Wie kann Gott einen Krieg unter christlichen Nationen zulassen?
Ein Artikel aus der Zeit des Ersten Weltkriegs

Hamilton Smith

© SoundWords, online seit: 06.03.2011, aktualisiert: 06.11.2022

Die Tatsache, dass sich der Krieg praktisch auf erklärtermaßen christliche Länder beschränkt,[1] bringt klar zum Ausdruck, dass Gott im Streit mit der Christenheit liegt. Wir müssen uns sehr wohl fragen, warum es Gott in den Wegen seiner Vorsehung zugelassen hat, dass dieses schreckliche Übel über uns kommen konnte?

Wenn wir diese Frage beantworten wollen, müssen wir uns daran erinnern, dass Gott sich den Menschen auf dreifache Weise großartig offenbart hat:

  1. als Schöpfer des Universums (1Mo 1)
  2. als Richter der ganzen Welt (1Mo 18,25)
  3. als Retter-Gott, der alle Menschen erretten möchte (1Tim 2,4-6).
  1. Als Schöpfer hat Gott alle seine Geschöpfe in bestimmte Beziehungen zueinander gesetzt und dadurch den ganzen Kreis der familiären Beziehungen ins Leben gerufen.
  2. Als Richter der ganzen Welt hat Gott bestimmte Obrigkeiten wie Könige, Herrscher und Richter zur Regierung der Welt eingesetzt, in deren Hände Er das Schwert (hier wohl vor allem als Sinnbild für die richterliche Gewalt gemeint) gegeben hat, um dem Bösen Einhalt zu gebieten und die Übeltäter zu bestrafen.
  3. Als Retter-Gott hat Er seine Barmherzigkeit zum Ausdruck gebracht, indem Er allen Völkern die Vergebung der Sünden durch den Glauben an die Person und das Erlösungswerk des Herrn Jesus zugesagt hat.

Wie hat die Welt auf diese dreifache Offenbarung Gottes reagiert? Ach, ist es nicht so, dass Gott geleugnet wurde, seine Ansprüche abgelehnt und seine Barmherzigkeit verschmäht wurde, und zwar in jeder erdenklichen Weise, in der es Ihm gefallen hatte, sich zu offenbaren? Und dies nicht nur in den finsteren Teilen der Welt, in denen der Gedanke an Gott schon lange verlorengegangen war, sondern auch in der sogenannten Christenheit, die behauptete, das wahre Wissen über Gott zu besitzen?

In der wissenschaftlichen Welt, die mit ihrem Verstand und Wissen prahlt, haben die führenden Köpfe die Vorstellung eines Schöpfers verspottet und sich darum bemüht, „Leben“ und „Naturphänomene“ ohne Gott zu erklären. Die große Masse, verwirrt von der Wissensflut, ist nur zu gerne bereit, die Evolutionslehre oder irgendeine andere haarsträubende Theorie des ungläubigen menschlichen Geistes anzunehmen. Auf diese Weise verschwindet allmählich der Gedanke an Gott als den Schöpfer aus den Köpfen der Menschen. Dieses „Vergessen“ Gottes als Schöpfer führt dann aber zwangsläufig dazu, dass die von Gott ins Leben gerufenen Beziehungen sich ebenfalls lösen. Von daher können wir überall sehen, wie die familiären Beziehungen zerbrechen und es in der Folge zu einer enormen Zunahme von Unmoral und Verdorbenheit kommt.

In der politischen Welt wird die Regierung der Welt in zunehmendem Maße ohne jeden Bezug auf Gott ausgeübt. Die Menschen verabschieden ihre Gesetze, schließen Verträge, treten Bündnissen bei, erklären den Krieg und schließen Frieden gemäß dem Willen ihrer Völker und ohne irgendeinen Gedanken an Gott. Indem so Gott ausgesperrt wird, öffnet sich jedweder Art von politischer Ungerechtigkeit Tür und Tor. Wahrheit wird durch diplomatische Lüge ersetzt, das Prinzip weicht der Taktik, das Recht muss sich der Macht beugen. Die Schwertgewalt in den Händen des Menschen, der ohne Gott herrschen will – eigentlich gedacht, um dem Bösen Einhalt zu gebieten –, wird zum Instrument der Grausamkeit, der Begierde und des Hasses; Gewalttätigkeit erfüllt so die Erde.

In der religiösen Welt, innerhalb der Christenheit (von der wir sprechen), finden wir einerseits eine gewisse Anzahl erklärtermaßen rechtgläubiger (orthodoxer) Sekten, andererseits eine immer größer werdende Zahl antichristlicher Sekten. Die antichristlichen Sekten wie Christliche Wissenschaft, Zeugen Jehovas, Siebenten-Tags-Adventisten, Mormonen, Christadelphianismus, die Bewegung der Zungenredner und andere sind sich darin gleich, dass sie mehr oder weniger offen die Gottheit Christi und sein Erlösungswerk leugnen.[2]

Wie steht es aber um die ausdrücklich orthodoxen christlichen Sekten? Leider finden wir in fast allen von ihnen, dass eine Art „höhere Kritik“ den vorbehaltlosen Glauben an die Bibel als Gottes Wort unterhöhlt hat. Ein grober Materialismus lehnt alle Wunder ab: die Jungfrauengeburt Christi, seine Wundertaten und Auferstehung. Der Unitarismus (der nicht länger nur auf die Unitarier beschränkt ist) leugnet die Gottheit Christi; eine unfruchtbare Moral, die sich in guten Werken gegenüber Mitmenschen ausdrückt, ersetzt das Erlösungswerk Christi; menschliche Organisation anstelle des Geistes Gottes; der Humanismus leugnet die ewige Verdammnis; und eine starke weltliche Ausrichtung schließt jeden Glauben an das Kommen Christi aus. Die Menschen der religiösen Welt treten „Gottes Sohn mit Füßen“, halten „das Blut des neuen Bundes für eine unheilige Sache“ und handeln „böswillig gegen den Geist der Barmherzigkeit“.

Der östliche Teil derer, die den Namen Christi bezeugen, ist durch Götzendienst gekennzeichnet; der westliche Teil entweder durch den römischen Aberglauben[3] oder den Rationalismus der protestantischen Länder. Aber alle diese Übel – Götzendienst, Aberglaube und Materialismus – führen auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ende, nämlich zum praktischen Unglauben oder zum völligen Ausschluss Gottes in der Praxis, wenn nicht dem Namen nach. Gleichgültig, ob wir die Welt des Wissens, der Politik oder der Religion betrachten: In allen diesen Bereichen begegnen wir der gleichen schrecklichen Sünde, dass die Menschen Gott verlassen haben.

Wie aber sieht es mit den wahren Christen aus? Denn auch in der Mitte der verdorbenen Christenheit gibt es Abertausende von wahren Nachfolgern Christi – Männer und Frauen –, denen Gott seinen Geist eingeprägt hat. Die Schrift spricht von ihnen als „Salz der Erde“. Woher kommt es dann aber, dass sie einen so geringen bewahrenden („konservierenden“) Effekt auf die Welt ausüben? Die Ermahnung des Herrn war einfach: „Habt Salz in euch selbst, und seid in Frieden untereinander!“ (Mk 9,50). Leider sind sie so weit von der Bewahrung der Welt entfernt, dass sie noch nicht einmal sich selbst rein und unverdorben von dieser erhalten konnten; so weit davon entfernt, den Frieden in der Welt zu bewahren, dass sie noch nicht einmal untereinander Frieden halten konnten.

In der Tat sind sie so weit davon entfernt, untereinander Frieden zu halten, dass sie durch ihre fortwährenden Streitereien und Spaltungen zum Skandal und sprichwörtlichen Übel geworden sind. Obwohl sie hingegebene Männer und Frauen Gottes sind, müssen wir nicht voll Trauer bekennen, dass im Allgemeinen das Volk des Herrn durch einen Verlust der ersten Liebe charakterisiert ist? Dadurch dass sie lieber dem folgen, was in ihren Augen recht ist, als treu am Haupt festzuhalten; durch ein engstirniges Sektierertum, anstatt einander als Glieder am Leib Christi zu sehen; durch Bitterkeit, anstatt einander zu lieben; durch eine weltliche Gesinnung, anstatt ihrer Stellung als Fremdlinge und Pilger mit einer himmlischen Berufung gerecht zu werden; durch Bequemlichkeit und Trägheit anstelle von Energie und Eifer im Dienst des Herrn? Auf diese Weise konnte es passieren, dass das Salz zum großen Teil seinen Geschmack verloren hat.

Wir mögen es drehen und wenden, wie wir wollen: Die Christenheit bietet in allen Bereichen ein Bild von Versagen und Verfall! Welche Welt bietet sich dem Auge eines heiligen Gottes! Heidentum ohne Wissen von Gott: der Islam mit seinem verdrehten Wissen von Gott; das Christentum, das Gott verlassen hat; und die Menge der wahren Gläubigen, die von Gott abgefallen sind.

Lange verhält sich Gott geduldig gegenüber dem Bösen, aber es wird eine Zeit kommen – wenn es der Ruhm seines Namens und seine vorsehende Regierung es erfordern –, wenn die Menschen seine Stimme hören werden. Dann werde sie sehen, dass es nur vielfältige Sorgen sind, die sie als Ernte ihres Abfalls von Gott haben werden. Aber wie ernst muss der Zustand der Christenheit sein, um solch eine weitreichende und überwältigende Katastrophe[4] zur Notwendigkeit werden zu lassen! Denn wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass, wenn eine schwächere Antwort Gottes ausgereicht hätte, um die Menschen aus ihrer sündhaften Gleichgültigkeit gegenüber Gott und ihrem selbstgefälligen Schlummer herauszureißen, Gott diese Katastrophe nicht zugelassen hätte, da Er ein Gott voller Erbarmen ist.

Nach einer langen Phase der Geduld hat Gott in seinen Ratschlüssen das Schwert gegen die Nationen geführt und gesagt: „Schwert, fahre durch das Land!“ (Hes 14,17). Jede christliche Nation ist direkt oder indirekt in diese schreckliche Auseinandersetzung verwickelt, deren Ende niemand voraussehen kann. Sie hat uns alle, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, Gläubige und Ungläubige, berührt, Millionen miteinander verbunden in Kummer, Verderben, Trostlosigkeit und Tod. Wo kann der Christ inmitten all dieses Kummers Trost finden? An wen kann sich der Gläubige wenden? Hin zur Welt? Leider gibt es dort überhaupt keine Hoffnung! Hin zu den Christen in der Welt? Leider gibt es dort auch nur wenig Hoffnung!

An wen also können wir uns wenden? An GOTT allein! „Es hat dich zugrunde gerichtet, Israel, dass du gegen mich, gegen deine Hilfe, bist“ (Hos 13,9). Gott bleibt Er selbst, und bei Gott gibt es keine Veränderung: „Du bleibst“, und: „Du bist derselbe.“ Die Welt schaut auf ihre Millionen und ihre Munitionen, ihre Armeen und ihre Flotten, um den Krieg zu beenden. Lasst uns als Christen auf Gott warten, damit sein Ende erreicht werden kann: „Nur auf Gott vertraue still meine Seele, denn von ihm kommt meine Erwartung“ (Ps 62,6). Lasst uns über alle zweitrangigen Ursachen hinausschauen und diese schreckliche Lektion Gottes lernen: „Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt?" (Amos 3,6).

Lasst uns unser Versagen bekennen und uns darum bemühen, mit der Hilfe des Geistes eine große Wiederbelebung in den Herzen des Volkes Gottes zu bewirken. Und dann lasst uns dazu übergehen und – mit dem Flehen um Gottes Barmherzigkeit – einen gemeinsamen Hilferuf nach Frieden in der Welt nach oben richten. Als Christen haben wir schwer versagt, aber unser Versagen mindert in keiner Weise unsere Verantwortung, Gott anzuflehen, dass Seelen ewigen Segen empfangen und dass der Friede wiederhergestellt und gesichert sein möge auch zu der Zeit, in der Gottes Volk noch auf Erden ist.

Als das Volk Gottes in der Gefangenschaft war, sandte Gott ihm durch Jeremia eine Botschaft: „Sucht den Frieden der Stadt, wohin ich euch weggeführt habe, und betet für sie zu dem HERRN; denn in ihrem Frieden werdet ihr Frieden haben“ (Jer 29,7). Das Volk, dem dieses gesagt wurde, war ein Volk, das versagt hatte. Die Stadt, für die sie beten sollten, war eine Stadt, die dem Untergang geweiht war. Und dennoch sollten sie so beten. Wir denken vielleicht, es sei wenig angemessen, solche Menschen für andere beten zu lassen, und überaus nutzlos, für solch eine Stadt zu beten. Während der Herr die Sünde seines Volkes völlig klar sieht und seine Hand strafend auf ihm liegt, denn Er sagt: „… wohin ich euch weggeführt habe“, fährt Er trotzdem fort: „Betet für sie zum HERRN!“, weil seine Barmherzigkeit so überaus groß ist.

Es ist unsere Verantwortung und unser Vorrecht, „dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst“, und vor allem, dass das Evangelium in Übereinstimmung mit Gott, unserem Retter verkündet wird, „der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 2,1-4).

Möge der Herr die Herzen aller Menschen seines Volkes sich Ihm zuwenden lassen, im einzelnen sowie im vereinten Gebet und der Fürbitte, denn „wer weiß? Er könnte umkehren und es sich gereuen lassen, und er könnte Segen hinter sich zurücklassen“ (Joel 2,14). Die Herrscher dieser Welt verstehen sich darauf, Kummer und Fluch zu hinterlassen: Da sind die Witwen und Waisen, die Zerstörten und Zerbrochenen, die aufstehen und davon erzählen können; aber Gott – und nur Gott allein – kann aus all diesem Weh und Ach „Segen hinter sich zurücklassen“. Und wenn dieses gegenwärtige Unglück wie ein böser Traum für immer vergangen sein wird, wird dann nicht manch einer auf diese traurige Zeit zurückblicken und sagen:

Und segne die Hand, die g’führet,
und segne das Herz, das geplant,
wenn einst der Ruhm dir gehöret,
gekrönt in Immanuels Land?


Originaltitel: „The Outlook“
aus der Zeitschrift Scripture Truth Magazine, Jg. 7, 1915, S. 236–238

Übersetzung: Dr. Andreas Blings

Anmerkungen

[1] Dieser Artikel erschien im Jahr 1915 vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, dessen Hauptgegner Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien – England, Frankreich, Russland sich sämtlich als christliche Nationen verstanden.

[2] Anm. d. Red.: Dieser Artikel erschien bereits 1915. Möglicherweise treffen diese Punkte auf einige Glaubensgemeinschaften nicht mehr zu.

[3] Anm. d. Red.: Gemeint ist die katholische Kirche.

[4] Anm. d. Red.: Gemeint ist der Erste Weltkrieg.


Hinweis der Redaktion:

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