Leitvers: Offenbarung 2,17
Off 2,17: Dem, der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben.
Wenn Gott für die Überwinder das „verborgene Manna“ bereithält, dann wäre es doch gut, auch zu wissen, was Gott damit meint, oder?
Die Sendschreiben
Nachdem ich mich intensiv mit den Sendschreiben beschäftigt habe, bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass wir hier eine Kirchengeschichte in Miniatur vor uns haben. Aber wir dürfen die Sendschreiben auch auf uns als Gemeinde und auf uns ganz persönlich anwenden. Die Verheißungen in den Sendschreiben richten sich ja auch nicht an eine Gemeinde, sondern an den einzelnen Gläubigen, an den, „der überwindet“, der trotz Verfall in der betreffenden Gemeinde bzw. in der Christenheit den Namen Christi über alles liebt und hochhält.
Manna in der Wüste
Was kenne ich von dem „verborgenen Manna“? Klar, das „Manna“ kenne ich: Das war die Speise, die das Volk Israel von Gott in der Wüste jeden Morgen bekam, quasi frei Haus, so wie man im Urlaub die Brötchen an die Tür gestellt bekommt. Ich weiß, ich sollte jeden Morgen etwas von dem Brot des Himmels sammeln – etwas von Christus, damit ich durch den Tag komme. Ich darf auf Christus schauen, auf das wahre Himmelsbrot, wie die Gnade des Himmels in Berührung kam mit jeglichen Umständen der Wüste – das gibt mir Mut. Aber das ist offensichtlich nicht das „verborgene Manna“.
Was bringt mir das?
Bist du bereit, nicht immer zuerst zu fragen: Was bringt es mir und was hab ich davon? – Wenn du einen Artikel lesen möchtest, in dem es um dein Wohlbefinden geht, der dich einlullt mit einem Wohlfühlevangelium, wo der Mensch im Zentrum steht und Gott der Diener unseres Wohlbefindens ist – wenn du solch einen Artikel lesen möchtest, dann solltest du an dieser Stelle mit dem Lesen aufhören; denn wenn du nur etwas für dich selbst suchst und nicht an dem interessiert bist, was Gott wichtig ist, wirst du in dem „verborgenen Manna“ nichts Spannendes finden. Bei dem „verborgenen Manna“ steht nicht der Mensch im Mittelpunkt und sein Wohlergehen, sondern es geht zuerst um das, was Gott gefällt, denn dieses Manna war vor den Augen der Menschen verborgen. Das verborgene Manna war nur für das Auge Gottes sichtbar.
Das Manna in der Bundeslade
Was ist nun das „verborgene Manna“? Zuerst wollen wir 2. Mose 16,33.34 lesen.
- 2Mo 16,33.34: Und Mose sprach zu Aaron: Nimm einen Krug und tu Man hinein, einen Gomer voll, und lege es vor dem Herrn nieder zur Aufbewahrung für eure Geschlechter. So wie der Herr Mose geboten hatte, legte Aaron es vor das Zeugnis nieder zur Aufbewahrung.
Hier lesen wir, dass das Manna (Man) vor den Herrn gelegt werden sollte. Es sollte dort vor Gott gut aufbewahrt werden. Was bedeutet das? Hatte dieser große Gott, Jahwe, etwa Hunger – nährte Er sich ebenfalls von diesem Manna? Nun verbinden wir diese Stelle mit Hebräer 9,4:
- Heb 9,4: [Im Allerheiligsten war] … die Lade des Bundes, überall mit Gold überzogen, in der der goldene Krug war, der das Manna enthielt.
Hier im Allerheiligsten, da, wo Gott wohnte, stand die Lade des Bundes, innen aus Holz und außen aus Gold, ein herrliches Vorbild von Christus, der wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person war und ist. Aber wie schön: In der Stiftshütte, im Allerheiligsten, in der Bundeslade – man möchte in Ehrfurcht sagen: direkt am Herzen Gottes –, da stand dieser Krug, der das Manna enthielt. Ja, es war tatsächlich „verborgenes Manna“. Hätte Gott dieses Manna noch mehr verbergen können? Merken wir, wie das Bild jetzt Konturen annimmt? Wir fragen: Wie bitte? Der Überwinder von Pergamus soll dieses heilige und tief im Inneren der Stiftshütte aufbewahrte Manna bekommen? – Was für eine Wertschätzung, die Gott dem Überwinder von Pergamus zuteilwerden lässt! Da müssen wir doch noch etwas weiterforschen, was es mit diesem Manna auf sich hat.
Der Geschmack des Mannas
Das Manna ist das Brot vom Himmel, und als die Israeliten dieses Brot zum ersten Mal zu sich nahmen, sagten sie: „Sein Geschmack war wie Kuchen mit Honig“ (2Mo 16,31). Leider schmeckte es ihnen nicht immer; zu anderen Zeiten ekelte es ihnen sogar vor dieser Speise. Aber vom Grundsatz her war das Manna genau das: „Kuchen mit Honig“; und es hat sich nicht verändert. Auch wenn das Volk Gottes das Manna nicht immer zu schätzen wusste, so wusste Gott es sehr wohl zu schätzen.
Ist es nicht großartig, dass dieses „verborgene Manna“ für Gott und vor Gott aufbewahrt wurde? Für Gott, der nun unser Vater ist, gab es kaum etwas „Süßeres“ als dieses Himmelsbrot. Sein Sohn, dieses „Manna vom Himmel“, das fleischgewordene Wort vom Himmel, sollte stets vor Gott aufbewahrt sein. Gott hat große Freude an diesem Manna, an diesem Sohn seiner Liebe. Wie kostbar war für den Vater das Leben seines Sohnes auf der Erde. Immer wieder öffnete sich der Himmel und eine Stimme sagte Worte wie: Dieser! Schaut euch diesen Sohn an! Das ist mein Sohn. Welch eine Freude für mich, seht doch, hört doch! Endlich ein Sohn – nein, mein Sohn! –, der in der Welt und in der Wüste gezeigt hat, wie man als Fremdling zu meiner vollen Freude den Weg gehen kann. Oh, wie lieb habe ich diesen Sohn!
Können wir Gott verstehen, dass sein Herz über seinen Sohn jubelte? Schauen wir doch einmal auf uns selbst. Wie wenig Freude hat Gott oft an uns! Aber wie freut Gott sich dann, wenn Er auf seinen Sohn schaut, wenn Er die Lade des Bundes sieht, wie Christus hier als Mensch auf der Erde war und doch gleichzeitig göttlich vollkommen. Jeder seiner Blicke, jede Handreichung, jeder Schritt, jedes innerliche Bewegtsein, jede Träne, jede stille Freude und jede Zuneigung, die der Herr Jesus empfand, war in völliger Harmonie mit dem Vater, ein Gleichklang der Herzen – Er hatte nichts, wofür Er sich entschuldigen musste, kein Wort, das Ihm später leidtat, keine Anklage an den Vater, als Er Ablehnung vom Volk erfuhr. Immer war seine Sprache: „Ja, Vater“, und: „Vater, nicht mein Wille.“ Er hatte ein Gebot vom Vater empfangen, und das erfüllte Er in Treue.
Die Herrlichkeit des Sohnes
Wenn man einmal anfängt, all die Herrlichkeiten und Schönheiten des Sohnes aufzuzählen, dann möchte man gar nicht mehr aufhören: Er stillte den Lebensdurst der Frau am Jakobsbrunnen und den Hunger der Volksmengen, die für Ihn wie Schafe waren, die keinen Hirten hatten. Er tröstete eine Frau, die ihren Sohn zu Grabe trug. Er weinte am Grab des Lazarus und über die Stadt Jerusalem, die nicht erkannte, was zu ihrem Frieden diente. In seinen schwersten Stunden lag Er alleingelassen auf seinem Angesicht, während seine Jünger vor Traurigkeit eingeschlafen waren. Wenig später wurde Er von Judas, dem Freund seines Vertrauens, mit einem zärtlichen Kuss überliefert, und Er antwortete tief betroffen: „Freund!“ Ob der Herr damals nicht so empfand wie einst Elisa? Als Gehasi, der von seiner Geldgier getrieben wurde, hinter Naaman herlief, um ein Geschenk zu empfangen, sprach Elisa bewegt: „Ging mein Herz nicht mit …?“ Wir fragen: Ging das Herz des Herrn nicht mit, als Judas mit der Kasse an seiner Seite und dem Teufel in seinem Herzen in der dunklen Nacht verschwand (Joh 13,30)? Später musste der Herr Jesus mit ansehen, wie einer seiner „besten“ Jünger Ihn verleugnete. Aber auch dann hatte Er noch einen gewinnenden Blick für Petrus übrig, der daraufhin zusammenbrach und bitterlich weinte, weil er etwas von dem Schmerz in den Augen seines Herrn gesehen hatte. Ob Petrus in diesem Moment wohl verstand, dass diese Schmerzen viel tiefer gingen als die Furchen, die man über seinen Rücken zog? Dann am Kreuz, während Er doch schwer genug zu tragen hatte, kümmerte Er sich um seinen Jünger, den Er so sehr liebte, und um seine Mutter.
Dies sind nur ein paar Stationen seines Lebens, und doch, Er ist wahrhaft „schöner als die Menschensöhne“ (Ps 45,3), Er ist der, der „ausgezeichnet ist vor Zehntausenden“ (Hld 5,10). Kannst du sagen: „Ich bin meines Geliebten, und nach mir ist sein Verlangen“ (Hld 7,11)? Ist Er nicht wahrhaft anbetungswürdig, Er, der sich viel mehr nach uns sehnt, als wir uns nach Ihm sehnen? Gott möchte das, woran Er sich selbst erfreuen kann, mit uns teilen. Das ist die Belohnung für den Überwinder in Pergamus.
Manna für den Überwinder
Sicher ist das nur eine schwache Erklärung dessen, was das verborgene Manna beinhaltet, doch was ist das für eine Verheißung, die dem Überwinder gegeben wird! Dieses Manna ist für alle, die der Lehre Bileams und der der Nikolaiten nicht auf den Leim gegangen sind; so steht es im Sendschreiben an Pergamus. Bileam sollte das Volk verfluchen (4Mo 23–24), aber er konnte es nicht. Wenn der Teufel das Volk nicht vernichten kann (hier durch einen Fluch), dann will er es verderben (durch Vermischung und Verführung). Vernichten oder verderben: Das sind immer die beiden Methoden, wie der Teufel wirkt. Nachdem Bileam das Volk nicht verfluchen konnte, öffnete er die Türen für die Vermischung mit der Welt. Schon in 4. Mose 25 sieht man das Ergebnis: Das Volk verband sich mit den Nachbarvölkern. Der Teufel kann uns in der westlichen Welt nicht durch Drangsal vernichten so wie die Gläubigen in Smyrna; deshalb verführt er die Christen, sich mit der Welt einzulassen, und die Gemeinden springen dankbar auf diesen Zug auf.
Ein Überwinder wie Pinehas
Möchtest du ein Überwinder sein, möchtest du dich von dem „verborgenen Manna“ ernähren? Dann darfst du nicht auf dem Weg gehen, der heißt „Ich-will-so-werden-wie-die-Welt“. Dann musst du ein Pinehas werden, der dem Bileam-Geist widersteht. Weißt du, was Pinehas tat? Als ein israelitischer Mann eine Midianiterin mitbrachte, durchstach er beide mit einer Lanze. Brutal? Unverständlich? War das Gottes Wille? Lesen wir, wie Gott das beurteilte (diese Begebenheit steht unmittelbar mit der Geschichte Bileams in Verbindung):
- 4Mo 25,11-13: Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, hat meinen Grimm von den Kindern Israel abgewandt, indem er in meinem Eifer in ihrer Mitte geeifert hat, so dass ich die Kinder Israel nicht in meinem Eifer vertilgt habe. Darum sprich: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens; und er wird ihm und seinen Nachkommen nach ihm ein Bund ewigen Priestertums sein, weil er für seinen Gott geeifert und für die Kinder Israel Sühnung getan hat.
Pinehas war ein Überwinder jener Tage. Auch im Sendschreiben an Pergamus ist von einem treuen Zeugen die Rede, Antipas, der für Gott eiferte und dabei sogar sein Leben verlor. Er wird in Offenbarung 2,13 erwähnt, bevor in Offenbarung 2,14 von der Lehre Bileams die Rede ist.
Nicht gleichförmig der Welt
Die Bibel fordert uns auf, „nicht gleichförmig dieser Welt“ zu sein (Röm 12,2). Die Gemeinde möchte die Welt gewinnen. Aber anstatt dass Menschen aus der Welt zur Gemeinde geführt werden, wird die Gemeinde zur Welt geführt, oder sollten wir besser sagen: verführt? Immer mehr Programme, immer mehr Show, immer lautere Musik, immer mehr Organisation, immer mehr menschliches Beiwerk. Die Folge ist: immer weniger Christus und immer weniger Geist Gottes in den Gemeinden. Je weniger „Christus“ eine Gemeinde hat, desto mehr Theater muss sie spielen. Wann lernen wir endlich, dass wir der Welt nicht Programme, Show und tolle Musik anzubieten haben, sondern Christus? Was erwarten wir von einer Mutter? Dass sie kochen kann wie ein Fünf-Sterne-Koch? Dass sie aussieht wie ein Fotomodell? Nein, von einer Mutter erwarten wir, dass sie Geborgenheit, Wärme, Zärtlichkeit und Liebe schenkt. Die Welt erwartet von der Gemeinde keine Programme wie bei ProSieben, das sich auf die Fahnen geschrieben hat: „We love to entertain you.“ Das Einzige, was wir haben und was die Welt nicht hat, ist Christus. Wo sind die christuszentrierten Predigten? Wo ist die Anbetung in Geist und Wahrheit? Oder machen wir Anbetung lieber nach dem Motto „Ein bisschen mehr Gefühl“ und nehmen dafür ein bisschen mehr minderwertige Liedtexte in Kauf?
Keine Erneuerung erwünscht?
Jetzt muss ich mich beeilen, etwas zu ergänzen: Vielleicht denkt jetzt der eine oder andere, ich wollte jede Erneuerung in der Gemeinde im Keim ersticken. Überhaupt nicht! Persönlich stehe ich guten Veränderungen in den Gemeinden sehr aufgeschlossen gegenüber. Wir müssen lernen, Christus in einer komplizierten Welt auf zeitgemäße Weise zu predigen, anzubeten und zu loben. Die Kluft zwischen den Jungen und den Alten war vielleicht noch nie so groß, und doch muss es klar sein, dass es Christus ist, der uns zu einer Veränderung bewegt, sonst geht uns nicht nur Christus als Mittelpunkt des Versammelns verloren, sondern sonst verliert auch die wahre Speise des Himmels an Geschmack. Wir können uns nicht mit dem Himmelsbrot nähren (zumindest werden wir es nicht als Genuss empfinden), wenn wir mit Gottlosigkeit oder Weltlichkeit verbunden sind oder eine durch und durch irdische Gesinnung haben; das wäre nichts anderes als Nikolaitismus (vgl. Jud 4). Können wir wie die Braut im Hohenlied von unserem Bräutigam sagen: „Alles an ihm ist lieblich“ (Hld 5,16)? Dann kennen wir etwas von dem „verborgenen Manna“.
Schluss
Das „verborgene Manna“ deutet tatsächlich auf etwas hin, was wohl der großen Masse und wohl zu oft auch uns ein Geheimnis, also verborgen ist. Was kennen wir, was kenne ich von diesem „verborgenen Manna“, das Gott so sehr schätzt? Vielleicht schätzen wir einen gesegneten öffentlichen Dienst in der Gemeinde, aber das ist nicht das „verborgene Manna“; der öffentliche Dienst wird uns nicht bewahren und auch nicht viel nützen, wenn wir nicht in persönlicher Gemeinschaft mit Gott das genießen, was das Herz Gottes erfreut. Es wäre schön, wenn wir wenigstens eine Ahnung von dem verborgenen Manna hätten. Wer schon einmal von diesem Manna gekostet hat, möchte mehr davon bekommen. Und wenn du es noch nie gekostet hast, dann lass dich herausfordern; dann gönn dir keine Ruhe, bis du dieses „verborgene Manna“ kennengelernt und gefunden hast. Heutzutage wird viel über gesunde Ernährung diskutiert – wovon ernährst du dich?