Nachtrag zu unserer Rezension: „30 aktuelle Fragen zur Gemeinschaft am Tisch des Herrn“
Eine Schrift von Rainer Fuchs

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© SoundWords, online seit: 14.03.2025, aktualisiert: 13.05.2025

In seiner Schrift 30 aktuelle Fragen zur Gemeinschaft am Tisch des Herrn will Rainer Fuchs „verschiedene Fragen, die mündlich und schriftlich aufgekommen sind, […] beantworten“, und zwar Fragen der Gemeinschaft, die vor allem den Tisch des Herrn betreffen. Seine Schrift wurde in den Kreisen der sogenannten geschlossenen Brüder und auch darüber hinaus vielfach kostenlos verteilt. Sie richtet sich besonders an verunsicherte Geschwister, die Fragen haben zu ihnen unverständlichen Handlungsweisen in den Versammlungen, vor allem in Bezug auf die Gemeinschaft am Tisch des Herrn.

Auf unsere Rezension dieser Schrift haben wir verschiedene ermunternde Reaktionen bekommen. Es hat uns ermutigt, zu sehen, wie hilfreich es für etliche war, diese Schrift an Hand der Bibel zu überprüfen. Allerdings gibt es auch eine sehr kritische Entgegnung, die sich aber nicht explizit auf unsere Rezension bezieht. Weil diese Entgegnung im Internet veröffentlicht worden ist, scheint es uns notwendig, noch einmal Stellung beziehen – besonders aus Sorge um viele jüngere Geschwister, die mit solchen vermeintlichen Widerlegungen leicht eingeschüchtert werden.

Wir haben selbst viele Jahre im selben Gemeinschaftskreis verbracht wie Rainer Fuchs und pflegen weiterhin wertvolle Kontakte nach dorthin. Ebendeshalb schmerzt es uns, mitanzusehen, wie sich diese Gemeinschaft immer weiter von den ursprünglichen Gedanken entfernt, die Brüder im 19. Jahrhundert dazu veranlassten, sich zum Namen des Herrn zu versammeln. Es betrübt uns, dass viele Geschwister durch eine kleine Gruppe öffentlich wirkender Brüder zunehmend in eine sektiererische Enge getrieben werden.

In der besagten öffentlichen Kritik an unserer Rezension werden Vorwürfe gegen uns erhoben und uns auch Beweggründe unterstellt. Manch einer ist sehr beunruhigt und bekommt es mit der Angst zu tun, dort zum Beispiel zu hören oder zu lesen: „Manchmal versucht man, das Prinzip, das hier deutlich gemacht wird, äußere Teilnahme bedeutet innere Gemeinschaft, […] ad absurdum zu führen“, oder: „Dabei ist es auch wichtig, dass man nicht versucht, solche Grundsätze des Wortes Gottes auszuhebeln mit irgendwelchen konstruierten Beispielen.“

Ein aufrichtiger Christ sollte eigentlich immer sofort alarmiert und gewarnt sein, wenn die Frage nach einer schriftgemäßen Begründung für ein bestimmtes Handeln in der Versammlung mit dem Hinweis abgetan wird, es wäre gesetzlich, solche Fragen zu stellen; die Bibel wäre schließlich kein Gesetzbuch; und wir dürften und müssten Anwendungen machen. So eine Argumentation ist oft genug ein Anzeichen dafür, dass eine echte Begründung eigentlich fehlt und vielmehr nur Schlussfolgerungen gezogen werden.

Wir sind durchaus der Meinung, dass wir aus dem Wort Gottes Schlussfolgerungen ziehen dürfen und sogar müssen. Doch wenn am Ende nur noch durch Schlussfolgerung aus Schlussfolgerung aus Schlussfolgerung abgeleitet wird, dass ein treuer Christ nicht mehr das Recht hätte, auszudrücken, dass er zu dem Leib Christi gehört und der Herr auch für ihn seinen Leib hingegeben hat – dann sollten wir sehr misstrauisch werden.

Im Folgenden werden wir in der Reihenfolge der Überschriften in unserer Rezension die jeweiligen Einwände behandeln. Dabei werden wir die Textstellen aus unserer Rezension, zu denen es besondere Kommentare gibt, als Zitat und alle Einwände kursiv formatieren. Zitate von Rainer Fuchs werden explizit genannt.

Qualität der Informationen

Rainer Fuchs hatte geschrieben:

Können nicht auch Geschwister von anderen Orten in ihrer Meinung ganz falschliegen, wenn sie den Beschluss einer örtlichen Versammlung als falsch bezeichnen? Ist das nicht sogar wahrscheinlicher, da die Informationen an dem handelnden Ort in der Regel von höherer Qualität und verlässlicher sind als das, was man aus der Ferne zu wissen glaubt?

Unser Kommentar in der Rezension dazu war:

Das Argument ist sehr schwach. Man könnte vielmehr argumentieren, dass Außenstehende einen wesentlich objektiveren Blick haben, weil sie nicht persönlich betroffen sind.

Einwand: Als ob wir heute Korinth besser beurteilen könnten als Paulus, der damals mit Korinth zu tun gehabt hat.

Man wundert sich, wie man auf einen derartigen Vergleich kommen kann, so realitätsfremd ist dieser Gedanke. Es wird dann gesagt, wir hätten bei einem Beschluss oft gar nicht ein Einblick, was für Herzensübungen, was für Herzensvorgänge gewesen sind. Doch das kann keine Entschuldigung für folgenreiche Fehlentscheidungen sein. Wir wollen bedenken, was uns das Wort Gottes über das Herz sagt: „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verdorben ist es; wer mag es kennen?“ (Jer 17,9). Und da auch in uns Christen noch das Fleisch ist, ist auch unser Herz noch zu allen bösen Herzensübungen fähig.

Es ist erschreckend, zu sehen, durch was für Argumente die Aufarbeitung von Fehlurteilen in der Vergangenheit verhindert wird. Es wird sogar behauptet, dass wir heute bestimmte Dinge nicht bekennen können, weil wir eben über die Umstände damals nicht Bescheid wissen. Zur Erinnerung: Ein Versammlungsbeschluss muss auf den klaren Anweisungen im Wort Gottes ruhen und anhand der Heiligen Schrift für andere Gemeinden nachvollziehbar sein, unabhängig von den sonstigen Begleitumständen. Es ist beschämend, dass ein Rechtsgrundsatz – „Im Zweifel für den Angeklagten“ –, der sogar in einem weltlichen Rechtsstaat gilt, hier verkehrt wird in den Grundsatz „Im Zweifel gegen den Angeklagten“. Wenn gerade in den zweifelhaften Fällen mit viel schriftlicher Kommunikation nie ein schriftgemäßes Argument für einen Ausschluss oder eine Trennung geäußert wird, dann ist das vielleicht noch eine größere Schuld der betreffenden Versammlung als der Beschluss an sich. Wollen wir als Christen ungerechter sein als die Welt?

Was wäre wohl passiert, wenn David damals – als Gott in seinen Tagen eine Hungersnot über Israel brachte wegen einer Handlung Sauls, der lange tot war – gesagt hätte: Ich weiß nicht, was für Herzensübungen Saul bewegt haben; ich weiß über die Umstände damals nicht Bescheid; da war ich auf der Flucht und habe nichts mitbekommen?

Umgang mit einer falsch handelnden Versammlung

Immer wieder gibt es zweifelhafte Beschlüsse.

Mit Hinweis auf Matthäus 18,18 wird gefordert: Lasst uns die Beschlüsse, die gefasst worden sind, als verbindlich ansehen. Gottes Wort zeigt, dass sie so sind.

Man übersieht dabei, dass Matthäus 18,18 in einem bestimmten Zusammenhang steht. Woher hat denn die Versammlung die Autorität, einen Ausschluss zu tätigen, der im Himmel anerkannt und dann natürlich auch zu Recht auf der Erde anerkannt wird? Das lesen wir zwei Verse weiter in Matthäus 18,20: dadurch, dass man sich zu dem Namen des Herrn hin versammelt und Er deswegen in der Mitte ist. Manche meinen, das treffe für ihre Ortsgemeinde zu, weil diese schon seit x Jahren in einem blauen Buch gelistet sei, das ihr diesen „Status“ verleihe. Aber meint der Herr dies, wenn Er davon spricht, dass Gläubige „in seinem Namen versammelt sind“? Bedeutet es nicht wenigstens, dass man die Gerechtigkeit des Herrn anerkennt? Daher kann ein Beschluss, der nicht auf schriftgemäßen Fakten beruht, niemals die Billigung des Herrn bekommen. Es ist vielmehr schrecklich, wenn sein Name mit Ungerechtigkeit verbunden wird, und selbst dann, wenn es nur den Anschein von Ungerechtigkeit hat, ist es schon schlimm genug.

„Empfehlungsbriefe“

R. Fuchs hatte am Beispiel von Phöbe dazu geschrieben:

Wer anders als die „Heimatversammlung“ sollte […] befähigter sein, ein Zeugnis über sie zu geben und sie den Gläubigen an einem anderen Ort zu empfehlen?

Unser Kommentar in unserer Rezension dazu:

Gerade das Beispiel von Phöbe aus Römer 16,1 zeigt, dass damals nicht eine Versammlung den Empfehlungsbrief ausstellte, sondern ein Einzelner; in diesem Fall Paulus. […] Auch heute gibt es vielfach Einzelne, die sehr wohl am besten befähigt sind, eine Empfehlung auszusprechen.

Einwand: In der Übergangszeit […] hat Er den Aposteln eine Funktion gegeben, die an und für sich die Versammlung Gottes hatte. Paulus habe also in seiner Funktion als Apostel quasi die Aufgabe einer Versammlung übernommen.

Aber ist das wirklich so? Oder ist das eine unbewiesene Behauptung? Auch wenn Paulus seinen Brief mit dem Hinweis auf seine Apostelschaft beginnt (Röm 1,1) und das sicherlich für die Entfaltung der Lehre des Evangeliums von größter Bedeutung ist, sollten wir auch hier den Zusammenhang nicht übersehen. Bevor er Phöbe der Versammlung empfiehlt, schreibt er nur einige Verse vorher: „Ich bitte euch aber, Brüder, durch unseren Herrn Jesus Christus und durch die Liebe des Geistes“ (Röm 15,30). Hier spricht ein Bruder zu Brüdern!

Oder wollen wir in reinen Formalismus verfallen? Denn sonst sollte eigentlich klar sein, dass, wenn ich in einer Versammlung im fernen Ausland einen Empfehlungsbrief vorzeige, der von zwei unbekannten Brüdern einer unbekannten Versammlung unterschrieben ist, dieses Schreiben viel weniger aussagefähig ist als eine Empfehlung eines Bruders, den man dort kennt, dessen Grundsätze man kennt und zu dem man Vertrauen hat, dass er ein richtiges Urteil abgibt. Das wird auch dadurch unterstützt, dass es keinesfalls selbstverständlich war, dass man Paulus als Apostel überhaupt anerkannte, wie die Korintherbriefe zeigen.

Zieht der Tisch des Herrn um?

Wenn „dauerhaft ,zementierte‘ Abweichungen“ das Kriterium dafür sind, dass Geschwister nicht am Tisch des Herrn sind, dann, so behaupten wir, sind überhaupt keine Gläubigen am Tisch des Herrn. Wir haben noch nie erlebt, dass es in einer Versammlung nicht irgendwelche „dauerhaft ‚zementierten‘ Abweichungen“ gegeben hätte, mit denen der Herr sicher nicht einverstanden sein kann.

Einwand: Niemand kann sich entschuldigen und sagen: Na ja, es gibt ja gar kein Zusammenkommen, wo alles auf Dauer nach den Gedanken des Herrn ist. Mag so sein, aber das ist keine Entschuldigung. Wenn in meinem, in dem Zusammenkommen, an dem ich teilnehme, da, wo ich zu Hause bin, wenn mir da jemand zeigt: Da ist ein Grundsatz, der nicht nach der Schrift ist, dann muss ich bereit sein, den zu korrigieren. Und wenn nicht, dann wird der Herr früher oder später den Leuchter wegrücken, wenn wir nicht dazu bereit sind.

Wieder wird hier mit demselben Argument argumentiert, das wir schon in unserer Rezension besprochen hatten: „Der Herr wird …“ Wir befürchten, dass diese Worte oft quasi als „Prophezeiung“ benutzt werden, die niemand widerlegen noch beweisen kann. Dazu kommt natürlich noch: Woran erkenne ich eigentlich, ob der Herr den Leuchter nicht schon weggetan hat? Achten wir noch darauf, ob von einer Gruppe, die sich „Versammlung Gottes“ nennt, wirklich noch das Licht des Wortes Gottes ausgeht, oder ist es uns nur wichtig, ob eine Versammlung irgendwie als eine „Versammlung Gottes“ anerkannt wird oder nicht?

Anerkennung vom Herrn?

Dass der Herr die vier Brüdergruppen „sicherlich nicht“ anerkannt hätte, ist eine drastische Behauptung und soll wohl suggerieren, es bräuchte dafür keine biblische Begründung.

Diese Begründung wird nun nachgeliefert: Dann wäre das ja im Widerspruch zu dem einen Leib. Und dann folgt die Suggestivfrage: Wer könnte da sagen: Das ist noch ein Zusammenkommen als Versammlung?

Wir wollen mit einer Gegenfrage antworten: Woher will man wissen, welche Verfehlungen genau ausreichen, damit der Herr das Zusammenkommen nicht mehr als Zusammenkommen als Versammlung ansieht? Bei falschen Beschlüssen glaubt man, der Herr habe sehr lange Geduld; in so einem Fall, meint man, Er habe überhaupt keine Geduld.

„Menschentische“

Das Problem heute ist ja nicht, dass einige – um in der Sprache des Alten Testaments zu bleiben – einfach „auf den Höhen opfern“ wollen, weil die ihnen auch gut gefallen, sondern dass sie davon überzeugt sind, dass sie in Jerusalem im Tempel sind. Und wer entscheidet dann, dass es nicht so ist?

Einwand: Aber das ist ja nicht die Frage, wovon ich denke, was ich bin oder was ich mache, sondern der entscheidende Maßstab ist ja Gottes Wort. Und wenn Gottes Wort zeigt, dass eine Höhe nicht Jerusalem ist, dann zeigt Er heute auch, dass, wenn ich nicht die biblischen Kriterien an das Zusammenkommen anlege, wenn es eben nicht der Tisch des Herrn ist […]

Das stimmt natürlich, aber ist das die entscheidende Frage hier? Es geht doch vielmehr darum, ob Geschwister, die sich, im übertragenen Sinn, „auf den Höhen“ versammeln, am Tisch des Herrn teilnehmen können, oder ob damit bewiesen ist, dass sie kein reines Herz haben. Ja, wenn ihnen der Ort des Zusammenkommens auch nach Belehrung gleichgültig ist und sie sich bewusst auf einem Grundsatz versammeln, der ihrer eigenen Überzeugung nach nicht nach den Gedanken Gottes ist, dann haben sie kein reines Herz. Aber wenn das nicht der Fall ist, wer wagt es dann, ihnen ein reines Herz abzusprechen?

Verständnis als Voraussetzung für Gemeinschaft am Tisch des Herrn?

Wenn heutzutage jemand am Brotbrechen teilnehmen möchte, ist dann wirklich Verständnis, Einsicht über alle möglichen Zusammenhänge und Fehler nötig?

Einwand: Aber dass man verstehen muss, dass es einen Tisch des Herrn gibt, dass es eine gemeinschaftliche Verantwortung gibt (1Kor 10), dass es eine persönliche Verantwortung gibt (1Kor 11), das kann jemand verstehen. Der muss nicht Abitur gemacht haben, der muss nicht studiert haben.

Wir haben erlebt, dass es für viele gar nicht so einfach ist, 1. Korinther 10 richtig zu verstehen. Mit 1. Korinther 11 tut man sich offensichtlich viel leichter. Das zeigt bereits, dass man hier auf geduldige Belehrung setzen muss. Aber das eigentliche Problem heute ist, dass von jemand, der am Brotbrechen teilnehmen möchte, verlangt wird, auch Trennung A, den zweifelhaften Ausschluss B und den unbegründeten Beschluss C zu akzeptieren. Und wenn er das nicht ohne Überlegung tun möchte, dann muss er sich über lange Zeit ein mühevolles Verständnis über diese Zusammenhänge aneignen.

Ebenso wenig kann dieser Vers [1Kor 10,15] überhaupt als Begründung dafür herhalten, dass Kenntnis eine Voraussetzung für Teilnahme wäre. Man hat ja auch vor Paulus in der Zeit der Apostelgeschichte bereits das Brot gebrochen. Da wusste man noch gar nichts über 1. Korinther 10 und konnte dementsprechend nicht „das nötige Verständnis in der Unterscheidung geistlicher Zusammenhänge“ [wie R. Fuchs schreibt] haben.

Einwand: Da übersieht man, dass Gott natürlich in einer Übergangszeit der Apostelgeschichte […] solche Dinge auch geduldet hat. […] Gott hat das in dieser Übergangszeit geduldet, weil ebendiese Belehrung nicht da war. Gott habe also damals, als „diese Belehrung nicht da war“, Geduld gehabt; aber heute sei das anders, heute habe Er diese Geduld nicht mehr.

Die Frage, die sich der unbedarfte Leser sicherlich stellt, ist: Wenn „Verständnis in der Unterscheidung geistlicher Zusammenhänge“ ein so entscheidendes Kriterium ist, warum hat Gott diesen Grundsatz von 1. Korinther 10 dann erst so spät offenbart? Er hätte das doch auch anders regeln können. Und wenn Gott damals Geduld hatte, woher wollen wir wissen, dass Er heute keine mehr hat und vor einer Teilnahme eine gewisse Einsicht, ein gewisses Verständnis erwartet?

„Ein ‚reines Herz‘“

Aber kann ich jemand so etwas unterstellen und ihm ein „reines Herz“ absprechen, nur weil er bestimmte Schriftstellen anders versteht als ich?

Einwand: Aber das reine Herz, von dem Paulus hier spricht, ist offensichtlich erkennbar, denn wir sollen ja zusammen „mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“, dann Gemeinschaft pflegen.

Bei der Argumentation wird völlig verkannt, dass es gar nicht darum geht, ein reines Herz zu erkennen. Nein, sondern es geht darum, ein unreines Herz zu erkennen! Es ist ein fataler Fehler, zu schlussfolgern, jemand müsse automatisch ein unreines Herz haben, wenn ich bei ihm kein reines Herz erkennen kann. Ja, man muss leider sagen: Es ist nicht nur ein Fehler, sondern eine ganz böse Haltung, sich anzumaßen, man könne die Gesinnung von anderen beurteilen und ihnen ein unreines Herz unterstellen.

Zum einen beruht das auf einer fatalen Unkenntnis über den Zustand im eigenen Gemeinschaftskreis.

Der Ausdruck „Gemeinschaftskreis“, den wir ganz allgemein und wertfrei gewählt hatten – welches andere Wort will man sonst finden? –, sei ein furchtbarer Ausdruck. Es wird behauptet: Das ist ja eben entnommen einem sektiererischen Gedankengut, dass man diejenigen als einen Gemeinschaftskreis tituliert, die nach Gottes Wort handeln wollen.

Wenn man keine unguten Emotionen vermuten will, kann man es nur mit Unkenntnis über die kirchliche Situation erklären, die jemand zu so einer Aussage bringen kann. Unzählig viele christliche Kreise behaupten, nach Gottes Wort zu handeln, und existieren nebeneinander, möchten aber manchmal unter keinen Umständen Gemeinschaft miteinander haben. Alle christlichen Gruppen behaupten doch, ihr eigener Gemeinschaftskreis sei Versammlung Gottes. Es ist uns unverständlich, was an dieser Tatsache sektiererisches Gedankengut sein soll.

Zulassung nur durch die Versammlung?

Wir fragen uns, ob Bruder Fuchs sich nicht mit der Zulassung von Saulus beschäftigt hat, die wir in Apostelgeschichte 9 finden. Gemäß seinen Ausführungen müssten die Christen in Jerusalem einen schweren Fehler begangen haben, weil sie Paulus nur aufgrund des Zeugnisses des Barnabas (Apg 9,27-28) aufnahmen, ohne zuvor eine Versammlungsentscheidung zu fordern und abzuwarten.

Einwand: Und da übersieht man, dass natürlich Gottes Wort sich erstens nicht widerspricht und zweitens hier überhaupt nicht von dem Brotbrechen der Gemeinschaft, der Versammlung als solche die Rede ist.

Diese Einstellung deckt sich mit der Einstellung, die in diesem Geschwisterkreis häufig anzutreffen ist: dass jede Form der Gemeinschaft (feiern, in Urlaub fahren, besuchen usw.) möglich sei, nur nicht Brotbrechen. Man muss sich das einmal überlegen: Da ist jemand so „gut“, dass man alle Formen der Gemeinschaft mit ihm haben kann, aber gleichzeitig so „böse“, dass er nicht mehr ausdrücken darf, dass er zum Leib Christi gehört und dass der Herr auch für ihn sein Leben gegeben hat.

Schließlich gipfelt alles in der Behauptung: Aber da sehen wir, wie man durch Beispiele jetzt versucht, die Grundsätze des Wortes Gottes auszuhebeln, die hier gar nicht ausgehebelt werden können, weil hier ganz klar steht, dass Barnabas ihn [Paulus] zu den Aposteln brachte und […] er offensichtlich mit den Aposteln dann auch in die örtliche Versammlung gekommen ist. Dabei meint man mit dem Ausdruckmit den Aposteln in die örtliche Versammlung“: Die Apostel sprechen mit ihm […], und dann haben wir natürlich jetzt dreizehn Zeugnisse, die der Versammlung Gottes gegeben werden.

Was genau steht in Apostelgeschichte 9,27-28? „Barnabas aber nahm sich seiner an, brachte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie er auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dass dieser zu ihm geredet habe und wie er in Damaskus freimütig im Namen Jesu gesprochen habe. Und er ging mit ihnen aus und ein in Jerusalem und sprach freimütig im Namen des Herrn.“ Wo lesen wir, dass „die Apostel mit ihm sprechen“? Wo lesen wir, dass jetzt dreizehn Leute der Versammlung Gottes ein Zeugnis gaben? Alles reine Erfindung. Aber uns wird vorgeworfen, wir würden in unserer Rezension versuchen, die Grundsätze des Wortes Gottes auszuhebeln.

„Erstmalig ,lösen‘“ in Verbindung mit Johannes 20,23?

Bruder Fuchs schreibt:

Die in Johannes 20,23 erwähnte Vergebung von Sünden hat keine Auswirkung auf den Himmel im Sinn der ewigen Errettung. Es handelt sich um eine verwaltende Handlung für die Beziehungen von Christen auf der Erde. Wem die Sünden im Sinn dieses Verses vergeben werden, der wird als Kind Gottes anerkannt und in der Gemeinschaft der Gläubigen akzeptiert.

Unser Kommentar dazu:

Dies ist unserer Ansicht nach einer der krassesten Irrtümer im ganzen Buch.

Es ist haltlos, in Johannes 20,23 lesen zu wollen, dass jemand noch unter Sünden steht, bevor er von einer Darstellung der Versammlung Gottes, wie die örtliche Gemeinde genannt wird, zugelassen worden ist. Jetzt wird sogar noch behauptet, dass alle, die nicht zugelassen sind, draußen wären im Blick auf die Darstellung der Versammlung so wie jemand, der gebunden wird. Das ist nicht zu begreifen. Demnach wären alle Christen – wo auch immer, wie treu auch immer –, die noch nicht von ihnen zugelassen sind, „draußen“! Was bedeutet „draußen“ nach der Schrift? Außerhalb der Versammlung Gottes, in der Welt, da, wo Gott richtet, wohin die Bösen hinausgetan werden (1Kor 5,9-13)!

Hymenäus und Philetus: Beispiel für „‚kirchliche‘ Ungerechtigkeit“

Es ist fatal, Hymenäus und Philetus, deren Lehre „den Glauben einiger zerstörte“ (2Tim 2,18), als Beispiel für kirchliche Ungerechtigkeit darzustellen. Zum einen wird dadurch die Gefährlichkeit der Lehre, die diese beiden brachten, abgeschwächt, und zum anderen wird echte „‚kirchliche‘ Ungerechtigkeit“ auf ein Niveau gehoben, das letztlich wieder eine Verleumdung von Geschwistern bedeutet. Hiermit macht man diejenigen, die bestimmte Dinge im kirchlichen Bereich falsch verstehen, zu „Gefäßen zur Unehre“ und stellt sie damit im Prinzip auf denselben Boden wie solche, die glaubenszerstörende Lehren verbreiten.

Hiergegen wird behauptet, dass man sich eben innerhalb der Christenheit von Ungerechtigkeit trennen muss und von solchen, die bei Ungerechtigkeit bleiben und damit auch bei kirchlicher Ungerechtigkeit.

Auf diese Weise werden alle, die über bestimmte kirchliche Angelegenheiten eine andere Meinung haben als sie, automatisch zu „Gefäßen zur Unehre“ (2Tim 2,20). Damit sind alle Christen außerhalb ihres Kreises, die „Belehrung erhalten haben“, aber ihre Ansicht dennoch nicht geändert haben, nicht nur „draußen“, sondern auch noch „Gefäße zur Unehre“, von denen man sich „wegzureinigen“ hätte. Man fragt sich, wohin dieses Denken noch führen soll. Der Unterschied zwischen 2. Timotheus 2,19 und 22 wird in dem Artikel „Kirchliche Ungerechtigkeit – gibt es das?“ betrachtet.

Vergessen wir nicht: Es kommt darauf an, ob jemand bewusst einen falschen Weg geht oder an falschen Grundsätzen festhält. Doch dies wird jetzt dadurch weggewischt, indem behauptet wird, ich sei auch verantwortlich für das, was ich wissen könnte. Und natürlich stimmt das auch. Selbstverständlich darf ich zum Beispiel nicht das Lesen des Wortes Gottes meiden und dann später sagen, ich hätte nicht gewusst, dass dieses oder jenes Gott nicht gefällt. Das ist selbstverständlich. Aber die kirchlichen Fragen, um die es hier geht, sind Fragen, über die es schon zweitausend Jahre unterschiedliche Ansichten gibt und worüber schon dicke Bände von theologischen Werken geschrieben wurden. Das wird jeden aufrichtigen Christen davor bewahren, hier vorschnell jemand zu unterstellen, er wolle etwas nicht wissen.

Wird Frage 12 wirklich beantwortet?

Die Fälle, um die es hauptsächlich geht, sind ja solche Geschwister, die bestimmte Versammlungsausschlüsse nicht mittragen können, weil die Beschlüsse weder durch Fakten noch durch das Wort Gottes bestätigt sind.

Solche Fälle werden bagatellisiert, indem man behauptet: Das mag im Einzelfall natürlich auch einmal existieren, und das hat in der Kirchengeschichte auch existiert, wo Trennungen zurückgenommen werden mussten, weil sie eben nicht nach Gottes Wort waren. Doch wird behauptet: Aber dem Grundsatz nach müssen wir heute feststellen, dass es oftmals Trennungen gibt, weil Geschwister nicht mehr einverstanden sind, dass das, was an einem Ort gilt, damit auch an jedem anderen Ort gilt, wenn man Versammlung Gottes nach den biblischen Prinzipien wirklich praktiziert. Obwohl wir persönlich diesen Grundsatz ebenfalls vertreten, wollen wir zu bedenken geben: Ist es verwunderlich, wenn Geschwister sich fragen, ob dieser Grundsatz wirklich schriftgemäß sein kann, wenn nahezu alles falsch oder unbegründet oder zumindest zweifelhaft ist, wo auch immer sie mit der Anwendung dieses Grundsatzes konfrontiert werden?

Offensichtlich hält man es nicht für so wichtig, dass ein Trennungsbrief alle möglichen Argumente enthält.

Bedeutet äußere Teilnahme „Einsmachung mit den geistlichen Grundsätzen“?

Wenn wir uns daran erinnern, was Rainer Fuchs zu „‚kirchlicher‘ Ungerechtigkeit“ schreibt (siehe Frage 11: „Kirchliche Ungerechtigkeit“), dann ist unbedingt davon auszugehen, dass er „‚kirchliche‘ Ungerechtigkeit“ für einen geistlichen Grundsatz hält. Dieser Grundsatz geht jedoch weit über die Aussage von 1. Korinther 10 hinaus. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Wenn Geschwister Älteste wählen, dann fällt das unter „‚kirchliche‘ Ungerechtigkeit“, wie wir auch selbst in einem Artikel dargelegt haben. Dennoch haben sie nicht Ungerechtigkeit als Grundsatz, sondern sie wollen den Gedanken Gottes über den Ältestendienst nachkommen. Und dieser Grundsatz, Gottes Gedanken in die Praxis umsetzen zu wollen, ist schriftgemäß, obwohl die Art der Durchführung falsch ist.

Einwand: Das ist aber nicht entscheidend. […] Selbst wenn es gut gemeint ist, ist entscheidend, was Gottes Wort dazu sagt.

Selbstverständlich ist entscheidend, was Gottes Wort zu einer Handlungsweise sagt. Doch darum geht es in unserem Zitat nicht. Vielmehr geht es darum, dass man in dem genannten Fall zwischen Grundsatz und Handlungsweise unterscheiden muss. Und in 1. Korinther 10 innere Teilnahme bei jeder falschen Handlungsweise zu erkennen, ist genauso ein Hineinlegen in das Wort Gottes, wie in 2. Timotheus 2 alle, die mit kirchlicher Ungerechtigkeit zu tun haben, als Gefäße zur Unehre zu betrachten oder in Matthäus 18,18 ein Lösen von Sünden für alle Christen zu sehen, die noch nicht von einer „Darstellung der Versammlung Gottes“ zugelassen worden sind.

Dass man sich weigert, so weit zu gehen, wird als Spitzfindigkeit bezeichnet. Und dann wird wieder behauptet, Gottes Wort sage das. Ja, klar, wenn ich es vorher da hineinlege, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich es dann darin finde, oder wie unsere amerikanischen Brüder es ausdrücken:

Wonderful things
in the bible I see,
things that are put in
by you and by me.

Gemeinschaft privat wohl, aber am Tisch des Herrn nicht?

Wir haben noch keine Sonderregelung in der Schrift gefunden, dass man mit jemand privat sehr wohl, beim Brotbrechen jedoch keine Gemeinschaft haben kann.

Einwand: Es ist völlig klar, dass wir im Privaten einen Umgang haben können mit jemand, der üblicherweise damals in Korinth an dem Tisch der Dämonen zu Hause war. Warum? Weil es ein Ungläubiger ist. Da dürfen wir Umgang haben. Das ist natürlich etwas völlig anderes nach 1. Korinther 5, wenn es sich um einen Gläubigen handelt, der jedenfalls bekennt gläubig zu sein, der Christ zu sein, […] aber Götzendiener ist. Da sagt Gottes Wort ausdrücklich, mit solchen dürfen wir nicht Gemeinschaft haben. Demnach haben wir die Freiheit, der Einladung eines Ungläubigen zu folgen und mit ihm zu essen, obwohl wir nicht mit ihm das Brot brechen. Dies wird dann übertragen darauf, dass es eben auch Geschwister geben kann, mit denen wir jegliche Form der Gemeinschaft haben können, aber nicht das Brot brechen dürfen.

Wir fragen nur: Was hat das Beispiel mit dem Ungläubigen nun mit unserem Verhalten gegenüber denen zu tun, die zu den Glaubensgeschwistern gezählt werden? Gerade 1. Korinther 5 macht deutlich, wie groß der Unterschied ist im Umgang mit Glaubensgeschwistern und mit Ungläubigen. Doch immer wenn das Neue Testament von der Trennung von Geschwistern spricht, lesen wir nie, dass man mit solchen Gläubigen kein Brot brechen dürfte. Es geht vielmehr immer um die Frage, wie man mit so jemand insgesamt umgeht; das gilt für den Bösen in 1. Korinther 5 genauso wie für den Verführer in 2. Johannes. Die folgende Bibelstelle macht diesen Grundsatz noch deutlicher: „Wenn aber jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde; und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“ (2Thes 3,14-15). Offensichtlich war der Betreffende nicht ausgeschlossen, sondern nur privater Umgang sollte nicht gepflegt werden. Was wir in der Schrift finden, ist also genau das Gegenteil von der hier gebilligten Praxis.

Handlungsgleichheit?

Wir vermuten, dass sich Rainer Fuchs nicht bewusst ist, was in seinem Gemeinschaftskreis alles geschieht. Da sind uns persönlich beispielsweise zwei Versammlungen bekannt, die sogar Nachbarversammlungen (!) sind: In der einen ist Wiederheirat nach Scheidung möglich, in der anderen grundsätzlich nicht. Das bedeutet nach den Ausführungen des Autors, dass in seinem eigenen Kreis die Einheit des Geistes nicht bewahrt wird. Und das ist nur ein Beispiel – wir könnten weitere nennen.

Einwand: Sind Beispiele, die vorkommen, ein Beweis, dass etwas falsch ist? Absolut nicht.

Nein, wie könnte es auch – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es kann nicht falsch sein und deswegen ist nichts falsch. Man müsse zum Beispiel bei der Frage von Wiederheirat, Scheidung und Wiederheirat […] anhand von Gottes Wort einander belehren, um zu helfen, dass es eben nicht zu gegensätzlichen, widersprüchlichen Entscheidungen kommt. So wird dann die Meinung von Rainer Fuchs gerechtfertigt, dass es „in allen moralischen Fragen […] Handlungsgleichheit“ gebe. Es bleibt aber bestehen, dass in diesem Geschwisterkreis auch in anderen Fragen de facto sehr unterschiedlich gehandelt wird.

„‚Einseitige‘ Tischgemeinschaft“?

Das ist unseres Erachtens das größte Problem dieses Brüderkreises: „Einseitige“ und wechselseitige Tischgemeinschaft wird im Endeffekt gleich beurteilt. Zu 99 Prozent möchten Geschwister aus familiären, beruflichen oder organisatorischen Gründen irgendwo teilnehmen, wo sie selbst keine Hinderungsgründe sehen; sie sehen jedoch an ihrem Wohnort keine Möglichkeit, sich anders zu versammeln.

Einwand: Warum praktiziert er das am Ort nicht? Das kann unterschiedliche Gründe geben und da muss man sich jeden Einzelfall anschauen. Aber natürlich kann das nicht eine Dauerlösung sein. Das wäre das Aufgeben schriftgemäßer Grundsätze.

Wir hatten in unserer Rezension ausdrücklich geschrieben, dass er an seinem Ort keine andere Möglichkeit sieht. Soll er nun sein Gewissen vergewaltigen und irgendwo hingehen, wo sein Gewissen ihn anklagt, nur weil dieses Zusammenkommen „im blauen Buch“ verzeichnet ist, oder soll er nirgendwo hingehen?

Wenn jemand bei dem Grundsatz der Schrift bleiben will, wird ihm vorgeworfen, anderen „ein schlechtes Gewissen zu machen“: Manche versuchen ja, ein schlechtes Gewissen zu machen: Du darfst dich nur trennen, wenn Böses da ist. Dieser Gedanke wird absolut verneint: Nein, absolut nicht. Damit ist natürlich Tür und Tor geöffnet, um alle Abweichungen jeglicher Form von der Meinung der führenden Brüder, die Gottes Wort eben nicht als Gesetzbuch benutzen, sondern ihre Schlussfolgerungen auf Schlussfolgerungen ziehen, als Trennungsgrund zu akzeptieren.

Zu Recht wird eingewendet, dass, wenn jemand kommt und unbelehrt ist, man ihn belehren müsse, man aber nach der dritten Belehrung sich auch fragen müsse, ob jemand wirklich lernen will. Wenn man beispielsweise jemand darauf hinweist, dass die Frauen nach 1. Korinther 14,34 in der Gemeinde schweigen sollen und nach 1. Timotheus 2,12 nicht lehren dürfen, dann benötigt jemand normalerweise keine drei Jahre, um zu verstehen, dass die Pastorin in der eigenen Gemeinde ganz gegen Gottes Wort ist.

Aber geht es eigentlich um solche Fälle? Nein, wohl kaum. Jemand, der mit Frauendienst kein Problem hat, wird sich in einer Versammlung ihres Kreises wahrscheinlich nicht wohlfühlen. Es geht doch vielmehr um Geschwister aus Versammlungen, von denen man sich in der Vergangenheit unter teils nebulösen Begründungen getrennt hat. In der Zwischenzeit sind dann Geschwister aufgewachsen oder von außen hinzugekommen, die bei der Trennung nicht beteiligt waren und aus den vorhandenen Briefen und der Information ihrer Mitgeschwister nichts Trennungswürdiges entdecken können. Eine faire Belehrung würde hier einer Aufarbeitung der kompletten Trennungssituation gleichkommen. Das ist unseres Wissens bisher nie geschehen.

Ist die Einschränkung der freien Leitung des Geistes „fundamental böse“?

Rainer Fuchs schreibt:

Wir gehen nicht zu weit, wenn wir sagen, dass das [d.h. die Einschränkung oder Verhinderung der Leitung des Heiligen Geistes] ein Affront gegen eine der Personen der Gottheit ist. Und um einen fundamentalen Fehler handelt es sich auch, da eine für die christliche Zeit typische Segnung betroffen ist.

Unser Kommentar dazu:

Diese Antwort auf die Frage, ob die Einschränkung der freien Leitung des Geistes „fundamental böse“ sei, ist schon sehr stark – auch wenn hier das Wort „böse“ nicht wiederholt, sondern durch den Begriff „fundamentaler Fehler“ ersetzt wird. Diese Aussage ist jedoch ein typisches Beispiel dafür, wie „‚kirchliche‘ Ungerechtigkeit“ zu fundamental Bösem hochgespielt wird.

Einwand: Ist das etwas Grundlegendes? Absolut. Wie auch immer man das bezeichnet, das aufzugeben, das ist in der Tat fundamental.

Wir haben nie bestritten, dass die freie Leitung des Heiligen Geistes „etwas Grundlegendes“ ist. Wenn man jedoch das Aufgeben der Geistesleitung für „einen fundamentalen Fehler“ und für einen „Affront gegen eine der Personen der Gottheit“ hält, dann zeigt das, wie einseitig hier gedacht wird. Einerseits hält man an einer ganz bestimmten Vorstellung fest, wie diese Leitung genau auszusehen habe, obwohl die Schrift dazu nur wenig sagt; und andererseits wird ein anderes schwerwiegendes Problem in diesen Zusammenkünften nicht einmal erwähnt: die Predigt ohne Botschaft. Was ist für den Herrn wohl schlimmer: wenn jemand eine Predigt ohne Botschaft hält und das als Leitung des Geistes bezeichnet, oder wenn jemand meint, diese Leitung finge schon vor den Zusammenkünften an und könne ihm zeigen, womit er sich beschäftigen müsse, um dann auch eine klare Botschaft für die Geschwister zu haben? Findet die Leitung des Geistes denn nur in den Zusammenkünften statt oder sollen wir uns nicht immerzu vom Geist leiten lassen? Das, was der Herr Jesus am meisten verurteilte, als Er auf der Erde war, war die Heuchelei der Pharisäer.

Teilnahme bei den Freien Brüdern

Unter dieser Überschrift hatten wir in unserer Rezension deutlich gemacht, dass man die Freien Brüder nicht pauschal bewerten und auch die Aussage von Dieter Boddenberg nur sehr bedingt verwerten kann.

Dennoch wird behauptet: Das Prinzip der Unabhängigkeit, das eben das Prinzip der Freien Brüder ist, der Selbstständigkeit der Ortsgemeinde, es ist unmöglich, sich von dem Bösen zu trennen.

Diese oft gehörte Behauptung wird nicht wahrer dadurch, dass man sie ständig wiederholt. Offenheit und Unabhängigkeit hat nicht zwingend etwas miteinander zu tun. Selbst wenn eine Gemeinde keinen Empfehlungsbrief irgendeiner anderen Gemeinde anerkennt, kann sie trotzdem jeden prüfen, der bei ihnen teilnehmen möchte, ob er rein ist im Wandel, in der Lehre und in den Verbindungen. Und dann wird sie zum Beispiel bei einem berechtigten Ausschluss zum selben Ergebnis kommen wie die Gemeinde, die den Ausschluss vorgenommen hat.

Es wird dann behauptet, dass es natürlich bei den Freien Brüdern eine solche gemeinschaftliche wechselseitige Teilnahme gibt. Woher weiß er das eigentlich? Woher weiß er, dass alle Gemeinden der Freien Brüder das so praktizieren?

Aber es geht ihm ja auch gar nicht um irgendetwas konkretes Böses, sondern darum, dass für ihn der Grundsatz der Unabhängigkeit der Ortsgemeinde ein böses Prinzip ist. Damit steht dieser Grundsatz für ihn auf derselben Stufe wie zum Beispiel Toleranz gegenüber böser Lehre, die Christus und sein Werk angreift.

Die „Blockfreien“

[…] die „Blockfreien“, die, wie schon der Name sagt, gar keinem Brüder-Block angehören und daher schon prinzipiell keine identische Denk- und Handlungsweise haben können. […] Es ist sträflich, davon zu reden, wie DIE blockfreien Brüder handeln – denn da ist der Unterschied noch viel größer als bei den Freien Brüdern.

Pauschal wird hier erneut behauptet, die sogenannten blockfreien Gemeinden kämen auf einer Grundlage der Unabhängigkeit zusammen. Dieser Einwand ist wirklich schwer zu begreifen, denn wir hatten aufgezeigt, wie unterschiedlich ebendiese Gemeinden sind. Offenbar meinen sie, dass nur sie das richtige Verständnis von der Einheit des Geistes hätten und dass daher alle, die nicht zu ihrem Kreis gehören, automatisch unabhängig wären.

„Gläubige von einem anderen Ort, die sich getrennt haben“

Jemand, der sich von einer Versammlung aus ihrem Kreis wegen Grundsätzen getrennt hat, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, „maßt sich an“, wie man sagt, in einer anderen Versammlung aus diesem Kreis teilnehmen zu wollen, da er davon ausgeht, dass bei dieser Versammlung die Punkte, die sein Gewissen belasten, nicht vorliegen.

Wieder wird hier behauptet, dass sich zwei Zusammenkommen grundsätzlich auf derselben Grundlage versammeln würden. Daraus folgt: Wenn sich jemand von seiner Heimatversammlung A trennt und bei einem anderen Zusammenkommen B teilnehmen möchte, dann wäre das so, als ob er doch wieder bei der Versammlung teilnehmen möchte, von der er sich zuvor getrennt hatte – da ja beide Ortsgemeinden auf derselben Grundlage zusammenkämen.

Man fragt sich, ob die Geschwister, die von einer getrennten Versammlung kommen, wirklich so ahnungslos sind, falsche Prinzipien an Ort A nicht zu akzeptieren, an Ort B aber sehr wohl. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass sie annehmen, dass die falschen Prinzipien an Ort B nicht vorliegen?

Fazit

Leider scheint es vor allem bei vielen Verantwortlichen dieses Geschwisterkreises keine Einsicht zu geben und kein Zurück zur Schrift. Wie war es bei den Pharisäern zur Zeit des Herrn? Es wurde viel zur Schrift hinzugefügt, das dann dem Wort Gottes gleichgestellt und anderen als schwere Last aufgelegt wurde.

Es ist schade, dass heute diejenigen, die aus der Brüderbewegung hervorgegangen sind, genau das wieder aufrichten, was die ersten Brüder dazu bewogen hatte, sich außerhalb kirchlicher Kreise zu versammeln.

W.J. Ouweneel schreibt darüber in seiner Geschichte der Brüder:

Um das Jahr 1825 gab es in Dublin drei Freunde, die von Herzen demselben Herrn dienten und die ganze Woche über zusammen waren, aber, da sie zu verschiedenen Denominationen gehörten, sonntags stets verschiedene Wege gingen. Nach und nach wurde ihnen klar, wie seltsam es war, dass sie, die eins waren in demselben Herrn, davon nicht öffentlich Zeugnis geben konnten, indem sie dasselbe Brot brachen. Aufgrund ihrer verschiedenen Auffassungen konnten sie auch nicht in ein und dieselbe Kirche zum Abendmahl gehen, so dass sie Ausschau hielten nach einer Gruppe, wo sie zusammen Brot brechen konnten, ohne dem Gewissen des anderen Gewalt anzutun. Aber jedes Mal stießen sie auf eine Reihe von Bedingungen, die sie nicht alle drei unterschreiben konnten. Doch verlangten sie danach, sowohl dem Wunsch des Herrn zu folgen („Tut dies zu meinem Gedächtnis“) als auch ihre Einheit an seinem Tisch auszudrücken. In aller Einfachheit begannen sie hiermit, noch ohne viel Einsicht, aber in der Kraft des Glaubens und ohne auf andere zu warten.

Heute werden ebendiese Unterschiede wieder betont. Wenn die Brüderbewegung im Anfang mit der Periode von Philadelphia übereingestimmt hat, dann ist zu befürchten, dass man die Warnung „Halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ (Off 3,11) nicht beachtet hat und dass diese Krone von ihr genommen ist.

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