Eigenverantwortlichkeit der örtlichen Gemeinde
Aus einem alten Brief

John Nelson Darby

© SoundWords, online seit: 09.05.2001, aktualisiert: 29.10.2022

Die Gemeinde handelt eigenverantwortlich

Zunächst möchte ich es als Selbstverständlichkeit bezeichnen, dass jede Gemeinde von Christen, die sich zum Namen des Herrn Jesus Christus in der Einheit seines Leibes versammelt, wenn sie eine Handlung durchführt als Repräsentantin des einen Leibes Christi, dieses aufgrund ihrer eigenen Verantwortlichkeit dem Herrn gegenüber tut. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie Gemeindezucht oder Ähnliches durchführt. Dasselbe trifft zu, wenn sie im Namen des Herrn Jesus solche zum Tisch des Herrn aufnimmt, die zu ihnen kommen. Jede örtliche Gemeinde handelt in solch einem Fall aufgrund ihrer eigenen Initiative und sie entscheidet in ihrer Sphäre rein örtliche Dinge, die allerdings eine Auswirkung haben, die sich auf die ganze Kirche bezieht.

Die Gemeinde muss entscheiden – nicht Brüder

Es ist sicherlich sehr nützlich, bevor ein Fall vor die Versammlung gebracht wird, wenn Brüder mit geistlichem Verständnis sich die Mühe machen, die Details mit gottgemäßer Sorgfalt zu erforschen. Die Sache muss danach natürlich vor die ganze Gemeinde gebracht werden, damit die Gewissen aller in dieser Sache geübt werden. Und die Brüder können natürlich gar nichts – selbst nicht die gewöhnlichsten Dinge – getrennt von der Versammlung der Heiligen entscheiden. Dann handelt es sich nämlich nicht mehr um das Handeln der Gemeinde. Und solch eine Entscheidung dürfte dann auch keinesfalls anerkannt werden.

Anerkennung durch andere Gemeinden

Wenn aber eine örtliche Versammlung in ihrem örtlichen Bereich handelt und es wirklich eine Handlung der Versammlung (und nicht einiger Brüder) ist, dann sind alle anderen Versammlungen der Heiligen gebunden, weil sie in der Einheit des Leibes stehen, das anzuerkennen, was dort entschieden wurde. Das geschieht natürlich unter der Voraussetzung (und hier kann es natürlich sein, dass das Gegenteil nachgewiesen wird), dass alles aufrichtig und in der Furcht Gottes im Namen des Herrn ausgeführt worden ist. Der Himmel wird dann, da bin ich mir sicher, diese Handlung, wenn sie in der eben erwähnten heiligen Weise durchgeführt worden ist, anerkennen und ratifizieren. Und der Herr hat ja Selbst gesagt, dass es so sein wird (Mt 18,18).

Die letzte Maßnahme der Zucht

Es ist schon oft zu Recht gesagt worden, dass Gemeindezucht, die darin besteht, jemanden „von euch selbst hinauszutun“ (1Kor 5,13), das letzte Mittel sein sollte, zu dem wir unsere Zuflucht nehmen. Solch ein Ausschluss darf nur durchgeführt werden, wenn alle Geduld und alle Gnade ausgeschöpft worden ist und wenn es bedeuten würde, durch das andauernde Dulden des Bösen den Namen des Herrn zu verunehren und wenigstens, was die Praxis angeht, das Böse mit Ihm und mit dem Bekenntnis seines Namens zu verbinden. Auf der anderen Seite wird eine solche Zuchtmaßnahme, jemand hinauszutun, immer getan im Blick auf die Wiederherstellung der Person, um die es geht, und niemals, um diese Person loszuwerden. So ist es in den Wegen Gottes mit uns. Gott hat immer das Gute der Seele im Blick. Er möchte ihre Wiederherstellung. Er möchte, dass sie wieder die Fülle der Freude und Gemeinschaft haben kann. Und Er zieht niemals seine Hand zurück, solange wie dieses Ergebnis noch nicht erreicht ist. Gemeindezucht, wie Gott sie haben will, wird in Gottesfurcht durchgeführt und hat genau dasselbe Ziel im Blick, sonst ist sie nicht von Gott!

Andere Brüder müssen gehört werden

Aber wenn auch eine örtliche Gemeinde ihre eigene persönliche Verantwortlichkeit hat und wenn auch ihre Handlungen, wenn sie denn von Gott sind, die anderen örtlichen Gemeinden binden, weil man durch die Einheit des einen Leibes miteinander verbunden ist, so schließt doch diese Tatsache eine andere nicht aus. Und diese andere Tatsache ist von höchster Wichtigkeit, wenn auch viele sie zu übersehen scheinen. Es geht nämlich darum, dass Brüder aus anderen Orten die gleiche Freiheit wie die örtlichen Brüder haben, etwas bei einer Besprechung der Angelegenheiten der örtlichen Zusammenkunft zu sagen, obwohl sie nicht selbst zu der örtlichen Zusammenkunft dazugehören. Die Leugnung dieser Tatsache bedeutet eine ernste Missachtung der Einheit des Leibes Christi.

Übereiltes Vorgehen, Fehlurteile

Darüber hinaus kann es so sein, dass das Gewissen und der moralische Zustand einer örtlichen Versammlung Unwissenheit verrät oder wenigstens ein unvollkommenes Verständnis von dem, was passend ist für die Herrlichkeit Christi und seine Person. All das kann dazu führen, dass das Verständnis so schwach ist, dass es keine geistliche Kraft mehr gibt, um Gut und Böse richtig zu unterscheiden. Vielleicht ist es auch so, dass in einer Versammlung Vorurteile, Eile oder verbogene Ideen und der Einfluss eines Einzelnen – oder vielleicht auch vieler – die Versammlung zu einem Fehlurteil führt und sie dazu bringt, eine ungerechte Strafe auszuüben und einem Bruder ernstlich Unrecht zu tun.

Wenn das der Fall ist, bedeutet es einen wahren Segen, wenn geistliche und weise Männer von anderen Gemeinden hier einschreiten und versuchen, das Gewissen der Versammlung aufzuwecken. Natürlich kann es auch sein, dass sie auf die Bitte der Versammlung kommen oder auf die Bitten derer, für die die Angelegenheit zu jener Zeit das größte Problem ist. In solch einem Fall sollte ihr Einschreiten aus der Ferne keinesfalls als ein Hineindrängen angesehen werden. Man sollte sie empfangen und anerkennen im Namen des Herrn. Jedes andere Handeln würde bedeuten, dass man Unabhängigkeit sanktioniert und die Einheit des Leibes Christi missachtet.

Natürlich dürfen solche, die von außen hinzukommen, nicht ohne den Rest der Versammlung handeln, sondern immer in Übereinstimmung mit den Gewissen aller Geschwister.

Wenn Hilfe abgelehnt wird

Wenn allerdings eine Versammlung jeden Hinweis zurückgewiesen hat und sich grundsätzlich weigert, die Hilfe und das Urteil anderer Brüder anzunehmen, und wenn dann die Geduld erschöpft ist, dann ist eine Versammlung, die bisher mit ihr in Gemeinschaft war, gerechtfertigt, die falsche Handlung jener Versammlung zu annullieren und eine Person wieder aufzunehmen, die fälschlicherweise hinausgetan worden war. Aber wenn man zu dieser extremen Maßnahme getrieben wird, ist die Gemeinschaft mit der Versammlung, die falsch gehandelt hat, in Frage gestellt. Diese hat mit ihrer Ablehnung, auf den Rat der anderen zu hören, aus eigenem Antrieb die Gemeinschaft mit dem Rest derer, die in der Einheit des Leibes handeln, gebrochen. Solche Maßnahmen können natürlich nur getroffen werden nach viel Sorgfalt und Geduld, damit das Gewissen aller mit der Handlung mitgehen kann und sie erkennen, dass diese Handlung von Gott ist. Ich möchte auf diese Punkte deshalb aufmerksam machen, weil es eine Tendenz gibt, eine Unabhängigkeit im Handeln einer jeden einzelnen örtlichen Versammlung zu tolerieren, indem man sich weigert, die Intervention solcher anzunehmen, die mit ihnen in Gemeinschaft sind an anderen Orten.

Aber wie ich schon zu Beginn gesagt habe: Jede Handlung ist zunächst einmal eine Sache der örtlichen Versammlung.

1872


Übersetzt aus Letters of J.N. Darby, Bd. 2, Nr. 121, S. 198–200

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