Josia und seine Zeit
2. Chronika 34–35

Charles Henry Mackintosh

© SoundWords, online seit: 25.06.2021, aktualisiert: 13.01.2024

Leitverse: 2. Chronika 34–35

Teil 1 (2Chr 33,22-25)

Viele Jahrhunderte sind vergangen, seit König Josia lebte und regierte; aber seine Geschichte ist voll von Belehrung, die nie ihre Frische und ihren Ernst verliert. Der Zeitpunkt seiner Thronbesteigung war besonders düster und schwierig. Die immer größer gewordene Verderbnis hatte ihren Höhepunkt erreicht, und das lange in göttlicher Geduld und Langmut zurückgehaltene Gericht stand im Begriff, mit schrecklicher Strenge über die Stadt Davids hereinzubrechen. Auf Hiskias herrliche Regierung war ein langer und furchtbarer Zeitraum von 55 Jahren unter der Herrschaft seines Sohnes Manasse gefolgt. Bei ihm konnte die Zucht Buße und Besserung bewirken, aber kaum hatte er das Zepter aus der Hand gelegt, als sein gottloser und unbußfertiger Sohn Amon tat, „was böse war in den Augen des HERRN, wie sein Vater Manasse getan hatte. Und Amon opferte allen geschnitzten Bildern, die sein Vater Manasse gemacht hatte, und diente ihnen. Und er demütigte sich nicht vor dem HERRN, wie sein Vater Manasse sich gedemütigt hatte, sondern er, Amon, häufte die Schuld. Und seine Knechte machten eine Verschwörung gegen ihn und töteten ihn in seinem Haus. … Und das Volk des Landes machte Josia, seinen Sohn, zum König an seiner statt“ (2Chr 33,22-25).

So befand sich also Josia, ein Kind von acht Jahren, auf dem Thron Davids, und zwar umgeben von dem angehäuften Übel und den Verirrungen seines Vaters und Großvaters, ja selbst von den Formen des Verderbens, das von keiner geringeren Person als von Salomo selbst eingeführt worden war. Wenn der Leser für einen Augenblick 2. Könige 23 nachschlagen will, wird er ein auffallendes Gemälde von dem Zustand der Dinge zu Beginn der Geschichte Josias finden. Dort sehen wir Götzenpriester, „die die Könige von Juda eingesetzt hatten und die auf den Höhen, in den Städten von Juda und in der Umgebung von Jerusalem geräuchert hatten; und die, die dem Baal, der Sonne und dem Mond und dem Tierkreis und dem ganzen Heer des Himmels räucherten“ [2Kön 23,5].

Erwäge dies, mein Leser! Bedenke, dass Judas Könige Priester einführten, um dem Baal zu räuchern, und erinnere dich zugleich, dass jeder dieser Könige die Verpflichtung hatte, „sich eine Abschrift dieses Gesetzes in ein Buch (zu) schreiben … Und es soll bei ihm sein, und er soll alle Tage seines Lebens darin lesen, damit er den HERRN, seinen Gott, fürchten lerne, um zu beobachten alle Worte dieses Gesetzes und diese Satzungen, sie zu tun“ (5Mo 17,18.19). Aber es waren ferner auch Rosse da, „die die Könige von Juda der Sonne gesetzt hatten am Eingang des Hauses des HERRN“, und Wagen der Sonne, ferner Höhen, „die Salomo, der König von Israel, der Astoret, dem Scheusal der Sidonier, und Kamos, dem Scheusal Moabs, und Milkom, dem Scheusal der Kinder Ammon, gebaut hatte“ (2Kön 23,11.13).

Alles dies ist sehr ernst, und es ist wert, dass der christliche Leser darüber nachdenkt. Wir sollten nicht darüber hinweggehen wie über ein bloßes Bruchstück der alten Geschichte oder als läsen wir die geschichtlichen Berichte von Babylon, Persien, Griechenland oder Rom. Es verwundert uns nicht, dass die Könige dieser Reiche dem Baal räucherten, Götzenpriester einsetzten und das Heer des Himmels anbeteten. Aber wenn wir die Könige von Juda, die Söhne und Nachfolger Davids, die Kinder Abrahams, denen das Gesetzbuch Gottes zugänglich war und die die Pflicht hatten, dieses Buch zum Gegenstand ihres gründlichen und ständigen Forschens zu machen – wenn wir solche Männer unter die Macht des finsteren und herabwürdigenden Aberglaubens sinken sehen, dann ist das auch für uns eine Warnung, die wir nicht ungestraft abweisen können. Wir sollten uns dabei stets erinnern, dass alle diese Dinge zu unserer Belehrung geschrieben sind. Wenn auch gesagt werden kann, dass wir nicht in die Lage kommen, dem Baal zu räuchern oder das Heer des Himmels anzubeten, so dürfen wir doch versichert sein, dass wir nötig haben, die Ermahnungen und Warnungen zu beachten, die der Heilige Geist in der Geschichte des Volkes Israel an uns richtet. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11). Obwohl diese Worte des inspirierten Schreibers unmittelbar auf die Geschichte Israels in der Wüste Bezug haben, mögen sie dennoch ihre Anwendung auf die ganze Geschichte dieses Volkes finden und von Anfang bis Ende ein geschichtlicher Schatz voll tiefster Belehrung sein.

Aber als was müssen wir alle diese großen und schrecklichen Übel ansehen, in die Salomo und seine Nachfolger gezogen wurden? Was war ihr Ursprung? Vernachlässigung des Wortes Gottes. Das war die Quelle alles Unheils und aller Sorge. Möchte die ganze Kirche sich das merken! Die Vernachlässigung der Heiligen Schrift war die entsetzliche Quelle aller jener Verirrungen und Verderbnisse, die die Blätter der Geschichte Israels beflecken und um derentwillen der HERR in seiner Regierung oft so schwere Zucht ausüben musste. „Was das Tun des Menschen anlangt, so habe ich mich durch das Wort deiner Lippen bewahrt vor den Wegen des Gewalttätigen“ (Ps 17,4). „Weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die imstande sind, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3,15-17). Bei diesen beiden angeführten Stellen haben wir das Wort Gottes in seiner zwiefältigen Kraft dargestellt: Es bewahrt uns nicht nur vollkommen vor allem Bösen, sondern es bereitet uns auch zu, allem Guten vollkommen zu; es bewahrt uns vor den Wegen des Gewalttätigen und leitet uns in den Wegen Gottes.

Wie wichtig ist daher das fleißige, ernste und andächtige Forschen in der Heiligen Schrift! Mit welch einem Ernst wird dies dem alten Volk Gottes eingeprägt! Wie oft dringen die Worte an sein Ohr: „Und nun, Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechte, die ich euch zu tun lehre, damit ihr lebt und hineinkommt und das Land in Besitz nehmt, das der HERR, der Gott eurer Väter, euch gibt. Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete. Eure Augen haben gesehen, was der HERR wegen Baal-Peor getan hat; denn alle Männer, die  Baal-Peor nachgegangen sind, hat der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte vertilgt; ihr aber, die ihr dem HERRN, eurem Gott, anhingt, seid heute alle am Leben. Siehe, ich habe euch Satzungen und Rechte gelehrt, so wie der HERR, mein Gott, mir geboten hat, damit ihr so tut inmitten des Landes, wohin ihr kommt, um es in Besitz zu nehmen. Und so haltet sie und tut sie! Denn das wird eure Weisheit und euer Verstand sein vor den Augen der Völker, die alle diese Satzungen hören und sagen werden: Diese große Nation ist ein wahrhaft weises und verständiges Volk. Denn welche große Nation gibt es, die Götter hätte, die ihr so nahe wären wie der HERR, unser Gott, in allem, worin wir zu ihm rufen? Und welche große Nation gibt es, die so gerechte Satzungen und Rechte hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? Nur hüte dich und hüte deine Seele sehr, dass du die Dinge nicht vergisst, die deine Augen gesehen haben, und dass sie nicht aus deinem Herzen weichen alle Tage deines Lebens! Und tue sie deinen Kindern und deinen Kindeskindern kund!“ (5Mo 4,1-9).

Man beachte wohl, dass „Weisheit und Verstand“ einfach darin besteht, die Gebote Gottes wohl im Herzen zu bewahren! Dies sollte die Grundlage der sittlichen Größe Israels angesichts der sie umgebenden Völker sein. Das war keine Lehre der Schulen Ägyptens oder der Chaldäer, sondern die Kenntnis des Wortes Gottes und das Aufmerken darauf, der Geist des unbedingten Gehorsams in allen Dingen unter die heiligen Gebote und Satzungen des HERRN, ihres Gottes. Das war Israels Weisheit, ihre wahre Größe, ihr unüberwindliches Bollwerk gegen jeden Feind und ihre moralische Sicherheit gegen jedes Volk.

Und ist in der Gegenwart nicht dasselbe heilsam für das Volk Gottes? Ist nicht der Gehorsam gegen das Wort Gottes unsere Weisheit, unser Schirm und der Grund aller wahren moralischen Größe? Ganz gewiss. Unsere Weisheit ist, zu gehorchen. Die gehorsame Seele ist weise, sicher, glücklich und fruchtbringend. Wie es einst war, so ist es heute. Wenn wir die Geschichte Davids und seiner Nachfolger erforschen, so werden wir ohne Ausnahme finden, dass diejenigen, die den Geboten Gottes gehorchten, sicher, glücklich, wohlhabend und einflussreich waren. Und so wird es immer sein. Der Gehorsam wird stets seine köstlichen duftenden Früchte tragen, wenn auch diese Früchte nie der Beweggrund zum Gehorsam sein dürfen.

Nun ist es klar, dass wir, um dem Wort Gottes gehorsam zu sein, mit ihm bekannt sein müssen und dass, um diese Bekanntschaft zu erlangen, unbedingt ein sorgfältiges Forschen nötig ist. Wie sollen wir nun darin forschen? Mit dem ernsten Verlangen, den Inhalt des Wortes zu verstehen, mit einer tiefen Ehrfurcht vor seiner Autorität und mit der aufrichtigen Absicht, seinen Vorschriften – koste es, was es wolle – zu gehorchen. Wenn wir die Gnade haben, auch nur in geringem Maß in dieser Weise zu forschen, so werden wir ein Wachsen und Zunehmen in Erkenntnis und Weisheit erwarten dürfen.

Aber welch ein schreckliches Maß von Unwissenheit über das Wort Gottes zeigt sich in der Christenheit! Wir sind von diesem Gefühl tief durchdrungen, und es ist der Hauptzweck dieser Zeilen, in der Seele des Lesers ein lebhaftes Verlangen nach einer näheren Bekanntschaft mit Gottes heiligem Wort und eine völlige Unterwerfung seines ganzen Wesens unter dieses vollkommene Panier hervorzurufen. Wir entledigen uns dieser heiligen Pflicht gegenüber den Seelen unserer Leser und gegenüber der Wahrheit Gottes in dem Bewusstsein der Wichtigkeit dieses Gegenstandes. Die Macht der Finsternis ist verbreitet; dem Feind ist es im schrecklichen Umfang gelungen, die Herzen in verschiedene Formen von Irrtum und Bösem zu verstricken, Staub in die Augen der Kinder Gottes zu streuen und die Sinne der Menschen zu verblenden. Zwar haben wir keine Astarot, Kamos und Milkoms, aber wir haben Formen ohne Kraft und entschiedenen Unglauben. Wir haben nicht zu eifern gegen das Räuchern für Baal und gegen die Anbetung des Heeres des Himmels, aber wir haben weit Verlockenderes und Gefährlicheres: Wir haben das Formwesen mit seinen sinnberauschenden und anziehenden Gebräuchen und Zeremonien; wir haben die Rationalisten mit ihren gelehrt erscheinenden Argumenten, und wir haben so viele Arten von Geistersehern, die sich eines Verkehrs mit den Geistern von Verstorbenen rühmen.

Es ist schmerzlich, die Bemühungen zu bemerken, die von verschiedenen Seiten geschehen, um auf die Massen zu wirken und sie zusammenzuhalten. Dem nachdenkenden Christen ist es klar, dass alle, die derartige Anstrengungen machen, einen sehr traurigen Mangel an Glauben an die Macht des Wortes Gottes und des Kreuzes Christi zeigen; und es ist sicher die stetige Anstrengung Satans, die Seelen in Unwissenheit über göttliche Offenbarungen zu halten und ihnen die Herrlichkeit des Kreuzes und der Person Christi zu verbergen. Zu diesem Zweck bedient er sich des Formwesens, des Unglaubens und des Geistersehens in unseren Tagen ebenso wie er sich in den Tagen Josias der Astarot, Kamos und Milkoms bediente. „Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne“ [Pred 1,9]. Der Teufel hat immer die Wahrheit Gottes gehasst, und er wird daher kein Mittel ungenutzt lassen, um auf das Herz des Menschen zu wirken. Daher hat er für den einen Formen und Zeremonien, für den anderen Vernunftschlüsse; und wenn beides den Menschen nicht mehr befriedigt, greift er zu einem noch berauschenderen Mittel, nämlich zu dem Umgang und der Gemeinschaft mit den Geistern der Verstorbenen, um durch alle diese Dinge die Seelen von der Heiligen Schrift und dem Herrn abzuhalten, der darin offenbart wird.

Es ist in der Tat erschütternd, an alles dies zu denken und dabei die Schläfrigkeit und Gleichgültigkeit derer zu sehen, die bekennen, die Wahrheit zu besitzen. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, was diesen schläfrigen Zustand mancher Bekenner fördert. Aber wir wünschen durch die Gnade Gottes, sie völlig daraus aufgeweckt zu sehen; deshalb lenken wir ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Einflüsse und auf den einzigen göttlichen Schutz gegen sie. Wir denken mit wehmütigem Ernst an unsere heranwachsenden Kinder, die sich in einer solchen Atmosphäre, wie die uns umgebende, bewegen müssen, die immer dunkler und dunkler wird. Wir möchten auf der Seite der Christen mehr Ernst sehen und die Herzen der Jugend mit der kostbaren und seelenerrettenden Kenntnis des Wortes Gottes versehen. Das Kind Josia und das Kind Timotheus sollten uns zu größerem Fleiß in der Unterweisung junger Seelen anspornen, sowohl im Schoß der Familie als auch in den Sonntagsschulen oder auf welchem Wege wir sie auch erreichen können. Es wird uns nichts nützen, unsere Arme übereinanderzulegen und zu sagen: „Wenn es für Gott Zeit ist, werden unsere Kinder belehrt werden und bis dahin sind unsere Bemühungen vergeblich.“ Das ist ein trauriger Fehler. „Gott … ist denen, die ihn suchen, ein Belohner“ (Heb 11,6). Er segnet unsere mit Gebet begleiteten Bemühungen, unsere Kinder zu unterweisen. Und wer könnte den Segen schätzen, der damit verbunden ist, dass man früh den rechten Weg geführt worden ist, dass der Charakter unter heiligen Einflüssen gebildet und das Herz mit dem, was wahr, rein und lieblich ist, erfüllt worden ist? Wer möchte andererseits die traurigen Folgen schildern, wenn wir erlauben, dass unsere Kinder in Unwissenheit über göttliche Dinge aufwachsen? Wohin wird eine befleckte Einbildungskraft, ein von Eitelkeit, Torheit und Falschheit erfülltes Herz führen, das von Kindheit an mit Anblicken der traurigsten Versunkenheit vertraut ist? Wir gestehen, dass Christen eine schwere und schreckliche Verantwortung auf sich laden, wenn sie dem Feind gestatten, die Herzen der Kinder gerade in der Zeit einzunehmen, wenn sie noch bildsam und empfänglich sind.

Zwar darf die belebende Macht des Heiligen Geistes dabei nicht fehlen: Auch Kinder von Christen müssen wie alle anderen von neuem geboren werden. Aber hebt diese Tatsache unsere Verantwortung über unsere Kinder auf? Lahmt sie unsere Anstrengungen oder hindert sie unsere Bemühungen? Keineswegs. Wir sind aus jedem göttlichen und menschlichen Grund berufen, unsere teueren Kleinen vor jedem bösen Einfluss zu schützen und sie in dem, was heilig und gut ist, zu erziehen. Nicht nur bezüglich unserer eigenen Kinder sollten wir so handeln, sondern auch im Hinblick auf die Tausende um uns her, die Schafen gleichen, die keinen Hirten haben und deren jedes sagen kann: „Niemand kümmert sich um meine Seele.“

Möchten diese Bemerkungen vom Geist Gottes benutzt werden, um mächtig auf die Herzen all derer zu wirken, die sie lesen, damit auf diese Weise ein wirkliches Erwachen zu einem Bewusstsein unserer hohen und heiligen Verantwortung für die Seelen um uns her bewirkt würde und sie aufgerüttelt würden aus der schrecklichen Erstarrung und Kälte, über die wir alle zu trauern haben.

Teil 2 (2Chr 34,1)

Die Betrachtung der Geschichte Josias und seiner Zeit zeigt uns zu unserer Belehrung den Wert und die Autorität des Wortes Gottes. Diese Unterweisung ist von der größten Bedeutung für jedes Alter, für jede Zeit, für jede Lage, für den einzelnen Christen und für die ganze Versammlung Gottes. Jedem Herzen sollte die oberste Autoriät der Heiligen Schrift tief eingeprägt sein. Sie ist der einzige Schutz gegen die vielen Formen des Irrtums und des Bösen, die allerwärts überhandnehmen. Menschliche Schriften haben ohne Zweifel ihren Wert, aber als Autorität sind sie völlig wertlos.

Daran müssen wir uns immer wieder erinnern. Das menschliche Herz hat eine starke Neigung, sich auf menschliche Autorität zu stützen. So konnte es geschehen, dass Millionen in der bekennenden Kirche der Heiligen Schrift beraubt werden konnten, weil sie in der Täuschung lebten und starben, dass sie das Wort Gottes ohne eine menschliche Autorität nicht verstehen könnten. Das bedeutet aber in Wirklichkeit, das Wort Gottes beiseitezuwerfen. Wenn dieses Wort ohne die Autoriät des Menschen nutzlos ist, dann erklären wir, dass es überhaupt das Wort Gottes nicht ist. Man sagt damit mit anderen Worten, dass Gottes Wort nicht ausreichend sei, wenn nicht etwas vom Menschen Herrührendes die Gewissheit verleihe, dass Gott es sei, der da spricht.

Das ist ein sehr gefährlicher Irrtum, und seine Wurzel liegt viel tiefer im Herzen, als viele von uns meinen. Oft, wenn wir Stellen aus dem Wort Gottes anführen, wird uns gesagt: „Woher wissen Sie, dass dies Gottes Wort ist?“ Was bedeutet eine solche Frage? Man will damit offenkundig die Bedeutung des Wortes Gottes zunichtemachen. Das Herz, das eine solche Frage erhebt, hat sicher kein Bedürfnis, vom Wort Gottes geleitet zu werden. Der Wille ist dabei im Spiel. Hierin liegt das tiefe Geheimnis. Es ist das Bewusstsein, dass das Wort etwas verurteilt, was das Herz festhalten und wertschätzen will, und deshalb bemüht man sich, das Wort Gottes ganz beiseitezulegen.

Aber wie können wir wissen, dass das Buch, das die Bibel genannt wird, das Wort Gottes ist? Darauf antworten wir, dass es seine eigene Beglaubigung bei sich führt. Auf jeder Seite, in jedem Vers und in jeder Zeile führt es diesen Beweis. Zwar kann nur durch die Belehrung des Heiligen Geistes, des Verfassers dieses Buches, dieses Zeugnis erwogen und seine Beglaubigung recht erkannt werden. Aber wir benötigen zur Beglaubigung dieses Buches Gottes nicht das Siegel eines Menschen; und wenn wir uns nach einem solchen Siegel umsehen, befinden wir uns hinsichtlich der göttlichen Offenbarung auf dem Boden des Unglaubens. Wenn Gott nicht direkt zum Herzen sprechen kann, wenn Er nicht die Gewissheit geben kann, dass Er selbst es ist, der spricht, wo sind wir dann? Wohin sollen wir uns dann wenden? Wenn Gott selbst sich nicht hörbar und erkennbar machen kann, vermag es der Mensch dann besser? Kann uns die Stimme des Menschen mehr Gewissheit geben als Gott? Benötigen wir die Autorität der Kirche, die Beschlüsse der Konzilien, die Ansicht der Kirchenväter und die Meinung der Gelehrten, um eine Gewissheit zu erlangen, die Gott nicht geben könnte? Wenn es so ist, stehen wir völlig hilflos da und befinden uns in so tiefer Finsternis, als ob Gott gar nicht gesprochen hätte. Wenn Gott nicht geredet hat, sind wir natürlich ganz im Finstern; wenn Er aber geredet hat, wir aber seine Stimme ohne die Autoriät oder Beglaubigung der Menschen nicht verstehen können, wo ist dann der Unterschied? Es ist klar, dass, wenn Gott in seiner großen Gnade uns eine Offenbarung gegeben hat, diese in sich selbst hinreichend sein muss und dass andererseits jede Offenbarung, die in sich selbst nicht hinreichend ist, unmöglich göttlichen Ursprungs sein kann. Ist es nicht ebenso klar, dass, wenn wir nicht dem WorteGottes aus dem einfachen Grund, weil es Gottes Wort ist, glauben können, wir auch keinen sicheren Grund dafür haben, wenn der Mensch sich anmaßt, sein beglaubigendes Siegel hinzufügen?

Man möge uns jedoch nicht missverstehen. Wir bestehen nur darauf, dass die göttliche Offenbarung völlig ausreichend und über alle menschlichen alten, mittelalterlichen und neueren Schriften erhaben ist. Wir schätzen menschliche Schriften, gesunde Beurteilungen, tiefe und gründliche Gelehrsamkeit, das Licht wahrer Wissenschaft und Philosophie, das Zeugnis frommer Reisender, die versucht haben, über den Text der Schrift Licht zu geben; wir schätzen alle jene Schriften, die uns die Schätze des biblischen Altertums öffnen – kurz, wir schätzen alles, was uns beim Erforschen der Heiligen Schrift unterstützt, aber nach all diesem kehren wir mit desto stärkerem Nachdruck zu unserer Behauptung zurück, dass das Wort Gottes vollkommen hinreichend und die oberste Autorität ist. Dieses Wort muss auf seine eigentliche göttliche Autorität, ja ohne irgendeine menschliche Empfehlung aufgenommen werden, sonst ist es für uns nicht das Wort Gottes. Wir glauben, dass Gott selbst unseren Seelen die Gewissheit geben kann, dass die Heilige Schrift wirklich sein eigenes Wort ist. Wenn Er diese Gewissheit nicht gibt, dann kann es auch kein Mensch, und wenn Er es tut, dann bedürfen wir keines Menschen. Der inspirierte Apostel schreibt seinem Sohn Timotheus: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die imstande sind, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist“ (2Tim 3,14.15).

Wie wusste Timotheus, dass die Heilige Schrift Gottes Wort war? – Er wusste es durch die göttliche Offenbarung. Er wusste, von wem er gelernt hatte – hierin lag das Geheimnis. Es war ein lebendiges Band zwischen seiner Seele und Gott, und er erkannte in der Schrift die wahre Stimme Gottes. So muss es immer sein. Es genügt nicht, nur im Verstand durch menschliche Beweise, menschliches Zeugnis und menschliche Empfehlungen überzeugt zu sein, dass die Bibel Gottes Wort ist, sondern wir müssen durch göttliche Unterweisung seine Kraft an Herz und Gewissen kennenlernen. Wenn dies der Fall ist, dann benötigen wir ebenso wenig menschliche Beweise für die Göttlichkeit des Buches, wie wir am Mittag eine Lampe brauchen, um zu beweisen, dass die Sonne scheint. Wir werden glauben, was Gott sagt, weil Er es sagt und nicht weil ein Mensch es bestätigt oder weil wir es fühlen. „Abraham glaubte Gott und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“ [Röm 4,3]. Er hielt es nicht für nötig, zu den Chaldäern oder Ägyptern zu gehen, um von ihnen zu erfahren, ob das, was er gehört hatte, in Wirklichkeit Gottes Wort sei. Er wusste, wem er geglaubt hatte, und das gab ihm eine heilige Gewissheit. Er konnte auf alle Fragen sagen: „Gott hat durch sein Wort ein Band zwischen meiner Seele und Ihm selbst hergestellt, das keine Macht der Erde oder der Hölle zerreißen kann!“ – Das ist der wahre Grund für jeden Gläubigen, für Mann, Frau und Kind, in jedem Alter und in allen Umständen. Das war der Grund für Abraham und Josia, für Jakob und Theophilus, für Paulus und Timotheus, und es muss auch der Grund sein für den Schreiber und Leser dieser Zeilen, denn sonst werden wir niemals gegen die steigende Flut des Unglaubens standhalten können, die gerade die Grundlagen hinwegschwemmt, auf denen Tausende von Bekennern ruhen.

Wir dürfen jedoch wohl fragen: Kann ein nur allgemeines Bekenntnis, ein ererbter Glaube, ein durch Erziehung erlangtes Glaubensbekenntnis die Seele aufrechterhalten vor einer kühnen Zweifelsucht, die alles mit dem Verstand begreifen will und nichts glaubt? Unmöglich! Wir müssen vor dem Zweifler, dem Rationalisten und dem Ungläubigen stehen und mit der Ruhe und Würde eines von Gott gewirkten Glaubens sagen können: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe!“ [2Tim 1,12]. Dann werden uns solche Menschen und ihre Schriften wie Mücken im Sonnenschein erscheinen und nicht imstande sein, unseren Seelen die himmlischen Strahlen der Offenbarung unseres Vaters zu verbergen. Gott hat geredet und seine Stimme erreicht das Herz. Sie macht sich hörbar über dem Lärm und der Verwirrung dieser Welt und über dem Zanken und Disputieren der bekennenden Christen. Sie gibt Ruhe und Frieden, Kraft und Beharrlichkeit dem glaubenden Herzen. Die Meinungen der Menschen können wechseln, irren und verwirren; sie befähigen uns nicht, unseren Weg durch die Irrgänge der menschlichen Systeme der Theologie zu finden, aber die Stimme Gottes redet in der Heiligen Schrift, sie redet zum Herzen, sie redet zu mir. Das ist Leben und Frieden; das ist alles, was ich brauche. Menschliche Schriften können nur nach ihrem wahren Wert geschätzt werden, wenn ich sehe, dass ich alles, was ich brauche, in der immer fließenden Quelle der göttlichen Inspiration, in dem unvergleichlich köstlichen Buch meines Gottes besitze.

Wenden wir uns nun zu Josia zurück, und wir werden sehen, wie alles, was wir soeben betrachtet haben, seine Erläuterung in dem Leben und in der Zeit dieses Mannes findet.

2Chr 34,1: Acht Jahre war Josia alt, als er König wurde.

Dies liefert uns eine Geschichte des Zustandes und der Wege des Volkes Gottes. Josias Vater war nach einer zweijährigen schlechten Regierung in seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr von seinen eigenen Knechten ermordet worden. Solche Dinge hätten nicht vorkommen sollen. Sie waren die traurige Frucht der Torheit und der Sünde, die demütigen Beweise des Abfalls Judas vom HERRN. Aber Gott war über allem, und obwohl wir nicht erwarten würden, ein achtjähriges Kind auf dem Thron Davids zu sehen, konnte doch dieses Kind seine sicheren Hilfsquellen in dem Gott seiner Väter finden, so dass, wie in allen anderen Fällen, so auch in diesem Falle, „wo die Sünde überströmend geworden, die Gnade noch überreichlicher geworden ist“ [Röm 5,20]. Gerade die Jugend und Unerfahrenheit Josias liefert eine Gelegenheit für die Entfaltung der göttlichen Gnade und für das Hervortreten des Wertes und der Macht des Wortes Gottes.

Dieser fromme Knabe befand sich in einer besonders schwierigen und versuchungsreichen Stellung. Er war umgeben von Irrtum in den verschiedensten, lange eingebürgerten Formen, aber:

2Chr 34,2.3: Er tat, was recht war in den Augen des HERRN; und er wandelte auf den Wegen seines Vaters David und wich weder zur Rechten noch zur Linken ab. Und im achten Jahr seiner Regierung, als er noch ein Knabe war, fing er an, den Gott seines Vaters David zu suchen; und im zwölften Jahr fing er an, Juda und Jerusalem von den Höhen und den Ascherim und den geschnitzten und den gegossenen Bildern zu reinigen.

Das war ein guter Anfang. Es ist etwas Großes, das Herz, wenn es noch zart ist, mit der Furcht des Herrn erfüllt zu sehen. Dadurch wird es von einem Heer von bösen Dingen und Irrtümern bewahrt. „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang“ [Ps 111,10]. Diese Weisheit lehrte den frommen Jüngling erkennen, was „Recht ist“, und ließ ihn anfangen mit beharrlicher Zielstrebigkeit. Es liegt eine große Kraft und ein großer Wert in dem Ausdruck: „Er tat, was recht war in den Augen des HERRN.“ Es war nicht das, was in seinen eigenen Augen oder in den Augen seines Volkes oder in den Augen seiner Vorfahren recht war, sondern einfach, was in den Augen Gottes recht war. Das ist der unerschütterliche Grund jeder richtigen Handlung. Ehe die Furcht des Herrn ihren wahren Platz im Herzen eingenommen hat, kann nichts recht, nichts weise, nichts heilig sein. Wie könnte es auch möglich sein, wenn in der Tat die Furcht Gottes der Weisheit Anfang ist? Wir können vieles durch die Furcht vor Menschen, durch die Macht der Gewohnheit und durch den uns umgebenden Einfluss tun, aber nie können wir das tun, was wirklich in den Augen Gottes recht ist, wenn nicht unsere Herzen dahin gebracht sind, die Furcht seines heiligen Namens zu verstehen. Das ist der große Grundsatz. Diese Furcht gibt Ernst, Eifer und Aufrichtigkeit und verleiht seltene und bewundernswürdige Eigenschaften. Sie ist ein wirksamer Schutz gegen Leichtfertigkeit und Eitelkeit. Ein Mann, der gewohnheitsmäßig in der Furcht Gottes wandelt, ist immer ernst und aufrichtig, immer frei von Tändelei und Ziererei, von Anmaßung und Auflehnung. Das Leben hat für ihn einen Zweck, das Herz einen Gegenstand; und dies verleiht dem ganzen Wandel und Charakter seine Richtung.

Aber wir lesen ferner von Josia, dass „er wandelte auf den Wegen seines Vaters David und wich weder zur Rechten noch zur Linken ab“. Welch ein Zeugnis des Heiligen Geistes für den jungen König! Wie kostbar ist ein solches Urteil zu allen Zeiten, besonders aber zu einer Zeit der Schlaffheit und des Verderbens, der falschen Freisinnigkeit und der unechten Liebe, wie in der heutigen Zeit! Ein solches Zeugnis verleiht dem Herzen großen Frieden. Ein schwankender Mensch hat diesen Frieden nicht, er wird hin und her geworfen. „Ein wankelmütiger Mann ist unstet in allen seinen Wegen“ [Jak 1,8]. Er bemüht sich, jedem zu gefallen, und gefällt schließlich niemand. Ein entschiedener, aufrichtiger Mann fühlt, dass er nur einem zu gefallen hat. Das verleiht dem Leben Einheit und Festigkeit. Es ist ein unendlicher Trost, ganz mit Menschengefälligkeit und Augendienerei gebrochen zu haben und fähig zu sein, das Auge allein auf den Herrn gerichtet zu halten und mit Ihm durch gute und böse Gerüchte voranzugehen. Wir können freilich missverstanden und verkannt werden, aber das ist wahrlich etwas Geringes. Unsere Hauptaufgabe ist, in dem von Gott vorgezeichneten Pfad zu wandeln und weder „zur Rechten noch zur Linken“ abzuweichen. Wir sind überzeugt, dass feste Entschiedenheit gegenwärtig für den Diener Christi das Einzige ist, was ihn aufrechterhalten kann, denn sobald uns der Feind wankend findet, wird er jeden Kunstgriff anwenden, um uns völlig von dem ebenen und schmalen Weg wegzutreiben. Möchte der Geist Gottes mächtiger in unseren Herzen wirken und uns mehr befähigen zu sagen: „Befestigt ist mein Herz, o Gott, befestigt ist mein Herz! Ich will singen und Psalmen singen“ [Ps 57,8].

Wir wollen nun weiter das große Werk betrachten, zu dessen Ausführung Josia berufen war. Aber bevor wir damit beginnen, müssen wir den Leser bitten, besonders auf die bereits erwähnten Worte zu achten: „Im achten Jahr seiner Regierung, als er noch ein Knabe war, fing er an, den Gott seines Vaters David zu suchen.“ Wir können versichert sein, dass hierin das wahre Fundament des ganzen, so großen Dienstes Josias lag. Er fing an, Gott zu suchen. Möchten dies alle unsere jungen Christen erwägen! Wir fürchten, dass Hunderte durch vorzeitiges Eilen Schiffbruch erlitten haben. Sie waren mit ihrem Herzen beschäftigt und darin verwickelt, noch ehe das Herz wahrhaft in der Furcht und Liebe Gottes befestigt war. Das ist in der Tat ein sehr ernster Fehler, in den schon viele verfallen sind. Wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass Gott diejenigen, die Er in der Öffentlichkeit gebraucht, im Geheimen erzieht, und dass alle seine bevorzugten Diener mehr mit ihrem Herrn als mit ihrem Werk beschäftigt gewesen sind. Wir unterschätzen das Werk keineswegs, aber wir finden, dass alle diejenigen, die besonders von Gott anerkannt waren und eine lange und ununterbrochene Laufbahn des Dienstes und des christlichen Zeugnisses hatten, mit einer viel gründlicheren, ernsten Herzensarbeit im Verborgenen der Gegenwart Gottes begonnen haben. Andererseits haben wir bemerkt, dass jemand, der vorzeitig in das öffentliche Werk geeilt war und angefangen hatte zu lehren, ehe er zu lernen begonnen hatte, schnell zusammengebrochen und zurückgegangen ist.

Es ist gut, dies zu beachten. Gottes Pflanzen sind tief gewurzelt und wachsen oft langsam. Josia fing an, „Gott zu suchen“. Die vier Jahre, ehe er seine öffentliche Wirksamkeit begann, bildeten ein solides Fundament von echter persönlicher Frömmigkeit, auf dem der Oberbau des tätigen Dienstes errichtet werden konnte. Das war sehr nötig, denn er hatte ein großes Werk zu tun. Höhen und Ascherim, geschnitzte und gegossene Bilder nahmen allerwärts überhand und erforderten ein großes Maß an Treue und Entschiedenheit zu ihrer Bekämpfung. Wo war dies zu finden? In der göttlichen Schatzkammer, und nur dort allein. Josia war nur ein Knabe, und viele von denen, die den falschen Gottesdienst eingeführt hatten, waren Männer von Alter und Erfahrung. Aber er begann, den HERRN zu suchen. Er fand seine Hilfsquellen bei dem Gott seines Vaters David. Er begab sich selbst zur Urquelle aller Weisheit und Macht und umgürtete sich dort mit Kraft für das vor ihm liegende Werk.

Wir wiederholen, dass dieser erste Schritt sehr nötig, ja unerlässlich war. Der aufgehäufte Schmutz von Jahrhunderten und Generationen lag vor seinen Füßen. Unter seinen Vorgängern hatte einer um den anderen den Haufen vergrößert, und trotz der in den Tagen Hiskias bewirkten Reformation wollte es doch scheinen, als ob alles noch einmal geschehen müsse. Man höre, wie schrecklich das Böse und die Verirrungen waren, die uns in der Schrift überliefert sind:

2Chr 34,3-8: Im zwölften Jahr fing er an, Juda und Jerusalem von den Höhen und den Ascherim und den geschnitzten und gegossenen Bildern zu reinigen. Und man riss die Altäre der Baalim vor ihm nieder; und die Sonnensäulen, die oben darauf waren, hieb er um; und die Ascherim und die geschnitzten und die gegossenen Bilder zerschlug und zermalmte er und streute sie auf die Gräber derer, die ihnen geopfert hatten; und die Gebeine der Priester verbrannte er auf ihren Altären. Und so reinigte er Juda und Jerusalem. Und in den Städten von Manasse und Ephraim und Simeon und bis nach Naphtali hin, in ihren Trümmern ringsum, riss er die Altäre nieder; und die Ascherim und die geschnitzten Bilder zertrümmerte und zermalmte er; und alle Sonnensäulen hieb er um im ganzen Land Israel. Und er kehrte nach Jerusalem zurück.

In 2. Könige 23 finden wir ein noch viel ausführlicheres Verzeichnis der Gräuel, mit denen dieser ergebene Diener Gottes zu kämpfen hatte. Wir wollen jedoch nichts weiter daraus anführen, denn das bereits Erwähnte genügt, um uns zu zeigen, wie sehr sich selbst das Volk Gottes verirren kann, wenn es sich einmal auch nur im geringsten Maß von der Autorität der Heiligen Schrift abwendet. Wir fühlen, dass es eine ganz besondere Unterweisung ist, die uns die höchst interessante Geschichte dieses besten der Könige von Juda liefert. Es ist in der Tat eine ernste Unterweisung. Von dem Augenblick, da jemand um Haaresbreite von der Schrift abweicht, lassen sich die großen Fehltritte, die er begehen kann, nicht ausdenken. Wir mögen erstaunt sein, dass ein Mann wie Salomo dahin kommen konnte, der Astoret, der Gottheit der Sidonier, dem Milkom, dem Gräuel  der Ammoniter, und dem Kamos, dem Gräuel  der Moabiter, nachzuwandeln und ihnen Stätten zu errichten. Aber wenn wir bedenken, dass er zuerst gegen das Wort des HERRN Frauen aus den Nationen nahm, so kann es uns nicht befremden, dass er auch in den größeren Irrtum fiel, deren Gottesdienst anzunehmen.

Ja, mein christlicher Leser, lasst  uns nicht aus den Augen verlieren, dass alle diese Verfehlungen, diese ganze Verderbtheit und Verwirrung, diese Schmach und Entehrung ihren Ursprung in der Vernachlässigung des Wortes Gottes hatten. Das ist eine ernste Tatsache, die beachtet werden muss. Es war immer die besondere Absicht Satans, das Volk Gottes von der Schrift abzulenken. Zu diesem Zweck benutzte er alles: die Überlieferung, die sogenannte Kirche, die Zweckmäßigkeit, die menschliche Vernunft, die öffentliche Meinung, den Ruf, den Charakter, den Einfluss und die Stellung eines Menschen. All dies gebraucht er, um Herzen und Gewissen von dem wahrhaft göttlichen Wahlspruch „Es steht geschrieben!“ abzulenken. Die ungeheure Menge der Irrtümer, die der junge fromme König zu zermalmen vermochte, hatte seinen Ursprung in der Vernachlässigung des göttlichen Buches. Es kümmerte Josia wenig, dass alle diese Dinge sich des Alters sowie der Autorität der Väter des jüdischen Volkes rühmen konnten, und er war auch ebenso wenig durch den Gedanken bewegt, diese Altäre und Höhen, diese Ascherim und Bilder als Beweise der Weitherzigkeit und Freisinnigkeit gegenüber der Beschränktheit, Frömmelei und Unduldsamkeit zu betrachten und in ihnen die Spender des Fortschrittes zu sehen, die nicht in die engen Grenzen jüdischer Vorurteile eingeschlossen sein sollten, sondern durch die weite Welt reisen und alles in den Kreis der Liebe und der Brüderschaft einschließen konnten. Nichts beeinflusste ihn. Alles, was nicht in dem „So spricht der Herr!“ seine Grundlage hatte, das „zermalmte er“.

Teil 3 (2Chr 34,23-28)

Die verschiedenen Abschnitte im Leben Josias sind scharf bezeichnet. „Im achten Jahr seiner Regierung … fing er an, den Gott seines Vaters David zu suchen.“ – „Im zwölften Jahr fing er an, Juda und Jerusalem von den Höhen … zu reinigen.“ – „Und im achtzehnten Jahr seiner Regierung, als er das Land und das Haus reinigte, sandte er Schaphan, den Sohn Azaljas, und Maaseja, den Obersten der Stadt, und Joach, den Sohn Joachas, den Geschichtschreiber, um das Haus des HERRN, seines Gottes, auszubessern.“

Aus diesem allem können wir nun jenen Fortschritt wahrnehmen, der immer auf eine wirkliche Herzensabsicht, dem Herrn zu dienen, folgt. „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ [Spr 4,18]. Solch ein Pfad war der Weg Josias, und so kann auch der Pfad des Lesers sein, wenn er denselben Herzensentschluss hat. Es spielt keine Rolle, wie die Umstände beschaffen sind. Wir können von den feindseligsten Einflüssen umgeben ein, wie es Josia in seiner Zeit war, aber ein Herz voll Hingabe, ein ernstlicher Wille und Entschlossenheit werden uns durch die Gnade über alles erheben und uns befähigen, von Stufe zu Stufe auf dem Pfad der Jüngerschaft vorwärtszukommen.

Wenn wir die ersten zwölf Kapitel des Buches Jeremia durchgehen, können wir uns eine Vorstellung von dem Zustand in den Tagen Josias machen. Dort lesen wir: „Ich werde meine Gerichte über sie aussprechen wegen all ihrer Bosheit, dass sie mich verlassen und anderen Göttern geräuchert und sich vor den Werken ihrer Hände niedergebeugt haben. Du aber gürte deine Lenden und mach dich auf und rede zu ihnen alles, was ich dir gebieten werde. Verzage nicht vor ihnen, damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache“ [Jer 1,16.17]. – „Darum werde ich weiter mit euch rechten, spricht der HERR; und mit euren Kindeskindern werde ich rechten. Denn geht hinüber zu den Inseln der Kittäer und seht, und sendet nach Kedar und hört aufmerksam zu; und seht, ob so etwas geschehen ist! Hat irgendeine Nation die Götter vertauscht? Und doch sind sie nicht Götter; aber mein Volk hat seine Herrlichkeit vertauscht gegen das, was nichts nützt“ [Jer 2,9-11]. – So finden wir auch zu Beginn von Jeremia 3 ein schreckliches Bild gebraucht, um den bösen Wandel des abtrünnigen Israel und des verstockten Juda darzustellen, und im vierten Kapitel lesen wir die Worte: „Dein Weg und deine Handlungen haben dir dies bewirkt; dies ist deine Bosheit; ja, es ist bitter, ja, es dringt bis an dein Herz. Meine Eingeweide, meine Eingeweide! Mir ist angst! Die Wände meines Herzens! Es tobt in mir mein Herz! Ich kann nicht schweigen! Denn du, meine Seele, hörst den Schall der Posaune, Kriegsgeschrei: Zerstörung über Zerstörung wird ausgerufen. Denn das ganze Land ist verwüstet; plötzlich sind meine Zelte zerstört, meine Zeltbehänge in einem Augenblick. Wie lange soll ich das Banner sehen, den Schall der Posaune hören? Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht; törichte Kinder sind sie und unverständig. Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu tun verstehen sie nicht. Ich schaue die Erde an, und siehe, sie ist wüst und leer; und zum Himmel, und sein Licht ist nicht da. Ich schaue die Berge an, und siehe, sie beben; und alle Hügel schwanken. Ich schaue, und siehe, kein Mensch ist da, der Karmel ist eine Wüste; und alle seine Städte sind niedergerissen vor dem HERRN, vor der Glut seines Zorns“ [Jer 4,18-28].

Welch eine lebendige Sprache! Für den Blick des Propheten ist der ganze Schauplatz in den ursprünglichen chaotischen Zustand und die Finsternis zurückgefallen. Nichts konnte trüber sein als der hier geschilderte Anblick. Alle diese Kapitel müssen sorgfältig betrachtet werden, wenn wir ein richtiges Urteil über die Zeit Josias erhalten wollen. Es war offenkundig eine Zeit tiefsitzender und allgemein verbreiteter Verderbnisse jeder Art. Hohe und Niedrige, Reiche und Arme, Gelehrte und Ungelehrte, Propheten, Priester und Volk, alle stellten ein abschreckendes Bild von Falschheit, Betrug und herzloser Bosheit dar, das nur von einer inspirierten Feder treu dargestellt werden konnte.

Warum verweilen wir hierbei? Warum führen wir Beweise an von dem moralischen Zustand Israels und Judas in den Tagen des Königs Josia? Hauptsächlich, um zu zeigen, dass wir persönlich dem Herrn dienen können, wenn nur das Herz die Absicht hat, es zu tun; denn in den dunkelsten Zeiten strahlt das Licht treuer Hingebung am hellsten, es sticht von der Dunkelheit ringsumher umso mehr ab. Gerade die Umstände, die Gleichgültigkeit und Untreue als Vorwand für die Nachgiebigkeit, dem Strom zu folgen, gebrauchen wollen, liefern einem ergebenen Herzen einen Grund, sich dagegenzustemmen. Wenn Josia um sich schaut, was sah er? Verrat, Betrug, Verderbtheit und Gewalttat. So war der Zustand der öffentlichen Moral. Und wie stand es um die Religion? Verkehrtes und Böses in jeder nur denkbaren Form. Einiges davon stammte aus sehr alter Zeit. Es wurde von Salomo eingeführt, und selbst Hiskia hatte es bestehen lassen. Der Grund dazu wurde schon in der glänzenden Regierung des weisesten und reichsten Königs von Israel gelegt, und der frömmste und der ergebenste unter den Vorfahren Josias hatte es bestehen lassen, wo er es vorfand.

Wer war denn Josia, dass er sich anmaßte, so ehrwürdige Einrichtungen umzustoßen? Welches Recht hatte er, der noch so junge, unerfahrene Mann, sich in Widerspruch zu setzen mit Männern, die ihn an Weisheit, Einsicht und reifem Urteil weit übertrafen? Warum ließ er die Dinge nicht, wie er sie fand? Warum erlaubte er dem Strom nicht, ruhig in dem Bett weiterzufließen, das ihm seit Generationen gegeben worden war? Eingriffe sind gewagt; es ist ein großes Wagnis, allen Vorurteilen entgegenzutreten.

Diese und tausend ähnliche Fragen hätten das Herz Josias bewegen können, aber die Antwort war einfach, klar und entschieden. Es war nicht das Urteil Josias gegenüber dem Urteil seiner Vorfahren, sondern das Urteil Gottes gegen alles. Das ist ein sehr wichtiger Grundsatz für jedes Kind Gottes und für jeden Diener Christi. Ohne ihn können wir uns nie dem Strom des Bösen, der um uns her fließt, entgegenstellen. Dieser Grundsatz hielt Luther aufrecht in dem harten Kampf, den er mit der ganzen Christenheit zu führen hatte. Auch er musste, wie Josia, die Axt an die Wurzel alter Vorurteile legen und gerade an der Grundlage der Meinungen und Lehren rütteln, die seit mehr als tausend Jahren allgemeine Geltung in der Kirche hatten. Wie konnte das geschehen? Etwa dadurch, dass man das Urteil Martin Luthers gegen das Urteil der Päpste und Kardinale, der Konzilien, Bischöfe und Lehrer stellte? Gewiss nicht; das hätte die Reformation sicher nicht herbeigeführt. Es war nicht Luther gegen die Christenheit, sondern die Heilige Schrift gegen den Irrtum.

Möchten wir das wohl bedenken! Dies ist für unsere Zeit eine ebenso wichtige Lektion wie für die Tage Luthers und Josias. Wir fordern die Oberherrschaft der Heiligen Schrift, die oberste Autorität des Wortes Gottes, die unumschränkte Herrschaft der göttlichen Offenbarung, ehrfurchtsvoll von der Kirche Gottes in ihrer ganzen Ausdehnung anerkannt. Wir sind überzeugt, dass man allerorts und durch alle Mittel fleißig bestrebt ist, die Autorität des Wortes zu untergraben und seinen Einfluss auf das menschliche Gewissen zu schwächen. Und weil wir dies fühlen, suchen wir immer wieder den Ruf einer ernsten Warnung zu erheben und nach unserer Fähigkeit hervorzuheben, wie wichtig es ist, sich in allen Dingen der inspirierten Schrift zu unterwerfen, der Stimme Gottes in der Schrift. Es ist notwendig, dass wir in allen Dingen unbedingt von der Autorität der Schrift begleitet werden – nicht von der Auslegung der Schrift durch sterbliche Männer, sondern von der Schrift selbst. Es ist notwendig, dass wir der Lehre des Wortes Gottes zu allen Zeiten und in jeder Lage den ersten und letzten Platz einräumen.

Dies finden wir in sehr lebendiger Weise dargestellt im Leben und in den Zeiten Josias und besonders in den Vorgängen des achtzehnten Jahres seiner Regierung, auf die wir jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers richten wollen. Dies Jahr war eines der denkwürdigsten, nicht nur in der Geschichte Josias, sondern auch in den Annalen Israels. Es zeichnete sich durch zwei große Tatsachen aus: die Entdeckung des Gesetzbuches und die Feier des Passah. Wunderbare Ereignisse! Ereignisse, die ihren Eindruck auf diesem sehr wichtigen Zeitabschnitt hinterlassen haben und ihn in Bezug auf die Belehrung für das Volk Gottes zu allen Zeiten überaus fruchtbar gemacht haben.

Es ist erwähnenswert, dass die Entdeckung des Gesetzbuches gerade in der Zeit gemacht wurde, als die reformatorischen Maßnahmen Josias ihren Fortgang nahmen. Dies liefert einen der Tausende von Beweisen des großen praktischen Grundsatzes, dass „jedem, der hat, gegeben werden wird, und er wird Überfluss haben“ [Mt 25,29]. – Und: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist“ [Joh 7,17].

2Chr 34,8-19: Im achtzehnten Jahr seiner Regierung, als er das Land und das Haus reinigte, sandte er Schaphan, den Sohn Azaljas, und Masseja, den Obersten der Stadt, und Joach, den Sohn Joachas, den Geschichtsschreiber, um das Haus des HERRN, seines Gottes, auszubessern. Und sie kamen zu Hilkija, dem Hohenpriester, und gaben das Geld, das in das Haus Gottes gebracht worden war … Und als sie das Geld herausnahmen, das in das Haus des HERRN gebracht worden war, fand der Priester Hilkija das Buch des Gesetzes des HERRN durch Mose. Da hob Hilkija an und sprach zu Schaphan, dem Schreiber: Ich habe das Buch des Gesetzes im Haus des HERRN gefunden. Und Hilkija gab das Buch Schaphan. Und Schaphan brachte das Buch zum König. … Und Schaphan las darin vor dem König. Und es geschah, als der König die Worte des Gesetzes hörte, da zerriss er seine Kleider.

Hier haben wir ein zartes Gewissen, das sich unter die Wirkung des Wortes Gottes beugt. Das war ein besonderer Zug im Charakter Josias. Er war in der Tat ein Mann mit einem demütigen und zerschlagenen Geist, der bei dem Wort Gottes zitterte. Möchten wir alle mehr davon kennen! Es ist ein sehr beachtenswerter Zug des christlichen Charakters. Wir haben sicher nötig, das Gewicht, die Autorität und den Ernst der Schrift weit tiefer zu fühlen. Josia hatte in seinem Herzen keine Frage über die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Worte, die Schaphan ihm vorgelesen hatte. Wir lesen nicht, dass er gesagt hat: „Wie kann ich wissen, dass dies das Wort Gottes ist?“ Nein, er zitterte davor. Er beugte sich vor ihm. Er wurde dadurch niedergeschlagen. Er zerriss seine Kleider. Er maßte sich nicht an, über das Wort Gottes zu Gericht zu sitzen, sondern er ließ zu, dass das Wort Gottes ihn richtete, wie es geziemend und recht war.

So sollte es stets sein. Wenn der Mensch die Schrift beurteilen kann, dann ist die Schrift keineswegs das Wort Gottes. Aber wenn die Schrift in Wahrheit Gottes Wort ist, dann muss sie den Menschen beurteilen. Und das tut sie. Die Schrift ist das Wort Gottes und beurteilt den Menschen gründlich. Sie legt die Wurzeln seiner Natur bloß, sie schließt die Grundlagen seines moralischen Wandels auf, sie hält ihm den einzigen wahren Spiegel vor, in dem er sich in seiner wirklichen Gestalt sehen kann. Das ist der Grund, warum der Mensch die Schrift nicht liebt, sie nicht ertragen kann, sie beiseitesetzen will, seine Freude darin findet, sie mit Geringschätzung zu betrachten, und es wagt, über sie zu Gericht zu sitzen. Er macht es nicht so mit anderen Büchern. Aber das ist erklärlich. Denn die Schrift beurteilt ihn, richtet seine Wege, seine Lüste. Daher kommt die Feindschaft des natürlichen Herzens gegen dies so kostbare und wunderbare Buch, das, wie wir bereits bemerkt haben, für jedes göttlich zubereitete Herz seine eigene Beglaubigung bei sich führt. Es ist eine Macht in der Schrift, die alles vor ihr niederdrücken muss. Alles muss sich früher oder später vor ihr beugen. „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Heb 4,12.13).

Josia fand, dass es gerade so sein müsse. Das Wort Gottes durchbohrte ihn durch und durch:

2Chr 34,19-21: Und es geschah, als der König die Worte des Gesetzes hörte, da zerriss er seine Kleider. Und der König gebot Hilkija und Achikam, dem Sohn Schaphans, und Abdon, dem Sohn Michas, und Schaphan, dem Schreiber, und Asaja, dem Knecht des Königs, und sprach: Geht hin, befragt den HERRN für mich und für die Übriggebliebenen in Israel und in Juda wegen der Worte des aufgefundenen Buches. Denn groß ist der Grimm des HERRN, der sich über uns ergossen hat, weil unsere Väter das Wort des HERRN nicht gehalten haben, um nach allem zu tun, was in diesem Buch geschrieben steht.

Welch ein auffallender Gegensatz zwischen Josia, der mit betrübtem Herzen, erwachtem Gewissen und zerrissenen Kleidern sich unter die gewaltige Wirkung des Wortes Gottes niederbeugte, und unseren Zweiflern und Ungläubigen, die mit erschreckender Kühnheit es wagen, über dasselbe Wort zu Gericht zu sitzen. O dass die Menschen doch beizeiten weise sein und ihre Herzen und Gewissen in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter das Wort des lebendigen Gottes bringen möchten, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt, an dem sie unter Weinen, Wehklagen und Zähneknirschen genötigt sein werden, sich unter das Wort Gottes zu beugen!

Das Wort Gottes wird immer bestehen bleiben, und es hilft dem Menschen nicht, sich ihm zu widersetzen oder durch seine überlegenen und zweifelnden Spekulationen Irrtümer und Widersprüche darin ausfindig machen zu wollen. „In Ewigkeit, HERR, steht dein Wort fest in den Himmeln“ [Ps 119,89]. – „Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“ [Mt 24,35; Mk 13,31; Lk 21,33]. – „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“ [1Pet 1,25]. – Was kann es daher dem Menschen nützen, dem Wort Gottes zu widerstehen? Er kann nichts gewinnen; aber ach, wie viel kann er verlieren! Wenn ein Mensch die Unechtheit der Bibel beweisen könnte, was hätte er dabei gewonnen? Aber wenn sie doch wahr ist, was verliert er? Welch eine ernste Wahrheit! Möchte ihr Ernst doch von jedem gefühlt werden, dessen Herz unter dem Einfluss von Schlussfolgerungen oder ungläubiger Einwendungen steht! Fahren wir jedoch in unserer Geschichte fort:

2Chr 34,22: Da gingen Hilkija und diejenigen, der der König gesandt hatte, zur Prophetin Hulda, der Frau Schallums, des Sohnes Tokhats, des Sohnes Hasras, des Hüters der Kleider; sie wohnte aber in Jerusalem im zweiten Stadtteil; und sie redeten auf diese Weise zu ihr. 

Beim Beginn unserer Betrachtung bemerkten wir die Tatsache, dass als Kennzeichen des Zustands im Volk Gottes ein achtjähriges Kind auf dem Thron Davids saß. Hier stehen wir vor der Tatsache, dass der prophetische Dienst von einer Frau ausgeübt wird. Sicher soll damit etwas gesagt werden. Der Zustand des Volkes hatte einen Tiefpunkt erreicht, aber die Gnade Gottes war unerschöpflich und überströmend, und Josia war so völlig gebrochen, dass er bereit war, die Mitteilung des Herzens Gottes anzunehmen, durch welchen Mund sie auch zu ihm gelangen mochte. Das ist in der Tat beachtenswert. Nach Ansicht der Natur mag es für den König Judas sehr demütigend gewesen sein, zu den Ratschlägen einer Frau seine Zuflucht nehmen zu müssen. Aber damals war diese Frau die Verwalterin der Geheimnisse des Herzens Gottes, und dies war völlig genug für einen zerschlagenen und betrübten Geist. Er hatte bis dahin den Beweis abgelegt, dass sein größtes Verlangen darin bestand, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun; und daher bekümmerte es ihn nicht, durch welches Mittel dieser Wille an sein Ohr drang. Er war bereit, zu hören und zu gehorchen.

Hierin liegt zu allen Zeiten das wahre Geheimnis einer göttlichen Leitung. „Er leitet die Sanftmütigen im Recht, und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg“ (Ps 25,9). Wäre diese gesegnete Gesinnung der Demut mehr unter uns vorhanden, dann würde weniger Verwirrung und Widerspruch, weniger Streit und Hader um Worte sein, die keinen Nutzen schaffen. Wenn wir alle demütig wären, würden wir alle göttlich geleitet und göttlich belehrt werden, eines Sinnes zu sein, ein und dasselbe zu reden und die Zersplitterungen und gegenseitigen Anfeindungen entschieden zu vermeiden.

Welch eine deutliche Antwort empfängt der demütige und betrübte König aus dem Mund der Prophetin Hulda – sowohl für sein Volk als auch für sich selbst:

2Chr 34,23-25: Und sie sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Sagt dem Mann, der euch zu mir gesandt hat: So spricht der HERR: Siehe, ich will Unglück bringen über diesen Ort und über seine Bewohner: alle Flüche, die in dem Buch geschrieben sind, das man vor dem König von Juda gelesen hat. Weil sie mich verlassen und anderen Göttern geräuchert haben, um mich zu reizen mit all den Machwerken ihrer Hände, so hat mein Grimm sich über diesen Ort ergossen, und er wird nicht erlöschen.

Dies alles war nur die feierliche Wiederholung dessen, was das offene und aufmerksame Ohr des Königs schon gehört hatte, aber es kam mit Gewalt, Nachdruck und Gewicht, frisch und als eine direkt und persönlich an ihn gerichtete Mitteilung. Es kam verstärkt und gesteigert durch den ernsten Ausspruch: „Sagt dem Mann, der euch zu mir gesandt hat.“

Aber hier fand sich noch mehr: Auch eine Gnadenbotschaft, die Josia selbst betraf, war noch vorhanden:

2Chr 34,26-28: Zum König von Juda aber, der euch gesandt hat, um den HERRN zu befragen, zu ihm sollt ihr so sprechen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Die Worte betreffend, die du gehört hast – weil dein Herz weich geworden ist und du dich vor Gott gedemütigt hast, als du seine Worte über diesen Ort und über seine Bewohner hörtest, und du dich vor mir gedemütigt und deine Kleider zerrissen und vor mir geweint hast, so habe ich es auch gehört, spricht der HERR. Siehe, ich werde dich zu deinen Vätern versammeln, und du wirst zu deinen Gräbern versammelt werden in Frieden; und deine Augen sollen all das Unglück nicht ansehen, das ich über diesen Ort und über seine Bewohner bringen werde. – Und sie brachten dem König Antwort.

Dies alles ist voll Belehrung und Ermutigung für uns in diesen dunklen und bösen Tagen. Wir lernen hier den Wert einer tiefen persönlichen Betrübnis des Herzens nach göttlicher Wertschätzung kennen. Josia hätte den Fall als hoffnungslos betrachten und denken können, dass nichts den gewaltigen Strom des Zornes und des Gerichts, der über die Stadt Jerusalem und das Land Israel herabstürzen würde, aufhalten könnte; dass jede Anstrengung, ihn aufzuhalten, sich als vollkommen nutzlos erweisen würde; dass es der Vorsatz Gottes sei, das Gericht auszuführen – kurz, dass er nur dabeizustehen und den Dingen ihren Lauf zu lassen habe. Aber Josia urteilte nicht so. Er beugte sich vor dem göttlichen Zeugnis. Er demütigte sich, zerriss seine Kleider und weinte. Gott nahm Kenntnis davon. Josias Bußtränen waren köstlich für den HERRN, und obwohl das schreckliche Gericht seinen Lauf nehmen musste, so entkam doch der Bußfertige. Und nicht nur entkam er selbst, sondern er wurde in der Hand des HERRN zu einem gesegneten Werkzeug, um auch andere zu retten. Er überließ sich nicht dem Einfluss eines gefährlichen Verhängnisglaubens, sondern er warf sich mit gebrochenem Geist und zerknirschtem Herzen vor Gott, indem er seine eigene Sünde und die Sünde des Volkes bekannte. Und als er von seiner eigenen Rettung überzeugt war, suchte er auch die Rettung seiner Brüder zu bewirken. Das ist eine herrliche Belehrung für das Herz.

Teil 4 (2Chr 34,29-33)

Es ist sehr anziehend und belehrend, die Handlungen Josias zu betrachten, als sein Herz und Gewissen unter den mächtigen Einfluss des Wortes Gottes gebracht waren. Er beugte nicht nur sich selbst unter dieses Wort, sondern versuchte auch andere dahin zu bringen. Das wird immer der Fall sein, wenn das Werk echt ist. Es ist unmöglich, dass jemand das Gewicht und die Erhabenheit der Wahrheit fühlt, ohne sich zugleich auch angeregt zu fühlen, andere unter ihre Wirkung zu bringen. Allerdings kann ein Teil der Wahrheit vom Verstand, oberflächlich und in einer nur spekulativen, eingebildeten Weise festgehalten werden, aber dies wird keine praktische Wirkung haben. Es sagt dem Herzen und Gewissen nichts, es berührt nicht das Leben und den Charakter. Wenn aber die Wahrheit nicht unsere eigenen Seelen berührt hat, wird es, wenn wir sie darstellen wollen, keinen Einfluss auf andere ausüben. Zwar ist Gott unumschränkt, und Er kann sein Wort gebrauchen, selbst wenn es von jemand vorgetragen wird, der nie wirklich seinen Einfluss gefühlt hat, aber wir dürfen versichert sein, dass wir die Wahrheit selbst tief fühlen müssen, wenn wir in anderen ein tiefes Gefühl davon hervorbringen wollen.

Nehmen wir als Beispiel irgendeine Wahrheit, zum Beispiel die vom Kommen des Herrn. Wie kann jemand seine Zuhörer durch ihre Darstellung einnehmen? Ohne Zweifel doch nur dann, wenn er selbst tief von ihr eingenommen ist. Wenn das Herz unter der Gewalt des ernsten Wortes „Der Herr ist nahe!“ steht, wenn diese Wahrheit in ihrem ganzen Ernst angesichts der Welt verwirklicht und von den einzelnen Gläubigen wie von der insgesamt in ihrer Anziehungskraft gefühlt wird, dann wird sie sicher in einer Weise offenbart werden, die imstande ist, die Herzen der Zuhörer zu berühren. Es mag eine sehr klare und kunstvolle Darstellung der Lehre von der zweiten Ankunft des Herrn und aller damit zusammenhängenden Wahrheiten sein, aber wenn sie kalt und herzlos ist, wird sie ohne Eindruck bei den Zuhörern bleiben. Um zum Herzen des Hörenden zu reden, muss das Herz des Sprechenden fühlen.

Wir wollen indes durchaus nicht sagen, dass die Art der Darstellung der Wahrheit an und für sich eine Seele bekehren kann. Selbst die Tränen eines Predigers können nicht lebendig machen. Sein tiefster Ernst kann keine Wiedergeburt bewirken. Es ist „nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen“ [Sach 4,6]. Nur durch die mächtige Wirkung des Wortes und des Geistes Gottes kann eine Seele wiedergeboren werden. Das ist eine unumstößliche Wahrheit. Aber wir sind ebenso fest überzeugt, dass Gott eine ernste Predigt segnet und dass Seelen durch sie in Bewegung gebracht werden. Wir brauchen daher mehr Ernst, mehr Tiefe des Gefühls, mehr Innigkeit, mehr herzliches Erbarmen, um im Blick auf das Gericht Gottes über den unbußfertigen Sünder über die Seelen der Menschen zu weinen, und vor allem brauchen wir ein lebendigeres Gefühl über den Wert einer unsterblichen Seele in den Augen Gottes. Ja, wir sind überzeugt, dass ernstes, treues Predigen eines der besonderen Bedürfnisse unserer Zeit ist. Es gibt hier und da etliche, die – Gott sei Dank – zu fühlen scheinen, dass sie vor ihren Zuhörern als Kanäle zur Mitteilung zwischen Gott und ihren Mitmenschen stehen und sich dem Werk des Herrn, der Errettung und Segnung der Seelen mit Aufrichtigkeit widmen. Die große Arbeit des Evangelisten ist, die Seele mit Christus zusammenzubringen; die Arbeit des Lehrers und Hirten aber erstreckt sich dahin, dass die Seele mit Christus in Gemeinschaft bleibt. Es ist sehr gesegnet und wahr, dass durch die Enthüllung der Wahrheit – mögen die Menschen sie hören oder nicht – Gott verherrlicht und Jesus Christus hoch erhoben wird. Aber wenn der Arbeiter des Herrn keine Erfolge sieht, wird er damit zufrieden sein? Nein, er wird ohne Ergebnisse ebenso wenig vorangehen wollen, wie ein Weingärtner jahraus jahrein ohne eine Ernte arbeiten möchte. Unsere Sache ist es, im Gebet für die Seelen zu ringen, alle unsere Energie auf das Werk zu richten und zu arbeiten, als ob die ganze Sache auf uns liege, obwohl wir ja wissen, dass wir gar nichts tun können und dass unsere Worte sich wie Morgennebel erweisen, wenn sie nicht vom Herrn der Versammlungen wie ein Nagel an einem bestimmten Ort befestigt werden. Wir sind überzeugt, dass in der göttlichen Ordnung der ernste Arbeiter die Frucht seiner Arbeit haben muss und dass er in seinem von Gott bezeichneten Wirkungskreis früher oder später diese Frucht ernten wird.

Zu diesen Gedanken kamen wir durch die Betrachtung der interessanten Szene im Leben Josias, die uns am Schluss von 2. Chronika 34 vorgestellt wird. Es wird uns nützlich sein, noch ein wenig dabei zu verweilen. Josia war ein durchaus ernster Mann. Er fühlte die Macht der Wahrheit in seiner eigenen Seele, und er begnügte sich nicht eher, bis er das Volk um sich versammelt hatte, damit das ihm zuteilgewordene Licht auch auf sie scheinen möge. Er wollte und konnte nicht bei der Tatsache stehenbleiben, dass er im Frieden zu seinen Vätern versammelt werden sollte, ohne jenes Böse zu sehen, das sich in Kürze über Jerusalem und über das Land ergießen würde. Nein, er dachte an andere; er fühlte für das Volk, das ihn umgab; und insoweit seine persönliche Errettung auf seine wahre Buße und Demütigung unter die mächtige Hand Gottes gegründet war, suchte er durch die Wirksamkeit des Wortes, das so mächtig in seinem Herzen gewirkt hatte, auch andere zu ähnlicher Buße und Demütigung zu führen.

2Chr 34,31-33: Und der König stand auf seinem Standort und schloss den Bund vor dem HERRN, dem HERRN nachzuwandeln und seine Gebote und seine Zeugnisse und seine Satzungen zu halten mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen Seele, um die Worte des Bundes zu tun, die in diesem Buch geschrieben sind. Und er ließ alle in den Bund treten, die sich in Jerusalem und in Benjamin befanden. Und die Bewohner von Jerusalem taten nach dem Bund Gottes, des Gottes ihrer Väter. Und Josia tat alle Gräuel weg aus allen Ländern, die den Kindern Israel gehörten; und er hielt alle an, die sich in Israel befanden, de, HERRN, ihrem Gott, zu dienen. Alle seine Tage wichen sie nicht ab von der Nachfolge des HERRN, des Gottes ihrer Väter.

Welch eine herrliche Unterweisung finden wir hier für uns! Was uns aber vor allem bei dieser Betrachtung auffällt, ist die Tatsache, dass Josia seine Verantwortung für alle um ihn her fühlte. Er stellte sein Licht nicht unter einen Scheffel, sondern ließ es zum Nutzen anderer leuchten. Dies alles ist umso auffallender, als die große praktische Wahrheit von der Einheit aller Gläubigen in einem Leib dem jungen König nicht bekannt war, da Gott sie noch nicht offenbart hatte. Die Lehre „Ein Leib und ein Geist“ trat erst lange nach den Zeiten Josias ans Licht, und zwar, wie wir wissen, erst nachdem Christus, das auferstandene Haupt, seinen Sitz zur Rechten der Majestät in der Höhe eingenommen hatte.

Aber obwohl diese Wahrheit noch in Gott verborgen war, zeigte sich doch hier die Einheit des Volkes Israel, und diese Einheit wurde stets von den Gläubigen jener Tage anerkannt, was der äußere Zustand des Volkes auch sein mochte. Die zwölf Brote auf dem Schaubrottisch im Heiligtum waren das göttliche Vorbild der vollkommenen Einheit, wenn auch zugleich der vollkommenen Unterscheidung der zwölf Stämme (3Mo 24). Jeder Schriftforscher und jeder Freund der Wege Gottes sollte sich stets dessen bewusst sein. Während der düsteren und stillen Nachtwachen strahlten die sieben Lampen des goldenen Leuchters ihr Licht auf die zwölf Brote, die von der Hand des Hohenpriesters nach dem Gebot auf den reinen Tisch gelegt wurden. Hier sehen wir also die unauflösliche Einheit der zwölf Stämme Israels in der lebendigsten Weise dargestellt, eine Wahrheit, die Gott offenbart und aufrechterhalten hatte und die der Glaube seines Volkes stets anerkannt hatte und darum auch demgemäß handelte.

Gestützt auf diese Wahrheit handelte Elia, der Tisbiter, als er auf dem Berg Karmel einen Altar aus zwölf Steinen nach der Zahl der zwölf Stämme der Söhne Jakobs baute, zu dem das Wort des HERRN kam und sprach: „Israel soll dein Name sein!“ (1Kön 18,31). Auf dieselbe Wahrheit achtete Hiskia, als er befahl, dass das Brand- und Sündopfer für ganz Israel geschehen sollte (2Chr 29,24). Paulus nahm zu seiner Zeit Bezug auf diese kostbare Wahrheit, als er vor dem König Agrippa stand und „unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend“, erwähnte (Apg 26,7).

Wenn nun einer dieser Glaubensmänner gefragt worden wäre: „Wo sind die zwölf Stämme?“ – hätte er eine Antwort geben, hätte er sie ausfindig machen können? Gewiss, aber nicht sichtbar, nicht für das Auge des Menschen, denn das Volk war getrennt, seine Einheit war gebrochen. In den Tagen Elias und Hiskias gab es zehn und zwei Stämme, und in den Tagen des Paulus waren die zehn Stämme zerstreut und nur ein Überrest der zwei Stämme fand sich im Land. Was nun? Wurde die Wahrheit Gottes durch Israels äußere Lage zunichtegemacht? Weit gefehlt! „Unser zwölfstämmiges Volk“ darf nie aufgegeben werden. Die Einheit des Volkes ist für den Glauben eine große Wirklichkeit. Sie ist in diesem Augenblick so wahr wie damals, als Josua die zwölf Steine zu Gilgal aufrichtete. Das Wort unseres Gottes wird immer bestehen. Nicht ein Strichlein von dem, was Er geredet hat, wird je vergehen.

Wechsel und Verfall mag die Geschichte menschlicher Angelegenheiten kennzeichnen, Tod und Verwüstung mögen wie ein austrocknender Wind über den schönsten Samen der Erde hinweggehen, aber der HERR wird jedes seiner Worte wahrmachen, und Israels zwölf Stämme werden sich noch einmal des verheißenen Landes erfreuen in seiner ganzen Länge, Breite und Fülle. Keine Macht der Erde oder der Hölle wird diese gesegnete Erfüllung verhindern können. Warum? – Weil der Mund des HERRN geredet hat.

Es ist von großer Bedeutung, sich über diese Wahrheit im Klaren zu sein. Nicht nur wegen ihrer besonderen Beziehung auf Israel und das Land Kanaan, sondern vor allem, weil Gott es ist, der Israel als ein Ganzes bezeichnet. Es gibt eine leichtfertige Art und Weise, mit dem Wort Gottes umzugehen, die sowohl Ihn entehrt als auch uns schadet. Stellen, die besonders ausschließlich Jerusalem und Israel angehen, werden auf die Verbreitung des Evangeliums und die Ausdehnung der christlichen Kirche angewendet. Das ist gelinde gesagt eine unverantwortliche Freiheit gegenüber der heiligen Offenbarung. Unser Gott kann gewiss sagen, was Er meint, und ganz gewiss meint Er, was Er sagt. Wenn Er daher von Israel und Jerusalem spricht, so meint Er nicht die Kirche; und wenn Er von der Kirche spricht, so meint Er nicht Israel und Jerusalem. Wenn wir uns erlauben, leichtfertig und sorglos hinsichtlich eines Teiles der Schriften zu sein, dann werden wir es auch hinsichtlich jedes anderen sein, und auf diese Weise wird unser Gefühl von der Autorität der Schrift mehr und mehr untergraben.

Doch wir wollen zu Josia zurückkehren und sehen, wie er nach seinem Maß den großen Grundsatz anerkannte, bei dem wir stehengeblieben sind. Er machte in der Tat keine Ausnahme von der allgemeinen Regel, sondern trat in die Fußstapfen aller gottesfürchtigen Könige von Juda, die stets auf die Einheit des Volkes Israel blickten und nie zugaben, dass ihre Gedanken, ihre Sympathien und ihre Handlungen von einem engeren Rahmen als dem des zwölfstämmigen Volkes begrenzt wurden. Die zwölf Brote auf dem Schaubrottisch waren stets vor Gottes Augen und den Augen des Glaubens. Auch war dies keine bloße Anschauung, kein leeres Dogma, kein toter Buchstabe, sondern es war in jedem Fall eine große, praktische und einflussreiche Wahrheit. „Josia tat alle Gräuel  hinweg aus allen Ländern, die den Kindern Israel gehörten“ [2Chr 34,33]. Das war eine Tat, die in Übereinstimmung war mit seinem Vorfahren Hiskia, der einst befohlen hatte, dass das Brandopfer und Sündopfer für ganz Israel dargebracht werden sollte.

Und nun, mein christlicher Leser, achte auf die Anwendung von all diesem auf unsere eigenen Seelen in der heutigen Zeit. Glaubst du, auf die göttliche Autorität hin von Herzen an die Einheit des Leibes Christi? Glaubst du, dass sich hier auf dieser Erde ein solcher Leib befindet, und zwar durch den Heiligen Geist mit seinem göttlichen, lebendigen Haupt im Himmel vereinigt? Glaubst du diese göttliche, in der Heiligen Schrift mitgeteilte Wahrheit? Mit einem Wort: Hältst du fest an der unauflöslichen Einheit der Versammlung Gottes, als an einer Grundwahrheit des Neuen Testaments? Frage nicht: „Wo ist sie zu sehen?“ Dies ist eine Frage, die der Unglaube stets stellen muss, weil sein Auge auf die zahllosen Sekten und Parteiungen der Christenheit gerichtet ist, während der Glaube hinblickt auf den unvergänglichen Ausspruch: „Da ist ein Leib und ein Geist“ [Eph 4,4]. Achte auf die Worte: „Da ist“, und nicht: „Da war“, oder: „Da wird sein.“ Auch lesen wir nicht, dass so etwas im Himmel besteht, sondern „da ist ein Leib und ein Geist“ jetzt auf dieser Erde. Kann diese Wahrheit durch den Zustand in der bekennenden Kirche angetastet werden? Hat Gottes Wort aufgehört, wahr zu sein, weil der Mensch aufgehört hat, treu zu sein? Wagt jemand zu behaupten, die Einheit des Leibes sei nur eine Wahrheit für die apostolische Zeit gewesen und habe keine Anwendung mehr auf die Gegenwart, weil ihre Verwirklichung fehle?

Hüte dich, mein teurer Leser, dein Herz einer solchen ungläubigen Gesinnung zu öffnen! Du kannst versichert sein, dass sie die Frucht wirklichen Unglaubens in Bezug auf das Wort Gottes ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Schein gegen diese Wahrheit ist. Aber baut der Glaube auf das, was das Auge sieht? Baute Elia auf das Sichtbare, als er seinen Altar nach der Zahl der zwölf Stämme aus zwölf Steinen aufrichtete? Baute der König Hiskia auf das Sichtbare, als er jenes schöne Gebot erließ, dass das Brandopfer und das Sündopfer für ganz Israel gebracht werden sollte? Baute Josia auf das Sichtbare, als er seine reformatorischen Bestrebungen in allen Ländern, die den Kindern Israel gehörten, durchsetzte? Keineswegs. Sie alle bauten auf das wahre Wort des Gottes Israels. Dieses Wort war wahr, mochten Israels Stämme nun zerstreut oder vereinigt sein. Wenn die Wahrheit Gottes durch äußeren Schein oder durch die Wirksamkeit der Menschen angetastet werden kann, wo befinden wir uns dann? Und was haben wir zu glauben? Es ist eine Tatsache, dass es in der ganzen göttlichen Offenbarung kaum eine Wahrheit gibt, der wir mit ruhigem Vertrauen unsere Seele übergeben können, wenn wir zugeben, dass etwas durch den äußeren Anschein angetastet werden kann.

Nein, mein Leser, der einzige Grund, auf dem unser Glaube ruhen kann, ist der eine ewige Ausspruch: „Es steht geschrieben!“ Gibst du das zu? Beugt sich deine Seele darunter? Glaubst du nicht, dass dies ein ganz lebendiger Grundsatz ist? Wir sind der Meinung, dass du ihn als Christ anerkennen musst. Nun denn, es steht geschrieben: „Da ist ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4). Das offenbart uns die Schrift ebenso klar wie das Wort: „Wir sind gerechtfertigt worden aus Glauben“ [Röm 5,1], oder wie jede andere Wahrheit. Wird die rettende Grundlehre von der Rechtfertigung aus Glauben durch äußeren Anschein erschüttert? Haben wir  diese kostbare Wahrheit in Frage zu stellen, weil so wenig Verwirklichung ihrer reinigenden Kraft in dem Leben der Gläubigen zu finden ist? Wer möchte einen so verderblichen Grundsatz aufstellen? Welch einen vollständigen Umsturz aller Grundlagen unseres Glaubens würde das bewirken! Wir glauben, weil es im Wort geschrieben steht, nicht, weil es in der Welt verwirklicht wird. Allerdings sollte es verwirklicht werden, und es ist unsere Sünde und Schande, dass es nicht geschieht. Auf dieses werden wir später noch zurückkommen, aber wir müssen auf dem eigentlichen Grund des Glaubens beharren, das heißt auf dem Boden der göttlichen Offenbarung. Wenn dies klar geschehen und völlig anerkannt ist, findet es seine Anwendung ebenso sicher auf die Einheit des Glaubens wie auf die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben.

Teil 5 (2Chr 30,6-9)

Es ist von größter Wichtigkeit, auf diesem Vorsatz zu beharren, weil dies der einzige Grund ist, auf den unser Glaube bezüglich jeder im Wort Gottes offenbarten Lehre sich stützen kann. Auf diese Weise glauben wir alle die erhabenen Wahrheiten des Christenglaubens. Wir wissen nichts und können nichts Geistliches, Himmlisches und Göttliches glauben, wenn wir es nicht im Wort Gottes offenbart finden. Woher weiß ich, dass ich ein Sünder bin? Weil die Schrift erklärt hat, dass wir alle gesündigt haben. Ohne Zweifel fühle ich, dass ich ein Sünder bin, aber ich glaube es nicht, weil ich es fühle, sondern ich fühle es, weil ich es glaube; und ich glaube es, weil Gott es gesagt hat. Der Glaube ruht auf göttlicher Offenbarung, nicht auf menschlichen Gefühlen oder Schlussfolgerungen. „Es steht geschrieben“ – das ist völlig ausreichend für den Glauben. Nichts weniger genügt und nichts mehr ist notwendig. Gott spricht es und der Gläubige glaubt es; er glaubt einfach, weil Gott spricht. Er beurteilt das Wort Gottes nicht nach dem äußeren Anschein, sondern er beurteilt den äußeren Anschein nach dem Wort Gottes.

So ist es mit allen Hauptwahrheiten des Christentums, sei es die Lehre von der Dreieinheit, der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus, seines Versöhnungswerkes, seines Priestertums, seiner Wiederkunft, oder die Lehre von dem Sündenfall des Menschen, von der Rechtfertigung, dem künftigen Gericht, der ewigen Verdammnis. Wir glauben diese erhabenen und ernsten Wahrheiten nicht aufgrund des Gefühls, sondern einfach aufgrund der göttlichen Offenbarung.

Wenn nun gefragt wird, auf welchem Grund unser Glaube an die Lehre von der Einheit des Leibes ruht, so weisen wir auf denselben Grund hin, auf dem unser Glaube an die Lehre von der Dreieinheit, der Gottheit Christi und der Versöhnung ruht. Wir glauben diese Wahrheit, weil sie an mehreren Stellen des Neuen Testaments offenbart ist. So zum Beispiel in Kapitel 12 des ersten Korintherbriefes, wo wir lesen: „So  der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus, denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ [1Kor 12,12-14]. Ferner: „Gott hat den Leib zusammengefügt, indem er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat, damit keine Spaltung in dem Leib sei … Ihr aber seid Christi Leib und Glieder im Einzelnen“ [1Kor 12,24-27].

Hier haben wir die vollkommene und unauflösliche Einheit der Kirche genau dargestellt, und zwar durch dieselbe Autorität wie jede andere Wahrheit, die wir alle glauben, so dass ebenso viel Grund vorhanden ist, die Gottheit Christi in Frage zu stellen, wie die Einheit des Leibes zu beanstanden. Das eine ist so wahr wie das andere, und beides ist göttlich wahr, weil es göttlich offenbart ist. Wir glauben, dass Jesus Christus Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit, weil die Schrift es uns sagt, und wir glauben, dass ein Leib besteht, ebenfalls weil die Schrift es uns sagt. Wir schalten im ersten Fall nicht unseren Verstand ein, sondern glauben und beugen uns, und wir sollen auch im anderen Fall nicht unseren Verstand einschalten, sondern glauben und uns beugen. „Da ist ein Leib und ein Geist.“

Beachten wir nun aber, dass diese Einheit des Leibes nicht ein abstrakter Gegenstand, eine nutzlose Ansicht oder ein kraftloser Glaubenssatz ist. Es ist eine praktische, wesentliche, einflussreiche Wahrheit, in deren Licht wir zu wandeln berufen sind und nach der wir uns und alles um uns her zu richten haben. So war es bei den Gläubigen in Israel. Die Einheit des Volkes war ihnen etwas Wesentliches und nicht nur eine Lehre, die man nach Belieben annehmen oder verwerfen kann. Es war eine erhabene, wichtige, kraftvolle Wahrheit. In den Gedanken Gottes war das Volk eins, und wenn diese Einheit nicht verwirklicht wurde, dann hatten die Gläubigen nur den Platz des Selbstgerichts, des zerschlagenen und betrübten Herzens einzunehmen. Wir sehen dies bei Hiskia, Josia, Daniel, Esra und Nehemia. Es fiel diesen Gläubigen nicht ein, die Wahrheit von der Einheit Israels aufzugeben, weil Israel im Festhalten daran gefehlt hatte. Sie maßen die Wahrheit Gottes nicht an den Handlungen der Menschen, sondern sie beurteilten die Taten der Menschen und sich selbst an Hand der Wahrheit Gottes. Das war der einzig richtige Weg. Wenn die verwirklichte Einheit Israels durch die Sünde und Torheit des Menschen zerstört war, dann bekannten die wahrhaftigen Glieder des Volkes Gottes die Sünde und trugen Leid darüber; sie bekannten sie als ihre eigene Sünde und blickten auf Gott. Zudem aber fühlten sie ihre Verantwortung, nach der Wahrheit Gottes zu handeln, was auch der äußere Zustand sein mochte.

Wir wiederholen, dass dieses die Bedeutung des aus zwölf Steinen errichteten Altars Elias war angesichts der 450 falschen Propheten der Isebel und trotz der Trennung des Volkes nach menschlicher Anschauung (1Kön 18). Das war auch die Bedeutung der Briefe, die Hiskia an das ganze Volk Israel sandte, um sie einzuladen, „um dem HERRN, dem Gott Israels, in Jerusalem Passah zu feiern“ [2Chr 30,5]. Nichts ist rührender als der Inhalt dieser Briefe. „Kinder Israel! Kehrt um zu dem HERRN, dem Gott Abrahams, Isaaks und Israels, so wird er umkehren zu den Entronnenen, die euch aus der Hand der Könige von Assyrien übriggeblieben sind! Und seid nicht wie eure Väter und wie eure Brüder, die treulos gehandelt haben gegen den HERRN, den Gott ihrer Väter, so dass er sie der Verwüstung hingegeben hat, wie ihr es seht. Nun verhärtet euren Nacken nicht wie eure Väter; gebt dem HERRN die Hand und kommt zu seinem Heiligtum, das er geheiligt hat auf ewig, und dient dem HERRN, eurem Gott, damit die Glut seines Zorns sich von euch abwende! Denn wenn ihr zu dem HERRN umkehrt, so werden eure Brüder und eure Kinder Barmherzigkeit finden vor denen, die sie gefangen weggeführt haben, und in dieses Land zurückkehren. Denn gnädig und barmherzig ist der HERR, euer Gott, und er wird das Angesicht nicht von euch abwenden, wenn ihr zu ihm umkehrt“ (2Chr 30,6-9).

Hier handelt der Glaube gemäß der großen, ewigen, unveränderlichen Wahrheit der Einheit des Volkes Israel. Das Volk war nach dem Vorsatz Gottes eins, und Hiskia blickte, wie es der Glaube immer tut, auf das Volk von diesem göttlichen Gesichtspunkt aus, und er handelte dementsprechend. „Und die Läufer zogen von Stadt zu Stadt durch das Land Ephraim und Manasse und bis nach Sebulon; aber man lachte sie aus und verspottete sie“ [2Chr 30,10]. Wie traurig, und dennoch haben wir nichts anderes zu erwarten. Es ist sicher, dass die Handlungen des Glaubens den Spott und die Verachtung derer herausfordern, die nicht auf dem Standpunkt der Gedanken Gottes stehen. Ohne Zweifel betrachteten die Männer von Ephraim und Manasse die Botschaft Hiskias als Anmaßung oder eitle Schwärmerei. Vielleicht war die große Wahrheit, die mit solcher Kraft auf seine Seele wirkte, seinen Charakter formte und sein Verhalten regelte, nach ihrer Ansicht eine Fabel, eine wertlose Lehre, ein Rest aus der Vergangenheit, eine Einrichtung früherer Zeiten, die auf die Gegenwart keine Anwendung fände. Aber der Glaube wird immer durch die Gedanken der Menschen in Tätigkeit gesetzt, und darum fuhr Hiskia mit seinem Werk fort, und Gott bekannte sich zu ihm und segnete ihn. Es mochte wohl ein Grund zum Spott sein, als man sah, dass „einige Männer von Aser und Manasse und von Sebulon sich demütigten und nach Jerusalem kamen“ [2Chr 30,11]. Aber Hiskia und alle, die sich so unter die mächtige Hand Gottes demütigten, ernteten eine reiche Segensernte, während die Spötter und Verächter in der Unfruchtbarkeit und Erstarrung gelassen wurden, in die ihr eigener Unglaube sie versetzt hatte.

Man achte auf die Kraft der Worte Hiskias: „Wenn ihr zu dem HERRN umkehrt, so werden eure Brüder und eure Kinder Barmherzigkeit finden vor denen, die sie gefangen weggeführt haben“ [2Chr 30,9]. – Wie nahe kommt dies der Wahrheit des Neuen Testaments! Wir sind Glieder voneinander, und das Verhalten eines Gliedes berührt alle übrigen. Der Unglaube fragt, wie dies möglich sei und wie das Verhalten des einen auf entfernt wohnende andere Einfluss haben könne. Aber wie einst in Israel, so ist es jetzt in der Versammlung Gottes.

Siehe den Fall Achans in Josua 7. Dort sündigt ein Mann, während die ganze Versammlung, wie uns das Wort sagt, nichts von dem Vorgang wusste; und dennoch lesen wir: „Und die Kinder Israel begingen Untreue an dem Verbannten“ [Jos 7,1], und: „Israel hat gesündigt“ [Jos 7,11]. Wie war dies möglich? Einfach, weil das Volk eins war und Gott in seiner Mitte wohnte. Das war offenbar der Grund einer doppelten Verantwortung gegen Gott und gegen die Versammlung als Ganzes und gegen jedes Glied insbesondere. Kein Glied dieses Volkes konnte diese hohe und heilige Verantwortung der Versammlung von sich abschütteln. Ein in Dan wohnender Mann hätte fragen können, inwiefern sein Verhalten eine in Beerseba lebende Person berühren könnte. Dennoch war es so, und der Grund dafür lag in der ewigen Wahrheit der unauflöslichen Einheit Israels und des Wohnens des HERRNS in der Mitte seiner erlösten Versammlung (s. 2Mo 15,2[1] und die vielen Stellen, die von dem Wohnen des HERRN in der Mitte Israels reden).

Wir wollen indes bei den zahllosen Schriftstellen, die von der Gegenwart Gottes in der Versammlung Israels, von seiner Wohnung in ihrer Mitte reden, nicht länger verweilen. Wir lenken nur die Aufmerksamkeit des Lesers auf die wichtige Tatsache, dass die Reihe dieser Schriftstellen mit 2. Mose 15 beginnt. Als Israel als ein völlig erlöstes Volk auf der kanaanitischen Seite des Roten Meeres stand, war es erst fähig, zu sagen: „Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen“ [2Mo 15,2]. Die Erlösung bildete den Grund für das Wohnen Gottes unter seinem Volk und sicherte ihre vollkommene Einheit. Daher konnte kein einziges Glied dieser Versammlung sich als einen einzelnen, unabhängigen Teil betrachten. Jeder war berufen, sich als einen Teil des Ganzen zu betrachten und sein Verhalten mit Rücksicht auf alle, die wie er einen solchen Teil bildeten, passend einzurichten.

Wie hätte die Vernunft eine solche Wahrheit fassen können, die ganz außerhalb des Bereichs aller menschlichen Erkenntnis lag! Nur der Glaube konnte sie annehmen und danach handeln. Der Gläubige in Israel erkannte sie und handelte danach. Warum sandte Hiskia Briefe an ganz Israel? Warum befahl er, ohne sich um den Spott des Unglaubens zu kümmern, dass das Brand- und Sündopfer für ganz Israel dargebracht werde? Warum dehnte Josia seine reformatorischen Bestrebungen über alle Länder der Kinder Israel aus? Weil diese Männer Gottes die göttliche Wahrheit von der Einheit Israels anerkannten und sie nicht darum unbeachtet ließen, weil sie so wenig verwirklicht war. „Das Volk wird allein wohnen“ und „ich, der HERR, will unter den Kindern Israels wohnen“. – Diese Wahrheit leuchtet wie kostbare Edelsteine vom himmlischen Glanz aus den Blättern des Alten Testaments, und wir finden immer, dass, je mehr jemand in der Nähe Gottes, in der Nähe der lebendigen und immer strömenden Quelle lebte, er auch in die Gedanken, Ratschlüsse, Gefühle und Absichten Gottes einging, sie kennenlernte und das auszuführen versuchte, was Gott von seinem Volk gesagt hatte, wie untreu dieses sich auch gegen Ihn erweisen mochte.

Erkennst du, mein Leser, in der Einheit des israelitischen Volkes nicht das Vorbild einer höheren Einheit in dem einen Leib, von dem Christus das Haupt ist? Wir setzen es voraus. Wir hoffen von Herzen, dass dein ganzes sittliches Wesen sich in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter die mächtige Wahrheit beugen möchte: „Da ist ein Leib.“ Du wirst allerdings erstaunt sein, dass sich in der bekennenden Kirche nirgends ein Ausdruck dieser Einheit zeigt. Du siehst die Christen zertreut und getrennt, du siehst unzählige Sekten und Parteien, ja, du siehst vielleicht sogar unter denen, die bekennen, die Wahrheit von der Einheit des Leibes zu glauben, nicht das wahre Bild dieser Einheit. Sicher ist alles dies sehr verwirrend für jemand, der es vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet. Dennoch aber steht der Grund Gottes unbeweglich fest. Seine Wahrheit ist unzerstörbar. Und wenn wir mit Bewunderung auf ein vergangenes Zeitalter blicken, das die Einheit Israels zu einer Zeit, in der das menschliche Auge keine Spur dieser Einheit entdeckte, glaubte und bekannte, warum sollten wir nicht die höhere Einheit des einen Leibes von Herzen glauben und verwirklichen? „Da ist ein Leib und ein Geist“ – darin liegt das Fundament unserer Verantwortung gegeneinander und gegen Gott. Wollen wir diese Einheit aufgeben, weil die Christen zerstreut und getrennt sind? Gott verhüte es. Sie ist so wahr und kostbar wie eh und je, und sie sollte verwirklicht werden und einen Einfluss ausüben. Wir haben nach der Wahrheit Gottes zu handeln, ohne auf das Sichtbare Rücksicht zu nehmen. Wir sollen nicht wie viele sagen: „Es ist unmöglich, die Wahrheit Gottes in dem uns umgebenden Verfall auszuführen; diese Einheit mag eine Sache der Vergangenheit gewesen sein, sie mag in der Zukunft ausgeführt werden können, aber unmöglich kann sie eine Sache der Gegenwart sein und angesichts der vielen Sekten und Parteien aufrechterhalten werden. Jetzt bleibt für den Einzelnen nichts übrig, als für sich selbst auf den Herrn zu blicken und seinen persönlichen Wirkungskreis nach den Eingebungen seines Gewissens und Urteils einzurichten.“

Das ist im Wesentlichen die Sprache von Hunderten unter dem Volk Gottes, und wie ihre Sprache ist, so ist ihr Verhalten. Aber diese Sprache verrät den Unglauben an jene große Hauptwahrheit von der Einheit des Leibes Christi. Wir haben sicher ebenso viel Recht, die kostbare Lehre von der Gottheit Christi, seiner vollkommenen Menschheit oder seines stellvertretenden Opfers zu verwerfen, wie die Wahrheit von der vollkommenen Einheit seines Leibes in Frage zu stellen; denn alle diese Wahrheiten ruhen auf dem Grund der ewigen, in der Heiligen Schrift dargestellten Wahrheit Gottes. Dürfen wir irgendeine Wahrheit göttlicher Offenbarung beiseitesetzen? Dürfen wir einer von ihnen ihre Anwendung versagen? Sind wir nicht vielmehr verpflichtet, jede Wahrheit anzunehmen und unsere Seelen ihrer Macht zu unterwerfen? Es ist äußerst gefährlich, auch nur für einen Augenblick der Meinung Raum zu geben, irgendeine Wahrheit Gottes beiseitesetzen zu dürfen unter dem Vorwand, dass sie nicht verwirklicht werden könne. Die Heilige Schrift hat sie offenbart; das ist genug, und wir haben zu glauben und zu gehorchen. Wir sind verpflichtet, jede Wahrheit um jeden Preis festzuhalten aus Gehorsam, den wir Christus, dem Haupt schulden, praktisch gegen alles zu zeugen, was gegen die Wahrheit der unauflöslichen Einheit der Versammlung Gottes ist, und ernstlich und beständig eine treue Verwirklichung dieser Einheit zu suchen.

Geschieht dies mit einem demütigen Herzen, dann wird der Herr uns auf diesem Pfad aufrechterhalten, wie groß auch die Schwierigkeiten sein mögen. Sicher gibt es auf diesem Weg ernste Schwierigkeiten, mit denen wir in eigener Kraft nicht kämpfen können. Schon die Mahnung „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“ [Eph 4,3] erinnert uns an diese Schwierigkeiten; aber die Gnade unseres Herrn Jesus Christus reicht für alle Anforderungen völlig aus, die an uns gestellt werden können, wenn wir nach dieser kostbaren Wahrheit zu handeln suchen.

Wenn wir den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche betrachten, dann können wir zwei sehr verschiedene Klassen unterscheiden: In der einen befinden sich diejenigen, die die Einheit auf falschen Grundlagen suchen, in der anderen diejenigen, die sie auf dem im Neuen Testament niedergelegten Grund suchen. Die letztere Einheit ist geistlich lebendig, göttlich und steht in entscheidendem Gegensatz zu allen Formen der Einheit, die der Mensch auf nationalem, kirchlichem, zeremoniellem oder dogmatischem Weg versucht hat. Kirche Gottes ist kein nationales, kirchliches oder politisches System. Sie ist ein durch die Gegenwart des Heiligen Geistes für ihr Haupt im Himmel gereinigter Leib. So war es und so ist es. „Da ist ein Leib und ein Geist.“ Das bleibt unveränderlich wahr. Diese Wahrheit zu schwächen und zu verwirren, ist ein Werk des Feindes, und wir sind verpflichtet, dagegen Zeugnis abzulegen. Der Versuch, die Christen auf einem anderen Grund als dem der Einheit des Leibes zu vereinigen, ist ein Handeln gegen den uns offenbarten Willen Gottes. Es mag sehr anziehend, sehr wünschenswert, sehr vernünftig und sehr zweckmäßig erscheinen, aber es ist Gott zuwider, und das sollte uns genügen. Gottes Wort spricht nur von der Einheit des Leibes und von der Einheit des Geistes. Es erkennt keine andere Einheit an, daher sollen auch wir es nicht tun.

Obwohl die Versammlung Gottes aus vielen Gliedern besteht, ist sie eins; sie bildet eine Körperschaft. Alle Glieder haben doppelte Verantwortung; sie sind dem Haupt verantwortlich. Diese Verantwortung beiseitezuschieben, ist unmöglich. Die Menschen mögen sie leugnen, sie mögen ihre persönlichen Rechte behaupten und nach ihrer eigenen Vernunft, nach ihrem eigenen Urteil und Willen handeln, aber sie können sich nicht der Verantwortung entziehen, die sich auf die Tatsache des einen zusammengehörenden Leibes gründet. Sie haben es mit dem Haupt im Himmel und mit den Gliedern auf der Erde zu tun. Sie befinden sich in dieser doppelten Beziehung und sind ihr durch den Heiligen Geist einverleibt worden. Hier gibt es keine Unabhängigkeit. Christen können sich nicht als bloße Personen, als vereinzelt stehende Wesen betrachten. „Wir sind Glieder voneinander“ [Eph 4,25]. Das ist ebenso wahr, wie wir aus Glauben gerechtfertigt sind. Allerdings stehen wir in einem Sinn als Personen da: Wir sind Einzelwesen im Hinblick auf unsere Buße, unseren Glauben, unsere Rechtfertigung, unseren Wandel mit Gott, unseren Dienst und unsere Belohnung für den treuen Dienst; denn jeder Einzelne wird einen weißen Stein mit einem neuen Namen darauf erhalten, der nur ihm allein bekannt ist. Dies alles ist wahr, aber es berührt in keiner Weise die andere große praktische Wahrheit unserer Vereinigung mit dem Haupt droben und mit den Gliedern auf der Erde.

Beachten wir hier jedoch zwei ganz verschiedene Punkte der Wahrheit, die aus zwei verschiedenen Titeln unseres hochgelobten Herrn hervorgehen. Er ist das Haupt, und Er ist der Herr. Er ist das Haupt seines Leibes, der Versammlung, und Er ist aller Herr, der Herr jedes Einzelnen. Wenn wir nun an Christus als den Herrn denken, werden wir an unsere persönliche Verantwortung gegen Ihn erinnert, und zwar in dem ganzen Umfang des Dienstes, zu dem Er uns in seiner Autorität gnädig berufen hat. Unsere Ehrfurcht gebührt Ihm in allen Dingen. Alle unsere Handlungen, alle unsere Ermahnungen müssen unter den gebietenden Einfluss des gewichtigen, leider oft leichtfertig ausgesprochenen Wortes „So der Herr will“ gestellt werden. Zudem hat niemand das Recht, sich zwischen das Gewissen eines Dieners und das Gebot seines Herrn zu werfen. Dies alles ist göttlich wahr und von großer Bedeutung. Die Herrschaft Christi ist eine Wahrheit, deren Wert unmöglich überschätzt werden kann.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Christus sowohl das Haupt als auch der Herr ist. Er ist sowohl das Haupt seines Leibes als auch der Herr der einzelnen Personen. Diese Dinge dürfen nicht vermengt werden. Wir dürfen die Wahrheit von der Herrschaft Christi nicht auf eine solche Art festhalten, dass sie mit der Wahrheit von seinem Titel als Haupt vermengt wird. Wenn wir nur an Christus als den Herrn und an uns als Ihm persönlich verantwortlich denken, dann werden unsere Gedanken nicht auf seine Stellung als Haupt gerichtet sein, und wir verlieren unsere Verantwortung gegen jedes Glied, dessen Haupt Er ist, aus dem Auge. Wir müssen sehr dagegen wachen. Wir dürfen uns nicht als einzelne, unabhängige Wesen betrachten; wenn wir an Christus als Haupt denken, dann müssen unsere Gedanken alle seine Glieder umfassen, und dies öffnet uns einen weiten Kreis praktischer Wahrheit. Wir haben heilige Pflichten gegenüber unseren Mit-Gliedern zu erfüllen sowie auch gegenüber unserem Herrn und Meister. Sicher wird niemand, der in Gemeinschaft mit Christus wandelt, die Beziehung zu jedem Glied seines Leibes je aus den Augen verlieren, sondern stets daran denken, dass sein Wandel und seine Wege einen Einfluss auf die Christen ausüben werden. Es ist ein wunderbares, aber göttlich wahres Geheimnis: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1Kor 12,26). Man kann den Leib Christi nicht zu einer örtlich begrenzten Sache herabwürdigen. Der Leib ist einer, und wir sind berufen, dies praktisch auf jede mögliche Weise festzuhalten und ein entschiedenes Zeugnis gegen alles abzulegen, was die Verantwortung der vollkommenen Einheit des Leibes beeinträchtigen könnte. Der Feind sucht die Christen auf einem falschen Boden zu vereinigen und sie um einen falschen Mittelpunkt zu versammeln. Der einzige Schutz gegen diese Gefahr ist der göttlich gewirkte Glaube an die große Grundwahrheit der Einheit des Leibes Christi.

Teil 6 (1Kor 12)

Es besteht also wirklich ein Leib auf der Erde, der durch den einen Geist gebildet und mit dem lebendigen Haupt im Himmel vereinigt ist. Diese Wahrheit kann nicht geleugnet werden. Viele Christen mögen der Meinung sein, dass diese Einheit angesichts des gegenwärtigen Zustandes nicht verwirklicht werden könne, aber dennoch bleibt es eine göttlich festgesetzte Wahrheit, dass ein Leib da ist; und für uns gibt es nur die Frage: „Wie werden wir persönlich von dieser Wahrheit berührt?“ Wir können ebenso wenig die hiermit verbundene Verantwortung abschütteln wie die Wahrheit selbst beiseitesetzen. Als Glieder dieses einen Leibes sind wir sowohl mit dem Haupt im Himmel als auch mit den Gliedern auf der Erde in eine Beziehung getreten, und wie jedes andere, hat auch dieses Verhältnis seine Vorrechte und seine Verantwortung.

Es handelt sich hier jedoch nicht um eine Vereinigung mit einer besonderen Gruppe von Christen, sondern mit dem ganzen Leib Christi auf der Erde. Jedenfalls sollte jede Gruppe von Christen, wo sie sich auch versammeln mögen, nur eine örtliche Verwirklichung des ganzen Leibes sein. Man sollte sich aufgrund des Wortes Gottes und durch die Macht des Heiligen Geistes immer in einer Weise versammeln, dass alle Glieder Christi, die in Wahrheit und Heiligkeit wandeln, mit einem glücklichen Herzen dort Platz nehmen können. Ist eine Versammlung nicht in dieser Weise versammelt und geordnet, dann befindet sie sich überhaupt nicht auf dem Boden der Einheit des Leibes. Wir sollten immer so zusammenkommen, dass alle Glieder des Leibes einfach als solche sich mit uns niedersetzen und jede Gabe, die das Haupt der Versammlung ihnen gegeben hat, ausüben können. Der Leib ist einer. Seine Glieder sind auf der ganzen Erde zerstreut. Entfernung ist nichts, Örtlichkeit ist nichts. Man mag in Berlin, in Paris, in London oder in Neuseeland wohnen, die Sache ändert sich dadurch nicht. Ein Glied des Leibes an einem Ort ist überall ein Glied des Leibes, denn es gibt nur einen Leib und einen Geist. Der Geist bildet den Leib und verbindet die Glieder mit dem Haupt und miteinander.

Das ist die in 1. Korinther 12 und 14, in Epheser 2 und 4 und in Römer 12 beschriebene göttliche Ordnung. Wir können das Neue Testament nicht untersuchen, ohne diese gesegnete Wahrheit zu finden. Wir erblicken in verschiedenen Orten und Städten Heilige, die durch den Heiligen Geist im Namen unseres Herrn Jesus Christus versammelt sind, zum Beispiel in Rom, Korinth, Ephesus, Philippi, Kolossä und Thessalonich. Das waren nicht unabhängige, vereinzelte, selbständige Versammlungen, sondern Teile des einen Leibes, so dass ein Glied der Versammlung an einem Ort zugleich ein Glied der Versammlung überall war. Freilich handelte jede einzelne Versammlung, da sie sich unter einem Herrn befand und durch den einen Geist geleitet wurde, in allen örtlichen Angelegenheiten selbständig, wie zum Beispiel bei der Aufnahme in die Gemeinschaft oder beim Ausschluss des Bösen aus ihrer Mitte oder bei der Fürsorge für die Bedürfnisse der Armen oder dergleichen; aber wir können versichert sein, dass der Beschluss irgendeiner Versammlung von allen übrigen Versammlungen anerkannt wurde, mochte es sich um eine Aufnahme oder um einen Ausschluss handeln. Im anderen Fall wäre es eine Leugnung der Einheit des Leibes gewesen. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass die Versammlung zu Korinth mit irgendeiner anderen Versammlung vorher über den Ausschluss des „Bösen“ (1Kor 5) verhandelt und beraten habe, aber wir sind überzeugt, dass dieser Ausschluss von jeder Versammlung auf der Erde anerkannt und respektiert wurde. Wenn nicht, so wäre die Einheit des Leibes Christi praktisch geleugnet worden.

Wir glauben, dass dies eine bestimmte in den neutestamentlichen Schriften dargestellte Lehre ist, die jeder einfältige, aufrichtige Forscher der Heiligen Schrift entdecken muss. Dass die Kirche in der Verwirklichung dieser kostbaren Wahrheit gefehlt hat und wir alle Schuld an diesem Fehltritt tragen, ist leider wahr. Der Gedanke daran sollte uns tief vor Gott demütigen. Niemand kann einen Stein auf den anderen werfen, denn wir sind alle in dieser Sache schuldig. Wir glauben, dass dies eine sehr eindringliche Mahnung an das ganze Volk Gottes ist, sich tief zu demütigen wegen unseres traurigen Abweichens von einer im Wort Gottes so klar dargestellten Wahrheit.

So war es bei dem frommen, ergebenen König Josia, dessen Leben und Zeiten diese Gedankenreihe hervorgerufen haben. Er fand das Gesetzbuch und entdeckte darin den traurigen Zustand um ihn her. Wie handelte er nun? Begnügte er sich mit dem Ausruf: „Der Fall ist hoffnungslos; das Volk hat sich zu weit entfernt; der Verfall ist da; es hat keinen Sinn, daran zu denken, sich nach der göttlichen Vorschrift zu richten, darum müssen wir die Dinge so lassen und tun, was sich tun lässt?“ – Nein, das war nicht die Sprache und Handelsweise Josias, sondern er demütigte sich vor Gott und forderte die anderen auf, dasselbe zu tun. Dann aber suchte er auch die Wahrheit Gottes zu verwirklichen; und die Folge davon war:

2Chr 35,18: Und es war kein solches Passah in Israel gefeiert worden wie dieses, seit den Tagen Samuels, des Propheten; und alle Könige von Israel hatten kein Passah gefeiert wie dieses, das  Josia feierte.

Das war das Ergebeis der gläubigen Unterwerfung aus Ehrfurcht unter das Wort Gottes. So wird es immer sein, denn „Gott ist denen, die ihn suchen, ein Belohner“ [Heb 11,6]. Wie handelte der Überrest, der von Babylon in den Tagen Esras und Nehemias zurückkehrte? Sie richteten den Altar Gottes auf, sie bauten den Tempel und besserten die Mauern Jerusalems aus. Mit einem Wort, sie beschäftigten sich mit der wahren Anbetung des Gottes Israels und mit dem großen Mittel- und Sammlungspunkt seines Volkes. Es war das, was der Glaube, ohne sich um die Umstände zu kümmern, immer tut. Hätte der Überrest auf die Umstände geblickt, dann wäre er unfähig gewesen, zu handeln. Er war ein armes, verachtetes Häuflein unter der Herrschaft der unbeschnittenen Heiden. Er war von allen Seiten von aktiven Feinden umgeben, die, angestachelt vom Feind Gottes, vom Feind der Stadt und des Volkes Gottes, nichts unversucht ließen, ihn bei seinem gesegneten Werk zu behindern, indem sie spottend ausriefen: „Was machen die ohnmächtigen Juden? Wird man es ihnen zulassen? Werden sie opfern? Werden sie es an diesem Tag vollenden? Werden sie die Steine aus dem Schutthaufen wieder beleben, da sie doch verbrannt sind?“ [Neh 3,34]. – Auch hatten sie nicht nur mit äußeren Feinden zu kämpfen, sondern es war auch innere Schwäche da, denn „Juda sprach: Die Kraft der Lastträger sinkt, und es ist viel Schutt da, und so vermögen wir nicht mehr an der Mauer zu bauen“ [Neh 4,4]. – Alles dies war sehr niederbeugend. Wie anders war es in den glänzenden und herrlichen Tagen Salomos! Seine Lastträger waren zahlreich und stark, und kein Schutt bedeckte die großen und kostbaren Steine, aus denen er das Haus Gottes baute, auch gab es keinen Feind, der sein Werk verspottete. Aber das lässt  uns bei Esra und Nehemia Züge entdecken, die in den Tagen Salomos nicht gefunden wurden. Gerade ihre Schwachheit, die Schutthaufen, die stolzen und schmähenden Feinde — all dies wirkte zusammen, um ihrem Werk einen eigentümlichen Glanz von Herrlichkeit zu verleihen. Sie bauten und es gelang ihnen; Gott wurde verherrlicht und Er sprach zu ihnen die lieblichen Worte: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen“ (Hag 2,9).

Die Bücher Esra, Nehemia, Haggai und Sacharja sind in Bezug auf den erwähnten Gegenstand voll von der gesegnetsten Belehrung, des Trostes und der Ermutigung in einer Zeit wie der gegenwärtigen. Es gibt heute vielleicht manche, die geneigt sind, über einen Gegenstand wie die Einheit des Leibes zu lächeln. Es ist das Spötteln des Unglaubens. Satan hasst die Lehre dieser Einheit, wie er jede andere Lehre der göttlichen Offenbarung hasst. Er wird jedes Bestreben zur Verwirklichung dieser Wahrheit zu verhindern suchen, wie er den Wiederaufbau Jerusalems in den Tagen Nehemias zu verhindern suchte. Aber lasst  uns nicht entmutigt werden. Es genügt, dass wir im Wort Gottes die kostbare Wahrheit von dem einen Leib finden. Bringen wir dieses Licht, damit es den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche beleuchtet! Was wird es unseren Augen offenbaren? Es wird uns vor unserem Gott in den Staub beugen wegen unserer Wege, aber zugleich wird es unsere Herzen erheben zur Betrachtung des göttlichen Standpunktes. Es ist unmöglich, dass jemand die Wahrheit von der Einheit des Leibes in seiner Seele aufnehmen und mit etwas, was der praktischen Anerkennung dieser Wahrheit nicht entspricht, zufrieden sein kann. Allerdings muss er sich gegen den Widerstand des Volkes rüsten. Er wird hier einen Sanballat und dort einen Rechum finden, aber der Glaube wird überwinden.

Im Wort Gottes finden unsere Seelen eine hinreichende Ermutigung. Wenn wir kurz vor der Gefangenschaft auf Josia sehen, was erblicken wir? Einen Mann, der einfach das Wort zu seinem Führer nimmt, sich selbst und alles in dessen Licht betrachtet, alles, was ihm widerspricht, verwirft und mit ernstem Herzensvorsatz auszuführen sucht, was er darin geschrieben findet. Und was war das Ergebnis? Das gesegnetste Passah, das je seit den Tagen Samuels gefeiert worden war.

Wenn wir dann während der Gefangenschaft auf Daniel blicken, was sehen wir? Einen Mann, der einfach nach der Wahrheit Gottes handelt und im Gebet sein Angesicht nach Jerusalem richtet, obwohl er als Folge dieses Gebets den Tod zu gewärtigen hat. Was war das Ergebnis? Ein herrliches Zeugnis für den Gott Israels und die Vernichtung der Feinde Daniels.

Wenn wir schließlich nach der Gefangenschaft auf den Überrest schauen, was sehen wir? Männer, die angesichts niederdrückender Schwierigkeiten die Stadt wiederaufbauen, die der Mittelpunkt Gottes auf der Erde war und sein wird. Und was war das Ergebnis? Die fröhliche Feier des Laubhüttenfestes, wie es seit den Tagen Josuas, des Sohnes Nuns, nicht gefeiert worden war.

Was bewirkte in diesen Fällen der Blick jener Männer auf die Umstände? Denken wir zum Beispiel an Daniel. Warum öffnete er sein Fenster gegen Jerusalem? Warum schaute er nach einer zerstörten Stadt? Warum widmete er seine Aufmerksamkeit einem Ort, der nur an die Sünde und Schande Israels erinnerte? Wäre es nicht besser gewesen, den Namen Jerusalems in Vergessenheit geraten zu lassen? Die Antwort Daniels ist leicht zu erraten. Die Menschen mochten über ihn lächeln und ihn für einen Träumer oder Schwärmer halten. Er wusste, was er tat. Sein Herz war mit dem Mittelpunkt Gottes, der Stadt Davids, dem großen Versammlungspunkt der zwölf Stämme Israels beschäftigt. Sollte er Gottes Wahrheit um äußerer Umstände willen aufgeben? Keineswegs. Unmöglich konnte er einen Standpunkt einnehmen, der auch nur um Haaresbreite niedriger war. Er konnte weinen, beten, fasten und seine Seele vor Gott demütigen, aber nie konnte er einen niederen Standpunkt einnehmen. Sollte er die Gedanken Gottes fahren lassen, weil Israel sich untreu erwiesen hatte? Unmöglich. Er kannte besseres als dieses. Sein Auge ruhte auf der ewigen Wahrheit Gottes, und deshalb wehte das göttliche Banner in unendlicher Herrlichkeit über seinem Haupt, obwohl er wegen seiner und seines Volkes Sünde im Staub lag.

Ebenso, mein teurer christlicher Leser, sind wir berufen, den Blick des Glaubens auf die unvergängliche Wahrheit des einen Leibes zu richten und sie in unserem schwachen Maß zu verwirklichen. Wir haben nicht zu fragen: „Wie kann das geschehen?“ Der Glaube hat nie eine solche Frage in der Gegenwart göttlicher Offenbarung. Er glaubt und handelt. Wir dürfen die Wahrheit Gottes nicht unter dem Vorwand aufgeben, dass wir sie nicht verwirklichen können. Die Wahrheit ist offenbart, und wir sind berufen, uns unter sie zu beugen. Wir sind nicht berufen, die Einheit des Leibes zu bilden. Dies tun zu wollen, wäre ein Missverständnis. Die Einheit besteht schon. Sie ist das Ergebnis der Gegenwart des Heiligen Geistes in dem Leib und wir haben sie anzuerkennen und in ihrem Licht zu wandeln. Dies wird unserem Wandel eine große Sicherheit geben. Es ist immer wichtig, einen besonderen Gegenstand vor dem Herzen zu haben und in unmittelbarer Beziehung zu ihm zu handeln. Denken wir an Paulus, diesen ergebenen Arbeiter. Was war sein Ziel? Wofür arbeitete er? Er selbst gibt die Antwort durch die Worte: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch das, was noch fehlt an den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung, deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden: das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses sei unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit; den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen; wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft“ (Kol 1,24-29).

Das war viel mehr als bloße Bekehrung der Seelen, wie kostbar dies auch ist. Paulus predigte das Evangelium mit einem direkten Blick auf den Leib Christi, und das ist das Vorbild für alle Evangelisten. Auch wir sollten bei der Predigt des Evangeliums stets die Einverleibung der Seelen in den einen Leib durch den einen Geist vor Augen haben. Wir sollten nicht verschiedene Kirchen, sondern nur den einen Leib kennen, weil wir im Neuen Testament nichts anderes finden. Jemand mag zur Bekehrung von Hunderten gebraucht werden (was gewiss ein sehr kostbares Werk ist), aber wenn er nicht die Einheit des Leibes kennt, muss er wegen ihres weiteren Loses in Ungewissheit sein. Dies ist für beide Teile sehr wichtig – für ihn selbst wie für sie und auch für das Zeugnis für Christus.

Teil 7 (2Chr 35,1)

Es ist indes wunderbar, dass gerade am Schluss der Geschichte Israels ein so glänzender Augenblick, wie Israel ihn kaum je gekannt hatte, erschien. Was lehrt uns dies? Es lehrt  uns, dass es offenbar das Vorrecht gläubiger Seelen ist, in den dunkelsten Zeiten nach dem Grundsatz Gottes zu handeln und göttliche Segnungen zu genießen. Das ist eine wichtige Tatsache für alle Zeiten, besonders wichtig aber in der heutigen Zeit. Wenn Josia durch den Geist und die Grundsätze unserer Tage beeinflusst worden wäre, hätte er sicher nicht versucht, das Passah zu feiern. Er hätte die Hände in den Schoß gelegt und gesagt: „Es ist nutzlos, daran zu denken, unsere großen nationalen Einrichtungen noch länger festzuhalten. Es kann nur als eine Art Anmaßung betrachtet werden, das Fest feiern zu wollen, das bestimmt war, die Erlösung Israels vom Gericht durch das Blut des Lammes darzustellen, weil Israels Einheit verlorengegangen und seine nationale Herrlichkeit verschwunden ist.“

Doch Josia urteilte nicht so. Er handelte einfach nach der Wahrheit Gottes. Er forschte in der Schrift, verwarf, was falsch war, und tat, was recht war:

2Chr 35,1: Und Josia feierte Passah dem HERRN in Jerusalem; und man schlachtete das Passah am Vierzehnten des ersten Monats.

Das war ein höherer Platz als der, den Hiskia eingenommen hatte, als er sein Passah am vierzehnten Tag des zweiten Monats hielt (2Chr 30,15). Wir wissen, dass Hiskia damit von der Vorsorge Gebrauch machte, die die Gnade für Fälle der Verunreinigung getroffen hatte (4Mo 9,9-11). Gott hatte jedoch den ersten Monat als den geeigneten Zeitpunkt bestimmt, und Josia wurde befähigt, sich nach dieser Ordnung zu richten. Er nahm die höchste Stufe ein, der Wahrheit Gottes gemäß, während er tief unter dem niederbeugenden Gefühl persönlicher nationaler Übertretung lag. Das ist immer der Weg des Glaubens.

2Chr 35,2-6: Und er stellte die Priester an ihre Aufgaben und ermutigte sie zum Dienst des Hauses des HERRN. Und er sprach zu den Leviten, die ganz Israel unterwiesen, die dem HERRN geheiligt waren: Setzt die heilige Lade in das Haus, das Salomo, der Sohn Davids, der König von Israel, gebaut hat; ihr habt sie nicht mehr auf der Schulter zu tragen. Dient nunmehr dem HERRN, eurem Gott, und seinem Volk Israel; und bereitet euch nach euren Vaterhäusern, in euren Abteilungen, nach der Schrift Davids, des Königs von Israel, und nach der Vorschrift seines Sohnes Salomo; und stellt euch im Heiligtum auf nach den Klassen der Vaterhäuser eurer Brüder, der Kinder des Volkes, und zwar eine Abteilung eines Vaterhauses der Leviten; und schlachtet das Passah und heiligt euch und bereitet es für eure Brüder, damit ihr tut nach dem Wort des HERRN durch Mose.

Hier sehen wir, wie Josia nach der höchsten Autorität handelt. Alles hat Bezug auf ganz Israel, und wie kraftvoll ist der Ausdruck: „damit ihr tut nach dem Wort des HERRN durch Mose“. – Mögen diese Worte unser Herz erreichen! Josia fühlte, dass es sein hohes und heiliges Recht war, sich nach dem göttlichen Gebot zu richten, ungeachtet aller Verirrungen und alles Bösen, das sich nach und nach eingeschlichen hatte. Die Wahrheit Gottes muss immer stehenbleiben. Der Glaube erkennt diese Tatsache an und handelt danach. Welch eine liebliche Szene! Wir können Josias treues Hangen an dem Wort des HERRN nicht mehr bewundern als seine weitherzige Hingabe und Freigebigkeit.

2Chr 35,7-19: Und Josia schenkte den Kindern des Volkes an Kleinvieh: Lämmer und Ziegenböckchen – alles zu den Passahopfern für alle, die sich vorfanden –, 30.000 an der Zahl, und 3000 Rinder; das war von der Habe des Königs. Und seine Obersten schenkten freiwillig für das Volk, für die Priester und für die Leviten. … Und der Dienst wurde eingerichtet; und die Priester standen an ihrem Standort und die Leviten in ihren Abteilungen, nach dem Gebot des Königs. … Und die Sänger, die Söhne Asaphs, waren an ihrem Standort …; und die Torhüter waren an jedem Tor: Sie hatten nicht nötig, von ihrem Dienst zu weichen, weil ihre Brüder, die Leviten, für sie bereiteten. Und so wurde der ganze Dienst des HERRN an jenem Tag eingerichtet, um das Passah zu feiern und die Brandopfer auf dem Altar des HERRN zu opfern, nach dem Gebot des Königs Josia. Und die Kinder Israel, die sich vorfanden, feierten das Passah zu jener Zeit und das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage lang. Und es war kein solches Passah in Israel gefeiert worden wie dieses, seit den Tagen Samuels, des Propheten; und alle Könige von Israel hatten kein Passah gefeiert wie dieses, das Josia feierte und die Priester und die Leviten und ganz Juda und Israel, das sich vorfand, und die Bewohner von Jerusalem. Im achtzehnten Jahre der Regierung Josias ist dieses Passah gefeiert worden.

Welch ein Bild! Der König, die Obersten, Priester, Leviten, Sänger, Torhüter, ganz Israel, Juda und die Einwohner von Jerusalem, alle waren vereinigt, alle an ihrem rechten Ort und an dem ihnen zugewiesenen Werk, und zwar im achtzehnten Jahr der Regierung Josias, als der jüdische Staat kurz vor seiner Auflösung stand. Wir sehen also, dass keine Zeit, keine Umstände, keine Einflüsse jemals die Wahrheit Gottes ändern oder das Glaubensauge verdunkeln können. „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“ [1Pet 1,25], und der Glaube erfasst dieses Wort und hält es fest. Es ist das Vorrecht des Gläubigen, dass er es mit Gott und seiner ewigen Wahrheit zu tun hat, und darum hat er die Pflicht, den höchsten Standpunkt einzunehmen. Der Unglaube hingegen nimmt die Umstände zum Vorwand, im Laufen schlaff zu werden und die Stimme zu senken. Lasst uns mit Beschämung und Schmerz wegen unserer Sünde und unserer Fehltritte uns niederbeugen, aber lasst  uns auch durch den Glauben unsere hohe Stellung einnehmen. Die Fehltritte sind auf unserer, die Stellung auf Gottes Seite. Josia weinte und zerriss seine Kleider, aber er gab die Wahrheit Gottes nicht auf. Er fühlte, dass er, seine Väter und Brüder gesündigt hatten, aber warum sollte er nicht das Passah nach göttlicher Anordnung feiern?

Hiermit schließen wir unsere Betrachtung. Die Zeiten Josias liefern uns ein treffendes Bild auch von unserer heutigen Zeit. Möchten wir daraus lernen, unter allen Umständen und selbst in den dunkelsten Zeiten an der Wahrheit in der Heiligen Schrift festzuhalten. Nur wenn dieser göttliche Boden unter unseren Füßen ist, werden wir mit festem Schritt unseren Weg gehen und gesegnet werden, wie sehr auch alles gegen uns sein mag. Vor allem aber ist es unser Wunsch und Gebet, dass der Herr diese Zeilen an den Herzen vieler Christen segnen und allen die Wahrheit köstlich machen möge: „Da ist ein Leib und ein Geist.“


Originaltitel: „Josia und seine Zeit“
aus Botschafter des Heils in Christo, Jg. 18, 1870, S. 101–114, 126–159
Engl. Originaltitel: „The Life and Times of Josiah“

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: „Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen“ (2Mo 15,2). In der CSV-Elberfelder lautet die Anmerkung zu „verherrlichen“: „Vielleicht: ihm eine Wohnung machen.“

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