Randbemerkungen zu „Handbuch der biblischen Prophetie“ von A.G. Fruchtenbaum (2)
Der Lauf der Weltzeit

Werner Mücher

© W. Mücher, online seit: 10.09.2010, aktualisiert: 24.01.2022

Anmerkung der Redaktion:
Bereits 1983 erschien das Handbuch der biblischen Prophetie von Arnold Fruchtenbaum. Dieses Buch ist mittlerweile recht weit verbreitet und wird vielfach als Nachschlagewerk bei prophetischen Fragen benutzt. Dieses Buch enthält aus Sicht der Redaktion sehr viele nützliche Hinweise. Dennoch wollen wir dem interessierten Leser gerne die folgenden Randbemerkungen von Bruder Werner Mücher zur Verfügung stellen, der ebenfalls ein durch viele Bücher zu diesem Thema ausgewiesener Kenner der biblischen Prophetie ist. Diese Randbemerkungen sollen den Leser anreizen, die Schrift zu untersuchen und selbst mit Hilfe des Heiligen Geistes, aber auch mit Hilfe von Gaben, die der Herr seiner Gemeinde gegeben hat (Eph 4: „zur Vollendung der Heiligen“), zu einer Überzeugung zu gelangen. Wenn wir diese Randbemerkungen veröffentlichen, dann vor allen Dingen deshalb, weil dieses Buch doch in vielen Bücherregalen zu finden ist. Wir schätzen Bruder Fruchtenbaum ebenso wie es Bruder Werner Mücher in seinem Beitrag „Ein Wort vorab“ deutlich macht, auch wenn wir in einigen zentraleren Fragen, die nicht mit der Prophetie zusammenhängen, doch mehr oder weniger stark abweichende Ansichten vertreten.

Teil 2 – Der Lauf der Weltzeit

Seite 87: Die große Trübsal steht noch nicht unmittelbar bevor. Die Bühne der Weltgeschichte muss erst in gewisser Weise hergerichtet werden, bevor diese Trübsalszeit tatsächlich beginnen kann. Die Bibel weist sehr deutlich auf eine Anzahl von Ereignissen hin, die der Trübsalszeit vorangehen werden.

Wenn AGF einerseits davon ausgeht, dass die Entrückung der Gemeinde jederzeit geschehen kann, andererseits aber noch bestimmte Ereignisse vor dem Beginn der letzten Jahrwoche Daniels geschehen müssen, dann bedeutet das, dass es zwischen der Entrückung und der Drangsalszeit eine mehr oder weniger lange Zeitspanne geben muss. An welcher Stelle lehrt die Schrift das deutlich?

In keinem Fall gibt es nach der Entrückung noch Christen auf der Erde. Vielmehr beginnt Gott wieder mit Israel zu handeln. Was spricht dagegen, dass Gott in Israel Menschen zum lebendigen Glauben erweckt und damit den Faden mit Israel wieder aufnimmt, den Er beim Tod des Messias hat fallen lassen? Es mag sein, dass eine gewisse Zeit zwischen der Entrückung und dem Beginn der 70. Jahrwoche Daniels vergeht, doch für mich liegt es näher, an einen schnellen Übergang von der Entrückung zum Beginn dieser Jahre zu denken.

Seite 88: Dennoch leben wir in der Endzeit, weil bestimmte, für die Zeit vor der großen Trübsal vorhergesagte Ereignisse bereits eingetroffen sind. Das Erste ist der Erste Weltkrieg, dem der Zweite Weltkrieg folgte. Wir finden den biblischen Hinweis in Matthäus 24,1-8.

Der Herr beschreibt in Matthäus 24,4-14 zukünftige Ereignisse, die Er in Vers 8 den „Anfang der Wehen“ nennt. Ein sorgfältiges Studium dieses Abschnitts macht deutlich, dass es dabei um Ereignisse geht, die nach der Entrückung stattfinden werden, und zwar in den ersten 3½ Jahren (ab Matthäus 24,15-28 geht es um Ereignisse, die in den letzten 3½ Jahren bzw. zu Beginn der letzten 3½ Jahre geschehen werden). Ein Vergleich von Matthäus 24,4-14 und Offenbarung 6[1], wo es um die Siegelgerichte geht, macht das deutlich. Es ist aus meiner Sicht nicht statthaft, Matthäus 24,4-14 als zum Teil erfüllt anzusehen, auch wenn es noch so viele Kriege, Erdbeben und Seuchen gegeben haben mag; diese Dinge sind höchstens Vorboten für die Geschehnisse in der letzten Zeit auf der Erde. Wenn der Herr in Matthäus 24,14 sagt, dass danach das Ende kommen wird, die „Zeit des Endes“ (vgl. Dan 8; 11; 12), so ist die Zeit des Endes die Zeitspanne von 3½ Jahren vor der Errichtung des Friedensreiches (die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels).

Seite 91: Das erste Zeichen oder die erste Geburtswehe, die den Beginn der Endzeit anzeigt, sollte ein weltweiter Krieg sein. Er wurde 1914–1918 ausgefochten. Damit ist das erste Ereignis markiert, das zur großen Trübsal hinführt.

Siehe die Erklärung zu Seite 88.[2]

Seite 92: Das eigentliche Problem besteht jedoch darin, dass man nicht erkennt, dass die Propheten von zwei verschiedenen weltweiten Heimkehrbewegungen der Juden gesprochen haben … Eine Belegstelle, die von der Rückkehr ungläubiger Juden zur Vorbereitung auf das Gericht spricht, ist Hesekiel 20,33-38.

AGF macht zu Recht deutlich, dass es verschiedene Rückführungen der Juden in das Land der Väter gibt. Auch stimmt es, dass das Volk zuerst im Unglauben zurückkehrt. Die Stelle in Hesekiel 20,33-38 ist als Beweis für seine Behauptung allerdings ungeeignet; sie bezieht sich auf die Rückkehr der zehn Stämme, die Gott zu Beginn des Friedensreiches zurückführen wird.

Seite 106: Die am meisten umstrittene Frage ist auch tatsächlich die nach dem Zeitpunkt dieser Ereignisse [nämlich des Einfalls der feindlichen Mächte in Hesekiel 38 und 39]. Zu welchem Zeitpunkt in der Folge der prophetischen Ereignisse werden sie eintreten? Aus dem allgemeinen Zusammenhang in der Bibel kann nur entnommen werden – und das ist auch die Meinung des Verfassers –, dass die sowjetische Invasion einige Zeit vor der Trübsal stattfinden wird.

AGF führt auf den Seiten 98–114 aus, wie der Einfall der russischen Heere mit seinen Verbündeten in Israel stattfinden werde. Er kommt zu dem Schluss, dass die Bibel lehre, dieser Angriff und damit die Besetzung Israels geschehe vor der Trübsalszeit (also nach seinem Verständnis vor den sieben Jahren). Die Erklärungen über das „Wie“ sind im Allgemeinen in Ordnung. Allerdings ist AGF der Meinung, dass das Gomer aus Hesekiel 38[3] Deutschland sei und zu den Verbündeten Russlands gehören werde (S. 100).

Nachdem AGF verschiedene Erklärungen zum Zeitpunkt dieser Invasion behandelt, die aus seiner Sicht alle falsch sind, kommt er dann zu dem für ihn „eindeutigen“ Schluss, dass sie vor der Trübsalszeit stattfinden müsse (siehe auch S. 111). Doch die Invasion wird zu Beginn des Friedensreiches stattfinden, wenn Israel tatsächlich „in Sicherheit wohnt“ (Hes 38,8.11.14). Es ist das letzte große Ereignis, das der Errichtung des Tempels vorausgeht (Hes 40-48).[4]

Seite 111: Zweitens ist die heutige Sowjetunion die erste und führende Weltmacht vor der großen Trübsal. Sie ist zu dieser Machtstellung gleichzeitig mit der Gründung des Staates Israel nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestiegen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass AGF das heute noch so schreiben würde. Er hat das Buch 1982 geschrieben, die deutsche Ausgabe stammt von 1983. Bis heute ist nicht zu erkennen, dass die Sowjetunion – zumal sie ja außerdem zerbrochen ist – erste und führende Weltmacht werden soll, geschweige denn bereits geworden ist.

Seite 112: Der Glaube beginnt für Israel erst nach der Invasion [durch Russland].

Natürlich ist die Rückführung der Juden in das Land und die Gründung des Staates etwas, was nach der Vorsehung Gottes geschieht, doch Gott beginnt erst nach der Entrückung der Gemeinde in den Herzen von Israeliten ein Werk des Geistes, wodurch viele von ihnen dann zur Bekehrung kommen werden (siehe die 144.000 Versiegelten in Off 7,1-8).

Seite 114: Die fünfte Geburtswehe, die zur großen Trübsal hinführt, ist die Entstehung einer einheitlichen Regierung für die ganze Welt (Vers 23 [gemeint ist Dan 7,23]).

In Daniel 7,23 heißt es: „Er sprach so: Das vierte Tier: Ein viertes Königreich wird auf der Erde sein, das von allen Königreichen verschieden sein wird; und es wird die ganze Erde verzehren und sie zertreten und sie zermalmen.“ Aus dieser Stelle folgert AGF, dass dieses Reich die ganze Welt beherrschen wird. „Erde“ bedeutet in der Schrift jedoch manchmal nur das Gebiet des Römischen Reiches. So ist zum Beispiel in Lukas 2,1 vom ganzen Erdkreis die Rede (wörtl. die Bewohnte). An dieser Stelle bedeutet Erdkreis das damalige Römische Reich (vgl. Off 16,14).

Seite 120: Hier wird der „Tag des Herrn“ genannt, der ja immer eine Bezeichnung für die große Trübsal ist. Die erste Finsternis soll davor eintreten. Sie wird eine weltweite Finsternis sein.

Es ist richtig, dass der „Tag des Herrn“ die Zeit der Gerichte mit einschließt, doch der Tag des Herrn umfasst auch das Friedensreich und sogar dessen Ende; jedenfalls schreibt Petrus in diesem Sinn vom Tag des Herrn: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, an dem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber im Brand werden aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr werden verbrannt werden“ (2Pet 3,10). Hier geht es um die Auflösung der alten Himmel und der alten Erde, wenn alles im Brand aufgelöst wird. Dies wird am Ende des Friedensreiches beim Übergang in den ewigen Zustand stattfinden. Ist es nicht eindeutig, dass auch das noch zum „Tag des Herrn“ dazugerechnet werden muss?

Seite 120–124: Hier behandelt AGF die Verheißung über das Kommen des Elia zur Wiederherstellung des Volkes Israel.

Es scheint so, dass AGF mit dem persönlichen Kommen des Elia rechnet. Doch es gibt in der Schrift keinen Hinweis darauf, dass ein entschlafener Heiliger auferstanden ist oder auferstehen wird, um auf der Erde zu leben und für eine Zeit einen Dienst zu tun. Doch so wie Johannes der Täufer eine Teilerfüllung dieser Verheißung war, ist für mich die beste Erklärung, dass sich diese Verheißung auf die oder einen der beiden Zeugen in Offenbarung 11 bezieht.

Seite 132: An der Entrückung sind weder die Heiligen des Alten Bundes noch die Heiligen der großen Trübsal beteiligt.

Es stimmt, dass die „Heiligen der großen Trübsal“ nicht an der Entrückung beteiligt sein werden, da die Entrückung ja vor der Trübsal stattfindet. Doch warum sollten nicht die Heiligen des Alten Bundes beteiligt sein? AGF hat recht, dass die AT-Gläubigen nicht zur Gemeinde gehören, doch was spricht dagegen, dass sie bei der Entrückung auferstehen, da sie doch zu den Gerechten gehören? In Hebräer 11 heißt es am Schluss des Kapitels: „… damit sie [die Glaubenszeugen des AT] nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“ (Heb 11,40). Wenn sie „nicht ohne uns vollkommen gemacht“ werden, dann auf jeden Fall mit uns. Das „Vollkommen-gemacht-Werden“ bezieht sich hier auf die Auferstehung. Wenn wir Christen „vollkommen gemacht“ werden, findet unsere Auferstehung bzw. die Verwandlung statt; danach werden wir entrückt. Für die Mitauferweckung und Entrückung der AT-Gläubigen spricht außerdem die Tatsache, dass sie ebenfalls in den 24 Ältesten gesehen werden, die vor den sieben Jahren der Gerichte in den Himmel aufgenommen werden und auf Thronen sitzen werden (dabei gehe ich davon aus, dass die 24 Ältesten ein Bild sowohl der AT-Gläubigen als auch der NT-Gläubigen sind).[5]

Seite 139: Dass die Gemeinde während der großen Trübsal nicht mehr auf der Erde ist, ergibt sich besonders klar und deutlich aus der Offenbarung.

Es ist erfrischend, zu sehen, wie AGF auf den Seiten 139–143 so deutlich die Entrückung vor den Gerichten lehrt und auch gute Argumente dafür liefert. Dafür kann man ihm von Herzen dankbar sein.

Seite 150: An der Hochzeitszeremonie, die nach der Entrückung im Himmel stattfindet, sind dabei nur die Heiligen der Gemeinde Jesu beteiligt. Der vierte Schritt ist das Hochzeitsfest. Es wird auf Erden nach dem zweiten Kommen Christi gefeiert und das messianische Reich einleiten. Während an der Hochzeitszeremonie im Himmel nur die Gemeinde teilnimmt, sind an dem Fest auch die Heiligen des Alten Bundes und die aus der großen Trübsal beteiligt.

Die Unterscheidung zwischen einer Hochzeitszeremonie im Himmel und dem Hochzeitsfest auf der Erde ist aus Offenbarung 19 nicht zu entnehmen. Die Hochzeit wird ebenfalls im Himmel stattfinden, und die Gäste werden die Heiligen des Alten Bundes sein, die nach unserer Überzeugung bei der Entrückung der Gemeinde ebenfalls auferweckt werden.[6]

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Anmerkungen

[1] Vergleiche Schürmann/Isenberg, Der vergessene Reichtum, Retzow (Daniel-Verlag) 2009, S. 486–488.

[2] Ebd., S. 488:

So wie nach den Geburtswehen im natürlichen Leben schließlich ein Kind zur Welt kommt, so wird der Anfang der Geburtswehen in Israel den gläubigen Überrest hervorbringen, der am Ende den Kern des neuen Volkes Israel bildet. Es geht also um geistliche Aktivitäten, die eine geistliche Umkehr erzeugen, nicht um politische, nationale Veränderungen. Nach dem Ersten Weltkrieg ist diese geistliche Umkehr Israels ausgeblieben. Die Zeit der Wehen ist unbestreitbar durch Kriege gekennzeichnet, doch man kann diese Zeit nicht auf die Zeit nach 1914 verlegen. Denn nach Matthäus 24,9 steht der Anfang der Wehen mit der Verfolgung jüdischer Gläubiger in Verbindung. (FN: Siehe § 17.4, wo wir darauf hinweisen, dass die Jünger Repräsentanten des gläubigen Überrestes sind.) Dann geht es darum, bis zum Ende der Drangsal auszuharren (Mt 24,13), um in das Tausendjährige Reich eingehen zu können. Die Zeit der Geburtswehen liegt in der ersten Hälfte der 70. Jahrwoche nach der Entrückung der Gemeinde.

[3] Keil ist hingegen der Meinung, dass es sich um den Stamm Kimmerioi handele, von denen die Kelten in Wales und der Bretagne abstammen (siehe Carl Friedrich Keil, Genesis und Exodus, Gießen/Basel (Brunnen-Verlag) 1878, Neudruck 1983, S. 132.

[4] Siehe dazu Anhang 1 – „Prophetische Ereignisse in ihrer möglichen Reihenfolge“.

[5] Siehe hierzu ausführlich Schürmann/Isenberg, Der vergessene Reichtum, Retzow (Daniel-Verlag) 2009, S. 593–595. Siehe dazu W. Kelly, Die Offenbarung, Neustadt/Weinstr. (Ernst-Paulus-Verlag) 1987, S. 74.

[6] Siehe den Artikel „Findet die Hochzeit des Lammes im Himmel und das Fest auf der Erde statt?“ auf www.soundwords.de/a5905.html.

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