Hingabe und Verbindlichkeit
Das Wesentliche bei der wahren christlichen Jüngerschaft

Philip Nunn

© SoundWords, online seit: 06.03.2006, aktualisiert: 12.11.2023

Leitverse: Lukas 14,25-35

Viele von uns hatten das Vorrecht, in einem christlichen Elternhaus geboren und erzogen zu werden. Wir gehen zu den „richtigen“ christlichen Versammlungen, wir lesen die Bibel und wir singen die „geistlichen Lieder“. Wir haben das Gefühl, dass wir am richtigen Platz sind und das Richtige tun, … und trotzdem fehlt etwas. Gelegentlich, wenn wir einmal tief in unser Inneres hineinschauen, machen wir uns Sorgen über die flachen und unterkühlten Gefühle, die unsere christliche Lebensweise begleiten. Sie fühlen sich so ganz anders an als die Erregung und Befriedigung, die in uns hochkommt, wenn wir in unserem Studium Fortschritte machen oder in unserer Firma auf der Karriereleiter höher steigen. Sie unterscheiden sich so deutlich von der Frische und Erwartung, die wir erleben, wenn wir unseren nächsten exotischen Urlaub buchen oder mit einem neuen elektronischen Gerät nach Hause kommen. Ist unser christlicher Stumpfsinn normal? Ist unsere Version von Christentum echt? Liegen wir richtig, wenn wir uns „Jünger von Jesus Christus“ nennen?

Was ist ein Jünger Jesu?

Ein Jünger zu sein heißt, ein Lernender zu sein, einer, der einem Lehrer folgt und sich seinen Lehren unterordnet. Im Neuen Testament wird der Begriff „Jünger“ ungefähr 270-mal gebraucht. Er sollte nicht im Austausch für „gerettet“, „heilig“ oder „wiedergeborener Christ“ benutzt werden. In einem weiteren Sinn wird er benutzt, um Leute zu bezeichnen, die mit Jesus gingen oder die Ihm gegenüber positiv eingestellt waren (Joh 6,66; 19,38). Manchmal wird er ausschließlich für seine zwölf Nachfolger benutzt (Lk 22,11). Er wird auch benutzt, um Leute mit größerer Verbindlichkeit gegenüber Christus zu bezeichnen. Wir finden männliche und weibliche Jünger (Apg 9,10.36). Wahrscheinlich wurden die Jünger zum ersten Mal um das Jahr 44 aus Verachtung „Christen“ genannt (Apg 11,26) – ein Begriff, der nur dreimal im Neuen Testament benutzt wird. Erst ab dem zweiten Jahrhundert wurde der Name „Christ“ von den Gläubigen als ein Ehrentitel akzeptiert. In seinen Schriften benutzt der Apostel Paulus niemals die Worte Jünger oder Christ.

Doktor Lukas erzählt die Geschichte, wie Jesus erklärte, was Er von einem seiner Jünger erwartet (Lk 14,25-35). An diesem Tag hatten viele Leute ihre Arbeit und Beschäftigungen niedergelegt, um etwas zu lernen und um zu zeigen, dass sie die Lehre des Herrn Jesus unterstützten. Waren sie wirklich Jünger? Was war ihr Grad an Verbindlichkeit? Jesus dreht sich zu der Menge der leichtfertigen Nachfolger um und schockiert sie, Er stellt ihnen drei grundsätzliche Bedingungen vor.

1. Jesus – derjenige, den ich am meisten liebe

Lk 14,26: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter, seine Frau und seine Kinder, seine Brüder und Schwestern – ja, sogar sein eigenes Leben –, so kann er nicht mein Jünger sein.

Die Heilige Schrift betont den Wert der Familie. Ganz offensichtlich werden wir nicht aufgerufen, unsere Familienmitglieder zu verachten. Der Begriff „hassen“ wird hier in einer relativen Bedeutung benutzt (Mt 10,37). Unter den verschiedenen Leuten, die wir kennen, lieben wir natürlich einige mehr als andere. Was Jesus sagt, ist, dass wir nicht seine Jünger sein können, wenn wir Ihn nicht tiefer und stärker lieben als jeden anderen. Der Herr Jesus beansprucht diesen obersten Platz in unseren Herzen und Zuneigungen. Welchen Platz hat Jesus in deinem Herzen?

2. Jesus – meine oberste Priorität

Lk 14,27: Und jeder, der nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.

In jener Zeit unter der römischen Besatzung hatten diejenigen, die ihr Kreuz trugen, nur noch ein paar Stunden zu leben. Welche Gedanken gingen einem Mann durch den Kopf, wenn er sein Kreuz trug? Er erlebte sicher eine tiefgreifende Änderung seiner Prioritäten. Die alten Familienstreitigkeiten über eine Erbschaft erschienen jetzt so bedeutungslos. Seine Diplome, seine Bankkonten und sein gesellschaftlicher Ruf waren so wertlos geworden. Seine erwartete Ernte, seine geschäftlichen Projekte und seine Pläne für den Ruhestand waren jetzt so irrelevant. Sein Kreuz zu tragen bedeutet, die Gegenwart im Bewusstsein von Tod und Ewigkeit zu erleben. Sein Kreuz willentlich zu tragen bedeutet, unsere anerkannten Rechte aufzugeben. Das Kreuz verändert unsere Wertvorstellungen und Prioritäten. Es ist nicht verkehrt, zu planen, zu träumen, etwas anzustreben. Was Jesus sagt, ist, dass wir nicht seine Jünger sein können, wenn Er nicht die oberste Priorität in unserem Leben ist, weit über unseren persönlichen Träumen und unserem Streben. Welcher Traum oder welche Kraft treibt dein Leben an?

3. Jesus – mein wertvollster Besitz

Lk 14,33: So kann nun keiner von euch, der nicht alles aufgibt, was er hat, mein Jünger sein.

Verurteilt diese Aussage jeden Privatbesitz? Nein. Das Thema ist unsere Einstellung zu dem, was wir besitzen. Wir sind vorläufige Verwalter des Segens Gottes, niemals absolute Besitzer. Wir werden nackt geboren, und wir nehmen nichts mit uns, wenn wir gehen. Dennoch ist es erstaunlich, wie stark wir während dieser wenigen Jahrzehnte unseres Lebens an materiellen Dingen hängen können. Für einige ist es ein Auto, ein Haus oder ihre Geldanlagen. Für andere ist es ein Laptop, bestimmte Kleidungsstücke oder eine Musiksammlung. Was besitzt du, das dir große Befriedigung bringt? Jesus sagt, dass wir nicht seine Jünger sein können, wenn wir Ihn nicht über jedes unserer Besitztümer wertschätzen.

Salz sein

Wir wissen, dass unsere Errettung ein Geschenk von Gott ist. Wir können es uns nicht verdienen. Wir nehmen es demütig und dankbar in Empfang. Der Herr Jesus legt hier nicht die Bedingungen für die Errettung aus. Er zeigt klar und deutlich die Grundhaltung auf, die für ein normales Christenleben erforderlich ist. Der Ausdruck „Er kann nicht mein Jünger sein“, der von unserem Herrn dreimal bekräftigt wird, verleiht diesem Standard große Kraft. Modernes Christentum gestattet viel mehr Flexibilität. Viele scheinen zufrieden zu sein, weil sie gewissen Kirchentraditionen folgen, getauft sind oder weil sie zu Versammlungen gehen, die sie als dogmatisch korrekt betrachten. Unterscheidet sich unser Lebensstil spürbar von dem der Materialisten, Humanisten und Vergnügungssüchtigen, die uns umgeben? Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn man Reichtum erarbeitet, den Mitmenschen hilft oder etwas Spaß hat. Aber der Standard, zu dem Jesus aufruft, erzeugt eine vollkommen unterschiedliche Einstellung zum Leben. Der Aufruf ist nicht, wie Salz auszusehen, sondern Salz zu sein, Geschmack zu haben, zu beeinflussen, zu verändern, salzig zu sein (Lk 14,34):

Lk 14,34: Das Salz nun ist gut; wenn aber auch das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gewürzt werden?

Diese Verbindlichkeit gegenüber dem Herrn Jesus muss sich in den Einzelheiten unserer Lebensweise ausdrücken. Und was ist, wenn wir versagen? Leider tun wir das! Wir dürfen niemals die GNADE Gottes vergessen. Als wiedergeborene Christen sind wir jetzt Kinder Gottes. Wir sind akzeptiert und von unserem Herrn tief geliebt, bedingungslos. Unsere Erfolge und unser Versagen veranlassen Ihn nicht, uns mehr oder weniger lieben. Seine Liebe zu uns ist beständig und unsere Errettung ist sicher. Warum ruft der Herr dann zu einem solchen hohen Standard der Hingabe auf?

Einen Turm bauen, einen Krieg kämpfen

Lk 14,28-32: Denn wer unter euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuvor hin und berechnet die Kosten, ob er das Nötige zur Ausführung hat? –damit nicht etwa, wenn er den Grund gelegt hat und nicht zu vollenden vermag, alle, die es sehen, anfangen, ihn zu verspotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und vermochte nicht zu vollenden. Oder welcher König, der auszieht, um sich mit einem anderen König in Krieg einzulassen, setzt sich nicht zuvor hin und beratschlagt, ob er imstande sei, dem mit zehntausend entgegenzutreten, der gegen ihn kommt mit zwanzigtausend? Wenn aber nicht, so sendet er, während er noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um die Friedensbedingungen.

Als Er seine drei Bedingungen für wahre Jüngerschaft aufstellte, zeichnet Jesus zwei Bilder in die Gedanken seiner Zuhörer. Zuerst das eines Baumeisters, der einen Turm bauen möchte (Lk 14,28-30), dann das eines Königs, der über einen Krieg gegen einen anderen König nachdenkt (Lk 14,31.32). Der Baumeister und der König sollten sich ihr Ziel anschauen und überlegen, was sie benötigen, um es zu erreichen. Wir können diese Bilder als einen Aufruf verstehen, die Kosten dafür zu überdenken, ein Jünger von Jesus Christus zu sein. Die Errettung ist ein freies Geschenk von Gott, aber es schließt das Zerbrechen unseres Stolzes und unseres widerspenstigen Willens mit ein. Sind wir bereit, solch einen Preis zu bezahlen? Suchen wir nach einer leichteren Version des Christentums?

Vielleicht könnten wir diese Bilder auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Wir wissen, dass der Herr gegenwärtig ein Ziel hat: seine Kirche zu bauen. Du und ich, wir sind lebendige Steine. Indem Er diese Bedingungen aufstellt, weist der Herr auf die gewünschte Qualität der Bausteine hin. Wir wissen, dass wir gegenwärtig in einen geistlichen Krieg verwickelt sind. Diese drei Bedingungen spiegeln das Maß an Verbindlichkeit wider, das Jesus von seinen Soldaten erwartet. Wenn Jesus nicht der Eine ist, den wir am meisten lieben, werden wir Ihn an einigen kritischen Punkten verleugnen, um jemand anderem zu gefallen. Wenn Jesus nicht meine höchste Priorität ist, werden wir an einigen kritischen Punkten seine Führung verweigern und unseren eigenen Träumen folgen. Wenn Jesus nicht mein wertvollster Besitz ist, werden wir an einigen kritischen Punkten seine Sache ablehnen, um unsere eigenen Geldanlagen zu schützen.

Nimm es an oder lass es sein!

Unser Herr Jesus ist nicht das, was wir heute „politisch korrekt“ nennen würden. In der Tat ist Er manchmal ziemlich radikal, provozierend und konfrontativ. Er hat seine Gesellschaft, mit der Er aß, nicht geändert oder ein Wunder auf später verschoben, nur um zu vermeiden, den religiösen Leute auf die Füße zu treten. Er sprach offen über Feinde, Ehebruch, Scheidung und religiöse Heuchelei. Er verdünnte nicht den Inhalt seiner Worte, um seine Zuhörer zufriedenzustellen oder die Zahl seiner Nachfolger zu vergrößern. In Johannes 6 finden wir Jesus, wie Er dazu auffordert, sich von der Oberflächlichkeit weg in Richtung auf eine tiefere Beziehung und Hingabe zu bewegen. Viele, die Ihn dabei hörten, riefen: „Diese Lehre ist hart. Wer kann sie akzeptieren?“ (Joh 6,60). Wie fühlst du dich bei diesem hohen, von Jesus gesetzten Standard? Viele wurden von der warmherzigen Persönlichkeit von Jesus angezogen. Viele folgten Jesus wegen materieller Vorteile oder weil sie ein Wunder brauchten. Aber als Jesus zu einer tiefergehenden Beteiligung aufrief, „gingen viele seiner Jünger zurück und folgten ihm nicht mehr nach“ (Joh 6,66). Wie fühlen sich Leiter, wenn ihre Nachfolger anfangen wegzugehen? Hat Jesus auch eine billigere, weniger anspruchsvolle Version des Christentums im Angebot? Ist Jesus jetzt bereit, mit seinen nächsten Freunden über eine besondere Abmachung zu verhandeln, so dass sie Ihn nicht auch verlassen? Als Jesus auf die Rücken der Leute schaut, die von Ihm weg in die Ferne wandern, dreht Er sich zu den übriggebliebenen Zwölf um und fragt sie: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“ (Joh 6,67). Sie waren genauso frei, sich umzudrehen und zu verschwinden. Obwohl sie seine nächsten Freunde waren, senkte Jesus nicht seinen Standard, um sie bei sich zu behalten. Machen wir keinen Fehler: Dieser hohe Standard der Hingabe an Jesus ist heute immer noch notwendig.

Was ist die Alternative?

Jeder von uns hat eine Art inneren Motor. Es gibt etwas, was uns antreibt, etwas, was uns morgens aufstehen lässt, etwas, was uns dazu anspornt, hart zu studieren und zu arbeiten. Dieses Etwas weckt unsere Kreativität und macht uns willig, auch Opfer zu bringen. Der Motor kann ein Streben nach Bequemlichkeit, Sicherheit, Anerkennung oder Erfolg sein. Er kann die Flucht vor Angst, Belanglosigkeit oder Leere sein. Was ist die treibende Kraft in deinem Leben? Was setzt dich in Bewegung? Der Apostel Petrus wog die Möglichkeiten, die vor ihm lagen, ab. Verlangte Jesus zu viel? Sollte auch er Jesus verlassen und den abreisenden Massen folgen? Er schaute Jesus an und antwortete: „Herr, zu wem wir sollen gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir glauben und wissen, dass du der Heilige Gottes bist“ (Joh 6,68.69).

Was oder wer sonst ist diesen zentralen Platz in unserem Herzen und Leben heute wert? Der Herr Jesus ruft die Christen nicht auf, sich von allen normalen sozialen Beziehungen zu trennen und sich in Klöstern zu verstecken. Aber Er fordert eine radikale Änderung in unserem Inneren. Du wirst dich nicht länger als eine Mutter, einen Ingenieur oder eine Krankenschwester sehen, der/die zufällig auch Christ ist. Du wirst dich als einen Christen sehen, der/die daneben auch eine Mutter, ein Ingenieur oder eine Krankenschwester ist. Diese Hingabe an Jesus macht Menschen nicht exzentrisch oder völlig abgehoben von dieser Welt. Wenn Jesus die Leidenschaft unserer Herzen ist, erhält das Leben seine richtige Perspektive. Wir sind bessere Studenten, bessere Arbeiter, bessere Nachbarn, bessere Kinder, bessere Eltern, bessere Christen. Nur die zentrale Stellung von Jesus führt zu einem gesunden, ausgewogenen Leben.

Schluss

Jesus Christus gab sein Leben, um ein Volk zu erlösen, das dann Ihm gehören würde. Die Errettung wird jetzt jedem frei angeboten, der Buße tun, glauben und sein Leben Jesus geben will. Die Errettung ist ein Geschenk; das christliche Leben ist eine Herausforderung. Wenn wir für unseren Meister nützlich sein wollen, wenn wir wahre Jünger des Herrn Jesus sein wollen, dann muss etwas in uns zerbrechen. Als Abraham zeigte, dass er mehr an Gott hing als an seinem eigenen Sohn, erhielt er seinen Sohn zurück. Aber in diesem Prozess zerbrach der Herr etwas in Abraham. Hast du das Zerbrochensein vor Gott erreicht? Hältst du immer noch etwas zurück? Wir müssen Ihm entschlossen unsere eigenen Pläne und Träume übergeben – wir müssen unser Kreuz auf uns nehmen und Jesus in das Zentrum unserer Herzen setzen. Wie hat es der Apostel Paulus geschafft, mit Freude weiterzumachen unter solchen schwierigen Umständen? Er war einer Person hingegeben und verpflichtet: „Leben ist für mich Christus“ (Phil 1,21). Sicher ist der Herr Jesus das immer noch wert!


Originaltitel: „Devotion & Commitment. Essential in true Christian discipleship“
Quelle: www.philipnunn.com

Übersetzung: Frank Schönbach

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