Gibt es mehr als ein einziges Evangelium?
Matthäus 24,14; Apostelgeschichte 20,24; 1. Timotheus 1,11; Offenbarung 14,6.7

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© SoundWords, online seit: 24.03.2010, aktualisiert: 15.01.2021

Leitverse: Matthäus 24,14 „Und dieses Evangelium des Reiches wird auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zum Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.“; Apostelgeschichte 20,24 „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, damit ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes.“; 1. Timotheus 1,11 „nach dem Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.“; Offenbarung 14,6.7 (6) Und ich sah einen anderen Engel inmitten des Himmels fliegen, der das ewige Evangelium hatte, um es denen zu verkündigen, die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk, (7) indem er mit lauter Stimme sprach: Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen; und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und [das] Meer und die Wasserquellen.“

Frage: Wurden und werden zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Evangelien verkündet, das heißt, gibt es Unterschiede in den Inhalten der verkündigten Botschaften?

Antwort: Die Schrift verbindet mit dem Wort „Evangelium“ unübersehbar verschiedene Aspekte. Je nachdem mit welchem Zusatz das Wort „Evangelium“ gebraucht wird, werden unterschiedliche Aspekte der Evangeliumsbotschaft betont. Hier lediglich von einer Zwei-Evangelien-Lehre[1] zu sprechen, ist viel zu kurz gegriffen. Denn man könnte nicht nur das „Evangelium des Reiches“ (Mt 24,14) von dem „Evangelium der Gnade Gottes“ (Apg 20,24) unterscheiden, sondern auch das „Evangelium der Herrlichkeit des Christus“ (2Kor 4,4), das „Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes“ (1Tim 1,11) , das „Evangelium des Friedens“ (Eph 6,15) oder das „ewige Evangelium“ (Off 14,6.7). Darüber hinaus spricht die Schrift noch von dem „Evangelium Gottes“ (Röm 1,1-4), dem „Evangelium des Christus“ (Phil 1,27) sowie dem „Evangelium der Vorhaut“ und dem „Evangelium der Beschneidung“ (Gal 2,7). In einem Punkt stimmen diese „Evangelien“ alle überein: Sie sind die gute Botschaft über eine ganz bestimmte Seite der Offenbarung Gottes.

Wenn Gott uns eine gute Botschaft mitteilt, dann müssen wir uns den unmittelbaren Zusammenhang ansehen, in dem dieses Evangelium genannt wird, und jeweils nach dem Empfänger fragen. Bereits dem Volk Israel in der Wüste war ein Evangelium, eine gute Botschaft (griech. euaggelion) verkündigt worden: In Hebräer 4,2 „Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, wie auch jenen; aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war.“ wird die Absicht Gottes, Israel aus Ägypten zu befreien und sie „in die Ruhe“ nach Kanaan zu bringen, „gute Botschaft“ genannt. Der Herr Jesus verkündete zu Beginn seines Dienstes „das Evangelium des Reiches“ (Mt 4,23). Der Zusammenhang mit Vers 17 desselben Kapitels zeigt, dass dies geschah, indem Er dieses Reich als „nahe gekommen“ predigte (Mt 4,17 „Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“). Diese Botschaft richtete sich zweifellos an die Juden, denn sie erwarteten ein Reich des Friedens auf der Erde, und zu ihnen war der Herr gesandt (Mt 15,24 „Er aber antwortete und sprach: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“).

Diese beiden Beispiele zeigen, dass wir nicht jedes Evangelium unmittelbar auf uns Christen beziehen dürfen und dass „Evangelium“ nicht notwendigerweise etwas spezifisch Christliches ist. Deshalb sollte es nicht verwundern, dass das „Evangelium des Reiches“ in Matthäus 24,14 „Und dieses Evangelium des Reiches wird auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zum Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.“ nicht für uns Christen bestimmt ist. Denn der Zusammenhang verdeutlicht, dass die Juden angesprochen sind. In diesen Versen geht es um die Vollendung des Zeitalters und um die Zeit kurz vor dem sichtbaren Wiederkommen des Herrn auf die Erde: Wiederum ist die Zeit „nahe gekommen“, das Reich öffentlich aufzurichten, da der König im Begriff steht, zu seinem Volk zurückzukehren. [Im Buch Der vergessene Reichtum weisen wir unter § 18 und § 17.4.1.3 nach, dass wir im Zusammenhang mit der 70. Jahrwoche bei dieser guten Botschaft an das jüdische Volk denken müssen.]

Mit der Steinigung des Stephanus hatte Israel die Gelegenheit verwirkt, dass das Reich hätte aufgerichtet werden können (siehe Buch § 3.7). Nun konnte das Evangelium des Reiches in dieser Form nicht mehr verkündet werden. Paulus sprach wohl über das „Reich“ (Apg 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31), doch wir lesen nicht, dass er das „Evangelium des Reiches“ verkündigt hätte; im Zusammenhang mit dem Wort „Reich“ benutzt der Heilige Geist bei Paulus das Wort „Evangelium“ nicht. Dennoch wurden „die Dinge des Reiches Gottes“ weiter verkündigt (Apg 19,8 „Er ging aber in die Synagoge und sprach freimütig drei Monate lang, indem er sich unterredete und sie von den Dingen des Reiches Gottes überzeugte.“), insbesondere in seiner geheimnisvollen Form (siehe Buch § 3 und § 17.5): Unser Herr hat ein unsichtbares Reich hier auf der Erde, wo Er Gehorsam seinem Wort gegenüber erwartet und das einen kostbaren Schatz für Ihn beinhaltet. Auch wir predigen heute Dinge, die das Reich in seinem moralischen Aspekt betreffen, wo „Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“ gefunden werden (Röm 14,17 „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“).

Als Philippus nach der Steinigung des Stephanus evangelisierte (Apg 8,12 „Als sie aber Philippus glaubten, der das Evangelium von dem Reich Gottes und dem Namen Jesu Christi verkündigte, wurden sie getauft, sowohl Männer als Frauen.“), finden wir im Griechischen nicht denselben Ausdruck für „das Evangelium des Reiches“ wie in Matthäus 4,23 „Und [Jesus] zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk.“, sondern hier steht die Verbform „er-verkündigte-gute-Botschaft“, gefolgt von demselben Ausdruck peri tes basileias tou theou, den Paulus in Apostelgeschichte 19,8 „Er ging aber in die Synagoge und sprach freimütig drei Monate lang, indem er sich unterredete und sie von den Dingen des Reiches Gottes überzeugte.“ verwendet (dort mit „von den Dingen des Reiches Gottes“ übersetzt).

Wenn wir dagegen von dem „Evangelium der Herrlichkeit des Christus“ lesen (2Kor 4,4 „in denen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus, der das Bild Gottes ist.“), dann denkt der Heilige Geist offensichtlich nicht an die gute Botschaft über ein Reich auf der Erde. Vielmehr ist es die gute Botschaft, dass Christus jetzt hoch erhoben zur Rechten Gottes sitzt und Er mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist. Dennoch ist in gewisser Weise in diesem „Evangelium der Herrlichkeit“ auch das „Evangelium des Reiches“ inbegriffen, denn auch wenn Christus sein Reich noch nicht sichtbar auf der Erde empfangen hat und noch nicht „auf seinem Thron der Herrlichkeit“ auf der Erde sitzt (Mt 25,31 „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen;“), so sitzt Er jetzt doch zur Rechten Gottes auf dem Thron seines Vaters (Off 3,21 „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron.“). Er hat als der außer Landes gereiste Herr ein Reich empfangen (vgl. Mt 25,15 „Und einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und sogleich reiste er außer Landes.“), das Er abwesend vom Himmel her regiert; in Matthäus 13,11 „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Weil es euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu erkennen, ihnen aber ist es nicht gegeben;“ nennt der Herr Jesus dieses Reich ein Geheimnis. Das Besondere daran ist, dass wir zu diesem verborgenen, geheimnisvollen Reich Gottes hier auf der Erde gehören und zugleich mit Christus in seiner Herrlichkeit in himmlischen Örtern verbunden sind (Eph 2,6 „und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus,“).

Wie groß ist auch der Unterschied zwischen dem „Evangelium der Herrlichkeit des Christus“ (2Kor 4,4) bzw. dem „Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes“ (1Tim 1,11) und dem „ewigen Evangelium“ (Off 14,6.7)! Das Erstere hat die Verherrlichung des Herrn bzw. Gottes im Blick, und zwar in ihrer vollen Tragweite, wie sie nach dem vollbrachten Werk am Kreuz möglich wurde. Während der Drangsal verkünden Engel das „ewige Evangelium“. Darin geht es nur noch darum, Gott als Schöpfer anzuerkennen.

Der Apostel Paulus macht deutlich, wie weit sich das Evangelium, das er verkündigte, von dem Evangelium der zwölf Apostel unterschied. Er nennt das Evangelium, das er durch Offenbarung empfangen hatte, „mein Evangelium“ (Röm 16,25; siehe Buch § 4.2) und „meine Lehre“ (2Tim 3,10) und legt das Evangelium, das er „unter den Nationen“ predigte (Gal 2,2 „Ich zog aber hinauf infolge einer Offenbarung und legte ihnen das Evangelium vor, das ich unter den Nationen predige, im Besonderen aber den Angesehenen, damit ich nicht etwa vergeblich laufe oder gelaufen wäre“), sogar den anderen Aposteln vor. In dieser Hinsicht davon zu sprechen, Paulus und die Apostel hätten ein und dasselbe Evangelium verkündigt – obwohl die Grundlage von 1. Korinther 15,1-5 (1) Ich tue euch aber kund, Brüder, das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch steht, (2) durch das ihr auch errettet werdet (wenn ihr an dem Wort festhaltet, das ich euch verkündigt habe), es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt habt. (3) Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; (4) und dass er begraben wurde und dass er auferweckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften; (5) und dass er Kephas erschienen ist, dann den Zwölfen.“ sicher identisch war –, wäre unbedacht und hieße die Unterschiede zwischen den Inhalten der Botschaften völlig aus dem Auge zu verlieren. Das Evangelium des Paulus schließt alle anderen Evangelien ein. Insofern konnte Paulus auch schreiben: „Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte außer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: Er sei verflucht!“ (Gal 1,8).

Die Tatsache, dass jeweils unterschiedliche Aspekte des Evangeliums betont werden, darf aber nicht dazu führen, sie zu stark voneinander zu trennen. In jeder Form bringt das Evangelium Segen für diejenigen, an die es gerichtet ist, wenn sie darauf achten. Wenn wir heute das Evangelium verkündigen, so wie es der Apostel Paulus empfangen hatte, wollen wir dabei nicht vergessen, dass Paulus nicht nur das Evangelium der Gnade Gottes und das Evangelium der Herrlichkeit des Christus predigte, sondern auch das Reich Gottes (Apg 20,25 „Und nun siehe, ich weiß, dass ihr alle, unter denen ich, das Reich predigend, umhergegangen bin, mein Angesicht nicht mehr sehen werdet.“), in dem Christus der Herr ist (Apg 28,31 „und predigte das Reich Gottes und lehrte mit aller Freimütigkeit ungehindert die Dinge, die den Herrn Jesus Christus betreffen.“). Solche allerdings, die bereits heutzutage mit Absicht das „ewige Evangelium“ verkündigen, bringen aufgrund ihres fehlenden Verständnisses der dispensationalen Wahrheit leider ein sehr verkürztes Evangelium.

Das „Evangelium“ nur auf die Bedeutung einzuschränken, es sei lediglich die gute Botschaft davon, wie man der Hölle entgehen kann, bedeutet, die anderen Inhalte der guten Botschaft Gottes aus den Augen zu verlieren. Die Botschaft des Evangeliums umfasst weit mehr, und der Heilige Geist gebraucht, wie oben gesehen, verschiedene Ausdrücke, um bestimmte Aspekte dieser Botschaft besonders hervorzuheben.


Auszug aus dem Buch Der vergessene Reichtum von D. Schürmann | S. Isenberg
Kapitel 22.27: „Fragenbeantwortung: Gibt es mehr als ein einziges Evangelium?“, S. 694–697
(Die Hinweise auf bestimmte Kapitel in diesem Artikel beziehen sich jeweils auf das Buch.)

Anmerkungen

[1] Vgl. H.-W. Deppe, „Gibt es zwei verschiedene Evangelien?“ im Internet-Archiv auf https://web.archive.org/web/20170719113542/http://www.betanien.de/verlag/material/material.php?id=127 [19.7.2017].

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