Gott in allen Dingen
Es gibt nichts Bedeutungsloses in unserem Leben!

Charles Henry Mackintosh

© Beröa-Verlag, online seit: 10.09.2001, aktualisiert: 08.04.2021

Leitverse: Das Buch Jona

Einleitung

Die Gewohnheit, Gott in allen Dingen zu sehen, vermag dem Gläubigen wie nichts anderes zu helfen, die Prüfungen auf seinem Weg zu ertragen. Es gibt kein Ereignis, mag es noch so unbedeutend scheinen, das nicht als Bote Gottes betrachtet werden kann; wenn nur das Ohr fähig ist, zu hören, und der Sinn geistlich genug, seine Botschaft zu verstehen.

Wenn wir diese Wahrheit aus den Augen verlieren, wird das Leben zu einer langweiligen Eintönigkeit, in der nichts anderes zu finden ist als die immer wiederkehrenden Umstände des Alltags. Wenn wir aber aufmerksam sind, können wir sowohl in den kleinsten wie auch in den wichtigsten Umständen die Hand des Vaters sehen, Spuren der Gegenwart Gottes, die unser tiefstes Interesse für die Geschichte jedes einzelnen Tages wecken.

Das Buch Jona illustriert diese Wahrheit in einer sehr auffallenden Weise. Da lernen wir verstehen, dass für den Christen nichts unbedeutend ist. In den gewöhnlichsten Dingen und in den einfachsten Umständen jener Geschichte sehen wir die besondere Dazwischenkunft Gottes. Es ist nicht nötig, in die tiefere Bedeutung des Buches Jona einzugehen, um diese Wahrheit zu erkennen. Wir brauchen nur den einen Ausdruck zu beachten, der immer wieder darin vorkommt: „Der HERR bestellte.“

Der Sturm

Im ersten Kapitel wird uns erzählt, dass der Herr einen starken Sturm auf das Meer warf. Darin hätte das Ohr des Propheten seine feierlich ernste Stimme vernehmen können, wenn es wachsam gewesen wäre. Jona allein musste belehrt werden, und nur für ihn wurde dieser Bote gesandt. Die heidnischen Seeleute waren ohne Zweifel schon oft einem Sturm begegnet; das gehörte zu ihren gewöhnlichen Erlebnissen. Aber für einen Menschen im Schiff war es etwas Besonderes und Außergewöhnliches, obwohl dieser im unteren Schiffsraum im Schlaf lag. Vergeblich suchten die Seeleute den Sturm zu bekämpfen; nichts wollte helfen, bis der Bote des Herrn das Ohr erreichte, zu dem er gesandt war.

Der große Fisch

Wenn wir die Geschichte Jonas ein wenig weiter verfolgen, finden wir neuen Anlass, um zu sagen: Gott in allen Dingen! Jona geriet in neue Umstände, doch nicht in solche, worin die Boten Gottes ihn nicht mehr zu erreichen vermochten. Der Gläubige wird sich nie in einer Lage befinden, in der nicht die Stimme des Vaters in sein Ohr gelangen oder die Hand Gottes ihm sichtbar werden kann. In allen Dingen vermöchte er seine Stimme und seine Hand zu erkennen. Als Jona in das Meer geworfen wurde, „da bestellte der HERR einen großen Fisch“. Auch da sehen wir wieder: Für ein Kind Gottes ist nichts ohne Bedeutung. Ein großer Fisch war etwas Alltägliches, denn im Meer gibt es deren viele. Doch bestellte der Herr für Jona einen besonderen, damit er ein Bote Gottes an seiner Seele werde.

Der Wunderbaum

In Kapitel 4 sehen wir den Propheten murrend und ungeduldig im Osten der Stadt Ninive sitzen. Er ist niedergeschlagen, weil der Herr die Stadt noch nicht vernichtet hat, und er bittet Ihn, seine Seele doch von ihm zu nehmen. Er schien die Wahrheiten vergessen zu haben, die er in den drei Tagen, als er sich in der Tiefe aufhielt, gelernt hatte. Gott musste ihm daher einen neuen Boten schicken: „Und der HERR Gott bestellte einen Wunderbaum“ (hebräisch: Kikajon – wahrscheinlich Rizinusstaude). In jenen Gegenden fand man gewiss nichts Ungewöhnliches an einer solchen Staude. Viele mochten schon Hunderte solcher Stauden gesehen und Schatten unter ihnen gefunden haben, ohne etwas Besonderes daran zu finden. Aber der „Wunderbaum“ Jonas war von der Hand Gottes dorthin gesetzt worden und bildete ein Glied an der wichtigen Kette von Umständen, durch die der Prophet nach der Weisheit Gottes zu gehen hatte. Dieser „Wunderbaum“ hier, obwohl sehr verschieden von dem großen Fisch, war ebenfalls ein Bote Gottes für seine Seele. „Jona war sehr erfreut über den Wunderbaum.“ Er hatte vorher verlangt zu sterben, aber sein Verlangen war mehr die Folge der Ungeduld und des Unmutes als des heiligen Wunsches, zu sterben und für ewig in der Ruhe zu sein. Auch bei uns sind es oft mehr die Leiden der Gegenwart als die Glückseligkeit der Zukunft, die in uns den Wunsch erwecken, abzuscheiden. Wir haben manchmal das Verlangen, von dem jetzigen Druck erlöst zu sein. Aber wenn dieser Druck vorüber ist, hört auch das Verlangen auf. Wenn wir wirklich nach dem Kommen des Herrn und nach seiner gesegneten Gegenwart in der Herrlichkeit verlangen, so können die äußeren Umstände nichts daran ändern. Unsere Sehnsucht, abzuscheiden, ist dann in den Tagen des Sonnenscheins und der Ruhe ebenso groß wie in den Tagen des Druckes und der Sorgen.

Als Jona unter dem Schatten der Staude saß, dachte er nicht ans Abscheiden, und seine außerordentliche Freude über den „Wunderbaum“ bewies, wie sehr er der besonderen Boten des Herrn bedurfte. Sie offenbarten den wahren Zustand seiner Seele, als er die Worte aussprach: „Nimm doch meine Seele von mir, denn es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe.“

Der Herr kann aus einer Staude ein Werkzeug machen, durch das die Geheimnisse des menschlichen Herzens enthüllt werden. Wirklich, der Christ kann sagen: Gott ist in allen meinen Umständen. Er hört die Stimme Gottes in dem Toben des Sturmes und sieht auch in dem stillen Hinwelken der Staude die Hand des Herrn.

Der Wurm

Doch, wie gesagt, der „Wunderbaum“ war nur ein Glied an der Kette. Wir lesen weiter: „Gott bestellte einen Wurm.“ Dieser unbedeutende Wurm war ein ebenso ernster Bote Gottes wie „der starke Wind“ oder „der große Fisch“. Ein Wurm, von Gott benutzt, kann Wunder tun: Die Staude Jonas verwelkte und gab ihm eine erste Lehre. Gewiss, dieser Wurm war ein unbedeutender Bote, der nur im Zusammenhang mit andern seinen Auftrag ausrichten konnte, aber dadurch tritt die Größe und Weisheit unseres Vaters nur umso deutlicher zutage. Ob Er einen Wurm bestellt oder einen heftigen Sturmwind kommen lässt, Er kann beide, so verschieden sie auch in ihrer Art sind, für seine großen Absichten gebrauchen. Der geistliche Sinn sieht Gott in allen Dingen. Der Sturm, der große Fisch, der Wunderbaum und der Wurm – alle sind Werkzeuge in seiner Hand. Der unbedeutendste wie auch der hervorragendste Abgesandte Gottes fördert seine Absichten. Wer wäre auf den Gedanken gekommen, dass ein kleiner Wurm und ein schwüler Ostwind sich vereinigen könnten, um ein Werk Gottes zu tun? Aber so war es tatsächlich. Groß und klein sind nur Vorstellungen, die unter uns Menschen üblich sind. Gott kann die Menge der Sterne zählen und gleichzeitig Kenntnis nehmen von einem auf die Erde fallenden Sperling. Er macht den heulenden Sturm zum Wegbereiter und ein zerbrochenes Herz zu seiner Wohnung. Nichts ist groß oder klein für Gott.

Nichts ist bedeutungslos in unserem Leben

Der Gläubige darf daher nichts als bedeutungslos ansehen, denn Gott ist in allen Dingen. Er mag in dieselben Umstände versetzt werden und denselben Prüfungen begegnen wie andere Menschen, aber er darf sie nicht nach den gleichen Grundsätzen deuten. Er sollte in dem gewöhnlichsten wie auch in dem wichtigsten Erlebnis des Tages die Stimme Gottes hören und sie als seine Abgesandten erkennen.

Der Teufel will dem Gläubigen den Trost dieses Gedankens rauben und ihm weismachen, an seinen alltäglichen Umständen sei doch nichts Besonderes; das alles ereigne sich doch auch bei den andern. Aber wir dürfen ihm kein Gehör schenken und müssen uns jeden Morgen vor Beginn des Tageslaufs die Wahrheit frisch ins Bewusstsein einprägen: Gott in allen Dingen. Die Sonne, die in majestätischem Glanz am Himmel steht, und der Wurm, der auf dem Weg kriecht, beide sind von Gott geschaffen und können in der Ausführung seiner unerforschlichen Absichten mitwirken.

Der einzige Mensch auf dieser Erde, der sich dieser kostbaren und wichtigen Wahrheit stets bewusst blieb, war unser Herr Jesus. In allem sah Er des Vaters Hand. Dies zeigte sich besonders in den Tagen seiner tiefsten Leiden. Mit den denkwürdigen Worten „Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ gab Er seiner Überzeugung Ausdruck: Gott in allen Dingen.

Wir wünschen oft, unsern Weg ohne Prüfungen und Schwierigkeiten gehen zu können. Aber welch ein Verlust wäre es für uns, wenn dieser Wunsch erfüllt würde! Die Gegenwart des Herrn ist nie so schön und erquickend als in Zeiten der Drangsal und Not.


Originaltitel: „Gott in allen Dingen“
aus Halte fest, Jg. 1, 1958, S. 353–357
mit freundlicher Genehmigung des Beröa-Verlages, Zürich

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