Gottes Verheißungen an Abraham
1. Mose 12,1-3; Galater 3,6.16

William Kelly

© SoundWords, online seit: 30.11.2005, aktualisiert: 24.10.2022

Leitverse: 1. Mose 12,1-3; Galater 3,6.16

Einleitung

Niemand leugnet, dass die Verheißungen, die Abraham gegeben wurden, aus der Gnade Gottes hervorkamen. Aber es ist ein ernster Fehler, diese Verheißungen an Abraham mit Gottes Verheißung in Christus durch das Evangelium, von der in Epheser 3,6 gesprochen wird, zu verwechseln. Das würde unseren Glauben, unsere Gemeinschaft und unser Verhalten beeinflussen. Natürlich beinhaltete der Bund mit Abraham für die Teilhaber dieses Bundes Sicherheit, Annahme, Gunst und Freundschaft mit Gott. Die Frage ist, ob nicht zum Beispiel der Brief an die Epheser ein weitaus tieferes und höheres Ziel der Gnade offenbar macht. Dabei geht es um ein Ziel, das niemals an Abraham verheißen war. Es wurde bewusst verborgen gehalten, bis der Heilige Geist auf die Erde herabgekommen war als Folge des Todes, der Auferstehung und der Auffahrt des Herrn Jesus zur Rechten Gottes in den Himmel. Weder Vernunftschlüsse noch Tradition werden uns dabei helfen, diese Frage zu lösen. Sie werden uns vielmehr behindern. Aber was sagt die Schrift? Wir wollen zwei Dinge vergleichen. Bei diesen zwei Dingen geht es um etwas, was total verschieden ist in der Reichweite und in seinem Charakter, obwohl beide notwendigerweise ihre Quelle in der mannigfachen Gnade Gottes finden.

Die Verheißung an Abram

Die Berufung und erste Offenbarung der Verheißung an Abram finden wir in 1. Mose 12,1-3:

1Mo 12,1-3: Der HERR sprach zu Abram: Gehe aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in das Land, das ich dir zeigen werde. Und ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein! Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!

In der Folge erschien der HERR dem Abram und sprach: „Deinem Samen will ich dieses Land geben“ (1Mo 12,7). Was könnte einfacher sein? Ein bestimmtes Land wird Abram und seinem Samen gegeben, eine große Nation und ein großer Name. Abram sollte Segen von Gott bekommen und er sollte ein Segen für andere sein. Gott würde die Menschen so behandeln, wie sie Abram behandelten. Und in ihm würde für alle Familien der Erde Segen gesichert werden. Natürlicher und geistlicher Segen für Abram und seinen Samen und selbst für die Nationen liegen in dieser unabdingbaren Verheißung verborgen.

Ein Teil davon wird wiederholt in noch klareren Ausdrücken in 1. Mose 13 und bestätigt durch Opfer in 1. Mose 15. Dann wird die Beschneidung eingeführt als Zeichen des Bundes in 1. Mose 17. Dort wird der Name zu Abraham verändert, „denn zu einem Vater vieler Nationen habe ich dich gemacht“. Und nachdem der Sohn der Magd hinausgetrieben ist, finden wir schließlich  in 1. Mose 22 Isaak, den Sohn der Freien, Kind und Erbe der Verheißung, im Bild auferweckt aus den Toten und den Eidschwur (siehe Heb 6): „Ich schwöre bei mir selbst, spricht der HERR, dass, weil du dieses getan und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast, ich dich reichlich segnen und deinen Samen sehr mehren werde, wie die Sterne des Himmels und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist; und dein Same wird besitzen das Tor seiner Feinde; und in deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde: darum, dass du meiner Stimme gehorcht hast“ (1Mo 22,16-18).

Die Verheißung im Gegensatz zum Geheimnis

Alle Nationen sollten in dem Samen gesegnet werden, aber sie und der Same sind ganz unterschiedliche Parteien. In dem gesegnetsten und wichtigsten Sinn ist der Same Christus (Gal 3,16).

Gal 3,6.16: Die Schrift aber, voraussehend, dass Gott die Nationen aus Glauben rechtfertigen würde, verkündigte dem Abraham die gute Botschaft zuvor: „In dir werden gesegnet werden alle Nationen“ {1Mo 12,3}. – Dem Abraham aber waren die Verheißungen zugesagt und seinem Samen. Er sagt nicht: „und den Samen“, als von vielen, sondern als von einem: „und deinem Samen“ (1Mo 22,18), welcher Christus ist.

Aber wörtlich und ganz wirklich bedeutet „der Same“ die Juden, wie der Heilige Geist in Apostelgeschichte 3,25 (!) zeigt. Die Nationen, die darin gesegnet werden, dürfen genauso wenig mit dem Samen verwechselt werden wie die Feinde, deren Tore der Same besitzen soll (s. 1Mo 22,17). Es gibt Segen für beide.

Aber werden die Nationen in genau derselben Weise und in genau demselben Maß wie der Same gesegnet? Wenn es so wäre, wo ist der geehrte Platz des Namens Abrahams? Wo ist das besondere Vorrecht im Blick auf die Verheißungen an die Väter? Oder stehen sie letzten Endes auf einem gemeinsamen Level von nicht mehr unterscheidbarem Segen? Wenn der Same allerdings seinen eigenen speziell verheißenen Platz durch göttliche Gunst hat über all die Nationen, die darin gesegnet werden, dann ist es klar, dass der Bund mit Abraham eine Sache und „das Geheimnis“ (Eph 3) eine andere Sache ist, denn in dem Geheimnis werden solche Unterschiede nicht gefunden. Denn die Nationen sind Miterben und sind von demselben Leib und sind Mitteilhaber der Verheißung Gottes in Christus durch das Evangelium. Die gläubigen Juden von der Höhe und die gläubigen Heiden von der Tiefe ihrer irdischen Herkunft werden in eine Sphäre noch nie da gewesener himmlischer Einheit mit Christus eingeführt. Diese Einheit wird bewirkt durch die Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde. Das ist „das Geheimnis“, insoweit es die Kirche betrifft.

Das Thema des Epheserbriefes

Die Lehre im Brief an die Epheser ist nicht nur Rechtfertigung durch Glauben. Und es geht nicht nur um den Tod Christi als die Grundlage dieser göttlichen Gerechtigkeit, der einzigen Grundlage, auf welcher alle Erretteten vom Anfang bis zum Ende der Zeit stehen. Dieses Thema behandelt der Römerbrief besonders. Dort wird das völlig untersucht und angewandt auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Wege Gottes mit den Menschen. Hier im Brief an die Epheser finden wir auch nicht viel von dem Tod Christi in Verbindung mit der jüdischen Nation noch mit den vom Gericht verschonten Heiden, die während der zukünftigen Herrschaft des Messias errettet werden: Von diesen Dingen reden die Psalmen und die Propheten überaus viel. Wir werden aber in Epheser 2,11-18 belehrt, dass es neben diesen Anwendungen des Todes Christi noch ein neues und überaus herrliches Ergebnis davon gibt, zu dem die Weisheit und Gnade Gottes geführt haben: Gott hat – gegründet auf das Kreuz und herbeigeführt durch den Heiligen Geist, der daraufhin gegeben wurde – eine völlig neue und himmlische Struktur geschaffen, die keine Parallele während des Tausendjährigen Reichs haben wird und auch keinen Vorgänger hat in den Zeiten und Generationen, die mit der Kreuzigung abgeschlossen wurden.

  • Eph 2,11-18: Deshalb seid eingedenk, dass ihr, einst die Nationen im Fleisch, welche Vorhaut genannt werden von der sogenannten Beschneidung, die im Fleisch mit Händen geschieht, dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend und ohne Gott in der Welt. Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden. Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung, nachdem er in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinweggetan hatte, damit er die zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe und die beiden in einem Leib mit Gott versöhnte durch das Kreuz, nachdem er durch dasselbe die Feindschaft getötet hatte. Und er kam und verkündigte Frieden, euch, den Fernen, und Frieden den Nahen. Denn durch ihn haben wir beide den Zugang durch einen Geist zu dem Vater.

Nun, es ist klar aus der Schrift, dass die Unterscheidung von Jude und Heide mit all dem, was damit zusammenhängt, von Gott eingesetzt war und seine Billigung hatte, solange die Erde in irgendeiner Art und Weise anerkannt wurde (Mt 10,5). Und sie wird wieder aufgenommen werden, wenn die Gemeinde aufgenommen ist und Gott anfängt, direkt mit der Erde zu handeln. Dann wird Er es nicht mehr wie heute in geheimer Vorsehung mit dem Weg des Menschen hier auf der Erde zu tun haben. Wenn Gott hier auf der Erde den Beweis liefern wird, dass es einen Gott gibt, der die Erde richtet, dann taucht der Jude zuerst in seiner Verantwortlichkeit auf – zweifellos in seiner Schuld –, aber zuerst auch, dessen wollen wir uns auch versichern, im Segen – kraft der Verheißungen an die Väter.

Die Erfüllung des Neuen Bundes

Im Moment ist der Neue Bund zwar schon ratifiziert im Blut Christi, aber aufgeschoben in seiner Anwendung – außer einem Überrest der Juden und einer Auswahl aus den Nationen gegenüber, die zusammengebracht worden sind, um die Gemeinde zu formen und seine Segnungen zu genießen. Wenn dieser Neue Bund in seinem ganzen Wert und in seinen wörtlichen Ergebnissen wirksam werden wird, dann wird die göttlich bestimmte Trennung von Jude und Heide nicht neutralisiert, sondern bestätigt. Dann wird auch die Vorrangstellung des Juden über den Heiden dadurch bestätigt. „Ich werde einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda machen“ (Jer 30,31). Wird in diesem Bund auch nur ein Wort davon gesagt, dass der Unterschied zwischen Jude und Heide nicht mehr da ist, dass beide in einen neuen Menschen zusammengeformt wurden und dass sie auf derselben Ebene der Nähe zum Vater eingeführt wurden? Im Gegenteil, es wird mit keiner Silbe über die Heiden gesprochen, dafür aber die Versicherung des Segens für die Juden betont. Der Herr unternimmt es, sein Gesetz in ihr Innerstes zu geben und es in ihre Herzen zu schreiben; Er wird ihr Gott sein und sie werden sein Volk sein; und alle werden Ihn erkennen vom Kleinsten bis zum Größten, denn Er wird ihre Ungerechtigkeiten vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken.

Der Segen für die Nationen durch Israel

Zweifellos wird überströmender Segen zu den Nationen fließen:

  • Sach 8,22.23: Und viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um den HERRN der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und den HERRN anzuflehen. So spricht der HERR der Heerscharen: In jenen Tagen, da werden zehn Männer aus allerlei Sprachen der Nationen ergreifen, ja, ergreifen werden sie den Rockzipfel eines jüdischen Mannes und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.

  • Sach 14,16: Und es wird geschehen, dass alle Übriggebliebenen von allen Nationen,wdie wider Jerusalem gekommen sind, von Jahr zu Jahr hinaufziehen werden, um den König, den HERRN der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern.

  • Mich 4,1-3: Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen; und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird ausgehen das Gesetz, und das Wort des HERRN von Jerusalem; und er wird richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne.

  • Mich 7,16.17: Die Nationen werden es sehen und beschämt werden über all ihre Macht: sie werden die Hand auf den Mund legen, ihre Ohren werden taub werden; sie werden Staub lecken wie die Schlange, wie die kriechenden Tiere der Erde; sie werden hervorzittern aus ihren Schlössern; sie werden sich bebend wenden zu dem HERRN, unserem Gott, und vor dir sich fürchten.

  • Jer 3,17: In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron des HERRN nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens des HERRN in Jerusalem; und sie werden nicht mehr dem Starrsinn ihres bösen Herzens nachwandeln.

Das bedeutet, die Bundesordnung des Segens wird so sein, dass die Juden im inneren Kreis sind und die Nationen im äußeren. Dann werden alle Länder dem Herrn gegenüber ihrer Freude Ausdruck geben.

Nichts ist sicherer als die Tatsache, dass Israel abgesondert sein wird dadurch, dass es das Heiligtum des Herrn in seiner Mitte hat, von den Nationen getrennt sein wird und auch über ihnen stehen wird, anstatt dass beide ein Leib in Christus sind. Das bedeutet, die Wegnahme der jüdischen Erhöhung über die Nationen ist nur für die Gemeinde der himmlischen Örter. Das gab es nicht, bevor Christus zum ersten Mal kam. Es wird auch nicht so sein, wenn Er wiederkommt. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Eckpunkten wird durch die Bildung der Gemeinde ausgefüllt, „wo nicht ist Jude noch Grieche, Beschneidung noch Vorhaut, Barbar, Skythe, Sklave noch Freier, sondern Christus alles und in allen“: nicht eine reine Sammlung aller Einzelpersonen in jeder unterschiedlichen Haushaltung, sondern ein Leib, nun in eins versammelt durch die Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde und vereinigt mit dem Herrn Jesus Christus in seiner himmlischen Herrlichkeit. Nichts davon konnte wahr sein, bis Christus verherrlicht war (Joh 7,39; 1Kor 12,13). Dann erst nahm Christus seinen Platz droben als Haupt ein, und dann erst gab es hier auf der Erde eine Gemeinde, „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, in dem Jesus Christus selbst Eckstein ist, in welchem der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, in welchem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,20-22).

Weil der Unterschied, den wir gerade angesprochen haben, von so großer Wichtigkeit ist, wollen wir uns einmal Jesaja 59,20–60,3 zuwenden:

  • Jes 59,20–60,3: Und ein Erlöser wird kommen für Zion und für die, welche in Jakob von der Übertretung umkehren, spricht der HERR. Und ich, dies ist mein Bund mit ihnen, spricht der HERR: Mein Geist, der auf dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, werden nicht aus deinem Mund weichen, noch aus dem Mund deiner Nachkommen, noch aus dem Mund der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht der HERR, von nun an bis in Ewigkeit. Stehe auf, leuchte! Denn dein Licht ist gekommen, und die Herrlichkeit des HERRN ist über dir aufgegangen. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völkerschaften; aber über dir strahlt der HERR auf, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und Nationen wandeln zu deinem Licht hin und Könige zu dem Glanz deines Aufgangs.

Auch hier ist es klar, dass in der kommenden Haushaltung, auf die der Heilige Geist diese Stelle in Römer 11 anwendet, Israel die Vorrangstellung über die Nationen garantiert bekommt.

  • Jes 60,5: Der Reichtum der Nationen wird zu dir kommen.

  • Jes 60,9-12: … dem Heiligen Israels, weil er dich herrlich gemacht hat. – Und die Söhne der Fremde werden deine Mauern bauen, und ihre Könige dich bedienen; Und deine Tore werden beständig offen stehen; Tag und Nacht werden sie nicht geschlossen werden, um zu dir zu bringen den Reichtum der Nationen und ihre hinweggeführten Könige. Denn die Nation und das Königreich, welche dir nicht dienen wollen, werden untergehen, und diese Nationen werden gewisslich vertilgt werden.

Vergleiche auch den Rest dieses Kapitels wie auch die Kapitel 61 und 62. Ein Abschnitt von Kapitel 61 ist so bezeichnend, dass er es wert ist, ihn hier zu zitieren:

  • Jes 61,8.9: Ich werde ihnen ihre Belohnung getreulich geben und einen ewigen Bund mit ihnen schließen. Und ihr Same wird bekannt werden unter den Nationen, und ihre Sprösslinge inmitten der Völker.

Hier haben wir klar und unzweifelhaft die wörtliche Erfüllung der Verheißungen an Abraham und seinen Samen. Aber es ist deutlich, dass die Aussagen in der Prophezeiung, genauso wie jene des ursprünglichen Bundes, unvereinbar sind mit dem Gedanken an einen identischen Segen für Juden und Heiden, in dem alle Unterschiede völlig verschwunden wären. Im Gegenteil, so groß auch die Vorrechte der Nationen sein mögen, die sich aus diesen Verheißungen ergeben, so deutlich und gesegnet wird die Vorrangstellung sein, die das unverbrüchliche Vorrecht Israels ist. Die Nationen werden ihnen dienen, und solche Nationen, die das nicht tun, werden vernichtet werden. All das ist in völliger Übereinstimmung mit dem Bund mit Abraham, dessen Verwirklichung genau betrachtet immer noch zukünftig ist, ohne dass irgendein Punkt davon mit der Gemeinde zu tun hat, die völlig über einer solchen Unterscheidung steht. Für den Christen ist es Gnade.

Die Prophezeiung des Zacharias (Lk 1,68-79) ist klar jüdisch in ihren Quellen, ihren Verbindungen und ihren Hoffnungen, so wie es auch die vorhergehende Verkündigung von Gabriel ihm gegenüber war (Lk 1,13-17).

Lukas 1,68-73:

  • „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, dass er besucht und Erlösung geschafft hat seinem Volk und uns ein Horn des Heils aufgerichtet hat in dem Haus Davids, seines Knechtes gleichwie er geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten.“
    Ist dies das Geheimnis, das von Anbeginn der Welt an in Gott verborgen war?
  • „Rettung von unseren Feinden und von der Hand aller, die uns hassen.“
    Ist das der Charakter oder die Art und Weise der Errettung der Gemeinde?
  • „… um Barmherzigkeit zu vollbringen an unseren Vätern.“
    Sind sie wirklich unsere Väter oder sind sie die Väter der Juden?
  • „… und seines heiligen Bundes zu gedenken, des Eides, den er Abraham, unserem Vater, geschworen hat.“

Gemeinsame und klar unterschiedliche Segnungen

Natürlich ist es so, dass viele Segnungen für alle gemeinsam sind, wie zum Beispiel „in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm“, Glaube an den Messias und die neue Geburt. Denn es gibt natürlich allgemeine Grundsätze, die alle Völker Gottes in allen Zeiten charakterisiert haben. Aber ich bekräftige noch einmal, dass als Ganzes gesehen diese Prophezeiung noch unerfüllt ist und klar gegründet ist auf den Eid, der dem Abraham geschworen wurde. Und das hat überhaupt nichts mit einem Vorrecht der Gemeinde zu tun. Das zu behaupten würde tatsächlich die besondere Lehre solcher Briefe wie die an die Epheser und Kolosser herabwürdigen. Mit anderen Worten könnte man sagen, dass man dadurch unwissentlich das Wesen und den wahren Charakter der Gemeinde Gottes leugnet.

Das Geheimnis war dem AT verborgen

Darüber hinaus war es kein Geheimnis, dass die Nationen gesegnet werden sollten. Es war eine genauso alte Verheißung – wie wir gesehen haben – wie die von der besonderen Ehrenstellung des Samens Abrahams. Sie wurde wiederholt an Isaak (1Mo 24,4) und noch einmal an Jakob gegeben (1Mo 28,14). Wenn ein Jude an den Segen des Herrn dachte und an die Verheißung seiner eigenen Nation gegenüber, dann würde er sich auch immer daran erinnern, dass er selbst ein Kanal des Segens für die Nationen sein würde. Wer will nun behaupten, dass diese äußerst bekannte Segensversicherung an die Nationen in dem verheißenen Samen, die immer wieder und völlig klar in Mose, den Psalmen und den Propheten wiederholt wird, dasselbe ist wie „das Geheimnis“, das „in den Zeitaltern und Generationen verborgen war, aber nun den Heiligen geoffenbart worden ist“ (Kol 1,26)? Ist das geheim und stillschweigend, was veröffentlicht wurde von Zeitalter zu Zeitalter und wiederholt wurde von Geschlecht zu Geschlecht? Kann ein einfacher und bekannter Bund, der so oft durch den Herrn offenbart worden war und auf den sich sein Volk so oft berufen hatte vom ersten Buch Mose bis zum letzten Propheten des Alten Testamentes (Mal 1,11) – kann das ein „Geheimnis“ genannt werden, das den Söhnen der Menschen verborgen war? Sicherlich nicht. Segen für die Nationen, beinhaltet in dem Bund Abrams, war die ständige Erwartung Israels und unterscheidet sich völlig von „dem Geheimnis des Christus“. Dieses Geheimnis war nämlich in anderen Zeiten den Menschen nicht bekannt, „so wie es nun seine Heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden ist“. Dieses Geheimnis war zuvor nicht offenbart. Jetzt ist es entfaltet. Von Anbeginn der Welt an war es (Gottes Volk nicht bekannt, sondern) verborgen in Gott (Eph 3,9).

Die Offenbarung des Geheimnisses

In der Tat, wir müssen nur Matthäus 16,18 lesen, um zu sehen, dass selbst während der Zeit des Lebens des Herrn hier auf der Erde die Gemeinde nur in den Plänen Gottes existierte. Es war sein ewiger Ratschluss in Christus Jesus, aber sie existierte tatsächlich erst nach seinem Tod und seiner Auferstehung. Während seines Dienstes hat Er noch nicht einmal angefangen, sie zu bauen: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ Deswegen heißt es in Kolosser 1,18: „Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten.“ Christus selbst, in der Auferstehung, war der Anfang. Seelen waren wiedergeboren worden. Sünder waren durch Glauben zum Heiland gebracht worden. Aber die Kirche (Gemeinde) war ein neuer Leib, der gebildet wurde durch den Heiligen Geist, nachdem sein auferstandenes Haupt seinen Platz im Himmel eingenommen hatte. Deswegen unterscheidet Hebräer 12,23 die Gemeinde von den „Geistern der vollkommen gemachten Gerechten“ (das heißt der alttestamentlich Heiligen) genauso deutlich wie von den Myriaden von Engeln, der allgemeinen Versammlung. Die Schrift wendet den Ausdruck „Gemeinde Gottes“ nur auf die Heiligen der gegenwärtigen Periode an. Die Versammlung Jahwes, Israel, war etwas völlig anderes.

Wollen wir damit sagen, dass Auswahl, Erlösung, Glaube, Leben, Heiligung besondere Kennzeichen der Gemeinde sind? Keinesfalls. Die Gemeinde Gottes teilt diese und andere Segnungen mit allen Treuen aller Zeiten. Aber das macht noch lange nicht alle Treuen zur Gemeinde. Auch kann es nicht die besondere Stellung der Gemeinde – wie uns das Epheser 2,3.4 zeigt – zunichtemachen. Natürlich gilt für uns, die Glieder des Leibes Christi: „Alles ist euer.“ Von dem Neuen Bund, obwohl er genau genommen mit dem Haus Israel gemacht wird, genießen wir die Segnungen. Und wenn wir Christi sind, dann sind wir Abrahams Samen und Erben nach Verheißung. Aber daraus folgt keinesfalls, dass zum Beispiel das Israel des Tausendjährigen Reiches, obwohl es den Neuen Bund und die Verheißung an Abraham noch weitaus wörtlicher genießt als wir, irgendein Teil an jenem Geheimnis Gottes hat.

Die Schrift spricht von dem Glauben Abels, Henochs, Noahs. Aber dass der Bund mit Abraham damals schon wirksam war, ist eine völlig falsche Annahme. Der Glaube vertraut immer auf das Wort, das heißt auf die Offenbarung Gottes. Und der Bund mit Abraham war nicht vor Abrams Zeit entfaltet, obwohl auf einen Retter schon von Anfang an hingewiesen worden war (1Mo 3,15). Die Heiligen vertrauten auf einen offenbarten Erretter und nicht auf einen nicht offenbarten Bund.

Der wahre Stolperstein, so wie die Schrift uns das zeigt, ist niemals so sehr gewesen, dass die Juden einen Kanal für das äußere Zeugnis sein sollten, so wie uns das in Römer 11 gezeigt wird. Vielmehr handelt es sich um die zeitliche Ausschaltung der jüdischen Vorrangstellung und die Gnade, die aus Juden und Heiden, die gleichermaßen Kinder des Zorns waren (Eph 2), die Gemeinde heraussammelt. Es handelt sich hierbei um einen Selbstbetrug, der die Gemeinde schon von Anfang an geplagt hat.

Was der Neue Bund nicht ist

Der „Neue Bund“ und das „Neue Testament“ sind nur verschiedene Versionen desselben griechischen Ausdruckes keinä diathäkä, von welchem der erste, wie ich glaube, immer die richtige Übersetzung ist, wenn es sich um den Gebrauch des Ausdrucks in der Schrift handelt. Deswegen sind alle Überlegungen in Bezug auf einen Testamentsvollstrecker völlig fehl am Platz außer in der Einschaltung von Hebräer 9,16.17, wo es um das vorher genannte Erbe geht. Ich glaube nicht, dass der Neue Bund identisch ist mit dem Bund mit Abraham. Dieser ist von seinem Bereich her umfassender, obwohl er, soweit es Israel betrifft, mit dem Neuen Bund zusammenfällt. Aber darüber wollen wir uns jetzt nicht weiter unterhalten.

Der Gedanke eines „Gnadenbundes“ ist der Bibel fremd. Die Gnade Gottes bringt das Heil selbst zu solchen, die Fremdlinge den Bündnissen der Verheißung gegenüber waren. Es gibt keinen Zweifel, dass das Blutvergießen für die Vergebung der Sünden notwendig ist und dass der Neue Bund auch noch viel mehr ist. Epheser 2 führt, wie wir gesehen haben, eine andere Wahrheit ein. Es ist auch nicht schriftgemäß, zu sagen, dass „die Verheißung“ und „der Neue Bund“ austauschbare Ausdrücke sind, obwohl sie sehr eng miteinander verbunden sind.

Was wir von Herzen zugestehen, ist, dass den Bund mit Abraham die Bedingungslosigkeit kennzeichnet. Darauf legt der Apostel starken Wert in Galater 3. Es ist deutlich, dass, wenn die Judaisten auf das Gesetz pochten, dann der Apostel kraftvoll auf die Verheißungen Gottes hinweisen konnte, die so viele Jahrhunderte vor dem Gesetz gegeben worden waren. Wenn sie auf die Beschneidung pochten, konnte er triumphierend auf den Glauben pochen, den ihr Vater Abraham hatte, bevor er noch beschnitten war (Röm 4). Wenn Gott nun die Unbeschnittenen durch Glauben rechtfertigt, war das nicht mehr, als Er schon im Fall des treuen Abrahams getan hatte? Deutlicher konnten diese Einwände nicht widerlegt werden. Aber zu behaupten, dass der Bund an Abraham der Kanal der Gnade Gottes für uns ist, bedeutet, dass man weder verstanden hat, wie schlimm unser Zustand als Verachtete und der Nationen war, noch die grandiose himmlische Atmosphäre versteht, in die wir gebracht sind, wenn wir, Juden und Heiden, durch einen Geist zu einem Leib getauft worden sind.

Epheser 3,21 scheint zu zeigen, dass die Gemeinde als Widerspiegelung der himmlischen Herrlichkeit Christi ihre einzigartig gesegnete Stellung „durch alle Zeitalter der Zeitalter hin“ beibehalten wird. Und Offenbarung 21,1-8 bestätigt den Gedanken, dass selbst im ewigen Zustand die heilige Stadt, das neue Jerusalem, unterschieden – obwohl verbunden – ist von den Menschen, die das dann gereinigte Universum bevölkern. Es ist wahr, dass das Alte Testament davon spricht, dass Jahwe Israel heiratet und Israels Land. Aber heißt das auch, dass sie oder ihr Land dann die Braut sind, die Frau des Lammes? Doch hiermit wollen wir Schluss machen. Der große Grundsatz ist dargelegt.


Originaltitel: „God’s Promisces To Abraham, and his Grace to the Church“
aus The Bible Treasury New Series 2, S. 343ff., 359ff.

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