Leitverse: Johannes 17,14-16; Philipper 3,17-20; Kolosser 3,1-4;
Sie werden vielleicht überrascht sein, wenn wir Ihnen sagen, dass Ihre Frage die Grundwahrheiten des Christentums berührt. Wir möchten Sie fragen, lieber Freund: Welcher Welt gehört der Christ an, dieser Welt oder der Welt droben? Ist sein Bürgertum auf der Erde oder im Himmel? Ist er dieser Welt gestorben oder noch in ihr lebendig? Wenn er ein Bürger dieser Welt ist, wenn sein Platz, sein Teil, seine Heimat hier ist, dann kann er allerdings gar nicht aktiv genug sein, um an ihren Angelegenheiten teilzunehmen. Er sollte Stadträte und Parlamentsabgeordnete wählen und sein Möglichstes tun, um den richtigen Mann an die richtige Stelle zu bringen, sei es bei der Kommunalbehörde oder im Sitzungssaal des Unterhauses. Er sollte sich ganz dafür einsetzen, dass die Verhältnisse in dieser Welt besser werden bzw. in Ordnung kommen. Mit einem Wort: Ist er ein Bürger dieser Welt, so sollte er sein Bestes tun, um die Funktionen zu erfüllen, die zu einer solchen Stellung gehören.
Wenn es aber wahr ist, dass der Christ im Blick auf diese Welt „tot“ ist, wenn sein Bürgertum in den Himmeln ist, wenn sein Platz, sein Teil und seine Heimat droben sind, wenn er hier auf der Erde nur ein Pilger und Fremdling ist, dann folgt daraus, dass er nicht berufen ist, sich in irgendeiner Weise in die Politik dieser Welt einzumischen, sondern berufen, seinen Pfad als Pilger zu gehen, sich um des Herrn willen geduldig jeder Einrichtung der Menschen zu unterwerfen, den obrigkeitlichen Gewalten gehorsam zu sein und für ihre Bewahrung und ihr Wohl in jeder Hinsicht zu beten.
Doch nun zurück zu Ihrer Frage: „Was lehrt das Wort über diese Sache?“ Eine sehr wichtige Frage. Was sagt also die Heilige Schrift darüber? Einige wenige Stellen werden genügen. Hören wir, was unser Herr sagte, als Er mit dem Vater über „die Seinen, die in der Welt sind“, sprach:
- Joh 17,14-16: Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin.
Und nun wollen wir hören, was der inspirierte Apostel zu diesem Thema sagt:
- Phil 3,17-20: Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes des Christus sind: deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen. Denn unser Bürgertum (politeuma) ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten.
Ferner lesen wir im Kolosserbrief:
- Kol 3,1-4: Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit.
Nun wird vielleicht mancher einwenden, die genannten Schriftstellen seien nicht mehr anwendbar, „die Welt“ von Johannes 17 sei nicht die Welt unseres Jahrhunderts; die damalige Welt sei heidnisch gewesen, während die jetzige christlich sei. All denen, die diesen Standpunkt vertreten, haben wir nichts zu sagen. Wenn die Lehre des Neuen Testaments nur für ein vergangenes Zeitalter bestimmt war, wenn sie sich nur auf die damaligen Verhältnisse bezieht und nicht auf die heutigen anzuwenden ist, dann wissen wir tatsächlich nicht, wo wir stehen oder wohin wir uns im Blick auf Leitung und Autorität wenden sollen. Doch wir haben einen göttlichen und daher allgenugsamen Wegweiser für alle Zeiten, alle Länder und alle Umstände – Gott sei Dank dafür!
Wenn wir also durch die Schrift geleitet werden sollen, haben wir keinerlei Befugnis, uns in die Politik dieser Welt einzumischen. Das Kreuz Christi hat das Band zerrissen, das uns mit dieser Welt verband. Wir sind mit Ihm einsgemacht. Er ist unser Vorbild. Wenn Er hier wäre, hätte Er seinen Platz außerhalb des Bereiches dieser Welt. Man würde Ihn nicht im Gemeinderat, am Gerichtshof, im Parlament oder mit dem Schwert in der Hand antreffen. Bald wird Er das Zepter führen, das Schwert ziehen und die Zügel der Regierung in seine Hand nehmen. Möge Gott diesen Tag bald herbeiführen! Doch jetzt ist Er noch verworfen, und wir sind gerufen, seine Verwerfung zu teilen. Unsere Sache als Christen in dieser Welt ist, gehorsam zu sein oder zu leiden. Wir werden aufgefordert, für alle zu beten, die in Hoheit sind, aber nicht selbst in Hoheit zu sein. In der Schrift gibt es nicht eine einzige Zeile, die mich anweist, zu wählen oder Parlamentsabgeordneter oder obrigkeitlicher Amtsträger zu sein. Wenn ich mich also in dieser Weise betätige, dann tue ich das, ohne die geringste Weisung meines Herrn dafür zu haben – im Gegenteil, ich handle völlig gegen seinen Willen und im direkten Widerspruch zum Geist und zu den Lehren des Neuen Testaments. Möge Gott uns mehr Treue zu Christus schenken! Möchten wir in Herz und Sinn völliger von der gegenwärtigen bösen Welt losgelöst und befähigt sein, mit heiliger Entschiedenheit unseren Pfad durch den Sand der Wüste weiterzugehen!
Wir sind uns völlig klar darüber, dass unsere Gedanken über dieses Thema unpopulär sind und von manchen nicht wohlgefällig aufgenommen werden, doch das darf uns nicht davon abhalten, die Wahrheit zu sagen, und wir hoffen, es hält uns auch nicht davon ab, die Wahrheit nun auch zu verwirklichen.
Originaltitel: „Christ und Politik“
aus Hilfe und Nahrung, Ernst-Paulus-Verlag, 1994, S. 130–134.
Englisches Original: „58. Christian and Politics“
in Answers to Correspondents: Volume 2, From Things New and Old 1864–1866
Bible Truth Publishers, S. 74–79