Leitverse: Epheser 4,1-3
Eph 4,1-3: Ich ermahne euch nun, … mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe, euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens.
Einleitung
In den vergangenen Jahren hat es in den geschlossenen Brüderversammlungen viele Trennungen gegeben. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Begründung für diese Trennungen können manche Geschwister immer schlechter nachvollziehen. Das bringt uns zu der Frage: Worin besteht die Hauptursache für diese Trennungen und was sagt Gottes Wort dazu? Wir wollen in diesem Artikel vorerst nur eine Ursache herausarbeiten.
Begriffserklärung: Trennung von einer Versammlung
Trennung bedeutet in „geschlossenen Brüderkreisen“, dass eine Versammlung nicht mehr als „zu seinem Namen hin“ zusammenkommend betrachtet wird. Praktisch bedeutet dies, dass man beim Brotbrechen mit den Geschwistern dieser Versammlung keine Gemeinschaft haben kann, weder in der eigenen Versammlung noch in der getrennten Versammlung. Was die Gemeinschaft auf anderen Gebieten betrifft, gehen die Ansichten auseinander. Für die einen bleiben diese Geschwister „liebe Geschwister“, mit denen man ansonsten jegliche Form der Gemeinschaft haben kann, zum Beispiel mit ihnen essen, mit ihnen beten, mit ihnen in den Urlaub fahren; nur eins ist nicht möglich: mit ihnen das Brot zu brechen. Andere sind konsequenter, wie ein Bruder sagte: „Wer sonntags nicht mit mir denselben Weg geht, mit dem kann ich auch sonst keine brüderliche Gemeinschaft haben.“[1]
Ausnahmen für christliche Gemeinschaft
Vielleicht wird es für den einen oder anderen unserer Leser überraschend sein, zu hören, dass es im Wort Gottes weder ein Beispiel noch eine Anweisung dafür gibt, die Gemeinschaft speziell beim Brotbrechen mit jemand abzubrechen. Sehr wohl finden wir die gegenteilige Aussage: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen Teil an dem einen Brot“ (1Kor 10,17). Diese Aussage ist deutlich: wir alle!
Heißt das nun, dass wir mit allen, die sich Christen nennen, unterschiedslos Brot brechen sollen? Nein, das heißt es nicht. Auch wenn wir keine direkte Anweisung in der Schrift finden, um die Gemeinschaft beim Brotbrechen einzuschränken, so gibt es doch indirekte Hinweise. 1. Korinther 10,16 macht uns deutlich, dass das Brotbrechen eine besondere Form der Gemeinschaft ist. Was die christliche Gemeinschaft an sich angeht, finden wir sehr wohl Hinweise in Gottes Wort, die die Grenzen dieser Gemeinschaft festgelegen. Diese Stellen wollen wir uns nun einmal ansehen.
1. Korinther 5
1Kor 5,1-13: Überhaupt hört man, dass Hurerei unter euch sei, und zwar eine solche Hurerei, die nicht einmal unter den Nationen vorkommt: dass einer seines Vaters Frau hat. Und ihr seid aufgebläht und habt nicht vielmehr Leid getragen, damit der, der diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte weggetan würde. Denn ich, zwar dem Leib nach abwesend, aber im Geist anwesend, habe schon als anwesend geurteilt, den, der dieses so verübt hat, im Namen unseres Herrn Jesus Christus (wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus versammelt seid) einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus. Euer Rühmen ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. … Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Schmäher oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen nicht einmal zu essen. Denn was habe ich die zu richten, die draußen sind? Ihr, richtet ihr nicht die, die drinnen sind? Die aber draußen sind, richtet Gott; tut den Bösen von euch selbst hinaus.
Schauen wir uns zunächst 1. Korinther 5 an. Dort lesen wir von jemand, von dem es heißt: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus“ (1Kor 5,3). Weiter lesen wir von solchen, mit denen wir keinen Umgang haben sollen (1Kor 5,11a), mit denen wir nicht einmal essen sollten (1Kor 5,11b). Was waren das für Leute, die sich so für die Gemeinschaft unfähig machten?
Einige hatten Hurerei begangen, eine Hurerei[2], „die nicht einmal unter den Nationen vorkommt“ (1Kor 5,1). In Vers 11 werden andere aufgezählt: Hurer, Habsüchtige, Götzendiener, Schmäher, Trunkenbolde, Räuber (1Kor 5,11).[3] Es handelt sich also hierbei um moralische Sünden, die es zweifelhaft machten, ob es sich bei ihnen überhaupt um „Brüder“ handelte. Deswegen spricht der Apostel Paulus von „jemand, der Bruder genannt wird“ (1Kor 5,11). Er wurde so genannt, aber ob er es war, das war aufgrund seines Verhaltens sehr zweifelhaft.
Fazit: Der erste Punkt, der eine Gemeinschaft unmöglich macht, ist moralisches Böses, das man von einem Christen nicht erwartet. Und wenn es hier heißt, dass man mit solch einem nicht einmal essen sollte, dann ist klar, dass man mit ihm erst recht nicht das Brot brechen kann.
2. Timotheus 2
2Tim 2,16-26: Die ungöttlichen, leeren Geschwätze aber vermeide; denn sie werden zu weiterer Gottlosigkeit fortschreiten, und ihr Wort wird um sich fressen wie Krebs; unter welchen Hymenäus ist und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, dass die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben einiger zerstören. Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit! In einem großen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die anderen aber zur Unehre. Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet. Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Die törichten und ungereimten Streitfragen aber weise ab, da du weißt, dass sie Streitigkeiten erzeugen. Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels, die von ihm gefangen sind, für seinen Willen.
Eine weitere Schriftstelle, die uns dazu führt, uns unter bestimmten Umständen von Gläubigen zu trennen und die Gemeinschaft mit ihnen abzubrechen, finden wir in 2. Timotheus 2,21: „Wenn nun jemand sich von diesen [Gefäßen zur Unehre] reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet.“ Dass es sich bei diesem „Wegreinigen“ (diesen Sinn hat hier „sich reinigen von“) um das Absondern von Personen handelt, wird dadurch deutlich, dass es sich um Gefäße handelt, nicht um Unreinigkeit oder Ungerechtigkeit an sich.
Was sind „Gefäße zur Unehre“? Wenn wir den Zusammenhang beachten, ist es nicht schwer, zu erkennen, um welche Personen es sich hier handelt. Es heißt in 2. Timotheus 2,17.18: „Unter ihnen sind Hymenäus und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, dass die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben einiger zerstören.“ Es geht also um solche, die glaubenszerstörende Lehren verkündigen. Dabei ist nicht immer zu erkennen, ob es sich um wahrhaft Gläubige handelt. Daher heißt es im nächsten Vers: „Der Herr kennt, die sein sind“ (2Tim 2,9). Die Frage, ob diese Lehren von Gläubigen oder nur von christlichen Bekennern verkündet werden, können wir also ruhig unserem Herrn überlassen. Damit brauchen wir uns nicht abzugeben.
Aber wir haben eine andere Verantwortung, denn der Vers geht weiter: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“ Ich habe also nicht zu beurteilen, ob jemand ein Gläubiger ist oder nicht, sondern wie es mit seinem Verhalten gegenüber der Ungerechtigkeit aussieht. Dieser Vers ist sehr allgemein gehalten: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt …“ Er betrifft in erster Linie einmal mich persönlich: Ich muss mich von allem, was mir als Ungerechtigkeit bewusst geworden ist, trennen; ich darf in meinem Leben keine Ungerechtigkeit dulden, sei sie auch noch so klein. In geschlossenen Brüderkreisen wird häufig der Fehler gemacht, solche als „Gefäße zur Unehre“ zu bezeichnen, an denen man eine Ungerechtigkeit zu sehen meint, die bei weitem nicht so offenkundig ist wie die von Hymenäus und Philetus, die „den Glauben einiger zerstören“ (2Tim 2,18). Die Lehre von dem einen Leib und deren Verwirklichung ist sicher eine wichtige Lehre, aber es ist nicht glaubenszerstörend, wenn man darüber etwas anders denkt. Der Zusammenhang macht also deutlich, wer mit diesem Makel „Gefäß zur Unehre“ bedacht werden durfte: Diese „Gefäße zur Unehre“ sind „Widersacher“, die im „Fallstrick des Teufels … von ihm gefangen sind, für seinen Willen“ (2Tim 2,25.26).
Wie uns Römer 14 zeigt, kann für bestimmte Christen das Nichthalten eines Feiertages oder das Essen einer bestimmten Speise eine Ungerechtigkeit sein. Aus Gottes Sicht wäre es für den betreffenden Christen sogar eine Sünde (Röm 14,23). Dieses Kapitel macht deutlich, dass erstens unterschiedliches Schriftverständnis zu unterschiedlichen Beurteilungen führt und dass zweitens selbst ein falsches Schriftverständnis jemand nicht gleich zu einem Gefäß zur Unehre macht. Heutzutage haben wir es vielleicht weniger mit Speiseregeln und dem Halten von Feiertagen zu tun, sondern eher mit unterschiedlichem (und auch falschem) Schriftverständnis in gemeindlichen Fragen. Hierbei ist es eine Anmaßung, wenn ich meinem Schriftverständnis, selbst wenn es richtig ist, eine derartige Bedeutung beimesse, dass ich einen Mitbruder oder eine Mitschwester, die dieses Verständnis nicht hat, deswegen als „ein Gefäß zur Unehre“ bezeichne.
Diese Gefahr haben auch die Brüder in der Anfangszeit der Brüdergeschichte schon gesehen. So schreibt J.N. Darby:
Aber nehmen wir einmal an, eine als gottesfürchtig und gesund im Glauben bekannte Person, die ihr kirchliches System nicht verlassen hat, vielmehr sogar denkt, die Schrift befürworte einen ordinierten Dienst – nehmen wir an, eine solche Person würde sich dennoch freuen, bei sich bietender Gelegenheit mit uns das Brot brechen zu können. Gesetzt den Fall, wir seien die einzige Gruppe von Christen am Ort oder der Betreffende wäre mit keiner anderen Gruppe am Ort in Verbindung, hielte sich aber bei einem Bruder auf oder dergleichen – soll er ausgeschlossen werden, nur weil er irgendeinem System angehört, im Blick auf welches sein Gewissen nicht erleuchtet ist, das er sogar für richtiger halten mag? Er ist ein gottesfürchtiges Glied des Leibes Christi und als ein solches bekannt. Soll er ausgeschlossen werden? Wenn ja, dann gibt das Maß an Licht, das dieser Gläubige hat, das Anrecht auf die Gemeinschaft, und die Versammlung, die die betreffende Person ablehnt, verleugnet die Einheit des Leibes. Der Grundsatz des Zusammenkommens als Glieder Christi, die in Gottseligkeit wandeln, ist aufgegeben. Stattdessen wird Übereinstimmung zur Regel gemacht, und die Versammlung wird eine Sekte mit Mitgliedern wie jede andere. Die einen kommen nach ihren Grundsätzen zusammen, die Baptisten nach anderen, ihr nach euren, und wenn jemand nicht formell zu euch gehört, lasst ihr ihn nicht hinein. Damit ist der Grundsatz der Zusammenkünfte der Brüder aufgehoben und eine neue Sekte gebildet, vielleicht mit mehr Licht, aber das ist auch alles.[4]
2. Johannesbrief
2Joh 7-11: Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist. Gebt acht auf euch selbst, damit wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen. Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken.
Eine weitere Stelle, die es möglich macht und uns, wenn der Fall eintritt, auch dazu ermahnt, uns von Gläubigen zu trennen, finden wir im zweiten Johannesbrief. Dort wird von jemand gesprochen, der die Lehre des Christus nicht bringt. Wenn wir die Verse vorher lesen und auch das, was der erste Johannesbrief dazu schreibt, dann sehen wir, dass es bei der Lehre des Christus um das geht, was mit der Person des Herrn Jesus zu tun, mit seiner wahren Gottheit und mit seinem wahren Menschsein. Wenn jemand bestimmte Dinge davon „nicht bringt“, dann verunehrt er den Herrn Jesus in einer Weise, die anderen die Gemeinschaft mit ihm unmöglich macht. Und dabei geht es nicht zuerst um die Dinge, die jemand „bringt“, sondern um Dinge, die jemand gerade „nicht bringt“ (2Joh 10). Auch hier geht die Trennung viel weiter, als nur nicht mit ihm Brot zu brechen. So jemand darf man nicht ins Haus aufnehmen und nicht einmal grüßen. Wenn wir die Unehre der Person des Herrn gegenüber auf die gleiche Stufe stellen würden mit zum Beispiel einem anderen Schriftverständnis von der Wahrheit „Da ist ein Leib“, dann wäre das letztlich eine Geringschätzung dessen, was hier dem Herrn angetan wird.
Auch diese Bibelstelle ermöglicht uns also nicht, uns von Geschwistern zu trennen, die zu einem anderen Verständnis in gemeindlichen Fragen gekommen sind. Auch bei demjenigen, der nach 2. Johannes 11 durch seine Gleichgültigkeit gegenüber der Verunehrung des Herrn an den bösen Werken jenes bösen Lehrers teilnimmt, indem er solch eine Person aufnimmt oder grüßt, hat es nichts mit gemeindlichen Fragen zu tun, sondern mit fundamental Bösem bezüglich der Person des Herrn.
1. Korinther 10
1Kor 10,14-22: Darum, meine Geliebten, flieht den Götzendienst. Ich rede als zu Verständigen; beurteilt ihr, was ich sage. Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot. Seht auf Israel nach dem Fleisch. Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar? Was sage ich nun? Dass ein Götzenopfer etwas sei, oder dass ein Götzenbild etwas sei? Sondern dass das, was [die Nationen] opfern, sie den Dämonen opfern und nicht Gott. Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches. Oder reizen wir den Herrn zur Eifersucht? Sind wir etwa stärker als er?
Eine letzte Schriftstelle, die uns etwas über die Verhinderung der Gemeinschaft mit Gläubigen sagt, ist 1. Korinther 10,21: „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches.“ Solche, die an einem Dämonen-Tisch teilnehmen, können also nicht am Tisch des Herrn teilnehmen. Diese Schriftstelle zeigt, dass Gott uns dafür verantwortlich hält, mit wem wir Gemeinschaft haben. Wenn wir an einer gemeindlichen Handlung teilnehmen, die symbolisch Gemeinschaft zum Ausdruck bringt, sind wir auch verantwortlich, uns damit zu beschäftigen, was hinter dieser Gemeinschaft steht. Genau das war es nämlich, was die Korinther, die im Götzentempel aßen, unterlassen hatten.
Doch selbst wenn eine Versammlung durch ein falsches Schriftverständnis[5] Lehren und Praktiken am Tisch des Herrn zulässt, die nach unserem Schriftverständnis ganz klar verkehrt sind, dann bedeutet das noch lange nicht, dass diese Geschwister nicht mehr mit dem Herrn Gemeinschaft haben und sie deshalb genauso zu behandeln sind wie solche, die mit den Dämonen Gemeinschaft haben. Das gilt nicht, wenn dieses falsche Schriftverständnis auf gleichgültigem Sichhinwegsetzen über biblische Anordnungen beruht.
Unterschied zwischen kirchlichem Irrtum und fundamental Bösem
Wir sehen also, dass es sich immer um fundamental Böses handelt, wenn die Schrift von Verhinderung der Gemeinschaft spricht – sei es, dass es (1) um die Person des Herrn geht, (2) um die Zerstörung des Glaubens oder (3) um moralisch Böses von einem Gewicht, das die Gotteskindschaft desjenigen in Frage stellt. Niemals aber geht es darum, dass Dinge, die die Gemeinde und die Grundsätze des Versammelns betreffen, mit diesen Dingen auf eine Stufe gestellt werden und genauso behandelt werden müssen.
Auch diesen Punkt haben die Brüder zu Beginn der Brüderbewegung ganz klar gesehen. So schreibt W. Kelly:
Es wird gut sein, an dieser Stelle noch hinzuzufügen, dass dem Geist Gottes nichts daran gelegen sein kann, bei unbedeutenden Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Zucht die Strenge anzuwenden, die eine unbedingte Notwendigkeit ist, wenn es sich um die Frage „Wahrer oder falscher Christus?“ handelt. Solch ein Fehler wird durch den Erzfeind zur Zerstreuung derer benutzt, für die Christus starb, um sie in eins zu versammeln. Selbst wenn es sich um die Lehre im Allgemeinen handelt, findet man keine schriftgemäße Grundlage für solch eine extreme Handlungsweise, es sei denn, dass fundamentale Irrtümer vorliegen. Noch weniger angebracht ist solche Strenge bei unterschiedlichen Auffassungen über die Einrichtungen des Christentums, sei es die Taufe oder das Abendmahl. Die Lehre des Christus beansprucht jedoch die entschiedenste Treuepflicht jedes Heiligen; wer seine Person antastet, muss nicht nur öffentlich hinausgetan, sondern auch persönlich abgewiesen werden, koste es, was es wolle.[6]
Und an anderer Stelle schreibt Kelly:
Aber sie [die Brüder] haben sich bis jetzt geweigert, Gleichgültigkeit gegenüber dem Christus Gottes auf die gleiche Stufe wie Verstöße gegen die Einheit oder gegen die Zucht in der Versammlung zu stellen. Parteigeist auf beiden Seiten mag danach streben, alles zusammenzuwerfen. Doch es ist genauso unschriftgemäß und unheilig, kirchliche Vergehen derart hochzuspielen (darin verschulden sich alle Sekten), wie eine krasse und fluchwürdige Verleugnung Christi zu verharmlosen, die nur die schlimmste Feindschaft gegen Gott kennzeichnet. Sein Wort rechtfertigt und verlangt diese Unterscheidung. Daran hat bis jetzt kein nüchterner Gläubiger gezweifelt und tut das auch jetzt nicht, sofern er nicht von wertlosen Theorien oder Engherzigkeit in Folge einer falschen Stellung irregeführt worden ist.[7]
Und wiederum:
Zweifellos ist jede Wahrheit an ihrer Stelle und zu ihrer Zeit wichtig; aber es ist schlimmer als bloße Unkenntnis, wenn man den Leib auf dieselbe Ebene stellt wie das Haupt. Ein kirchlicher Irrtum, selbst wenn er ein wirklicher und schwerwiegender Irrtum ist, kommt niemals der Leugnung der Lehre des Christus gleich. Bedenken wir nur, wie ernst uns der Apostel der Liebe, der Älteste, ermahnt, in einem solchen Fall auf der Hut zu sein! Selbst nicht im privaten Bereich – und noch viel weniger öffentlich – sind wir frei, die aufzunehmen, die nicht die Lehre des Christus bringen. Wir sind unzweideutig verpflichtet, nicht nur Irrlehre im Allgemeinen nicht zu dulden, sondern im Besonderen alles abzuweisen, was eine Lüge gegen Christus ist, und auch diejenigen, die solche Irrlehrer aufnehmen, als Teilhaber an deren bösen Werken zu behandeln. Aber wir sind nicht berechtigt, die Kirche und Christus gleichzusetzen, wie es die Katholiken tun, oder einen kirchlichen Irrtum der Sünde gegen die Person Christi zur Seite zu stellen. Das wäre nicht Glaube, sondern Fanatismus. Was sollen wir von solchen denken, die diesen Unsinn als Wahrheit betrachten und verbreiten?[8]
Die Einheit des Geistes bewahren
Für diese Fragen, die nicht fundamental Böses betreffen, sondern etwas, was wir als falsch in Gemeindefragen erkannt haben, gilt es, die Einheit des Geistes – das ist die Einheit, die der Geist geschaffen hat, der eine Leib – zu bewahren.
Epheser 4,2.3 zeigt uns, wie das geht: „Ich ermahne euch nun, … mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe, euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens.“
Zunächst haben wir diese „Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“. Das ist der Frieden, den Christus selbst geschaffen hat, indem Er nach Epheser 2,14 „unser Friede“ geworden ist, jegliche Feindschaft zwischen Gläubigen weggetan hat und die Gläubigen zu einem neuen Menschen geschaffen und zu einem Leib mit Gott versöhnt hat. Das heißt, wir sollen uns bewusst sein, dass die Unterschiede, die uns von Natur, von unserer Kultur, von unserer Rasse usw. her trennen und uns gegeneinander aufbringen würden, durch Christus weggetan sind. In Vers 2 lesen wir, was dafür notwendig ist, um Differenzen zu überwinden:
- „Demut“ wird nicht die eigene Schriftauslegung für selbstverständlich halten und jede andere Schriftauslegung als „böse“ bezeichnen.
- „Sanftmut“ wird nicht mit eiserner Härte die eigene Meinung durchsetzen.
- „Langmut“ wird nicht erwarten, dass jemand, der aus einem Kreis kommt, wo unserer Meinung nach in kirchlichen Fragen falsche Praktiken herrschen, und der bei uns teilnehmen möchte, sogleich nach dem ersten Gespräch alle Fehler seines Kreises erkennt und uns bestätigt, dass er nach der Gemeinschaft mit uns nicht wieder in seinen Kreis zurückgehen wird.
- „Einander ertragend in Liebe“: Oft verstehen wir nicht, warum ein Mitbruder bestimmte Dinge einfach nicht einsieht, obwohl wir es ihm schon mehrfach erklärt haben, oder warum er nicht die Kraft findet, sein Verhalten zu ändern. Heißt es dann, die Reißleine zu ziehen? Nein, Paulus ermahnt uns hier, uns in Liebe zu „ertragen“, das heißt, dass ich bei einem anderen „in Liebe“ etwas „ertragen“ soll, was ich selbst für mich nicht gutheißen kann. Dabei sollte ich mir immer bewusst sein, dass der Fehler auch auf meiner Seite liegen kann.
Wenn es also heute Unterschiede in der Lehrauffassung gibt, die nicht von fundamentaler Bedeutung sind, dann gilt der übergeordnete Grundsatz, dass wir uns befleißigen sollen, „die Einheit des Geistes zu bewahren“. Dass wir als Kinder Gottes zusammengehören und eine Einheit bilden, wiegt also schwerer als die Unterschiede in lehrmäßigen Fragen. Der Apostel führt diese Stelle also gerade deshalb an, weil es trotz mancher Unterschiede einen übergeordneten Grundsatz gab, der sie dazu ermuntern sollte, zusammenzubleiben und es miteinander „auszuhalten“. Ist es nicht eigenartig, dass gerade diese Stelle, die Paulus anführt, um die Gläubigen zu einen, heutzutage dazu benutzt wird, um Kinder Gottes voneinander zu trennen?
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass ich selbst zu einem Ort hingehe und dort mit den Geschwistern Gemeinschaft ausdrücke, wo Dinge gelehrt oder praktiziert werden, mit denen ich mich aus Gewissensgründen nach der Schrift grundsätzlich nicht verbinden kann. Das würde nicht einem gemeinsamen Streben nach Gerechtigkeit (2Tim 2,22) entsprechen. Aber das hat nichts damit zu tun, dass ich berechtigt wäre, solchen Geschwistern das Brot zu verweigern, wenn sie zu uns kommen und mit uns am Tisch des Herrn das Brot brechen wollen.
Der Unterschied wird verwischt
In den obigen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass es in diesen Schriftstellen immer wieder um den Unterschied zwischen fundamental Bösem und kirchlichen Irrtümern ging. Das offenkundige Verwischen dieses Unterschiedes wird besonders in der aktuellsten Schrift der geschlossenen Brüder zu diesem Thema deutlich, in dem Buch Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt:
Was ist nun zu tun, wenn in der Praxis des Versammlungslebens Geschwister das Empfinden haben, dass in einer Nachbarversammlung neue oder andere Wege gegangen werden, indem zum Beispiel Böses geduldet wird oder sich Lehre und Praxis in Bezug auf das Zusammenkommen ändern?
Gottesdienstliche Gemeinschaft (ausgedrückt im gemeinsamen Brotbrechen) an Orten, von denen wir wissen, dass die biblischen Kriterien für ein Zusammenkommen im Namen des Herrn nicht erfüllt sind, bedeutet Gemeinschaft mit den Lehren, die dort vertreten und praktiziert werden. Das kann zum Beispiel eine Gruppe von Gläubigen sein, die ihrerseits solche zum Brotbrechen aufnimmt, die nicht die „Lehre des Christus“ (d.h. nicht die biblische Lehre in Bezug auf die Person und das Werk des Herrn Jesus) bringen (2Joh 9). Es gilt aber auch, wenn eine Gruppe von Gläubigen nicht auf der Grundlage des einen Leibes zusammenkommt und auf ihre Unabhängigkeit pocht.
Was würden wir wohl sagen, wenn in einer Nachbarversammlung ein homosexuelles Paar zum Tisch des Herrn zugelassen würde? Ich nenne bewusst ein so krasses Beispiel, um das Prinzip klarzumachen. Würden wir darüber auch achtlos hinweg sehen? Ganz sicher nicht. Aber wenn es um unabhängiges Handeln gegen die Einheit des Geistes geht, soll das auf einmal gehen?
Mit kirchlich Bösem sind also Lehren und Praktiken gemeint, die dem offenbarten Willen Gottes im Blick auf seine Versammlung und das Zusammenkommen der örtlichen Versammlung widersprechen. Es geht nicht um Details der Auslegung und der praktischen Verwirklichung. Aber es geht um die Grundsätze, die Gott uns in seinem Wort sehr klar zeigt. Wenn eine örtliche Versammlung sich zum Beispiel weigert, böse Personen in ihrer Mitte hinauszutun, dann ist das kirchliche Ungerechtigkeit. Wenn eine örtliche Versammlung in Lehre und/oder Praxis die Darstellung der Einheit des Geistes in Frage stellt, ist das ebenfalls kirchliche Ungerechtigkeit.[9]
In dem letztgenannten Zitat wird das Wegwischen dieses Unterschiedes besonders deutlich. Hier wird die Weigerung, böse Personen – und wir haben gesehen, was das für Leute sind – aus der Mitte der Versammlung hinauszutun, „kirchliche Ungerechtigkeit“ genannt. Nein, das ist eben keine kirchliche Ungerechtigkeit wie jene im nächsten Satz, wenn es heißt: „Wenn eine örtliche Versammlung in Lehre und/oder Praxis die Darstellung der Einheit des Geistes in Frage stellt.“[10] Das Erste ist Gleichgültigkeit gegenüber fundamental Bösem, und das Zweite ist ein kirchlicher Irrtum!
Aber genau diese Vermischung führt dazu, dass in den Trennungsbriefen als Trennungsgrund nicht mehr die oben genannten Schriftstellen (die eine Gemeinschaft verhindern) mit den entsprechenden Fakten, mit denen gegen sie verstoßen wird, angegeben werden. Vielmehr werden als Trennungsgrund Verstöße gegen die Wahrheit „Da ist ein Leib“ oder gar das Aufgeben dieser Wahrheit genannt, obwohl es in der Schrift keine Erlaubnis dafür gibt. Und in den von uns oben behandelten Stellen, bei denen es um Absonderung von Personen geht, ist diese Erlaubnis, wie wir gesehen haben, nicht mit eingeschlossen.
Dabei haben wir jetzt noch nicht einmal die Frage beleuchtet, ob die Geschwister, von denen man sich trennt, wirklich die Wahrheit von dem einen Leib verleugnen. Vielleicht werden wir uns in einem anderen Artikel mit dieser Frage beschäftigen. In diesem Artikel sind wir erst einmal davon ausgegangen, dass diese Behauptung stimmt,[11] und haben nur die Frage geklärt, ob selbst dann eine Trennung in der Form, wie die geschlossenen Brüder sie vollziehen, nach der Schrift richtig ist.
Buße ist immer möglich
Wenn der Unterschied zwischen einer Lehre, die das Haupt betrifft, und einer Lehre, die den Leib betrifft, in der heutigen Zeit mehr berücksichtigt worden wäre, dann wäre vielleicht manche Trennung nie geschehen. Ist es wirklich schon zu spät, um von diesem Weg umzukehren? Gibt es nicht immer die Möglichkeit, Buße zu tun? Die Brüderbewegung ist so gespalten wie nie zuvor. Für eine Erweckung im großen Stil haben wir nach dem Wort Gottes keine Verheißung. Aber was wäre es für eine Freude für den Herrn, wenn sich Brüder wieder neu finden und über das gemeinsame Versagen in der Vergangenheit Buße tun würden!
Anmerkungen
[1] So furchtbar wie diese Aussage auch an sich ist, sie ist insofern konsequent, da wir noch sehen werden, dass die Schrift so etwas wie „Jegliche Gemeinschaft ist möglich, nur Brotbrechen nicht“ überhaupt nicht kennt.
[2] Hurerei hat nicht zuerst etwas mit Prostitution zu tun, wie es in unserem Sprachgebrauch üblich ist, sondern Hurerei bedeutet jegliche Geschlechtsgemeinschaft außerhalb der Ehe.
[3] Hierbei handelt es nicht um eine vollständige Liste, denn zum Beispiel Mord fehlt hier.
[4] J.N. Darby, Letters of J.N. Darby, Bd. 2, S. 10–12.
[5] Hierbei geht es nicht um die fundamental bösen Dinge, die wir in 1. Korinther 5,2; 2. Timotheus 2 und 2. Johannes gefunden haben. Das kann man nicht mit falschem Schriftverständnis entschuldigen.
[6] W. Kelly, Was von Anfang war. Eine Auslegung der Johannesbriefe, Schwelm (Heijkoop) 1982, S. 444–445. Auch auf www.bibelkommentare.de.
[7] Siehe W. Kelly, „Die Lehre des Christus und der Bethesdaismus“.
[8] W. Kelly, Christliche Einheit und Gemeinschaft.
[9] Entnommen aus der digitalen Version dieses Buches (Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt) auf www.bibelkommentare.de.
[10] Was auch immer damit gemeint sein mag!
[11] Auch wenn wir zutiefst vom Gegenteil überzeugt sind.