bedenkt, Brüder, dass eine traurige Zukunft vor dem Hause Gottes liegt! Laodizeische Lauheit soll folgen, parallel neben philadelphischer Herzenstreue, bis Er kommt! Welches ist das große unterscheidende Merkmal bei beiden Kreisen? Bei den Philadelphiern ist es dies: Christus und sein Wort ist alles. Bei den Laodizeern ist es dies: „Die Brüder“ sind alles, da sie sagen: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts.“ Es ist ein hässliches, korporatives „Ich“ bei ihnen vorhanden, das durch 1. Korinther 1 gerichtet werden muss, so gut wie das individuelle „Ich“, der alte Mensch im Brief an die Römer.

Also denn, lasst euer Zeugnis einfach Christus und sein Wort sein, ohne etwas auszulassen; ohne das Zeugnis des Petrus über den verworfenen Jesus zu vernachlässigen, der jetzt erhöht und bereit ist, sich auf Davids Thron zu setzen; der in der Zwischenzeit zum Herrn und zum Christus gemacht ist, Heil und Vergebung der Sünden gebend, und also dem Reich der Himmel in seiner jetzigen Form Bestand gibt. (Siehe Apostelgeschichte 2,30-38; 4,10-12; 5,30-32 und viele andere Stellen.)

Ebenso haltet das Zeugnis des Paulus fest, wie viele unter euch gesegneterweise es tun, indem sie einen geöffneten Himmel verkündigen; den zweiten Menschen als dort sitzend; Gerechtigkeit und den Heiligen Geist als von dort aus im Dienst verwaltet und als herniedergekommen, der die Gläubigen mit Christus im Himmel und miteinander auf der Erde zu einer Einheit verbindet; mit der glückseligen Hoffnung der Wiederkunft des Sohnes Gottes vom Himmel, des Bräutigams seiner Versammlung, um sie vor den Gerichten in das Haus einzuführen und sie dann mit sich zum Herrschen über die erneuerte Erde zurückzuführen.

Brüder! Lasst uns nicht von unserem Zeugnis reden, sondern es verkündigen als Zeugnis Gottes, und der freundliche Blick des „Heiligen“ und „Treuen“ wird weiter auf uns ruhen. Die Bruderliebe, Philadelphia, wird in Wirklichkeit in unserer Mitte gegen alle zerstreuten Brüder herrschen. Wir werden weiterhin die geöffnete Tür haben, die niemand zu schließen vermag, und den Kreis von Menschen nach den Gedanken Gottes darstellen, der, gekennzeichnet durch diese Schriftwahrheit, allein den Gerichten entrinnen wird. Alle anderen Gläubigen der gegenwärtigen Haushaltung, die sich nicht zu uns halten, werden ebenfalls den Gerichten entrinnen, aber als Einzelne; und in der Herrlichkeit werden dann alle zusammen kraft der Gnade Gottes das darstellen, was hier versäumt wurde. Mit diesem Entrinnen wird „Philadelphia“ auf dieser Erde aufgehört haben zu bestehen, wenn der Herr Jesus Christus wiederkommt (Off 3,11).

Oh, so haltet denn fest an dem Namen des Christus; lasst euch vonseiten der Menschen keine falsche und anmaßende Benennung aufdrängen! Der schöne Name Christus, des Heiligen und Treuen, genügt, der Name dessen, der sich nicht schämt, uns „seine Brüder“ zu nennen; aber denkt daran, unter vielen anderen zerstreuten Brüdern, die geradeso gut „Brüder“ sind wie wir, wenn sie es auch nicht als eine Gesamtheit kundgeben!

Noch einmal sage ich: Ertraget das Wort der Ermahnung! Und möge der treue Gott, der uns in die Gemeinschaft seines Sohnes berufen hat, das Licht seines Angesichts auf uns leuchten lassen!

Dergestalt ist unser Ursprung, dem wir, wenn wir anders treue Zeugen sind, Zeugnis geben werden. Dergestalt ist fortschreitend die Geschichte der Versammlung gewesen, zu der wir gehören, und dergestalt ihr Zeugnis. Aber wir sind nur „Brüder“ (unter vielen anderen zerstreuten Brüdern), die zu Christus zurückgekehrt sind, um der Gnade Zeugnis zu geben, die uns zurückgerufen hat und die gegen das Ganze Nachsicht übt und die jeden Bruder, ob zerstreut oder gesammelt, zur Herrlichkeit führen wird.


Aus dem Heft Absonderung von Franz Kaupp

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