Enttäuschungen im Dienst für den Herrn
Matthäus 11

Charles Henry Mackintosh

© SoundWords, online seit: 27.04.2011, aktualisiert: 30.10.2022

Leitverse: Matthäus 11

Einleitung

Jeder Abschnitt des Wortes Gottes ist für den Bibelleser eine Quelle bleibender Erfrischung, besonders, wenn er sich mit der Person des Herrn Jesus in den Einzelheiten seines Lebens, in seinen unvergleichlichen Wegen, in seiner Gesinnung, in seinen Worten und Werken, ja selbst in seinen Mienen und Verhalten befasst und uns in der augenscheinlichsten Weise zeigt, was Er war, was Er tat, was Er sagte und wie Er handelte und sprach. In diesen Darlegungen liegt stets etwas, was das betrübte Herz berührt und anzieht und einen weit stärkeren Einfluss auf das Gemüt ausübt als die wichtigsten Lehren und die erhabensten Grundsätze. Deren Wert soll keineswegs verkannt werden: Sie klären das Verständnis, belehren den Geist, bilden das Urteil, beherrschen das Gewissen und sind uns in dieser Beziehung von unabsehbarem Nutzen. Aber die Darstellung der Person Christi durchdringt das Herz, weckt Gefühle der Liebe, befriedigt die Seele und erfasst das ganze Wesen. Nichts ist imstande, die Beschäftigung des Herzens mit Christus selbst, so wie der Heilige Geist Ihn im Wort und besonders in den unnachahmlichen Erzählungen des Evangeliums unseren Blicken enthüllt, zu übertreffen. Möchten wir das bei einer Betrachtung von Matthäus 11 erfassen, wo Christus als der treue Arbeiter in den Hindernissen gezeigt wird, denen Er während seines Dienstes begegnete, in den Hilfsquellen, die Er in Gott fand, und endlich in der gnadenreichen Tätigkeit, die Er dem Menschen widmete. Betrachten wir zunächst die Hindernisse.

Hindernisse im Dienst

Es gab nie einen Arbeiter des Herrn in dieser Welt, der nicht mit Hindernissen der verschiedensten Arten zu kämpfen gehabt hätte, und der einzige vollkommene Arbeiter machte keine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel. Auch der Herr Jesus hatte seine Hindernisse und Enttäuschungen; andernfalls würde Er kein Mitleiden mit denen haben können, die solche Prüfungen auf jeder Station ihrer Laufbahn mitzumachen haben. Er war als Mensch vollkommen in alle Umstände eingetreten, die ein Mensch zu empfinden vermag – jedoch mit Ausnahme der Sünde. Er ist „in allem versucht worden … in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde“ (Heb 4,15). Darum kann Er Mitleid haben mit unseren Schwachheiten. Darum hat Er Verständnis für alles, was seine Diener in ihrer Arbeit durchzumachen haben.

Nun hat der Heilige Geist in dem erwähnten Kapitel eine Reihe solcher Hindernisse und Enttäuschungen zusammengestellt, denen der vollkommene Arbeiter, der treue Knecht, der göttliche Diener in der Ausübung seines Dienstes zu begegnen hatte.

Die erste Enttäuschung kommt von einer Seite, von der man es nicht hätte erwarten sollen, nämlich von Johannes dem Täufer:

Mt 11,2.3: Als aber Johannes im Gefängnis die Werke des Christus hörte, sandte er durch seine Jünger und ließ ihm sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?

Zweifellos war Johannes in dem Augenblick, in dem er diese Botschaft zu Jesu schickte, sehr niedergebeugt. Es war ein finsterer Moment in seinem Leben; aber es war nichts Ungewöhnliches. Auch die besten und treuesten Diener Christi waren zuzeiten unter den dunklen Schatten des Unglaubens, des Kleinmuts und der Ungeduld depressiv gestimmt. So ließ sich zum Beispiel Mose, der so hochgeehrte, treue Knecht Gottes, bei einer gewissen Gelegenheit zu den Worten hinreißen: „Warum hast du an deinem Knecht übel getan, und warum habe ich nicht Gnade gefunden in deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volkes auf mich legst? … Ich allein vermag dieses ganze Volk nicht zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Und wenn du so mit mir tust, so bring mich doch um, wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, damit ich mein Unglück nicht ansehe“ (4Mo 11,11-15). Das war die Sprache Moses – wohl beeinflusst von den sich stets verschlimmernden Umständen und den murrenden Stimmen von sechshunderttausend Pilgern –, aber dennoch die Sprache des „sanftmütigsten Mannes auf dem Erdboden“ (vgl. 4Mo 1,3). Und doch würde es uns schlecht anstehen, darüber zu staunen; denn wo ist ein Sterblicher, der den übermäßigen Druck einer solchen Lage hätte ertragen können? Welcher bloß menschliche Damm hätte der Heftigkeit eines so gewaltigen Stromes standzuhalten vermocht?

Auch der Prophet Elia stand im beängstigenden Schatten einer finsteren Wolke, als er sich unter einen Ginsterstrauch warf und den Tod erflehte: „Es ist genug; nimm nun, Herr, meine Seele; denn ich bin nicht besser als meine Väter“ (1Kön 19,4). Auch das war die Sprache eines geachteten Knechtes Gottes – hervorgerufen freilich durch eine Verbindung der entmutigendsten Einflüsse –, aber dennoch die Sprache Elias des Tisbiters, und niemand sollte ihn tadeln, der nicht selbst ohne ein wankendes Gefühl oder ein strauchelndes Wort ähnliche Umstände durchschritten hat.

In ähnlicher Lage findet sich auch der Prophet Jeremia, ein anderer höchst begünstigter Arbeiter des Herrn, als er unter den Misshandlungen Paschchurs und dem Spott der ihn umringenden Gottlosen seinen Gefühlen in den Worten Luft machte: „HERR, du hast mich beredet, und ich habe mich bereden lassen; du hast mich ergriffen und überwältigt. Ich bin zum Gelächter geworden den ganzen Tag, jeder spottet über mich. Denn sooft ich rede, muss ich schreien, Gewalttat und Zerstörung rufen; denn das Wort des HERRN ist mir zur Verhöhnung und zum Spott geworden den ganzen Tag. Und spreche ich: ,Ich will ihn nicht mehr erwähnen und nicht in seinem Namen reden …‘“ (Jer 20,7-9). – „Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde; der Tag, da meine Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet! Verflucht sei der Mann, der meinem Vater die frohe Botschaft brachte und sprach: ,Ein männliches Kind ist dir geboren‘, und der ihn hoch erfreute! Und jener Mann werde den Städten gleich, die der HERR umgekehrt hat, ohne es sich gereuen zu lassen; und er höre ein Geschrei am Morgen und Kriegsgeschrei zur Mittagszeit: Weil er mich nicht tötete im Mutterleib, so dass meine Mutter mir zu meinem Grab geworden und ihr Leib ewig schwanger geblieben wäre! Warum bin ich doch aus dem Mutterleib hervorgekommen, um Mühsal und Kummer zu sehen und dass meine Tage in Schande vergingen?“ (Jer 20,14-18)? Das war die Sprache des weinenden Propheten, freilich veranlasst durch schmerzhafte Hindernisse und bittere Enttäuschungen in seinem prophetischen Dienst, aber dennoch die Sprache Jeremias; und bevor wir ihn verurteilen, lasst uns aufmerken, ob wir unter ähnlichem Druck unsere Schuldigkeit besser verrichten.

Kann es nach diesen Schriftzeugnissen unsere Verwunderung erregen, wenn wir nun Johannes den Täufer mitten im Dunkel eines herodianischen Kerkers für einen Augenblick straucheln sehen? Kann uns die Entdeckung in Staunen setzen, dass er aus keinem besseren Stoff gemacht war als die Arbeiter früherer Generationen? Wenn der Gesetzgeber, der Wiederhersteller, der weinende Prophet Israels – jeder in seinen Tagen und unter seinem Geschlecht – unter dem schweren Gewicht seiner Bürde schwankte, kann es uns dann befremden, dass „Johannes, der Sohn des Zacharias“, in den düsteren Schatten seiner Gefängnismauern einem zeitweiligen Gefühl der Ungeduld und des Unglaubens freien Lauf ließ? Sicher nicht, solange wir nicht bewiesen haben, dass wir unter ähnlichen Einflüssen standhaft geblieben sind.

Dennoch ist die Behauptung richtig, dass die Botschaft des Täufers ein Hindernis und eine Enttäuschung für den Geist seines Herrn und Meisters war. Die Antwort Christi beweist es:

Mt 11,4-6: Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und verkündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde werden wieder sehend und Lahme gehen umher, Aussätzige werden gereinigt und Taube hören und Tote werden auferweckt und Armen wird gute Botschaft verkündigt; und glückselig ist, wer irgend nicht an mir Anstoß nimmt!

Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass Johannes – von einer vorüberziehenden Wolke des Unglaubens versucht – bestätigt wissen wollte, ob Jesus wirklich der Eine war, für den er in Erfüllung seines Dienstes ein so volles und lautes Zeugnis abgelegt hatte. Ohne Zweifel hatte er, der sich in der eisernen Gewalt des Herodes sah, Anstoß hieran genommen, als er von den Werken Christi hörte. Es lag nahe, dass sein armes Herz allerlei Zweifeln Raum gab, die ihm zuflüsterten: „Wenn dieser der glorreiche Messias wäre, auf den wir hoffen und dessen Königreich in Macht aufgerichtet werden soll, warum steht es dann so traurig um dich, seinen Diener und Zeugen? Warum befinde ich mich denn noch hier im Dunkel eines Kerkers? Warum streckt Er die starke Hand seiner Macht nicht aus, um die Türen dieses Gefängnisses zu zertrümmern und mich in Freiheit zu setzen?“

Wenn das die Gedanken des gefangenen Täufers waren, wie kraftvoll, bestimmt und scharf war dann die Antwort seines Herrn und Meisters! Er machte ihn auf jene großen moralischen Beweise seiner göttlichen Sendung aufmerksam, die völlig genügten, jeden zu überzeugen, der von Gott gelehrt war. Erwartete man nicht, dass der Gott Israels, wenn Er in der Mitte seines Volkes erschiene, sich mit dem wirklichen Zustand dieses Volkes befassen würde? War das der Augenblick zur Entfaltung bloßer Macht? Konnte sich der Sohn Davids, umgeben von Krankheit und Elend, auf seinen Thron setzen? Waren nicht geduldige, herablassende Gnade und Barmherzigkeit inmitten der zahlreichen Früchte der Sünde notwendig? Sicher konnte bloße Macht das Gefängnis des Herodes aufbrechen und den Gefangenen in Freiheit setzen; aber was sollte aus den Lahmen, Blinden, Tauben, Aussätzigen, den Toten, Armen und Elenden werden? Konnte die Entfaltung des Königtums deren Leiden lindern und ihren Zustand verändern? War nicht ein Anliegen wichtiger, das nur von dem gnadenreichen, zärtlichen, sanftmütigen und demütigen Jesus von Nazareth erfüllt werden konnte? Ja, und Johannes hätte das wissen sollen. Aber es geziemt sich, mit Milde in die Gefängniszelle dieses so geehrten Dieners Christi einzutreten, nicht nur weil die Gnade uns dazu auffordert, sondern weil unsere Seelen fühlen sollten, dass, wären wir in einer solchen Lage gewesen, unser Glaube, wenn er nicht durch die Gnade unterstützt wäre, sicher in einer noch weit jämmerlichen Weise erschüttert worden wäre.

Es ist jedoch sehr wichtig, dass wir die Schwäche des gefangenen Täufers völlig verstehen und uns die passende Belehrung aus seiner vorübergehenden Niedergeschlagenheit mit großem Fleiß zunutze machen. Es fehlte dem armen Gefangenen nämlich das Verständnis dafür, dass der Tag des Mitgefühls Christi, aber nicht der Tag seiner Macht angebrochen war. Am Tag seiner Macht wird nirgends ein Kerker, ein Block, ein Schandpfahl zu erblicken, eine Trübsal, Bedrückung, Trauer oder sonstige Widerwärtigkeit für die Heiligen Gottes zu finden sein. Dann wird keine Welle die Oberfläche des Meeres kräuseln und keine Wolke den Himmel trüben; dann wird man keinen Sturm mehr zu befürchten, keine Rohheit mehr zu ertragen haben. Aber jetzt befinden wir uns in der Zeit des Mitgefühls Christi, und für den geprüften, verfolgten, geplagten und unterdrückten Jünger Jesu gilt darum die Frage: „Was möchtest du lieber haben: die dich aus der Trübsal erlösende Macht der Hand Christi oder das dich erquickende Mitgefühl Christi?“ – Die Antwort eines fleischlichen Gemüts, eines nicht unterwürfigen Herzens, eines ruhelosen Geistes wird ohne Zweifel lauten: „Oh, möchte doch nur seine Macht hervorbrechen und mich von dieser unerträglichen Trübsal, dieser unausstehlichen Bürde, dieser zermalmenden Schwierigkeit befreien! Ich rufe nach Befreiung; ich wünsche nichts als Befreiung!“

Mancher von uns wird das verstehen können. Gleich einem Stier, dem das ungewohnte Joch aufgelegt wird, sträuben wir uns oft und versuchen, das Joch abzuschütteln; durch diese unverständigen und nutzlosen Anstrengungen aber machen wir es nur noch schwerer und drückender. Ein geistliches Gemüt hingegen, ein unterwürfiges Herz, ein demütiger Geist werden ohne irgendwelchen Vorbehalt sagen: „Lasst mich in meiner Trübsal nur das wohltuende Mitgefühl des Herzens Jesu genießen; ich verlange weiter nichts. Ich begehre selbst nicht, dass mich die Macht seiner Hand auch nur des geringsten Teils jenes Trostes beraube, der mir durch die zarte Liebe und das tiefe Mitgefühl seines Herzens geschenkt wird. Ich weiß sicher, dass Er mich befreien, ja dass Er in einem Augenblick diese Ketten zerreißen, diese Gefängnismauern dem Boden gleichmachen, diese Krankheit beseitigen, diese geliebte Person, die in der kalten Hand des Todes vor mir liegt, wieder beleben, jene schwere Bürde wegrücken, jener Schwierigkeit begegnen, jene Not beseitigen kann. Aber wenn Er es nicht für gut findet, so zu handeln, wenn es nicht mit seinen unausforschlichen Ratschlüssen und seiner weisen und treuen Absicht übereinstimmt, so mit mir zu verfahren, so weiß ich, dass sein Tun darauf ausgerichtet ist, mich zu einer noch tieferen und reicheren Erfahrung seines höchst kostbaren Mitgefühls zu leiten. Wenn Er es nicht für richtig ansieht, mich von dem rauen Pfad der Trübsal und der Schwierigkeit wegzunehmen – von jenem Weg, auf dem Er selbst in Vollkommenheit gewandelt ist und alle seine Heiligen nach dem Maß ihres Glaubens von Jahrhundert zu Jahrhundert gepilgert sind –, so ist es seine gnädige Absicht, diesen Weg mit mir zu gehen, der wohl rau und dornig ist, aber zu den ewigen Wohnungen des Lichts und der Glückseligkeit droben führt.“

Es ist offensichtlich, dass die Erkenntnis dieser Zusammenhänge das Herz Johannes’ des Täufers inmitten seiner Erfahrungen im Kerker sehr beruhigt haben würde, und sicher wird sie dazu dienen, auch uns in den mannigfachen Übungen, die wir in der Wüste durchzumachen berufen sind, Ruhe und Kraft zu geben. Der Zeitpunkt, seine große Macht anzunehmen und zu herrschen, ist für Jesus noch nicht gekommen. Es ist der Tag seiner Langmut im Blick auf die Welt und der Tag seines Mitgefühls für sein Volk. Wir müssen uns dessen stets bewusst sein. Er gebrauchte seine Macht auch nicht, um seine eigenen Leiden abzuwenden. Als Petrus in irrendem Eifer das Schwert zu seiner Verteidigung zog, sagte Er: „Stecke dein Schwert an seinen Platz; denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde? Wie sollten denn die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss“ (Mt 26,52-54)?

Doch während wir die zeitweilige Schwachheit Johannes’ des Täufers begreifen und zu unterscheiden wissen, warum sich sein Glaube als mangelhaft erwies, müssen wir uns zugleich darauf besinnen, wie niederdrückend die Umstände waren und wie schwierig sich die Lektion darstellte, die er in seinem Kerker zu lernen berufen war. Es ist sehr hart für einen Arbeiter des Herrn, sich beiseitegestellt zu sehen. Nichts ist für ein tätiges Gemüt schwerer, als zu lernen, dass man zu entbehren ist. Wir neigen so sehr zu der Annahme, dass die Arbeit ohne uns nicht vollendet werden könne. Aber wie schnell kann uns der Herr das Gegenteil zeigen! Die Banden des Paulus förderten die Sache Christi; das Einsperren Luthers in der Wartburg beschleunigte die Reformation.

So ist es stets, und auch wir haben zu lernen, dass Gott uns entbehren und dass die Arbeit ohne uns geschehen kann. Das gilt in allen Fällen, wo unser Wirkungskreis auch sein mag. Es unablässig zu erwägen, gibt dem Herzen große Ruhe und ist geeignet, uns von allem beunruhigenden und hassenswürdigen Eigendünkel zu heilen, so dass wir schließlich sagen können: „Der Herr sei gepriesen! Die Arbeit ist vollendet; ich bin glücklich und zufrieden!“

Der bemerkenswerte Unterschied zwischen der an Johannes gerichteten Antwort und dem von Johannes abgelegten Zeugnis Christi ist nicht zu übersehen. Unmissverständlich lässt Er seinen Diener fühlen, dass Er die Ursache, warum Johannes so gefragt hatte, klar erkannt habe. Die Antwort des Herrn enthält einen scharfen Pfeil für seinen Diener. – Wohl verpackt in eine sehr zarte Umschließung; dennoch ein Pfeil, und zwar ein sehr scharfer: „Glückselig ist, wer irgend nicht an mir Anstoß nimmt“! Johannes wird diese Worte verstanden haben; sie waren bestimmt, recht tief in das Innerste seiner Seele einzudringen. Der treue Diener hatte einst im Blick auf Jesus gesagt: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“; und er war berufen, nicht nur in seinem Dienst, sondern auch nach seiner Person diesen Ausspruch zu verwirklichen. Er musste sich damit begnügen, seine Laufbahn unter dem Schwert des Henkers zu beenden, nachdem er seine letzten Tage hinter Kerkermauern zugebracht hatte. Wie geheimnisvoll! Wie schrecklich für Fleisch und Blut! Wie nötig, wie dringend nötig ist es, in einem so finsteren Augenblick das Wort zu beachten, das der Herr später an Petrus richtete: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen“ (Joh 13,7).

Wichtige Worte! „Jetzt“ und „nachher“! Wie oft geschieht es, dass das „Jetzt“ in tiefe, undurchdringliche Dunkelheit gehüllt ist! Schwere Wolken hängen über unserem Pfad und die Handlungen unseres Vaters sind uns völlig unerklärlich. Unsere Herzen sind sehr bedrückt. Es zeigen sich Umstände, die wir nicht berechnen können, Prüfungen, deren Zweck wir nicht begreifen und nicht zu schätzen wissen. Wir sind bestürzt und fragen: „Warum das?“ Wir sind völlig im „Jetzt“ befangen und geben uns traurigen, glaubenslosen Einwürfen und Überlegungen hin, bis endlich unser Ohr von den kostbaren Worten berührt wird: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht; du wirst es aber nachher verstehen.“ Dann sind alle Einwände beantwortet; dann ist der Sturm zum Schweigen gebracht und das trostlose und niederbeugende „Jetzt“ schwindet unter den Strahlen eines glänzenden und herrlichen „Nachher“, so dass das unterwürfige Herz in heiliger und verständiger Ergebung ausrufen kann: „Herr, wie Du willst!“ Oh, möchten wir diese Zusammenhänge besser erkennen! Wir bedürfen dieser Erkenntnis, was auch immer unser Los in dieser Welt sein mag. Wenn wir auch nicht berufen sein sollten, gleich dem Täufer die Leiden eines Gefängnisses kennenzulernen, so hat doch ein jeder sein „Jetzt“, das in dem Licht des „Nachher“ seine Erklärung finden muss. Wir müssen das, was man „sieht“ und was „zeitlich“ ist, im Licht dessen beschauen, was man „nicht sieht“ und was „ewig“ ist.

Doch wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit dem Zeugnis Christi über Johannes den Täufer zu.

Mt 11,7-11: Als diese aber hingingen, fing Jesus an, zu den Volksmengen über Johannes zu reden: Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen zu sehen? Ein Schilfrohr, vom Wind hin und her bewegt? Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen, mit weichen Kleidern bekleidet? Siehe, die die weichen Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Ja, sage ich euch, sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg vor dir bereiten wird. Wahrlich, ich sage euch: Unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er.[1]

Das war das glänzende Zeugnis, das Christus von Johannes dem Täufer ablegte: „Unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als er.“ Hier zeigt sich ein wesentlicher Grundsatz, der in den Mitteilungen der Handlungen Gottes mit seinem Volk immer wieder hervortritt. Wenn der Herr an seinen Knecht eine Botschaft zu senden hat, so tut Er es klar, bestimmt und ohne Rückhalt; aber wenn Er von ihm redet, so geschieht das in einer ganz anderen Weise.

So ist es immer – gelobt sei Gott! Wir haben unsere Wege, und Gott hat seine Gedanken; und während Er mit uns hinsichtlich unserer Wege in aller Treue handelt, redet Er von uns nach seinen Gedanken. Welche Ermutigung bietet dies dem Herzen! Was für ein Trost! Welche moralische Macht! Was für ein fester Grund für das Selbstgericht! Gott hat uns eine Stellung gegeben; und gemäß dieser Stellung denkt Er an uns und spricht von uns. Wir haben unsere praktischen Wege, und bezüglich dieser Wege handelt Er mit uns und spricht Er zu uns. Er will uns vor unseren Augen bloßstellen und uns unsere Wege fühlen und unsere Handlungen richten lassen; aber sobald Er zu anderen von uns spricht, stellt Er die Vollkommenheit seiner eigenen Gedanken über uns klar heraus und spricht von uns nach der vollkommenen Stellung, die Er uns in seiner Gegenwart gegeben hat – als die Frucht seines unsertwegen gefassten ewigen Ratschlusses und seines unsertwegen vollbrachten, vollkommenen Werkes.

So war es mit den Kindern Israel in den Ebenen Moabs. Während Gott sie ununterbrochen wegen ihrer Wege tadeln und in höchst deutlicher Weise wegen ihrer Störrigkeit und Hartnäckigkeit zurechtweisen musste, stellte Er sich, sobald der habsüchtige Prophet erschien, um Israel zu verfluchen, zwischen sein Volk und den Feind, um den Fluch in Segen umzuwandeln und von dem Volk in den erhabensten und wunderbarsten Ausdrücken zu sprechen. „Nicht ein Mensch ist Gott, dass er lüge, noch ein Menschensohn, dass er bereue. Sollte er sprechen und es nicht tun und reden und es nicht aufrechterhalten? Siehe, zu segnen habe ich empfangen; und er hat gesegnet, und ich kann es nicht wenden. Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel; der HERR, sein Gott, ist mit ihm, und Jubelrufe wie um einen König sind in seiner Mitte. Gott hat ihn aus Ägypten herausgeführt; sein ist die Stärke des Wildochsen. Denn da ist keine Zauberei gegen Jakob und keine Wahrsagerei gegen Israel. Um diese Zeit wird von Jakob und von Israel gesagt werden, was Gott gewirkt hat. Siehe, ein Volk: Wie eine Löwin steht es auf, und wie ein Löwe erhebt es sich! Es legt sich nicht nieder, bis es den Raub verzehrt und das Blut der Erschlagenen getrunken hat“ (4Mo 23,19-24).

Was ist das für eine Gnade, die hier bezeugt:  „Ich schaue nichts Böses und sehe kein Unrecht!“ Was konnte der Feind dazu sagen? Es wird gesagt werden: „was Gott gewirkt hat“, nicht: „was Israel gewirkt hat“. Israel hatte nur zu oft töricht gehandelt; aber Gott hatte das Heil gewirkt. Er hatte für seine eigene Herrlichkeit gewirkt, und diese Herrlichkeit hatte in der vollkommenen Befreiung eines verkehrten, störrischen und hartnäckigen Volkes hell aufgeleuchtet. Die Aussage des Feindes über das Böse und das Unrecht in Israel war nutzlos, wenn der HERR keine Kenntnis davon nahm. Es hat für uns keine Folgen, dass Satan uns anklagt, wenn Gott vergeben hat; dass Satan unsere Sünden aufzählt, wenn Gott sie alle für immer ausgelöscht hat; dass Satan uns verdammt, wenn Gott uns gerechtfertigt hat.

Aber ist denn das Hervorkehren solcher Grundsätze nicht gefährlich? Kann ein Christ dadurch nicht zu den finsteren und verhängnisvollen Regionen einer falschen Freiheit geleitet werden? – Doch, mein Leser, du kannst versichert sein, dass du von dieser mit Recht gefürchteten Region nie weiter entfernt bist, als wenn deine Seele von den glänzenden und gesegneten Strahlen der ewigen Gunst Gottes erwärmt wird und sich der Unwandelbarkeit seines bedingungslosen und ewigen Heils erfreut. Es gibt keinen größeren Irrtum, als wenn man der Meinung Raum gibt, dass die freie Gnade und das vollkommene Heil je zu unheiligen Resultaten führen könnten. Die Begriffe des Menschen mögen eine solche Wirkung einschließen; aber wo die Gnade ganz erkannt und das Heil völlig genossen wird, wird sich sicher auch die „Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“ (Phil 1,11) ist, finden. Aber wir wissen, dass es eine alte Gewohnheit der Unwissenden und sich selbst erhebenden Gesetzlichkeit ist, der freien Gnade Gottes eine das Gesetz verachtende Neigung zuzuschreiben. Der Einwand gegen die kostbaren Lehren der Gnade: „Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?“, ist nicht neu. Er vermag aber diese Lehren in ihrer Reinheit und Kraft nicht anzutasten; sie finden ihren göttlichen Mittelpunkt in der Person Christi selbst, der, nachdem Er am Kreuz gestorben und unsere Sünden weggenommen hat, unser Leben und unsere Gerechtigkeit, unsere Heiligung und unsere Erlösung, unser alles in allem geworden ist. Er hat uns nicht nur von den künftigen Folgen der Sünde, sondern auch von deren gegenwärtigen Macht befreit.

Das ist es, was Gott gewirkt hat, und es ist das Fundament des näher erläuterten großen Grundsatzes, der durch die Handlungen mit Israel in den Ebenen Moabs und durch die Handlungen Christi mit dem Täufer im Kerker des Herodes in unterschiedlicher Weise dargestellt wird. Der HERR zwang den Propheten Bileam, vor den Ohren Balaks auszurufen: „Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel!“ – und zwar zur selben Zeit, als diese Zelte und diese Wohnungen gerichtsreif waren. Ebenso rühmte Jesus vor den Ohren der Volksmenge die Größe Johannes’ des Täufers in dem Augenblick, als die Boten auf dem Rückweg zu ihrem gefangenen Meister waren und jenen Pfeil für sein Herz mit sich führten.

Eine klare Vorstellung dieses Grundsatzes und ein beständiges Besinnen hierauf wird nicht nur zum Verständnis des Wortes Gottes beitragen, sondern auch zur Erklärung seiner Wege von unberechenbarem Nutzen sein. Gott richtet sein Volk. Er kann nicht das Geringste in dessen Wegen übersehen. Das glänzende Zeugnis Bileams auf den Höhen Moabs wurde begleitet von dem scharfen Wurfspieß des Pinehas in den Ebenen Moabs (4Mo 25,7). „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“ Das ist es, was unser Gott jetzt ist. Er kann das Böse nicht dulden. Er spricht von uns, denkt an uns, handelt für uns nach der Vollkommenheit seines eigenen Werkes. Was schadet es, wenn der Feind sich anschickt, uns zu verfluchen? Er findet nicht den geringsten Flecken; alles ist vollkommen, lieblich und schön. Wie könnte es auch anders sein? Wie könnte das Auge Gottes noch jene Sünden sehen, die für immer durch das Blut des Lammes ausgelöscht sind? Das ist unmöglich. Lässt das die Sünde geringschätzen? Fern sei dieser Gedanke! Wird dadurch der Zügellosigkeit die Tür geöffnet? Nein, vielmehr wird dadurch der einzige wahre Grund zur persönlichen Heiligkeit gelegt. „Der Herr wird sein Volk richten.“ Er wird auf die Wege seiner Kinder schauen. Er wird für seine Heiligkeit Sorge tragen; mehr noch: Er wird sein Volk zu Teilhabern dieser Heiligkeit machen und sie zu diesem Zweck mit der Rute treuer Zucht züchtigen. Gerade weil in den Augen des HERRN die Zelte Jakobs lieblich waren, sandte Er Pinehas in dieselben Zelte mit dem Spieß des gerechten Gerichts in seiner Hand. Und das gilt auch jetzt. Weil sein Volk Ihm kostbar und lieblich ist, will Er nichts in ihm oder in seinen Wegen dulden, was gegen seine Heiligkeit streitet. „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“ (1Pet 4,17). Gott richtet jetzt die Welt nicht; Er richtet jetzt sein Volk. Bald kommt das Gericht über die Welt. Doch vergessen wir nicht, dass Er sein Volk als ein „heiliger Vater“ richtet; als ein „gerechter Gott“ wird Er die Welt richten. Der Zweck im ersten Fall ist praktische Heiligkeit; der Ausgang im letzten wird ewiges Verderben sein. Was für ein ernster Gedanke!

Daneben gibt es noch einen anderen Gesichtspunkt, der sehr große praktische Bedeutung hat. Wir müssen nämlich unsere Stellung nicht nach unserem Zustand messen, sondern vielmehr unseren Zustand an unserer Stellung. Viele irren in dieser Beziehung; und dieser Irrtum führt zu traurigen Ergebnissen. Die Stellung des Gläubigen ist fest, vollkommen, ewig, göttlich. Sein Zustand dagegen ist unvollkommen und schwankend. Er ist Teilhaber der göttlichen Natur, die nicht sündigen kann; aber er trägt auch seine alte Natur mit sich herum, die nur sündigen kann. Seiner Stellung nach ist das Alte vergangen, und alles ist neu geworden. Gott erblickt ihn nur in der neuen Stellung, also nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist – nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Der Gläubige ist in Christus. So sieht Gott ihn; und das ist seine vollkommene und ewige Stellung. Seine Sünden sind nicht mehr; er ist angenommen; alles ist vollendet. Sein praktischer Zustand kann seine Stellung nicht berühren. Er kann in seinem praktischen Wandel seine Gemeinschaft, seine Anbetung, sein Zeugnis, seinen Genuss, die Ruhe seines Herzens, die Verherrlichung Christi bedenklich stören, und das ist für ein empfindsames Herz sehr ernst. Aber die Stellung des Gläubigen bleibt ewig unangetastet und muss unverändert bleiben. Keine Macht der Menschen oder der Teufel kann auch nur im geringsten Grad das beeinträchtigen, was von Gott gegeben und vollkommen in Christus ist. Das schwächste Glied der Familie Gottes hat seinen Bergungsort und seinen bestimmten Ruheplatz hinter den unbezwingbaren Bollwerken des göttlichen Heils. Wer dies leugnet, der rüttelt an der einzigen wahren Grundlage des Selbstgerichts und der praktischen Heiligkeit.

Wenn also ein Christ darangeht, seine Stellung an seinem Zustand zu messen, muss er ins Elend kommen, und sein geistiges Elend wird umso größer, je ehrlicher und intelligenter er ist. Es mag Fälle geben, wo Unwissenheit, Selbstzufriedenheit oder Mangel an Ehrlichkeit zu einer Art falschem Frieden führen. Aber wo irgendein Maß an Licht, Verständnis und Aufrichtigkeit da ist, da wird es geistige Nöte geben, wenn die Stellung am Zustand gemessen wird.

Andererseits aber lasst uns nie vergessen – und in der Tat kann ein aufrichtiger Christ nicht wünschen, es zu vergessen –, dass der Zustand nach der Stellung ausgerichtet werden muss. Wenn wir diese heilsame Wahrheit aus den Augen verlieren, so werden wir bald das gute Gewissen von uns gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten haben. Darum müssen wir das Glaubensauge stets auf einen auferstandenen Christus gerichtet halten und uns mit nichts Geringerem begnügen, als Ihm nach Geist, Seele und Leib gleichförmig zu sein.

Es bedarf nur noch weniger Worte, um die in unserem Kapitel bezeichneten weiteren Hindernisse anzudeuten, mit denen der Herr Jesus zu kämpfen hatte. Nachdem Er die Frage des Täufers beantwortet und dessen Dienst klargestellt hat, wendet Er sich an seine Umgebung mit den Worten:

Mt 11,16-19: 1Wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und den anderen zurufen und sagen: Wir haben euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht gewehklagt. Denn Johannes ist gekommen, der weder aß noch trank, und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt, und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern. Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern.

Sowohl das Pfeifen als auch die Klagelieder waren durch ein glaubensloses Zeitalter hindurch unbeachtet geblieben. „Johannes kam zu euch auf dem Weg der Gerechtigkeit, und ihr glaubtet ihm nicht“ (Mt 21,32). Der Herr Jesus kam in vollkommener Gnade und sie wollten Ihn nicht. Der strenge und ernste Dienst der Gerechtigkeit mit der Axt des Gerichts in der Hand und andererseits der liebliche, zarte Dienst der Gnade mit den Worten der Sanftmut und mit Werken der Güte – beide wurden durch die Menschen jenes Geschlechts verworfen. Aber die Kinder der Weisheit werden diese in all ihren Handlungen und Worten rechtfertigen. Gelobt sei der Herr für seine reiche Gnade! Glückselig, wer ein Auge, ein Ohr und ein Herz hat, um die Wege, die Werke und Worte der göttlichen Weisheit zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu schätzen!

Mt 11,20-24: Dann fing er an, die Städte zu schelten, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen waren, weil sie nicht Buße getan hatten: Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Wunderwerke geschehen wären, die unter euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan. Doch ich sage euch: Tyrus und Sidon wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als euch. Und du, Kapernaum, die du bis zum Himmel erhöht worden bist, bis zum Hades wirst du hinabgestoßen werden; denn wenn in Sodom die Wunderwerke geschehen wären, die in dir geschehen sind, es wäre geblieben bis auf den heutigen Tag. Doch ich sage euch: Dem Land von Sodom wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als dir.

Mit welch einem tiefen und erschreckenden Ernst dringt dieses „Wehe“ von den Lippen des Sohnes Gottes in unser Ohr! Es ist das Wehe, das der verworfenen Gnade auf dem Fuß folgt. Es ist hier nicht bloß die Rede von einem übertretenen Gesetz, von entehrten und beschimpften Verordnungen, von göttlichen Einrichtungen, die in schändlicher Weise zerstört, oder von Propheten und Weisen, die von Menschen verworfen und gesteinigt wurden. Es war weit mehr geschehen. Der Sohn selbst war gekommen in der reinsten, reichsten Gnade. Er hatte Worte zu ihnen gesprochen wie sonst niemand. Er hatte die mächtigsten Wunderwerke in ihrer Mitte verrichtet, hatte ihre Kranken geheilt, ihre Aussätzigen gereinigt, ihre Toten auferweckt, ihre Hungrigen gespeist, ihren Blinden die Augen, ihren Tauben die Ohren geöffnet. Was hatte Er nicht getan? Welche Worte hatte Er ihnen vorenthalten? Wie eine Henne ihre Küken, so hatte Er sie unter seine Flügel versammeln wollen; aber sie hatten es nicht gewollt. Sie zogen die Flügel des Erzfeindes den Flügeln des HERRN vor. Er wollte sie an sein Herz legen; aber sie vertrauten Ihm nicht. Den ganzen Tag hindurch hatte Er seine Arme nach ihnen ausgestreckt; aber sie wollten nichts mit Ihm zu schaffen haben, und jetzt nach so langer Nachsicht ruft Er schließlich sein ernstes Wehe über sie aus und redet mit ihnen über das schreckliche Verhängnis, das ihrer unausbleiblich harrte.

Aber will es nicht scheinen, als ob dieses Wehe sich weit über Chorazin, Bethsaida und Kapernaum hinaus erstrecke? Sollte es nicht mit weit größerem Nachdruck und mit einer die Seele erschütternden Kraft das Ohr des Christentums berühren? Wir zweifeln nicht einen Augenblick daran, wollen es uns aber versagen, auf die näheren Umstände einzugehen, die sich vereinigen, die Schuld der bekennenden Kirche zu vermehren – auf die weite Verbreitung der schriftgemäßen Kenntnis und des evangelischen Lichts und auf die unzähligen und namenlosen Formen, in denen die geistlichen Vorrechte auf dem Weg dieser Generation zerstreut umherliegen. Und was ist das Ergebnis? Wie sieht der praktische Zustand derer aus, die die höchste Stufe des christlichen Bekenntnisses einnehmen? Ach, wir wagen es kaum, darauf zu antworten. Wir sehen auf der einen Seite, wie die finsteren Schatten des Aberglaubens die Gemüter einhüllen, und auf der anderen, wie der Unglaube seine freche und verwegene Stimme erhebt und sich erkühnt, seine gottlose Hand auf das heilige Wort Gottes zu legen. Das arme Herz aber, berührt von diesen beiden Zeitströmungen, greift mit Eifer nach allem, was ihm möglicherweise zur Ruhe und Selbstverwöhnung dienen könnte. Die ganze Geschichte der Welt kennt kein so finsteres Schauspiel, wie es die bekennende Kirche in dieser gegenwärtigen Stunde vorstellt. Man lege Chorazin und ihre Schwesterstädte, Sodom und Gomorra, und die Städte der Ebene zusammen mit ihrer ganzen Schuld in eine Waagschale – das Christentum wird schwerer wiegen als sie alle miteinander. Denn wenn man in jenen Städten Gottlosigkeit und Unglauben fand, so waren sie doch nicht – wie im Christentum – an den Namen Christi geheftet oder mit den trüglichen Gewändern des christlichen Bekenntnisses umhüllt. Das allein war dem Christentum vorbehalten, und daher möge das schreckliche „Wehe dir!“ von allen gehört werden, die Ohren haben zu hören – ein Wehe, dessen Ernst nur an dem ungeheuren Umfang der Vorrechte und folglich der Verantwortlichkeit des Christentums gemessen werden kann.

Wer bis jetzt aber das Zeugnis des Evangeliums verworfen hat, sei dringend ermahnt, für seine Person den ernsten Worten „Wehe dir!“ Gehör zu schenken, weil mit dem ständigen Hören und Verwerfen des Evangeliums eine schreckliche Verantwortlichkeit verbunden ist. Wenn es für Kapernaum ernst war, das auf diese Stadt scheinende Licht abzulehnen, wie viel ernster ist es jetzt, wenn jemand das weit glänzendere Licht verwirft, das ihm aus dem Evangelium der Gnade Gottes entgegenstrahlt. Die Erlösung ist vollbracht, Christus als Fürst und Erlöser erhöht; der Heilige Geist ist herabgekommen, die von Gott eingegebene Heilige Schrift ist vollständig – damit ist alles geschehen, was die Liebe nur tun konnte. Wenn daher angesichts dieses hell aufleuchtenden Lichtes und dieses großen Vorrechts ein Mensch im Unglauben bleibt und in der Sünde ungestört fortlebt, so hat er alle Ursache, zu fürchten, dass ihm am Ende das Gerichtswort zugerufen wird: „Wehe dir, du Verächter des Evangeliums!“ – „Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen. Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden“ (Spr 1,24-28). Möge der Heilige Geist sich dieser Worte bedienen, um jeden sorglosen Leser aufzuschrecken und ihn zu den Füßen des Herrn Jesus zu führen!

Hilfsmittel im Dienst

Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Hilfsmittel, die der treue, der vollkommene, der göttliche Arbeiter in Gott fand. Ganz sicher hatte unser Herr seine Hindernisse und Widerwärtigkeiten in dieser gottlosen Welt. Alles war gegen Ihn, so dass Er hätte versucht sein können zu seufzen: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergebens und für nichts meine Kraft verzehrt“ (Jes 49,4). Jedoch, Er hatte seine nie versiegenden Quellen in Gott. 

Mt 11,25-27: Zu jener Zeit hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir. Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem irgend der Sohn ihn offenbaren will.

Hier also zeigen sich die reichen und vielfältigen Quellen des treuen Arbeiters, der Gott für alles danken konnte. Inmitten aller Umstände bleibt Er standhaft. Als das Zeugnis verworfen worden war, als die Botschaft tauben Ohren und unbeschnittenen Herzen begegnete und der von seiner liebenden Hand gestreute kostbare Same auf den Weg gefallen und von den Vögeln des Himmels hinweggetragen worden war, da konnte Er sein Haupt beugen und sagen: „Ich preise dich, Vater. Ja Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ Es gab kein Versagen auf seiner Seite. Er zeigte sich stets als der Vollkommene. Er wandelte und wirkte immer auf der geraden Linie des göttlichen Ratschlusses. Wie anders ist es bei uns! Wenn unser Zeugnis verworfen wird, unsere Arbeit hier und dort vergeblich ist, so sollten wir nach der Ursache fragen oder sogar uns selbst richten. Vielleicht waren wir nicht treu, so dass wir uns den Mangel an Früchten selbst zuzuschreiben haben. Vielleicht hätten wir einfältiger und unterwürfiger sein sollen; vielleicht hätten wir Früchte geerntet, wenn wir nicht so fleischlich oder weltlich gewesen wären; vielleicht zeigten wir auch Selbstverwöhnung statt Selbstverleugnung, waren von Beweggründen beherrscht, die sich nicht geziemten. Kurz, es konnten tausend Ursachen in uns selbst und in unseren Wegen sein, die unsere Arbeit und Mühe fruchtlos machten. Dann gibt es nur einen Weg: Wir müssen uns selbst richten und vor dem Herrn demütigen. Und je ernstlicher dies geschieht, desto besser. Nur so werden wir mit neuem Mut und Vertrauen unsere Arbeit wieder aufnehmen und fortsetzen können.

Bei dem einzigen treuen Arbeiter war es anders, bei Ihm war alles vortrefflich und ausgezeichnet. Er konnte mit Ruhe seine Blicke von den Schwierigkeiten und Hindernissen dieser Erde abwenden und sie hinlenken auf die unversiegbaren Quellen. „Ich preise dich!“ Er konnte sein Herz in dem ewigen Ratschluss Gottes ruhen lassen. Alle Dinge waren Ihm übergeben; und Er konnte sagen: „Alles, was mir der Vater gibt, kommt zu mir.“ Alles war festgestellt, alles wohlgeordnet. Und in der Tat, der Rat Gottes wird bestehen und das göttliche Wohlgefallen wird erfüllt werden. Welche wohltuende Ruhe für das Herz inmitten der Hindernisse und der enttäuschten Erwartungen! Gott wird hinsichtlich seiner Diener alles vollenden. Die reiche Gnade des Herrn wird selbst unsere zahlreichen Mängel und Gebrechen überströmen, wiewohl unsere Verirrungen sicher ihre eigenen peinlichen und demütigenden Resultate hervorbringen werden. Nur die Erinnerung an die treue Fürsorge des Herrn gibt unseren Herzen inmitten der sehr entmutigenden Umstände Ruhe. Wenn wir unser Auge von Gott abwenden, werden unsere Seelen bald ermatten. Aber unser Vorrecht ist, die Kraft zu haben, Gott im Blick auf alles, was uns begegnet, zu danken und seinem ewigen Ratschluss vertrauen zu können; denn alle Dinge müssen uns trotz des Unglaubens des Menschen und trotz der Bosheit und List Satans zum Guten mitwirken.

Tätigkeit im Dienst

Zum Schluss erblicken wir, wie der Herr sich in gnadenreicher Tätigkeit aufs Neue den Menschen widmet.

Mt 11,28-30: 2Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Diese Worte vervollständigen das in unserem Kapitel dargestellte liebliche Gemälde. Die neu beginnende gnadenreiche Wirksamkeit enthält eine bewundernswerte Belehrung für uns. Der Herr hat sich von dem Schauplatz enttäuschter Erwartungen zurückgezogen und in Gott gestärkt, dann aber wendet Er sich dahin zurück, wo Er abgewiesen ist, und nimmt seine gnadenreiche Arbeit in vollkommener, untrüglicher Gnade, in unerschöpflicher Barmherzigkeit, in unermüdlicher Geduld wieder auf. Wohl hatte Er eine zurechtweisende Antwort an Johannes den Täufer gesandt, die Menschen jenes Geschlechts treu geschildert und ein feierliches Wehe über die unbußfertigen Städte ausgesprochen; aber das hindert Ihn nicht, von neuem in der ganzen Frische und Fülle der Gnade, die in Ihm war, aufzutreten und allen mühseligen und beladenen Seelen zuzurufen: „Kommt her zu mir!“

Das ist wahrhaft göttlich. Es beugt unsere Herzen zur Anbetung und Danksagung. Wenn die Wahrheit im Blick auf die zunehmende Verstocktheit gezwungen ist, ein „Wehe dir!“ auszurufen, so kann sich die Gnade an jedes mühselige und beladene Herz mit der rührenden Einladung wenden: „Kommt her zu mir!“ Beides ist vollkommen. Der Herr Jesus fühlte die Hindernisse. Er wäre kein Mensch gewesen, wenn Er sie nicht gefühlt hätte. Er konnte sagen: „Ich habe auf Mitleiden gewartet, aber da war keins, und auf Tröster, aber ich habe keine gefunden.“ Man beachte es wohl: Sein liebendes, so oft enttäuschtes Herz wartete auf Mitleiden und fand keins. Er wartete auf „Tröster“ und wartete vergebens. Es gab kein Mitleiden für Jesus, es gab keine Tröster für Ihn. Er war allein gelassen. Einsamkeit, Betrübnis, Hunger, Durst, Schande und Tod waren das Teil des Sohnes Gottes und des Sohnes des Menschen. „Der Hohn hat mein Herz gebrochen“, sagt Er. Es ist ein höchst verwerflicher Irrtum, anzunehmen, dass der Herr Jesus die vielfachen Übungen, die Er durchzumachen hatte, nicht in jeder Beziehung in der gleichen Weise gefühlt habe, wie der Mensch sie empfindet. Mit Ausnahme der Sünde empfand Er alles so, wie es der Mensch zu fühlen imstande war; die Sünde aber trug und sühnte Er am Kreuz. Gelobt sei sein Name!

Das ist nicht nur eine Hauptlehre des christlichen Glaubens, sondern auch eine Wahrheit von unendlicher Lieblichkeit für das Herz jedes wahren Gläubigen. Der Herr Jesus fühlte als Mensch, was es war, verachtet, enttäuscht, verwundet und verhöhnt zu sein. Herr Jesus, Du fühltest jeden Schmerz, jeden Kummer, jedes Weh inmitten einer gefühllosen und herzlosen Welt! Dein liebendes Herz suchte Mitleiden und fand keins! Während Du nach Gemeinschaft verlangtest, gab es für Dich die Einsamkeit! Die Welt hatte kein Mitleiden, keinen Trost für Dich!

Und doch, welch eine Gnade strahlt uns aus den Worten entgegen: „Kommt her zu mir.“ Und wie beschämen sie uns! Wenn wir, die wir diese Gnade in unseren Wegen tagtäglich erfahren, auf Hindernisse und enttäuschte Erwartungen stoßen, was ist dann oft die Folge? Findet man uns dann auch schnell wieder in jener gnädigen Tätigkeit, die unermüdlich mühselige und beladene Seelen sucht, um sie Ihm zuzuführen, der stets mit demselben Erbarmen sagt: „Kommt her zu mir“? Ist unser Herz nicht oft mit Kummer, Verdruss und bitteren Klagen erfüllt? Und warum das? Der Einwand, wir seien nicht vollkommen, ist sicher wahr. Wir sind in uns selbst durchaus unvollkommen; aber es geht hier um die Übung, sich von den Hindernissen der Welt oder der bekennenden Kirche zurückzuziehen und zu den Quellen in Gott Zuflucht zu nehmen, wenn wir fähig sein wollen, aufs Neue eine Tätigkeit auf dem Wirkungsfeld zu beginnen, auf dem wir vorher abgewiesen worden sind. Aber wie oft waren wir, anstatt uns auf Gott zu werfen, mit uns selbst beschäftigt! Dann aber bleibt es nicht aus, dass wir der Bitterkeit das Herz öffnen, anstatt in Gnade tätig zu sein. Es ist unmöglich, Seelen zu dem Herrn Jesus zu führen, wenn wir uns nicht zuvor an den Quellen erfrischt haben.

Oh, möchten wir doch von Jesus lernen und sein Joch auf uns nehmen! Möchten wir zu den Füßen dessen sitzen, der sanftmütig und von Herzen demütig ist! Welche Worte: „sanftmütig und von Herzen demütig“. Wie unähnlich unserer Natur! Wie unähnlich der Welt! Wie unähnlich unserem Verhalten! Wie viel Stolz, Hochmut und Selbstüberhebung zeigen sich in uns! Möchten wir uns sehen, wie der Herr uns sieht, damit wir uns zu seinen Füßen setzen und immer demütig vor Ihm wandeln! Möge Er uns befähigen, in diesen Tagen des Eigendünkels und des Hochmuts die moralische Sicherheit eines sanftmütigen Geistes und eines demütigen Herzens zu zeigen! Es ist bewunderungswürdig, zum Tragen desselben Jochs berufen zu sein, das Jesus trug – das Joch der völligen Unterwerfung unter den Willen des Vaters in allen Dingen. Das ist das Geheimnis wahren Friedens und wahrer Kraft. Wir können die wahre Ruhe des Herzens nur genießen, wenn der eigene Wille unterworfen ist. Diese Ruhe werden wir haben, wenn wir jede Fügung der Hand unseres Vaters mit einem „Ja, Vater“ annehmen. Die Tätigkeit des eigenen Willens schließt die Ruhe aus. Um Ruhe des Gewissens zu erlangen, muss man zu Jesus kommen; um Ruhe des Herzens zu finden, müssen wir sein Joch auf uns nehmen und von Ihm lernen. Oh, möchte unser Herz in der rastlosen Tätigkeit unserer Tage diese Ruhe immer mehr erkennen und genießen!


Originaltitel: „The True Workman: His Rebuffs, His Resources, His Returns“ 
aus Things New and Old, Jg. 7, 1864, S. 86–93, 112–119, 121–129

Anmerkungen

[1] Um den letzten Satz in Matthäus 11,11 zu verstehen, müssen wir zwischen dem persönlichen Charakter und Wandel Johannes’ des Täufers und seiner Stellung unterscheiden. Der Person und dem Wandel nach konnten im Blick auf seine Absonderung und Widmung sich nur wenige, selbst im Reich, ihm vergleichen; aber in seiner amtlichen Stellung, auf dem ihm in der göttlichen Haushaltung bestimmten Platz nahm der Geringste im Reich eine bessere und höhere Stellung ein. Dasselbe gilt für die alttestamentlichen Heiligen. Wenn wir zum Beispiel Abraham mit dem besten der Kinder Gottes in der Jetztzeit vergleichen, so steht der Vater der Gläubigen hinsichtlich seines persönlichen Glaubens, seiner Gotteserkenntnis und seiner aufrichten Ergebenheit vielleicht weit höher als sie; dennoch hat das schwächste Glied der Kirche Christi im göttlichen Haushalt einen Vorzug, an den Abraham, weil ihm dieser Haushalt nicht offenbart war, niemals dachte. Viele gottesfürchtige Christen unserer Tage übersehen die Würden und Vorrechte der Gläubigen in der Jetztzeit, weil sie diese persönlich mit den Gläubigen des Alten Testaments vergleichen. Aber bedenken wir, dass hierbei durchaus nicht davon die Rede ist, was wir in uns selbst sind, sondern von dem Platz, den Gott in der Anordnung seines Königreiches und Haushalts uns zu bestimmen für gut befunden hat. Und sollten wir nach seinem Wohlgefallen einen höheren Platz als die alttestamentlichen Gläubigen einnehmen, so dürfen wir diesen Platz nicht aus falscher Demut ausschlagen, sondern müssen vielmehr Gnade suchen, um dieser Stellung entsprechend zu wandeln.

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