Psalm 90

Hamilton Smith

© SoundWords, online seit: 17.02.2014, aktualisiert: 10.12.2020

Der Mann Gottes wendet sich an den HERRN, der durch alle Generationen die Zuflucht seines Volkes ist.

Vers 1

Ps 90,1: Ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes. Herr, du bist unsere Wohnung gewesen von Geschlecht zu Geschlecht.

Der Psalm beginnt mit einer eindrucksvollen Anrufung Jahwes als dem Zufluchtsort seines Volkes. Der Mann Gottes betrachtet rückblickend alle Generationen von Gottes Volk. Er sieht sozusagen Abraham, Isaak und Jakob als Pilger und Fremdlinge ohne einen festen Wohnsitz; er denkt an die Jahre der Wüstenwanderung, als Israel keine Heimat und kein Land hatte, sondern Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt war; und durch all diese Generationen hindurch sieht er, dass Jahwe die Heimat und der Zufluchtsort seines Volkes war.

Der Mann Gottes stützt sich auf die segensreiche Tatsache, dass Gott der Zufluchtsort seines Volkes ist. Im Lichte dieser Tatsache kann er die Schwachheit und das Versagen von Gottes Volk ertragen und auf diese Tatsache gründet sich jede einzelne seine Bitten.

Verse 2-6

Ps 90,2-6: 2 Ehe geboren waren die Berge und du die Erde und den Erdkreis erschaffen hattest – ja, von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott. 3 Du lässt zum Staub zurückkehren den Menschen und sprichst: Kehrt zurück, ihr Menschenkinder! 4 Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag, wenn er vergangen ist, und wie eine Wache in der Nacht. 5 Du schwemmst sie weg, sie sind wie ein Schlaf; am Morgen wie Gras, das aufsprosst: 6 Am Morgen blüht es und sprosst auf, am Abend wird es abgemäht und verdorrt.

Nachdem er die Grundlage seiner Zuversicht, mit der er Gott anruft, benannt hat, betrachtet der Psalmist den Gegensatz zwischen dem ewigen Gott und dem sterblichen Menschen. Gott ist der Unveränderliche, der, bevor die Welt existierte, derselbe war, der Er jetzt ist. Die Schöpfung mag vergehen, doch Gott bleibt bestehen. Der, der unsere Zuflucht ist, ist ewig und gleichbleibend: „Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du, Gott.“

Im Gegensatz zu Gott sieht der Psalmist die Sterblichkeit des Menschen und das Vergehen der Zeit. Gott ist unsterblich, aber der Mensch ist sterblich und kehrt zum Staub zurück. In den Augen Gottes gibt es keine Zeit, wie die Menschen sie zählen. Tausend Jahre sind in den Augen Gottes so schnell vorbei wie der gestrige Tag oder wie eine Nachtwache.

Überdies wird eine Welt, die für immer errichtet zu sein scheint, von einer Flut erfasst und hinweggeschwemmt; so wie Menschen, die vom Schlaf erfasst werden, sich all dessen, was um sie herum auf Erden vorgeht, nicht bewusst sind. Obwohl die Menschen so tapfer ihren Ruhm und ihre Macht zur Schau stellen, kommen sie um wie das Gras, das einen Tag lang wächst und aufblüht, aber gemäht wird und bei Nacht verwelkt. Joseph zum Beispiel wurde in seinen Tagen zum Herrscher über das ganze Land Ägypten gesetzt [1Mo 41,41], aber das Letzte, was wir von Joseph hören, ist, dass er in Ägypten in einen Sarg gelegt wurde (1Mo 50,26). Aller menschlicher Ruhm endet im Staub des Grabes und in der Finsternis des Todes. So ist der schwache und gefallene Mensch, denn der Mann Gottes spricht von dem natürlichen Menschen und nicht von dem geistlichen; von dem ersten Menschen und nicht von dem zweiten; von dem irdischen und nicht von dem himmlischen.

Verse 7-10

Ps 90,7-10: 7 Denn wir vergehen durch deinen Zorn, und durch deinen Grimm werden wir weggeschreckt. 8 Du hast unsere Ungerechtigkeiten vor dich gestellt, unser verborgenes Tun vor das Licht deines Angesichts. 9 Denn alle unsere Tage schwinden durch deinen Grimm, wir bringen unsere Jahre zu wie einen Gedanken. 10 Die Tage unserer Jahre – es sind siebzig Jahre, und wenn in Kraft, achtzig Jahre, und ihr Stolz ist Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell eilt es vorüber, und wir fliegen dahin.

Der Glaube jedoch schaut nach oben, über die unbeständigen Umstände der Zeit, und sieht durch all diese Dinge hindurch die Wege Gottes, wie dieser als Herrscher im Hinblick auf seine Absicht mit seinem Volk umgeht. Daher nun das Bekenntnis der Sünden, sowohl der offenen als auch der verborgenen – sie liegen alle offen vor Gott –, und das Bewusstsein, dass die Sünden gerechterweise die Abrechnung durch die Herrschaft Gottes auf sich ziehen. Wenn wir verwelken, wenn unsere Tage schwinden, dann ist das nur der gebührende Lohn für unsere Taten. Indem wir uns also selbst verurteilen, rechtfertigen wir Gott in seinem Umgang mit uns. Vielleicht haben wir genug Kraft, um länger als die den Menschen üblicherweise zugewiesenen siebzig Jahre zu leben, aber selbst dann werden die Kraft, auf die wir stolz sind, und die Jahre, deren wir uns rühmen, nur Mühe und Nichtigkeit bringen.

Verse 11.12

Ps 90,11.12: 11 Wer erkennt die Stärke deines Zorns und, deiner Furcht gemäß, deinen Grimm? 12 So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!

Diese Erkenntnis von Gottes Zorn über die Sünde wird dem Maß unserer Gottesfurcht entsprechen. Furcht ist die Folge der Erkenntnis und Anerkennung Gottes, wie Er gemäß der Wahrheit ist. Je mehr wir das heilige Wesen Gottes erkennen, desto tiefer wird unser Gespür für Gottes Hass gegenüber der Sünde sein. „Auch du fürchtest Gott nicht?“, fragt der Dieb am Kreuz; und weil er erkennt, wer Gott ist, erkennt er auch den heiligen Zorn Gottes gegen die Sünde, denn er fügt sogleich hinzu: „Wir empfangen, was unsere Taten wert sind“ (Lk 23,40.41). So wünscht sich der Mann Gottes, dass „wir ein weises Herz erlangen“, denn ein weises Herz ist eines, das Gott fürchtet. Der Anfang der Weisheit ist die Gottesfurcht. [Siehe Psalm 111,10.]

Vers 13

Ps 90,13: Kehre wieder, HERR! – Bis wann? – Und lass es dich über deine Knechte gereuen!

Mit der Gottesfurcht und dem Bekenntnis der Sünde kommt das Vertrauen auf Gott. So bittet der Mann Gottes Jahwe sofort um seinen Segen. Ebenso kann sich der Dieb am Kreuz mit Gottesfurcht im Herzen und dem Bekenntnis der Sünde auf seinen Lippen sofort voller Zuversicht an den Herrn wenden und sagen: „Jesus, gedenke meiner.“ In dem gleichen Geist kann der Psalmist sagen: „Kehre wieder, Herr! – Bis wann? Erbarme dich deine Knechte! Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade.“

Der Glaube erkennt, dass es Gottes Absicht ist, sein Volk zu segnen, und daher weiß der Glaube, dass die Zeit des Leides und des Schmerzes wegen der Art, wie Gott seine Herrschaft ausübt, ein Ende haben muss. Daher fragt der Glaube: „Bis wann?“ Dies ist die Sprache des Glaubens und der Hoffnung – des Glaubens an die Absicht Gottes, zu segnen, und der Hoffnung, die sich nach dem kommenden Segen ausstreckt.

Verse 14.15

Ps 90,14.15: 14 Sättige uns früh mit deiner Güte, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen. 15 Erfreue uns nach den Tagen, da du uns gebeugt hast, nach den Jahren, da wir Böses gesehen haben!

Der Glaube wird noch kühner und sagt: „Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade.“ Der Glaube schaut auf Gott, nicht auf fehlerhafte Menschen oder vergängliche Umstände, und erwartet von Ihm die ewige Sättigung. Dennoch erkennt der Glaube, dass ein schuldiger Sünder diese Sättigung nur auf der Grundlage der Gnade bekommen kann, daher lautet der Ruf: „Sättige uns mit deiner Gnade.“ Das herrliche Ziel davon ist, dass „wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen“. So betet der Psalmist: „Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast, so viele Jahre, wie wir Übles gesehen haben!“

Vers 16

Ps 90,16: Lass deinen Knechten dein Tun erscheinen und deine Majestät über ihren Söhnen!

Wenn Gott jedoch in Gnade handelt, muss dies auf der Grundlage seines eigenen Werkes geschehen. Daher folgt sogleich das Gebet: „Lass an deinen Knechten sichtbar werden dein Tun und deine Majestät über ihren Söhnen.“ Die Wirksamkeit seines Werkes ruht auf der Majestät seiner Person. Die Majestät seiner Person zu verunglimpfen bedeutet, die Wirksamkeit seines Werkes herabzusetzen.

Vers 17

Ps 90,17: Und die Huld des Herrn, unseres Gottes, sei über uns! Und befestige über uns das Werk unserer Hände; ja, das Werk unserer Hände, befestige es!

Überdies muss der Segen, den Gottes Werk erwirkt, den Bedarf unserer Not und die Erlösung von dem Leid auf dem Weg bei weitem übersteigen. Das Ziel wird sein, dass die Schönheit des Herrn auf uns ist [nach der englischen Übersetzung] oder, wie der Christ sagen kann, dass wir „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig“ sind [Röm 8,29]. Wenn dann die Gnade den Segen erwirkt hat, werden wir feststellen, dass das Werk unserer Hände gefestigt sein wird. Die Werke der Selbstgerechtigkeit werden vergehen, aber die Werke, die von der Gnade herrühren, werden gefestigt werden. Nicht ein Glas Wasser, das um Christi willen gegeben wird, wird in Vergessenheit geraten.

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Übersetzung: S. Bauer


Hinweis der Redaktion:

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