Die Verkündigung des Evangeliums und die Belehrung der Gläubigen
Kolosser 1,28

John Nelson Darby

© SoundWords, online seit: 02.05.2008, aktualisiert: 01.08.2016

Leitvers: Kolosser 1,28

Kol 1,28: … den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen.

Nach meinem Empfinden ist, was die Gaben betrifft, Evangelisation das größte Vorrecht; ich selbst aber bin kein Evangelist, wenn ich auch, soweit ich Gelegenheit habe, das Werk eines Evangelisten tue, so gut ich es vermag.

Sie sagen, das Evangelisieren habe die Belehrung der Heiligen in den Hintergrund gedrängt. Die Gaben des Evangelisten und des Lehrers sind absolut verschieden, aber ich sehe nicht, dass die eine die andere verdrängen sollte. Paulus hat ganz gewiss das Evangelium verkündigt und dabei ebenso gewiss gelehrt; man denke nur an die Thessalonicher. Wenn er vielleicht auch nicht sofortige Frucht erwartete, so fand er sie doch ganz bestimmt. Er spricht von sich selbst als von einem Diener des Evangeliums, nennt sich aber auch einen Diener der Kirche (Versammlung). Für jedes dieser beiden Aufgabenfelder müssen wir mit Gott in Gemeinschaft sein, so wie wir von Ihm dazu berufen sind. Ist das der Fall, dann sehe ich nicht, weshalb nicht Kraft und Vollmacht für beides vorhanden sein sollte.

Es gibt aber eine gewisse Art des Evangelisierens, die den Schwerpunkt auf die Errettung von Sündern legt und auf weitere Belehrung der Christen verzichtet. Gott mag das segnen, aber die Folgen bleiben nicht aus. Nur wenige sind von dem Gedanken beseelt, den Paulus in 2. Timotheus 2,10 zum Ausdruck bringt: „Deswegen erdulde ich alles um der Auserwählten willen.“ Man denkt ganz allgemein nur, Gott sei Liebe und wolle, dass alle Menschen errettet werden, und das ist ja auch eine wunderbare Wahrheit. Das Ziel, das diesen Predigern vor Augen schwebt, ist aber einfach nur die Errettung des Menschen und seine Sicherheit.

Gottes Vorsatz und die Verherrlichung Christi dagegen bleiben hier leider ganz außer Betracht. Bekennt einer, errettet zu sein, so glaubt der Prediger, seine Aufgabe erfüllt zu haben. Dass Gott an den Seinen ein Interesse hat und sie weiterführen will, so dass sie auferbaut werden, vergisst man ebenso wie die Verherrlichung Christi in seiner Versammlung. Wir sollten für die Heiligen beten und ihnen Gottes Wahrheit bezeugen.

Das Verkehrte dabei ist natürlich nicht der Ernst und die Hingabe beim Evangelisieren (das ist ein Segen Gottes für die Versammlung), sondern dass man darin so aufgeht, dass der Mensch mit seinen Bedürfnissen ganz im Vordergrund steht und Christus in seinen Rechten zu kurz kommt. Wird die Arbeit nur auf betont erweckliche Weise betrieben, so besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse trügerisch sind. Da fehlt dann das solide Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Nichts liegt mir ferner, als etwas gegen Evangelisation zu sagen. Ich bin überzeugt, dass Gott das Evangelisieren segnet, besonders um in diesen letzten Tagen noch Menschen aus der Welt herauszuretten. Für eine Versammlung ist es heilsam, dass die Herzen sich darauf konzentrieren. Die Liebe, die dabei tätig wird, bindet außerdem die Heiligen zusammen. Gott ist aber auch in der großen, bekennenden Christenheit tätig, um sie aufzuwecken, und das ist auch wichtig. Der Ruf, der die zehn Jungfrauen wachrüttelte (Mt 25), war nicht das, was man gewöhnlich Evangelium nennt.

Schließlich darf die Hand nicht zum Fuß sagen: Ich bedarf deiner nicht. Ich habe Verständnis dafür, wenn man voller Freude die Bekehrten zählt, aber wir dürfen uns nicht auf Zahlen oder Erfolge stützen. „So auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (Lk 17,10). Es ist sehr wichtig, dass im Dienst die Verbindung zu Christus aufrechterhalten bleibt. Dann schreiben wir die Ergebnisse nicht unserer Arbeit zu, sondern unsere Arbeit und unsere Herzen stehen mit Ihm selbst in Verbindung.

Wenn wir Christus nahe wären, würden wir beides gut tun – evangelisieren und belehren –, vorausgesetzt natürlich, dass Christus uns dazu berufen hat. Seien wir nicht damit zufrieden, das eine anstelle des anderen zu tun. Möchten wir in Gemeinschaft mit Christus und mit seiner Hilfe die Heiligen belehren und in Gemeinschaft mit Christus und mit seiner Hilfe das Evangelium verkündigen!

Mir war es nie geschenkt, viel Frucht zu sehen, und mein Dienst war mehr gesegnet, wenn ich suchte, Seelen Frieden zu bringen, als wenn ich suchte, Seelen zu erwecken. Gott sei Dank ist da Einer, der über allem steht und alles tut. Lasst uns auf Ihn blicken.


Nach einem Brief aus Letters, Bd. 2, S. 305; New York, 1874

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