Ein Brief über den „Abfall“
Eine ernste Warnung vor Weltlichkeit im Leben der Gläubigen

John Nelson Darby

online seit: 15.10.2016, aktualisiert: 10.12.2020

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Tag des Abfalls eilt mit schnellen Schritten herbei und auch der Tag, an dem der Herr die Seinen heimholen wird. Die gegenwärtige Zeit ist so ernst, dass ich mich gedrängt fühle, ein Wort der Ermahnung an euch zu richten. 

Überall sehen gottesfürchtige Menschen, welche die Zeichen der Zeit beobachten, den Augenblick nahen, mit dem die gegenwärtige Gnadenzeit ihr Ende findet. Deshalb ist es an der Zeit, ganz offen und mit aller Deutlichkeit euch einmal zu fragen, wo ihr steht und was euch beschäftigt. 

Durch eine Gnade, die umso heller leuchtet, je mehr ihre Zeit sich dem Abschluss nähert, seid ihr herausgenommen worden aus dem brodelnden Kessel des Götzendienstes und der Gottlosigkeit. Und diese Erscheinungen bedrohen sowohl die sogenannte Christenheit als auch die Welt mit einem Gericht, das schlimmer sein wird als das, welches einst über Sodom und Gomorra kam. Nun erhebt sich die Frage, ob ihr wohl tief genug fühlt, nicht nur welch ein Vorrecht, sondern auch welch eine Verantwortung mit dem Platz verbunden sind, auf dem ihr euch befindet, und ob ihr als Männer und Frauen wandelt, deren Augen dafür geöffnet sind. 

Ich bitte euch, glaubt es mir, dass es niemals in der Geschichte dieser Welt eine Zeit wie die heutige gegeben hat und dass Satan mit niemandem heute so intensiv beschäftigt ist wie mit euch. Und seine Anstrengungen um euch sind umso mehr zu fürchten, weil er dabei so listig vorgeht. Seine Absicht ist es, eure Blicke von Christus abzulenken, während ihr glaubt, ihr wäret in Sicherheit und hättet nichts zu fürchten. Er versucht es, euch mit der Wahrheit selber zu Fall zu bringen. Darum hütet euch wohl vor seiner List. Ihr seid zwar in Sicherheit, aber nur so lange, als Christus wirklich euer Ein und Alles ist. Und gerade in diesem Stück weiß Satan gar manche von euch zu überlisten. 

Wenn ihr auch nur das Geringste zwischen euer Herz und den Herrn Jesus treten lasst, dann verwandelt sich alsbald euer „Philadelphia“ in ein „Laodizea“. Euer Boden der Sicherheit wird dann genau so unsicher wie der der übrigen Christenheit; eure Kraft ist bald sehr schnell von euch gewichen und ihr seid ebenso schwach geworden wie alle andern. Etliche unter euch sind noch jung, vielleicht erst kürzlich bekehrt worden oder mit den Gedanken des Herrn noch nicht lange bekannt; ihr kennt deshalb die Tiefen des Satan noch nicht.

Ich warne euch hiermit allen Ernstes vor großer Gefahr, und solltet ihr dieser Gefahr erliegen, dann ist Unwissenheit kein Grund mehr zur Entschuldigung für euch. Ich wiederhole: Satan hat sein Augenmerk gerade auf euch gerichtet, um in irgendeiner Form und Weise die Welt zwischen euch und Christus zu bringen. In welchem Maß oder in welcher Form, das macht ihm wenig aus. Wüsstet ihr nur, wie wenig dazu nötig ist, dass Satan sein Ziel erreicht, ihr würdet erschrecken. Er kommt nicht gleich mit groben oder schändlichen Dingen zu euch. Solche Dinge sind erst die Entwicklung, aber nicht schon der Keim des Bösen. Nicht durch offenbar böse Dinge sucht er euch zu Fall zu bringen. Nein, er beginnt sein listiges Bemühen zunächst einmal mit möglichst kleinen und scheinbar harmlos erscheinenden Dingen, mit solchen, die niemanden direkt abstoßen. Und doch bilden diese scheinbar harmlosen Dinge das tödliche Gift, das in letzter Auswirkung euer Zeugnis ruiniert und eure Herzen von Christus abzieht.

Ihr fragt: Welches sind denn diese alarmierenden Symptome und wie kann man sie erkennen? – Solch eine Frage beweist nur, wie gefährlich dieses schleichende Gift ist. Brüder und Schwestern, ihr seid angesteckt worden von dem Geist dieser Welt. Eure Kleidung, euer Betragen, eure Sprache, eure geistliche Armut verraten es in jeder Versammlung. Es offenbart sich in euren Zusammenkünften eine drückende Last, ein Mangel an geistlicher Kraft so deutlich spürbar, als ob euer Herz offenläge und alle eure Gedanken lesbar wären. Eine Form der Gottseligkeit, aber ohne Kraft, beginnt unter euch offenbar zu werden genauso, wie sie in der übrigen Christenheit deutlich zu sehen ist. In genau demselben Maß, wie ihr euch mit der Welt einlasst, werdet ihr auf ihren Stand herabsinken. Das ist nun einmal der natürliche Verlauf der Dinge. So wird es immer kommen. Wenn ihr mit der Welt liebäugelt, dann wird der bevorrechtigte Platz, den ihr einnehmt, statt euch zu schützen, nur dazu dienen, größere Schuld auf euch zu laden.

Es gibt nur eines: entweder Christus oder die Welt. Unmöglich aber passen Christus und die Welt zusammen. Es ist eine Tatsache, dass Gottes Gnade euch in eurer Unwissenheit aus der Welt herausgenommen hat. Aber niemals wird Gott es zulassen, dass ihr seine Gnade verachtet dadurch, dass ihr mit der Welt wieder liebäugelt und es nicht so genau nehmt, nachdem Er euch doch aus der Welt herausgerettet hat. Denkt daran, dass ihr den Platz eines Menschen einnehmt und die Vorrechte eines solchen genießt, dessen Augen geöffnet worden sind. Dies ist auf der einen Seite unaussprechlich kostbar; auf der anderen Seite aber ist es auch die verantwortungsvollste Stellung, in der ein Mensch sich befinden kann. Es ist dasselbe, wie wenn man sich auf einem Hochzeitsfest befände, ohne ein Hochzeitskleid anzuhaben. Es ist dasselbe, als wenn man „Herr, Herr!“ sagt, aber nicht das tut, was Er gebietet. Es ist dasselbe wie bei dem, der da sagte: „Ich gehe, Herr!“, und ging doch nicht. 

Geliebte Geschwister, wenn ich auch so spreche, so bin ich doch bei euch von besseren Dingen überzeugt, und im Herrn habe ich Vertrauen zu euch, dass ihr Ihm dankbar seid für dieses offene Wort. Nichts Herrlicheres gibt es in dieser Endzeit, als den Platz einzunehmen, zu dem Er euch berufen hat. Neunzehnhundert Jahre haben andere Gläubige auf der Zinne gestanden und in kummervollen Tagen und Nächten gewacht, um in die Herrlichkeit einzugehen, und ihr braucht nur noch auf den Schall der Siegesposaune zu warten, um das herrliche Erbe in Besitz zu nehmen. Andere haben sich abgemüht und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit. Und doch erniedrigt ihr euch wieder zu der Stellung von armseligen Topfscherben, die nur dazu bestimmt sind, bald von der Rute des Siegers zerschmettert zu werden. 

Wacht doch auf aus eurem Schlaf und eurer Trägheit! Tut eure Götzen und falschen Götter hinweg, reinigt euch und wechselt eure Kleider und zieht hinauf nach Bethel, wo ihr euren Gott gütiger finden werdet, als ihr Ihn je gekannt habt, selbst nicht in euren besten Tagen. Legt auch noch das letzte Stück eurer weltlichen Kleidung ab, habt acht auf eure Gespräche, dass sie von Christus und von seinen Interessen bestimmt sein mögen und nicht, wie leider jetzt so oft, nur andere Dinge betreffen, aber nicht Ihn. Vereinigt euch in den Gebetsversammlungen mit den Gläubigen zum Gebet; niemals war das notwendiger als heute. Versäumt keine Gelegenheit, im Wort unterwiesen zu werden; denn nur dadurch werdet ihr vor den Wegen des Verderbens bewahrt. Und gebt durch euer Leben den Beweis dafür, dass ihr in Wahrheit Schätze gesammelt habt während der Wortverkündigung und bei den allgemeinen Wortbetrachtungen und beim Erforschen des Wortes daheim in der Stille. Und wenn ihr eine praktische Tätigkeit sucht, eine Tätigkeit, für die es eine herrliche Belohnung gibt, dann bittet den Meister und Er wird euch eine solche anweisen. Niemals werdet ihr das bereuen, weder in dieser noch in jener zukünftigen Welt. 

Geliebte Geschwister, ertragt mich. Mit göttlichem Eifer eifre ich um euch. Ihr gehört Christus an und Christus gehört zu euch. Brecht dieses heilige Band nicht! Lasst doch die Braut nicht dem Bräutigam untreu werden. Warum sollt ihr beraubt und betrogen werden? Und womit? Mit Trestern und bitteren Früchten, während ihr die kurze Segensfrist vergeudet. Alle Auszeichnungen aber, die hier in der Kraft des Geistes erworben sind, werden nur dazu dienen, euch umso lieblicher zu machen in den Augen dessen, der euch für sich selbst erworben hat. Wollt ihr Ihm diese Freude an euch verweigern? Wollt ihr Ihm die Frucht der Mühsal seiner Seele vorenthalten? Ihm, der einst als ein Sterbender zwischen zwei Räubern am Kreuz hing als Schauspiel für die Welt – und das für euch, für euch, die ihr solche Hingabe für euch vergessen habt (denn ihr könnt es unmöglich verachtet haben). Er hätte von der Welt Besitz nehmen können, ohne ans Kreuz zu gehen; dann wärt ihr ohne Ihn geblieben, aber so wollte Er es nicht. Und jetzt: Wollt ihr, nachdem ihr durch solche Todesqualen reich gemacht worden seid, nun wieder die Welt ins Herz aufnehmen und Ihn draußen lassen? Unmöglich! Nur war es nötig, eure aufrechte Gesinnung durch ein Wort der Ermahnung wieder anzufachen. 

Deshalb: Lasst uns neuen Mut fassen! In der letzten Zeit haben wir Gebete emporsteigen lassen, in denen wir dem Herrn unsern Mangel an geistlichem Leben und an Hingabe bekannten. Sollten wir nun nicht dieses Wort der Ermahnung als Antwort unseres treuen Herrn aufnehmen, damit es uns neu belebt und unsere geistliche Energie wieder anfacht? Dann werden wir bei seiner Ankunft nicht beschämt dastehen.

„Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten (denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat); und lasst uns aufeinander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag näher kommen seht. … Denn noch eine ganz kleine Zeit, und „der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben“ (Heb 10,23-25.37).

London, Mai 1869


„He that hath an Ear let him hear“
aus Help and Food for the Household of Faith, Jg. 14, 1896, S. 116–120
„Letter on ‘Apostasy’“ aus Collected Writings of J. N. Darby, Bd. 32, S. 407–410
auch veröffentlicht unter dem Titel „The Bridegroom Cometh“;
in einer Übersetzung aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 13, 1959, S. 94ff.: „Ein alter, aber zeitgemäßer Brief“
Der Text wurde von SoundWords etwas angepasst an das Original.

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