Das vollbrachte Werk Christi
1. Johannes 4,10; Epheser 1,7; 2. Korinther 5,18

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 06.09.2009, aktualisiert: 25.08.2022

Leitverse: 1. Johannes 4,10; Epheser 1,7; 2. Korinther 5,18

1Joh 4,10: Gott hat uns geliebt und hat seinen Sohn gesandt als Sühnung [propitiation] für unsere Sünden.

Eph 1,7: In Christus haben wir die Erlösung [redemption] durch sein Blut.

2Kor 5,18: Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt [reconciled] hat durch Christus.

Einleitung

Viele Christen schrecken davor zurück, die Lehren der Bibel systematisch zu studieren. Im Grunde reicht es schon aus, Wörter wie Theologie, Christologie, Pneumatologie, Anthropologie, Ekklesiologie, Eschatologie und andere Zungenbrecher nur zu erwähnen, um jemand zu verschrecken. Und ganz bestimmt ist doch ein „Welch-ein-Freund-ist-unser-Jesus“-Glaube alles, was ein Gläubiger braucht. Warum sollte man sich überhaupt mit all diesen schweren Lehren abmühen? Aus einem sehr guten Grund! Lehre ist per Definition das, was die Bibel lehrt – und zu wissen, was die Bibel lehrt, ist für einen wachsenden Christen äußerst wichtig.

Den Herrn Jesus als unseren Retter und Freund zu kennen, ist wunderbar, aber es gibt noch viel mehr über das neue Leben in Christus zu lernen. Gott möchte, dass wir wissen, was Er uns in seinem Wort zum Beispiel über die Gemeinde offenbart, über die Engel, über Himmel und Hölle, über zukünftige Dinge, über Ehe und Familie. Deshalb hat Er uns die Bibel gegeben; sie ist viel umfassender als eine Broschüre! Lass dich nicht von den großen Wörtern abschrecken! Sie sind nur eine formale Art, das in Kategorien einzuteilen, was die Bibel über Gott lehrt (Theologie), über Christus (Christologie), den Heiligen Geist (Pneumatologie), den Menschen (Anthropologie), das Heil (Soteriologie), die Gemeinde (Ekklesiologie), die Zukunft (Eschatologie) usw. Ja, das Studium der Lehre kann manchmal mühsam sein, weil es an manchen Stellen sehr schwierig wird. Aber bleib dran, denn wenn du schließlich mehr und mehr davon verstehst, was Gott in der Heiligen Schrift offenbart hat, bedeutet das, dass du Gott selbst besser kennenlernst.

Das vollbrachte Werk Christi ist ein Bereich der Lehre, den viele Christen oft missverstehen oder nur teilweise verstehen. Formal gehört dieses Thema zur Kategorie „Soteriologie“, das heißt zu dem, was die Schrift über das Heil lehrt. Nach der Lehre der Bibel ist die Errettung des Menschen von den Folgen der Sünde sowohl kostenlos als auch teuer. Einerseits ist Errettung ein Geschenk für jeden, der sich im Glauben dem Herrn Jesus Christus als seinem persönlichen Erretter anvertraut. Andererseits ist die Errettung auch sehr teuer, denn sie hat den Opfertod des Sohnes Gottes erfordert. Dieser Aspekt der Errettung wird als das vollbrachte Werk Christi bezeichnet (siehe Joh 19,30). In dieser Formulierung wird nicht hauptsächlich die wunderbare Geburt Christi und auch nicht das vollkommene Leben Christi gesehen. Das vollbrachte Werk Christi bezieht sich in erster Linie auf den Tod Christi am Kreuz. Dort trug Christus das Gericht Gottes über unsere Sünde, und Er wurde unser Stellvertreter, um unser Erlöser zu werden. Jesus war erst dann unser Erlöser, als Er für unsere Sünden am Kreuz gelitten hatte und für sie gestorben war.

Das Neue Testament benutzt drei Schlüsselwörter, um das vollbrachte Werk Christi zu beschreiben: Sühnung, Erlösung und Versöhnung. Versuche einmal, diese Wörter zu erklären, um zu sehen, ob du genau verstanden hast, was die Bibel über das vollbrachte Werk Christi lehrt. Das ist nicht einfach, nicht wahr?

Sühnung

Nun, beginnen wir mit der Sühnung [propitiation]. Hier einige Stellen im Neuen Testament, wo das Wort verwendet wird: Römer 3,25; Hebräer 2,17; 1. Johannes 2,2; 4,10.

Das Wort „Sühnung“ kommt aus dem Griechischen (der Sprache, in der das Neue Testament verfasst wurde) und bedeutet im Grunde: „Zorn durch ein Opfer befriedigen“. Die alten heidnischen Griechen verwendeten dieses Wort, wenn sie davon sprachen, dass sie ihre Götter besänftigten oder etwas taten, um die Gunst der Götter zu erlangen. Diese Vorstellungen finden sich jedoch nicht in der Bibel. Gott ist kein blutdürstiger Gott, der besänftigt werden müsste! Die Vorstellung, einen rachsüchtigen Gott zu beschwichtigen, ist der Heiligen Schrift völlig fremd.

Die Bibel lehrt, dass Gott Liebe ist und Gemeinschaft mit dem Menschen haben möchte. Aber Gott ist auch heilig und gerecht. Darum kann Er nicht einfach lächelnd die Sünde unter den Teppich kehren und sagen: „Jungs sind nun einmal so.“ Vielmehr lehrt die Bibel, dass Gott zornig ist und dass dieser Zorn sich gegen die Sünde richtet (siehe Röm 1,18). Und die gerechten Gesetze Gottes in diesem moralischen Universum, das Er erschaffen hat, verlangen, dass „der Lohn der Sünde der Tod ist“ (Röm 6,23). Bevor Gottes Gnade sich auf den Menschen ausstrecken kann, musste etwas getan werden, um die Blockade der Sünde aus dem Weg zu schaffen und zudem die gerechten Forderungen Gottes gegenüber der Sünde zu erfüllen.

An diesem Punkt ist der Mensch natürlich hilflos. Das Problem kann nicht zur Lösung werden! Der Mensch kann von sich aus gar nichts tun, damit Gott Gefallen an ihm findet. Auch hier wird die heidnische Vorstellung, man müsste etwas Religiöses wirken, um die Gunst der Götter zu erlangen, im Neuen Testament nicht einmal angedeutet. Gott hat dem Menschen bereits seine Gunst erzeigt, wie Johannes 3,16 klar sagt. Doch bevor dem Menschen die Segnung der Errettung angeboten werden kann, muss zuerst die Frage in Bezug auf den Zorn Gottes und das Gericht über die Sünde geklärt werden, und das Hindernis der Sünde des Menschen muss weggenommen werden. Genau hier ist Christus die Sühnung für unsere Sünden. Weil Er als das Opfer das gerechte Gericht Gott über Sünde auf sich nahm und erlitt, starb Er nicht nur, um die Sünde des Menschen wegzunehmen, sondern Er hat damit auch Gottes Zorn über die Sünde befriedigt oder gesühnt.

Erlösung

Erlösung [redemption] ist ein weiterer Aspekt des vollbrachten Werkes Christi. Lies dazu die folgenden Bibelstellen aus dem Neuen Testament, die mit Erlösung zu tun haben: Galater 3,13; 4,5; Epheser 1,7; Titus 2,14; 1. Petrus 1,18.19 und 2. Petrus 2,1. Dort stehen verschiedene griechische Wörter, die mit „erlösen“ übersetzt werden. Zur Zeit des Neuen Testaments wurden diese Wörter vor allem in Bezug auf die Sklaverei verwendet. Zusammen ergeben diese Wörter das Konzept der Erlösung. Erlösen bedeutet „loskaufen von“ und „vom Markt losmachen, um jemand in Freiheit zu versetzen“. Im Zusammenhang mit der Errettung bezieht sich Erlösung auf das Werk Christi, das uns befreit aus der Knechtschaft der Sklaverei der Sünde mit all ihren schrecklichen Verbindungen und Folgen. Durch die Erlösung sind wir nicht nur zurückgekauft und vom Sklavenmarkt der Sünde befreit worden, sondern wir sind auch als Söhne in die Familie Gottes versetzt worden. Das geht gewiss einen Schritt weiter als Freilassung.

Übrigens bezieht sich das Wort „Adoption“ [Sohnschaft], das in Galater 4,5 vorkommt, nicht auf Adoption, wie wir sie heutzutage kennen, sondern auf die römische Adoptionszeremonie der damaligen Zeit. Bei dieser offiziellen Familienhandlung wurde ein echter Sohn mit allen Rechten, Vorrechten und mit der Würde eines mündigen Sohnes anerkannt. Als erlöste Sünder ist dies unsere gegenwärtige Stellung in der Familie Gottes. Welch eine Gnade!

Auch wenn wir nicht Silber oder Gold bezahlt haben (1Pet 1,18), dürfen wir nicht vergessen, dass der Preis für unsere Erlösung hoch war. Der Preis für das Lösegeld war das kostbare Blut Christi. Die Schrift lehrt nicht, dass das Lösegeld an Satan gezahlt worden wäre, wie einige meinen. Diese Vorstellung geht vor dem Hintergrund des Sklavenmarktes zu weit. Der Preis des Lösegeldes war einfach das, was die gerechte Regierung Gottes verlangte, damit wir von den Folgen der Sünde befreit werden konnten (Heb 9,22). Hast du dem Herrn jemals für den Preis gedankt, den Er für dich zu zahlen bereit war?

Versöhnung

Die Versöhnung vervollständigt die dreifache Sicht auf das vollbrachte Werk Christi:

  • Die Sühnung, die mit dem Zorn Gottes zu tun hat, ist die „gottgewandte“ Seite dieses Werkes.
  • Die Erlösung beschäftigt sich mit unserer Knechtschaft unter die Sünde und die Verstrickung in die Sünde; dies ist die „sündenbezogene“ Seite des Werkes Christi.
  • Die Versöhnung hingegen ist der „menschenbezogene“ Aspekt des vollbrachten Werkes Christi, weil sie sich direkt auf die Gemeinschaft mit Gott bezieht.

Das Wort „Versöhnung“ wird in Römer 5,10, 2. Korinther 5,18-20 und Kolosser 1,20-22 verwendet. Die Grundbedeutung des Wortes „versöhnen“ ist vom Griechischen her: „vollkommen verändern“. In Bezug auf die Erlösung ist die Versöhnung die Handlung, wodurch Gott den Menschen in eine völlig veränderte Beziehung zu sich selbst bringt: von Feindschaft, Feindseligkeit und Entfremdung zu Freundschaft, Übereinstimmung und Gemeinschaft. Beachten wir, dass Versöhnung eine einseitige Handlung Gottes gegenüber dem Menschen ist und nicht bedeutet, dass Gott und Mensch sich gegenseitig entgegenkämen. Es ist nicht so, dass Gott ein wenig gibt und wir ein wenig geben, so wie es etwa bei einer Aussöhnung in einer Ehe der Fall ist. Denken wir daran, dass Gott seine Einstellung gegenüber uns nicht ändern muss oder uns auch nicht auf dem halben Weg entgegenkommt. Wir sind die schuldige Partei – ohne Liebe, eigenwillig und feindlich (siehe Kol 1,21). Wir müssen vollkommen verändert werden, nicht Gott.

Eine wunderbare Illustration für Versöhnung sehen wir in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn, das unser Herr in Lukas 15,11-32 erzählt. Als der Sohn Buße tut und seine Schuld vor dem Vater bekennt, wird er in eine fröhliche und harmonische Stellung der Gemeinschaft mit dem Vater zurückgebracht. Ihm wird nicht einfach nur vergeben und erlaubt, auf das Familienanwesen zurückzukommen – sondern er wird in der Familie willkommen geheißen und mit offenen Armen und einem Fest empfangen! Gott sei Dank für seine gelben Schleifen![1]

Das vollbrachte Werk Christi gilt universell. Wenn wir uns Stellen wie 1. Johannes 2,2, 2. Petrus 2,1 und 2. Korinther 5,19 genau anschauen, verstehen wir, dass der Tod Christi ausreicht, um die Sünden der ganzen Welt zu tilgen – unbegrenzt in seiner Reichweite und in seiner Vorsorge. Das heißt jedoch nicht, dass jeder Mensch nun auch errettet ist. Das vollbrachte Werk Christi ist nur für die wirksam, die glauben. Als Illustration eignet sich die G.I. Bill of Rights[2]: „Unbegrenzte“ Geldmittel der Regierung waren verfügbar, so dass alle, für die dieses Gesetz galt, auf Staatskosten eine Universitätsausbildung erhalten konnten. Aber die Zahlungen waren nur für die wirksam, die sich anmeldeten und zur Universität gingen. Ausreichend und bereitgestellt für alle, aber wirksam nur für einige!

Eine größere Wertschätzung für das vollbrachte Werk Christi werden wir haben, wenn wir immer mehr verstanden haben, was Sühnung, Erlösung und Versöhnung bedeuten. Welch ein Segen für einen wachsenden Christen, wenn er das vollbrachte Werk Christi zuerst versteht und dann darin ruht!


Originaltitel: „The Finished Work of Christ“
Quelle: www.growingchristians.org

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: In den USA sind die gelben Schleifen (yellow ribbons) das Symbol der Verbundenheit mit vermissten Personen. Sie sollen zeigen, dass Menschen, die lange Zeit unter schwierigen Umständen fort waren, willkommen sind.

[2] Anm. d. Red.: Die G.I. Bill of Rights ist ein Bundesgesetz der USA aus dem Jahr 1944 und bot den US-Soldaten – den G.I.s –, die im Zweiten Weltkrieg gedient hatten, bestimmte Leistungen an.

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