Rezension: Heilt die Kranken!
Ein Buch von W.J. Ouweneel

Jacob Gerrit Fijnvandraat

© SoundWords, online seit: 05.03.2006, aktualisiert: 30.04.2023

Anmerkung der Redaktion
Nachdem das Buch Geneest de Zieken von W.J. Ouweneel auch auf Deutsch erschienen ist (Heilt die Kranken!, Lüdenscheid [Asaph] 2005), wollen wir eine kritische Analyse hierzu von J.G. Fijnvandraat vorlegen. Bruder Fijnvandraat beschränkt sich dabei nicht nur auf das Zitieren von kritischen Passagen, sondern bestätigt auch Punkte, die durchaus für unsere Zeit erwähnenswert und auch überdenkenswert sind. Auch wenn man die Kritik unseres Bruders vielleicht nicht in allen Punkten nachvollziehen kann, so halten wir sie doch in vielen Punkten für bedenkenswert, so wie auch viele Punkte aus dem Buch von W.J. Ouweneel überdenkenswert erscheinen. Besonders freut uns, dass der vorliegende Artikel nicht einfach pauschal etwas ablehnt, sondern sehr differenziert vorgeht. Aufgrund der vielen ausführlichen Kommentare über Gedanken und Bibelstellen zum Thema Heilung ist dieser Artikel nicht nur für solche lesenswert, die das Buch Heilt die Kranken! gelesen haben.
Die Seitenzahlen wurden entsprechend der deutschen Ausgabe korrigiert.

Vorurteile überwinden

Gleich zu Beginn möchte ich sagen, dass ich die Schriften von W.J. Ouweneel in früheren Jahren mit großer Wertschätzung gelesen habe. Seine klare Schriftauslegung in einfacher, eingängiger Sprache hat mich stark angesprochen. Dies umso mehr, seit er das Schwarz-Weiß-Denken seiner frühen Jugendjahre abgelegt hatte. Mit seiner abgeklärten Interpretation der Grundsätze des Zusammenkommens der Gläubigen – die im Grunde eine Rückkehr zu dem war, was die Brüder um 1830 bewegt hatte – konnte ich mich von Herzen identifizieren, nicht zuletzt weil ich die späteren Entwicklungen innerhalb dieser Bewegung nicht immer gutheißen konnte, obwohl ich darin in gewissem Umfang mitgegangen bin.

Ouweneel schreibt in seinem Buch, dass er mit vielen Vorurteilen aufgewachsen ist, und er bedauert die Bemerkungen, die er in seinem Buch Das Reich der Schlange über verschiedene Heiler und Befreiungsdiener geschrieben hat. Die Leser seines Buches Heilt die Kranken! bittet er um die Bereitschaft, ihre Vorurteile ebenso rigoros der Schrift zu unterwerfen, wie er es selbst zu tun versucht habe (siehe S. 13–15).

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ebendiese Bereitschaft auch aufgebracht habe in Bezug auf das Ablegen bestimmter Vorurteile, soweit es um gewisse Ideen geht, die in späteren Jahren der Brüderbewegung hinsichtlich des oben erwähnten Zusammenkommens der Gläubigen lanciert worden sind. Hierin habe ich Bruder Ouweneel zur Seite gestanden, habe ihn sogar verteidigt gegenüber Brüdern, die ihn nach meiner Überzeugung falsch beurteilten im Blick auf die Wende in seinem Denken über solche Fragen.

Die vorliegende Aufstellung meiner Gedanken aus den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat bei vielen die Frage aufkommen lassen, ob ich Ouweneels Auffassungen über Krankheiten und Heilungen teile, wie er sie in verschiedenen Vorträgen und Artikeln der letzten Jahre geäußert hat. Nun, dies ist ganz entschieden nicht der Fall.

Trotzdem bin ich natürlich bereit, meine evtl. Vorurteile aufzugeben, aber dazu müsste Ouweneel dann schriftgemäße Argumente bieten, die deutlich aufzeigen, dass meine bisherige Auffassung über Krankenheilung falsch ist! Bei der Durchsicht von Heilt die Kranken! sind mir solche Argumente nicht begegnet. Meine Sichtweise konnte deswegen auch nicht verändert werden.

Ich muss nun dazu sagen, dass ich mir schon früher Sorgen gemacht habe über bestimmte Auffassungen, die Bruder Ouweneel in den letzten Jahren veröffentlicht hat. Ich erwähne in diesem Zusammenhang das Buch Nachtbuch der Seele, das ich in seiner Karriere als Autor bis dahin als einen Tiefpunkt ansehe. Aber das ist ein Kapitel für sich. Ich erwähne es nur, um damit anzudeuten, dass ich auch an dieses neue Buch mit einer gehörigen Portion Skepsis herangegangen bin.

Weitere Gründe für meine Skepsis

Vor etwa einem halben Jahrhundert habe ich das Auftreten von Zaiss und Osborn miterlebt. Das Auftreten dieser „Heiler“ und vieler, die nach ihnen gekommen sind, hatte nach meiner Überzeugung nichts gemein mit den Heilungen, von denen uns die Bibel berichtet; und das gilt auch für das, was viele andere heutzutage präsentieren. Ich sage damit nicht, dass ich nicht an wunderbare Heilungen glaube. Ich weiß von einem Gläubigen in der Umgebung von Leeuwarden, der so schwer unter Rheumatismus litt, dass er seine Feldarbeit nicht mehr ausführen konnte. Während der Arbeit auf seinem Acker berief er sich im Gebet zu Gott auf seine Macht, ihm jetzt zu helfen, und er flehte zu Gott, das jetzt zu tun. In demselben Augenblick wich das Rheuma und er konnte seine Arbeit, die Kartoffeln aus dem Acker zu buddeln, unbehindert fortsetzen. Dies ist aber etwas ganz anderes als das, was heute so oft propagiert wird.

Als Reaktion auf das Buch von Osborn Sieben Schritte, um von Christus Heilung zu erfahren habe ich damals die Broschüre geschrieben Die sogenannte Gebetsheilung – geprüft an der Schrift. Darin habe ich Osborns Argumente an der Heiligen Schrift geprüft; nach meiner Einsicht konnte kein einziges davon dieser Prüfung standhalten.

Nun muss ich zwar sagen, dass Ouweneel einige dieser Argumente in seinem Buch Heilt die Kranken! zurückweist. Er geht dabei allerdings so nuancierend vor, dass er sich letzten Endes doch in demselben Fahrwasser bewegt.

Ein wichtiger Unterschied

Nun zur Sache: Es ist sicher von Nutzen, wenn ich hier eine wichtige Unterscheidung in der Frage der Krankenheilung hervorhebe, auf die ich schon in der genannten Broschüre über Gebetsheilung eingegangen bin: gemeint ist die Unterscheidung zwischen

  1. Heilung aufgrund von Gebet und
  2. Heilung aufgrund der Ausübung der „Gabe der Heilungen“

Dieser Unterschied ist meines Erachtens von fundamentaler Bedeutung. Wenn man diesen Unterschied aus dem Auge verliert oder ihn sogar zurückweist – was leider sehr oft geschieht –, ist absolute Verwirrung die Folge. Ouweneel verwirft diese Unterscheidung, weil er eine völlig andere Sichtweise über den Besitz von Gaben hat und weil er glaubt, dass die Ausübung der Gabe der Heilungen mit Gebet verbunden ist. Darauf gehe ich später noch genauer ein.

Auf den oben in Fettdruck erwähnten Unterschied möchte ich nun näher eingehen, und zwar ausführlicher, als ich das in der Vergangenheit getan habe.

Zu I. Heilung aufgrund von Gebet

Dieser Aspekt wird in Jakobus 5,13-16 näher beleuchtet. Es geht in diesem Abschnitt um einen Kranken, der die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen soll. Diese Ältesten sollen dann über ihm ein Gebet sprechen und ihn dabei im Namen des Herrn mit Öl salben. Dieses gläubige Gebet würde dann den Kranken gesund machen.

Natürlich ist es möglich, dass Gläubige persönlich oder auch als Gruppe – zum Beispiel als örtliche Gemeinde – für einen Kranken bitten. Wir finden dafür zwar kein direktes Vorbild im Neuen Testament, aber wir können dies einbegriffen denken in solchen Stellen, die die Notwendigkeit und den Wert des Gebets (der Fürbitte) vorstellen wie auch in den Anweisungen, dass wir füreinander Sorge tragen sollen (vgl. Apg 12,5). Nun aber geht es darum, zu untersuchen, was die Vorschrift in Jakobus 5 beinhaltet. Hier nun können wir Folgendes bemerken:

  1. Die Bitte um das fürbittende Gebet geht von dem Kranken aus.
  2. Die Ältesten der Gemeinde sollen gefragt werden.
  3. Sie salben den Patienten mit Öl, und es ist ihr gläubiges Gebet, das Heilung bewirkt.
  4. Für dieses Bitten um Heilung ist nicht eine Gabe erforderlich, sondern Glaube.

Mit Nachdruck betone ich, dass die Schrift nicht über Gebetsheiler spricht. Einen solchen Ausdruck oder eine solche Funktion kennt die Bibel nicht. Ebenso wenig finden wir in diesem Abschnitt oder sonst wo in der Schrift, dass Kranke zu jemand gehen sollen, der sich auf das Gebet mit Kranken spezialisiert hat. Das würde nämlich bedeuten, dass das Gebet einer solchen Person mehr Gewicht bzw. mehr Wirkung haben würde als das Gebet der Ältesten einer Gemeinde oder von Christen überhaupt.

Ich persönlich glaube übrigens, dass diese Verse in Jakobus 5 sich auf Krankheiten beziehen, die die Folge von Sünde sind. Welche Gründe ich dafür habe, werde ich bei der Besprechung von Kapitel 10 darlegen.

Zu II. Heilung aufgrund der Ausübung der „Gabe der Heilungen“

Für das Ausüben der Gabe der Heilungen gibt es in der Schrift ziemlich viele Beispiele. Kennzeichnend für alle diese Fälle ist Folgendes:

  1. Es wird der Auftrag erteilt, Kranke gesund zu machen, nicht aber ein Befehl, mit ihnen zu beten.
  2. Es ist nicht die Rede von einem Gebet mit dem oder für den Kranken. Oft wird stattdessen dem Kranken selbst ein Befehl gegeben (siehe u.a. Apg 3,6). Es kann in diesem Fall also nicht von Gebetsheilung gesprochen werden.
  3. Es wird von einer Gabe und einer Kraft der Heilungen gesprochen.
  4. Die Heilungen und andere Zeichen geschehen in Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums und dienen der Bestätigung und Unterstützung des Zeugnisses der Predigt (s. Mk 16,15-18; Heb 2,3.4).

Wenn wir der Apostelgeschichte folgen, dann bemerken wir, dass die Jünger durchaus keine Genesungskampagnen durchführten, sondern ausgingen, um das Evangelium zu predigen, wobei Heilungen als Begleiterscheinungen stattfanden.

Nützlich ist sicher noch der Hinweis, dass, wenn in unserer heutigen Zeit die Gabe des Heilens ausgeübt wird, ein eventueller Misserfolg nicht etwa dem Kranken angelastet werden darf. Im Gegenteil, wer diese Gabe ausüben möchte, müsste sich in einem solchen Fall die Frage stellen, ob er selbst denn wohl genug Glauben dafür hat. Auch sollte er sich dann selbst die Frage stellen, ob er denn die Gabe der Heilungen überhaupt besitzt. Oft wird dagegengehalten, dass in der Bibel auch nicht alle Kranken gesund gemacht worden sind. Das stimmt natürlich, aber wir lesen niemals von einer versuchten Heilung, die etwa missglückt sei.

Das Buch Ouweneels trägt den Titel Heilt die Kranken!. Dieser Ausdruck hat also nicht mit Heilung aufgrund von Gebet zu tun, sondern mit der Ausübung der Gabe der Heilungen. Dies sollte vorweg bedacht werden.

Über das Buch im Allgemeinen

Bevor ich im Einzelnen auf das Buch eingehe, möchte ich zuerst etwas über das Buch in seiner Gesamtheit sagen, und zwar:

  1. Erstens geht es mir bei dieser Beurteilung nicht um Unterschiede in bestimmten Detailfragen der Krankenheilung, sondern vielmehr um eine unterschiedliche Gesamteinschätzung – insbesondere angesichts dessen, was Ouweneel in früheren Jahren zu diesem Thema geäußert hat.

  2. Zweitens möchte ich auf etwas hinweisen, was H.P. Medema kürzlich in der Einleitung zu Ouweneels hundertfünfzehnten Buch geschrieben hat: „Dieser Autor schreibt nicht auf, was er schon weiß, sondern er geht, indem er schreibt, auf die Suche nach etwas, was er noch nicht weiß.“ Diese Worte geben genau meine Empfindungen wieder, die ich beim Lesen verschiedener Ouweneel-Schriften habe. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter als Medema: Nach meiner Einschätzung fehlt es so manchem Werk Ouweneels an Abgeklärtheit; das gilt auch für das vorliegende Buch über Krankenheilung.

  3. Ein dritter Punkt: Ouweneel nennt in seinem Buch die Namen verschiedener Personen aus charismatischen Kreisen, die vielen Lesern, wie auch mir, völlig unbekannt sind. Was diese berichten, müssen wir … einfach akzeptieren, nachprüfen können wir es nicht. Er gibt auch die literarischen Quellen an, aber wer hat schon die Gelegenheit, diese Quellen zu durchforsten, um sich zu vergewissern, ob sie ansonsten zuverlässig und lehrmäßig einwandfrei sind?

  4. Hiermit eng verbunden ist ein vierter Punkt: Sein ganzes Leben lang hat Ouweneel sich an bestimmte Personen gehängt und ist dabei manchmal auch peinlich auf die Nase gefallen. Danach hat er sich meistens mit großem Enthusiasmus auf neue Ideen gestürzt, mit denen sein Geist in Berührung kam. So hat er seinerzeit die zweibändige Geschichte der Brüder veröffentlicht – auf der ersten „Bettelkonferenz“ allerdings distanzierte er sich von dem Inhalt dieses Werks mit den Worten, es sei „his master’s voice“ (= die Stimme seines Herrn) gewesen. Was er damit sagen wollte, war klar: Er hatte darin die Auffassungen seines damaligen Lehrmeisters H.L. Heijkoop zu Gehör gebracht. Ouweneel ist ein gewaltiger Gelehrter; drei Doktortitel zu erwerben, ist keine Kleinigkeit. Deshalb skizziere ich seinen Charakter hier auch keineswegs, um ihn etwa herabzuwürdigen, sondern nur, um seine Leser zu warnen, damit sie nicht alles für bare Münze nehmen, was er schreibt, sondern es gründlich unter die Lupe nehmen. Das gilt natürlich für alles Geschriebene, auch für das, was ich geschrieben habe, aber es gilt wohl ganz besonders für dieses Buch über Krankenheilung. Insbesondere ist es nötig, darauf zu achten, auf welche Weise Ouweneel Schlussfolgerungen zieht. Das nämlich geschieht nicht immer sauber und sorgfältig.

Besprechung der Einzelheiten

Das Problem (Kapitel 1)

Wenn ich nun zur Besprechung der Einzelheiten des Buches komme, benutze ich um der Kürze willen häufig die Initialen des Verfassers: WJO. Manchmal macht Ouweneel Anmerkungen und erwähnt dabei, dass er in einem späteren Kapitel ausführlicher auf den betreffenden Punkt eingehen wird. In solchen Fällen warte ich, bis der betreffende Paragraph dran ist, es sei denn, dass ein direkter, knapper Kommentar wünschenswert ist.

Heutige „Heiler“

Nachdem WJO seine Wertschätzung verschiedener „Heiler“ zum Ausdruck gebracht hat, beruft er sich auf Seite 16 auf die Bedeutung seiner persönlichen Erfahrung und nennt in diesem Zusammenhang die Namen von T.B. Joshua (1963–2021), Jan Zijlstra (1938–2021) und Viktor Emenike (*1969). Das Wort „Heiler“ [im Niederländischen eigentlich: Heilungsdiener] kommt in der Heiligen Schrift nicht vor. An sich habe ich mit diesem Ausdruck keine Mühe, wenn er nur deutlich definiert wird, aber gerade das vermisse ich hier. Meint WJO damit Menschen, die mit Kranken beten, oder denkt er an Personen, die die Gabe der Heilungen ausüben? Wegen des oben von mir beschriebenen Unterschieds der Heilungsdienste ist Klarheit diesbezüglich sehr wünschenswert! Auch in Bezug auf die Beurteilung der Vorgehensweise der von WJO genannten Personen wäre das wichtig.

WJO beruft sich also auf seine Erfahrung und sagt, dass eine Theologie der Krankheit und ihrer Heilung bedeutungslos sei, wenn sie nicht an der Praxis gemessen werde. Ich selbst würde mich zwar viel lieber auf die Lehre beschränken und auf die Erscheinungsformen gar nicht eingehen, aber angesichts des Nachdrucks, den WJO gerade auf die Erscheinungen legt, kann ich mich kaum auch deren Beurteilung entziehen.

Meine Erfahrungen in der Vergangenheit mit solchen, die einen „Heilungsdienst“ (um dies Wort dann doch mal zu benutzen) für sich in Anspruch nehmen, waren, wie schon angedeutet, nicht gerade sehr ermutigend, und von daher stehe ich auch den gegenwärtigen Vorkommnissen skeptisch gegenüber. Aber davon allein darf ich mich nicht leiten lassen. Anderseits erkenne ich durchaus nicht, dass ich bestimmten „Heilungsdiensten“ nachgehen oder etwa gar eine Reise nach Nigeria unternehmen soll.

Trotzdem bin ich sehr wohl darüber auf dem Laufenden, was andere beschrieben haben, die das doch als ihre Aufgabe angesehen haben. Das wenigste, was ich darüber sagen kann, ist, dass die Berichterstattung nicht einhellig positiv ist. Und das betrifft nicht etwa nur die Beurteilung derer, die solchen Sachen sowieso kritisch gegenüber stehen; nein, auch aus charismatischen Kreisen höre ich kritische Stimmen. Was ich von Gemeindeleitern gehört und was ich im Fernsehen gesehen habe, hat bis heute meine Skepsis nicht verringern können, im Gegenteil.

So ist also klar, dass ich nicht ohne Weiteres „abfahre“ auf die begeisterte Beurteilung, die WJO in seinem Buch bietet, wobei ich selbstverständlich die Aufrichtigkeit seines Urteils nicht bezweifle. Dabei will ich es vorerst belassen.

Auswüchse und Einseitigkeiten

Auf den Seiten 17 bis 32 gibt unser Bruder eine ausgewogene Beschreibung der Auswüchse und Einseitigkeiten, die sowohl bei Gegnern wie auch bei Befürwortern der Heilungslehre zu finden sind. Er gibt dazu einige wertvolle Hinweise, zu denen ich etwas anmerken möchte.

Zu Recht bemerkt WJO, dass nach der Bekehrung oft besondere Erfüllungen mit dem Heiligen Geist stattfinden, und er beruft sich dazu auf verschiedene Schriftstellen (Anm. 7 auf S. 31). Anschließend sagt er auf Seite 17, dass es nicht die geringsten Bedenken dagegen gibt, wenn hierbei das Handauflegen der Diener Gottes eingesetzt wird. Er führt dazu wiederum zwei Beispiele aus der Schrift an (Anm. 8). Diese Beispiele sind aber sehr speziell und können nicht verwendet werden, um die allgemeine Gültigkeit seiner Aussage zu stützen. Darüber hinaus liegt eine Gefahr in dem Handauflegen, wenn nämlich die ausübende Person okkult behaftet oder belastet ist.

Auf Seite 18 unten beruft er sich auf eine Aussage von Wimber, dass alle Gläubigen, die einen Heilungs- oder Befreiungsdienst ausüben, in Sprachen reden, und er findet, dass diese Aussage sehr vielsagend sei. Aber reden diese Menschen wirklich in Sprachen? Eine solche isolierte Aussage erfordert nämlich eine sorgfältige Untersuchung, was die Bibel eigentlich unter „Reden in Sprachen“ versteht. Hierüber habe ich eine ausführliche Abhandlung (Het spreken in Talen, 01-04) geschrieben und empfehle diese zu lesen: siehe www.jaapfijnvandraat.nl unter der Rubrik Artikeln Bode.[1]

Auf Seite 22 lobt WJO Kathryn Kuhlman und spricht über Tausende, die durch ihren Dienst zur Bekehrung gekommen sind, wie auch über Tausende, die durch sie gesund geworden sind. Tausende … was für eine Zahl! Ich frage mich allerdings, auf welche Quelle sich WJO hierbei beruft. Ich komme auf sie zurück, wenn ich den Abschnitt 2.2.2 bespreche.

Auf derselben Seite kritisiert WJO den Einwurf von „konservativer“ Seite, dass wir doch nicht die Gabe suchen sollen, sondern den Geber. Ich kann seiner Kritik wohl zustimmen, allerdings spricht er nur über Gaben; meine Frage ist, ob wir „Heiler“ demnach als „Diener mit einer Gabe“ ansehen müssen. Wenn ja, dann muss ich sie auch als solche beurteilen. Ich stimme auch überein mit seiner Kritik an der Formulierung „Niemand stirbt vor seiner Zeit“; ich habe darüber im Jahr 1989 einen ziemlich ausführlichen Artikel in Bode van het Heil geschrieben (Jg. 132, S. 116–117).

Ich teile auch Ouweneels Kritik an solchen, die allzu flott alle Heilungen dem Teufel zuschreiben. Diese Leute denken, Heilungen könnten entweder nur von Gott oder vom Teufel sein, und wenn man nicht überzeugt ist, dass eine bestimmte Heilung von Gott bewirkt wurde, dann schreibt man sie dem Teufel zu. Man vergisst dabei, dass eine Heilung auch auf Placebowirkung beruhen kann. Somit erhalten wir drei mögliche Quellen für eine Heilung:

  • Die Heilung ist von Gott.
  • Die Heilung ist vom Satan.
  • Die Heilung ist eine Folge von Placebowirkung im Seelenleben des Patienten.

Unter einem Placebo verstehen wir ein Scheinheilmittel. Die Worte eines Heilers können nämlich als ein Placebo wirken. Der Missionsarzt Nolle beschreibt diese Wirkung etwa folgendermaßen: Man kann das Seelenleben eines Patienten mit einem Meer vergleichen, auf dessen Grund sich Felszacken befinden. Bei hohem Wasserstand bereiten diese Zacken einem Schiff keine Schwierigkeiten; wenn aber der Wasserspiegel immer tiefer sinkt, wird die Sache gefährlich. So kann jemand, der mit sich selbst beschäftigt ist, verschiedenste Beschwerden und Schmerzen empfinden oder sogar selbst hervorrufen, während er bei positiver Einstellung sich einfach darüber erheben kann. Deshalb spricht man auch von Leiden, die „zwischen den Ohren liegen“, und meint damit eingebildete Leiden. Solche Leiden gibt es tatsächlich, aber es gibt auch Fälle, wo zwar Leiden vorhanden sind, die aber auf die Person keine Auswirkung haben, weil sie sich einfach darüber erhebt.

Ich will noch auf die zweite Ursache eingehen, und zwar mit der Frage: Kann Satan wirklich jemand gesund machen?

In den Evangelien oder in den Briefen finden wir das nirgendwo. Als (einziges?) Beispiel wird Offenbarung 13,3 angeführt, wo wir lesen, dass die tödliche Wunde des Tieres, das aus dem Meer aufgestiegen war, geheilt wurde. Hier sind allerdings zwei Dinge dagegen zu sagen: Erstens steht dort nicht, dass es der Satan war, der die Wunde heilte, und zweitens – und das ist wichtig! – wird hier gesagt, dass einer der Köpfe des Tieres wie zum Tode geschlagen wurde; mit anderen Worten: Es geht hier nicht um das Tier als eine Person, sondern um das Reich, das in dem Tier vorgestellt wird.

Auf Seite 25 schreibt WJO über das Bitten nach Gottes Willen (Punkt 2). Ouweneel stellt fest, dass man nirgendwo lesen kann, dass der Herr einem um Heilung bittenden Menschen gesagt habe: „Ich will nicht.“ Das ist also eine Bemerkung über etwas, was nicht geschrieben steht; solche Hinweise kommen in dem Buch mehrfach vor. Aber was ist damit gesagt?! Hätte das Gegenteil denn unbedingt vermerkt werden müssen? Auf jeden Fall lesen wir, dass Gott auf das Gebet des Paulus, von dem Dorn in seinem Fleisch befreit zu werden, nicht etwa sagt: „Ich will es und werde es tun.“

Natürlich kann falsche Beruhigung bei einem Patienten eine Rolle spielen, aber ich denke an einen Bruder, der vielen Älteren sicher noch bekannt ist (Ravensberg). Dieser Mann, der viel unter Kranken gearbeitet und auch in dem Bibelkiosk in Amsterdam gedient hat, hatte zwei Leiden; das eine war, soweit ich weiß, ein Magenleiden und das andere war Asthma. Er bat Gott um Genesung von dem ersten Leiden und wurde gesund. Auch wegen des Asthmas betete er zuerst, hörte dann aber damit auf, weil er verstand, dass es für seinen Dienst unter den Kranken nützlich sei, wenn er dieses Leiden behielt.

Auf Seite 26 beruft sich WJO auf Dinge, die im Text nicht angegeben sind (u.a. bei Jak 5,15), aber müssen die Aussagen denn dabei erwähnt werden? Es ist ein billiges Argument, wenn man sich dafür auf Aussagen beruft, die eben nicht geschrieben stehen. Siehe dazu auch den folgenden Abschnitt.

Haben die Gaben nach der apostolischen Zeit aufgehört (S. 26, Punkt 3)? Mit dieser Aussage müssen wir allerdings vorsichtig sein. Wir dürfen Gott in seiner Allmacht und Souveränität nicht beschränken. Die Argumente für diese zurückgewiesene Aussage werden in Kapitel 4 näher besprochen; hier will ich nur darauf hinweisen, dass die Befürworter dieses Standpunkts sich oft darauf berufen, dass etwas Bestimmtes nicht geschrieben steht – in diesem Fall: dass nirgendwo geschrieben steht, dass die Gaben für immer bleiben werden. Das ist ein schwaches Argument, aber darf WJO seinerseits sich denn wohl darauf berufen, dass etwas in Jakobus 5,15 nicht geschrieben steht? Und sie dürfen das nicht – im Blick auf Markus 16,17?

Über die Punkte 4 und 5 (S. 28–29) kann ich mich kurz fassen. Ich bin mit WJO einig, dass wir nicht alles von vornherein abweisen müssen, wofür es kein direktes biblisches Beispiel gibt; und ich unterstreiche auch, was er dann am Ende von Punkt 5 sagt: dass wir dies sehr wohl müssen, wenn es um sonderbare Lehren geht, die zu klaren biblischen Grundsätzen ausdrücklich im Widerspruch stehen. Ich füge hinzu: und zur biblischen Moral.

Auch die Punkte 6 und 7 kann ich kurz behandeln. Es kommt vor, dass sonderbare Szenen eine Heilung begleiten. Aber dann sollen es wirklich teuflische Manifestationen sein, zum Beispiel beim Austreiben von Dämonen. Das ist etwas völlig anderes als wilde Begleiterscheinungen, die dem Geist Gottes zugeschrieben werden. In der Heiligen. Schrift finden wir keine solche Szenen anlässlich von Heilungen.

Über das unmittelbare Eintreten einer Heilung will ich bemerken, dass Heilungen in der Bibel sofort stattfanden und nur ein einziges Mal aus besonderem Grund eine Wiederholung nötig war, die dann auch unmittelbar nach der ersten Behandlung folgte (Mk 8,24). Niemals brauchte ein Geheilter nach Verlauf einer gewissen Zeit zum Herrn oder zu den Aposteln zurückzukehren, um wegen desselben Leidens ein zweites Mal „behandelt“ zu werden, wie dies bei heutigen Heilern oft wohl der Fall ist. Auch dieser Punkt kommt später noch zur Sprache.

Wunderheilungen in der Kirchengeschichte (Kapitel 2)

In Kapitel 2 spricht WJO über das interessante Thema „Wunderheilungen in der Kirchengeschichte“. Er beginnt das Kapitel allerdings mit den Argumenten, die vorgetragen werden, um den Dienst moderner Heiler in Misskredit zu bringen.

Zuerst erwähnt er die Angriffe auf die Lebenspraxis und den Predigtdienst heutiger Heiler. Ich meine, dass WJO diesen Sachverhalt nicht ehrlich darstellt. Man denke beispielsweise an Luther: Über seine Vorgehensweise und seine Ansichten über die Juden könnte man einiges anmerken. Das ist auch (von Freund und Feind) mit Recht vorgetragen worden; aber haben orthodoxe Christen das jemals benutzt, um den Dienst dieses Reformators anzugreifen? Niemals!! Gleiches gilt von Calvin und anderen Männern der Reformationszeit.

Warum geschieht dies dann doch bei den Gebetsheilern der Gegenwart? Weil bei einigen von ihnen Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit und an der Korrektheit ihrer Handlungen aufkommen und weil es um die Prüfung der Lehre geht, auf der das ganze Gebäude ihres Dienstes basiert. Man schießt ja nicht einfach so jemand ab! Meine Erfahrung ist jedenfalls, dass, wenn man auf Dinge hinweist, die irgendwie nicht stimmig sind, sämtliche Bedenken einfach wegräsoniert werden.

Als zweiten Punkt nennt WJO das Argument, dass wir in der Endzeit leben und nur noch die Zeichen des Antichristen zu erwarten hätten. Seiner Kritik an diesem Argument stimme ich unbedingt zu. Die Zeichen des Antichristen sind „Wunder der Lüge“. Das bedeutet nicht, dass es Tricks sind, sondern dass sie dazu dienen, der Lüge Gehör zu verschaffen (vgl. 5Mo 13,1.2). Dem gegenüber stehen die Zeichen der Wahrheit, die die zwei Zeugen in Jerusalem in der Nachfolge von Mose und Elia vollbringen (vgl. Off 11,1-13). Eine ganz andere Sache ist, dass sowohl in der Vergangenheit wie auch heute und in der Zukunft Zeichen vollbracht werden konnten und können, die den „Diener“ vor Gott eben nicht bestätigen, weil der geistliche Zustand der betreffenden Personen nicht in Ordnung war bzw. ist (vgl. Mt 7,22).

Drittens kritisiert WJO die Auffassung, dass Heilungswunder auf die Zeit der Apostel beschränkt gewesen seien. Mit Recht sagt er, dass diejenigen, die diesen Gedanken befürworten, zwar nicht bestreiten, dass auch heute noch Heilungswunder geschehen, wohl aber, dass sie von „Heilungsdienern“ vollbracht werden. Und doch trifft Ouweneel damit nicht den Kern der Sache, und das ist unter anderem dadurch verursacht, dass er – wie schon bemerkt – nicht klar definiert hat, was er unter einem „Heilungsdiener“ versteht.

Heilungen aufgrund von Gebeten (wie in Jak 5 beschrieben) haben führende Personen des 19. Jahrhunderts (u.a. J.N. Darby) nicht zurückgewiesen. Viele seiner Nachfolger haben das später allerdings getan; das ist zwar bedauerlich, aber dennoch hat es gegen Heilungen aufgrund von Gebet nicht eine solche Aversion gegeben, wie häufig behauptet wird.

Beim Ausüben der Gabe der Heilungen liegt der Sachverhalt etwas anders: Diese Gabe soll im Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums ausgeübt werden, sozusagen als Teil davon, und zwar dann, wenn eine Bestätigung des Evangeliums durch Zeichen angebracht ist. Dem hat man Raum gegeben – zum Beispiel in Missionsgebieten. Der Ausübung dieser Gabe auf dem Boden des Christentums stand man sehr skeptisch gegenüber, unter anderem weil von Zeichen in biblischem Sinn wenig zu merken war. Ouweneel und andere schreiben das einem Mangel an Glauben zu, aber auch bei denen, die wohl genügend Glauben zu haben bekennen, ist trotz dieser ihrer Erklärungen wenig von echten Zeichen zu spüren.

Heilungen zur Zeit des heidnischen Römischen Reiches

Die von WJO genannten Beispiele machen nicht klar, dass es um Zeichen anlässlich der Verkündigung des Evangeliums bzw. um die Ausübung der Gabe der Heilungen geht. Dennoch spricht Ouweneel von „Wundergaben“, während es bei den von ihm genannten Beispielen um Gebetsheilungen geht. Hier sehen wir das Auftreten der Verwirrung, vor der ich zu Beginn gewarnt habe.

Dieser Punkt 2.1.2 macht nicht den Eindruck, dass Wundergaben so allgemein verbreitet waren, wie WJO es darstellt. Seine Frage „Warum können sie es dann nicht auch in späteren Jahrhunderten gewesen sein?“ bleibt eine offene Frage; aber vielleicht darf ich die Sache einmal umdrehen: Wenn durch den Dienst einer einzigen Frau, Kathryn Kuhlman, Tausende gesund geworden sind, wie Ouweneel angibt, dann müssen in der Zeit von 100 bis 300 n.Chr. doch sicher Zehntausende gesund geworden sein? Davon schweigt er allerdings. Anders gesagt: Er macht sich in diesem Abschnitt selbst etwas vor.

Man kann natürlich sagen, dass wegen der Sünden der Christen die Heilungen in späterer Zeit seltener wurden. Das ist eine Meinung. Der kann man eine andere gegenüberstellen, nämlich dass Gott es nicht mehr für nötig hielt, auf dem Boden des Christentums noch wunderbare Heilungen zu schenken.

Heilungen nach der Christianisierung des Römischen Reiches

In Paragraph 2.1.3 schreibt unser Bruder, dass nach der dramatischen Wende die Heilungswunder nicht unmittelbar ausblieben. Nun braucht das ja auch nicht unmittelbar zu geschehen, sie können auch allmählich aufhören. Aber gut, auch in diesem Abschnitt geht es, soweit ich es beurteilen kann, wieder um Heilungen aufgrund von Gebeten.

Ouweneel nennt es einen großen Schlag für den Dienst der Heilungen, dass die Salbung mit Öl nicht mehr auf Kranke, sondern auf Sterbende angewendet wurde. Diese Kritik ist sehr berechtigt, jedoch weise ich darauf hin, dass nicht die Salbung an sich die Heilung bewirkt, sondern das Gebet des Glaubens. Das betont auch WJO. Letzten Endes ist es natürlich Gott, der die Heilung bewirkt, aber Er tut dies aufgrund des gläubigen Gebetes derer, die in Fürbitte zu Ihm kommen.

Die Reformation

Hier nun wird Luther zitiert, der nach Ouweneels Meinung eine neue und erfrischende Sicht auf den Heilungsdienst bewirkt hat. Aus dem Zitat, das er aus den Tischreden übernimmt, kann ich allerdings nur erkennen, dass Luther bei allen schweren Erkrankungen den Teufel als Verursacher und Bewirker ansieht. Im Blick auf 2. Mose 4,11 ist das aber, gelinde gesagt, eine sehr einseitige Darstellung; wichtiger ist aber, dass es sich auch in dem Fall der Heilung Melanchthons um eine Gebetserhörung handelte.

Natürlich wäre es phantastisch, wenn wir voller Glaubenskraft wie Luther uns stark machten für Gebetserhörungen im Blick auf die Heilung von Kranken, aber darum geht es in diesem Abschnitt nicht. Wieder geht es ganz offensichtlich um Heilungen aufgrund von Gebeten. Es wird hier Jakobus 5,14 angeführt (s. S. 40 und vor allem 41 oben). Zu einer neuen Erkenntnis über Luthers Sichtweise zum Thema Heilungen trägt Ouweneel nichts bei.

Den Ergebenheitsgedanken von Calvin können wir auf sich beruhen lassen; dieser berührt nicht den Punkt, um den es mir geht. Es geht mir um die Frage, ob von Zeichen gesprochen wird, die die Verkündigung des Evangeliums unterstützen, oder von Heilungen aufgrund von Gebet.

Der Protestantismus

In diesem Abschnitt 2.2.2 nennt WJO viele Personen, von denen Heilungswunder berichtet werden. Es ist ermüdend, dass ich schon wieder in dieselbe Kerbe schlagen muss, aber hier rächt sich aufs Neue, dass Ouweneel nicht angibt, welcher Art die von diesen Menschen vollbrachten Heilungen sind.

Davon unabhängig ist die große Frage, wie vertrauenswürdig die Berichte über diese Heilungen sind. Viele der genannten Personen kenne ich nicht und deshalb gehe ich nicht auf sie ein; zu einigen aber möchte ich doch ein paar Bemerkungen machen.

  • Edward Irving (1792–1834): ein außergewöhnlich begabter Prediger, aber nicht frei von bedenklichen Lehren und sonderbaren Auffassungen über das Apostelamt, das wiederhergestellt werden müsse.

  • Albert Benjamin Simpson (1843–1919): Von ihm werden viele Heilungswunder bezeugt; vor einigen Jahren aber las ich einen Bericht von einer Schwester, die dreißig Jahre mit ihm zusammengearbeitet hatte. Diese Frau war schockartig zur Besinnung gekommen, als eine Patientin unter anderem auf ihr Anraten die notwendigen Medikamente nicht mehr einnahm und ärztliche Hilfe zurückwies und danach starb. Sie ließ dann den dreißig Jahre währenden Dienst von Simpson an ihrem geistigen Auge vorübergehen und kam zu der Erkenntnis, dass sie in all den dreißig Jahren nicht eine einzige echte Heilung miterlebt hatte. War sie demnach eine Betrügerin? Nein, sondern sie glaubte die Aussage, dass Gott auch heute noch wunderbare Heilungen wirken will, und sie nahm (unkritisch) das, was sie vor ihren Augen geschehen sah, als Erfüllung dieses Glaubens an. So betrog sie sich selbst und dadurch auch andere.

  • Kathryn Kuhlman (1907–1976): eine umstrittene Figur. WJO weist selbst darauf hin, indem er auf Seite 46 eine Beschreibung ihres Autretens von John Wimber wiedergibt. Über sie hatte ich schon früher gelesen, und zwar dass, wenn sie das Podium betrat, die sie dort erwartenden Personen wie Streichhölzer rücklings zu Boden fielen, bevor noch ein einziges Wort gepredigt worden war! Dieses Rückwärtsfallen nennt man „Fallen im Geist“; ich kann nun aber wirklich nichts daran erkennen, was zur Verherrlichung Gottes dient. Hierbei verweise ich auf meine Website (niederländisch: Artikelen dubieuze uitleg > „Vallen in de Geest – is dat bijbels?“; Teil A; Teil B), wo ich in zwei Artikeln die Argumente für meine Auffassung dargestellt habe.[2]

  • William Branham (1909–1965): Mit Recht nennt Ouweneel ihn eine extravagante Figur, und dennoch erwähnt er ihn, obwohl dieser Mann eine flagrante Irrlehre vertrat!! Er nennt ihn sogar an mehreren Stellen seines Buches. Ich kann das absolut nicht verstehen und frage mich, inwieweit WJO durch seine Auffassungen über Krankenheilung verblendet ist, so dass er die Realität aus dem Auge verliert.

  • Hermann Zaiss (1889–1958): Ihn habe ich schon früher erwähnt. Ich erinnere mich noch gut an seine Auftritte, aber von Heilungswundern in unserem Land habe ich nichts mitbekommen – eher vom Gegenteil. Jemand, den ich persönlich kannte, war durch ihn von einem Herzleiden geheilt worden. In einer damals bekannten Zeitschrift gab er Zeugnis davon, verstarb aber kurze Zeit danach an ebendiesem Herzleiden, von dem er in Wirklichkeit nie genesen war.

  • Karel Hoekendijk (1904–1987): Ebenfalls eine zweifelhafte Figur auf dem Gebiet der Heilungen. Mein Bruder hat einmal einen seiner Auftritte in Leeuwarden miterlebt und war – gelinde gesagt – nicht gerade entzückt.

  • Johan Maasbach (1918–1997): Ein flotter Geschäftsmann, der es wohl verstand, seine Botschaft an den Mann zu bringen wie auch beträchtliche Kollektensummen hereinzuholen, wozu er Eimer im Saal herumgehen ließ. Hierin war er übrigens nicht der Einzige; jemand hat es einmal so zugespitzt: Diese Menschen haben nach ihren eigenen Worten Glauben für gewaltige Dinge, außer für die finanzielle Kalkulation ihrer Kampagnen. Das ist krass formuliert, stimmt aber mit der Realität überein! Während einer seiner Rundfunkpredigten hörte ich, wie Maasbach seine kranken Zuhörer aufforderte, ihre Hand auf den Radioempfänger zu legen, er würde dann mit ihnen um Genesung beten. Hierdurch wurde der Eindruck erweckt, als bekämen die Kranken dann direkten „Ätherkontakt“ mit ihm. Die Ausstrahlung dieser Aufnahme fand allerdings statt, nachdem seine Predigt längst vergangen war. Somit musste nicht nur die räumliche Entfernung überbrückt werden, sondern auch noch die Zeit! Es klingt zwar hart, aber ich neige dazu, dies als „Dummenfang“ zu bezeichnen. Wir werden später sehen, dass WJO den Gedanken an eine derartige Kraftübertragung sogar unterstützt.

  • Tommy Lee Osborn (1923–2013): Im Radio und in der Zeitung habe ich Berichte über seine Feldzüge verfolgt, und ich darf getrost sagen, dass es „heiße Luft“ war. In der Zeitung stand damals eine Klage des Pflegepersonals einer psychiatrischen Einrichtung in Zuid Laren, die darüber seufzten, dass Osborn in Groningen gewesen sei und sie nun das Nachsehen hätten, weil so viele Menschen geistlich völlig aus der Bahn gekommen waren. In einem späteren Artikel aus Amerika wird berichtet, wie durch seinen Dienst jemand von den Toten auferstand. Osborn ließ die Bretter, auf denen der „Tote“ gelegen hatte, aus dem Podium herauslösen, in kleine Stücke zerteilen und als „Heilungsreliquien“ verkaufen. Mit Recht hat Dr. Hegger, der doch charismatischen Aktivitäten nicht gerade abweisend gegenüber steht, diese Anwendung scharf verurteilt. Die bereits erwähnte Broschüre Die sogenannte Gebetsheilung – geprüft an der Schrift, die ich zum Anlass des Auftretens und der Schriften Osborns verfasst habe, ist leider vergriffen. Hierin habe ich Osborns Lehrauffassungen unter die Lupe genommen; hinter dem Inhalt dieser Broschüre stehe ich im Großen und Ganzen noch heute.

  • Temitope Balogun Joshua (1963–2021): Dies ist auch eine sehr umstrittene Figur – sogar in charismatischen Kreisen. Ich sehe davon ab, dies näher darzulegen, denn es ist über diese Person so viel pro und contra geschrieben worden, dass jeder sich darüber wohl ein Bild machen kann.

  • Jan Zijlstra (1938–2021): Auch ihn erwähnt WJO. Er ist viel ausgeglichener als andere Heiler. Ich habe das Interview gesehen, das Andries Knevel mit ihm in der Sendung Die elfte Stunde geführt hat und das bei mir sehr gut angekommen ist. Es ist eine von Zijlstra bewirkte Heilung in Dokkum bekannt, die ziemlichen Eindruck gemacht hat. Eine Schwester, die gesundheitlich ein Wrack war, ist gesund geworden und heute sehr aktiv in geistlicher Arbeit. Und doch glaube ich, dass Zijlstra zwischen Heilung durch Gebet und Heilung in Anwendung der Gabe der Heilungen nicht immer klar unterscheidet. Jedenfalls las ich in einem Zeitungsartikel, dass Zijlstra mit einem Rheumapatienten betete und auch dem Rheuma befahl, den Patienten zu verlassen. Es ist zwar bedenklich, aufgrund eines Zeitungsartikels zu urteilen, aber es handelte sich hier um eine seriöse Tageszeitung. Es fiel mir auch auf, dass in der TV-Ausstrahlung eines Heilungsdienstes von Zijlstra keine Heilungen zu sehen waren. Eine Wiederherstellung deformierter Gliedmaßen oder Ähnliches fand nicht statt. Ich vermisse also für den Zuschauer verifizierbare Wunderheilungen. Aber gut, ich warte ab, wie sich dieser Bruder entwickelt, und bin für eine positive Bewertung offen.

Indem man so bestimmte Personen kritisch beurteilt, kann man natürlich de facto seine eigene Meinung suggerieren. Diese Gefahr sehe ich sehr wohl. Anderseits ist natürlich die Frage, ob Gott Personen gebrauchen will, an denen kräftig Kritik zu üben ist. Anhänger solcher Personen sind dagegen in der Gefahr, jede Kritik unter den Teppich zu kehren. Ich habe es selbst erfahren, dass, wenn man vorsichtig auf manches Anfechtbare hinweist, dies beiseitegeschoben wird mit Einwänden wie etwa: „Es muss doch nicht alles genau so laufen, wie es in der Bibel steht!“ Das braucht es auch wirklich nicht, denn die Beispiele in der Bibel beschreiben oft nur, was geschehen ist, schreiben aber nicht vor, wie es geschehen muss. Das Anstößige mancher Situationen kann damit aber nicht beseitigt werden.

Eine Frage am Ende dieses Abschnitts: Sind während der Kampagnen, die die von WJO genannten Personen durchgeführt haben, gewaltige Wunder geschehen – und zwar in dem Sinn, wie in der Apostelgeschichte beschrieben? Eben davon bin ich nicht überzeugt. Jemand hat darauf hingewiesen – ich glaube in Bezug auf Lourdes –, dass wohl viele zurückgebliebene Krücken zu sehen waren, aber keine Beinprothesen. Diese Bemerkung trifft auch auf einen weltlichen Heiler zu, dessen Wartezimmer voller Krücken hing.

Ouweneel schreibt auch selbst, dass an einigen der erwähnten Personen Kritik zu üben ist, und dennoch führt er sie an, als ob die Anzahl überzeugen müsse. Hier drängt sich das bekannte Wort auf: Wer zu viel beweisen will, der beweist am Ende gar nichts. Ich hoffe, dass es keine Neuauflage von Heilt die Kranken! geben wird, falls aber doch, dann sollte dieses Kapitel meines Erachtens vom Verfasser saniert werden.

Die Brüderbewegung

Dies ist ein sehr interessanter Abschnitt. Für Jüngere, die mit dieser Bewegung verbunden sind, wird es wohl einigermaßen enthüllend sein, was WJO über J.N. Darby schreibt. Denn dieser Führer in der Bewegung stand der praktischen Anwendung von Jakobus 5 durchaus nicht ablehnend gegenüber. Mehr noch, er wandte die Krankensalbung in einigen Fällen sogar selbst an. Ebenso meinte Darby, dass Christen in der Lage sein müssten, im Namen Jesu Christi Dämonen auszutreiben. Dann aber schreibt Ouweneel auf Seite 50, dass Darby selbst die nähere Ausarbeitung von „Seitenlinien“ seiner Lehre blockiert habe. Dabei weist er zum Beispiel hin auf Darbys Auffassung, dass die „Zeichengaben“ nur zur Einführung des Christentums bestimmt gewesen seien und dass es für ihre Fortsetzung keine Hinweise gebe. Darauf reagiert WJO mit der Gegenfrage, ob es denn Hinweise für ihre Beendigung gebe, und unter Hinweis auf Kapitel 2.1.2 behauptet er, dass es allerdings Hinweise für die Fortsetzung dieser Gaben gebe. Diese Frage kommt in Kapitel 4 ausführlich zur Sprache; deshalb hier nur dieser Hinweis: Für die Beendigung der Zeichengaben […] sind sehr wohl Argumente aus der Schrift anzuführen, und der Verweis nach Kapitel 2.1.2 besagt nicht sehr viel, weil über verschiedene der dort genannten Zeugnisse schwerwiegende Kritik zu üben ist und es dabei nicht klar ist, dass es dort um Zeichengaben geht, die im Dienst der Predigt des Evangeliums ausgeübt worden sind.

Wodurch werden Menschen krank? (Kapitel 3)

Schwierig zu kommentieren

Dieses Kapitel ist (wie auch einige der folgenden) schwierig zu besprechen, und zwar

  • weil der Autor bei verschiedenen Bemerkungen auf eine spätere Behandlung verweist, wodurch die Besprechung erst einmal aufgeschoben ist. Auf dämonische Einflüsse und die Wirkungen von Verfluchungen komme ich ebenfalls später zurück.
  • weil er eine sorgfältige Besprechung bietet, indem er auch solche Stellen anführt, die seiner Beweisführung widersprechen, dabei aber – bewusst oder unbewusst – die Bedeutung dieser Stellen zugunsten seiner eigenen Ideen umbiegt.
  • weil er manchmal Gedanken vorträgt, wo man ebenso gut auch alternative Ideen vorbringen könnte.

Die Leib-Seele-Problematik

In Kapitel 3.2.1 geht WJO auf das problematische Verhältnis Seele/Leib ein und weist den sogenannten Dualismus zurück. Demgegenüber stellt er fest, dass der Mensch in Bezug auf Seele und Leib eine Einheit ist. Man könne wohl Aspekte unterscheiden, nicht aber verschiedene „Teile“.

Diese Auffassung wird vielen Lesern neu sein und sie vielleicht irritieren. Aber auch ich teile in gewisser Hinsicht diesen Gedanken und weise den sogenannten Dualismus ab.

Wenn man die Einheit des Menschen so betont, liegt der Schluss nahe, dass auch mit dem Tod der ganze Mensch stirbt. Genau das sagt Ouweneel auf Seite 88. Aus diesem Grund ist unser Bruder vor einigen Jahren (zu Unrecht) beschuldigt worden, er lehre die Vernichtung des Menschen beim Tod (Lehre der Seelenvernichtung). Dies ist einer der Fälle, in denen ich WJO gegen falsche Beschuldigungen verteidigt habe. Er lehrt nämlich sehr wohl, dass der Mensch nach dem Tod fortbesteht. Damals hat er es so formuliert, dass Gott den Menschen nach dem Tod mit einem zeitlichen Leib ausstattet. In Heilt die Kranken! drückt er sich vorsichtig aus: „Es ist der ganze Mensch, der stirbt und auf eine für uns unergründliche Weise den leiblichen Tod ,überlebt‘“ (S. 88).

Dies Letzte ist mir allerdings zu vage; ich tendiere, was das Sterben betrifft, zu einer anderen Sichtweise als Ouweneel. Dabei gründe ich mich auf die Art, in der die Schrift über den Leib des Menschen spricht.

Der Leib als eine Hütte

In einigen Schriftstellen wird der menschliche Leib nämlich mit einer Hütte bzw. mit einem Zelt verglichen. Das lässt die ganze Sache doch etwas komplexer erscheinen, als wie WJO sie darstellt.

Ich verweise auf 2. Korinther 5,1.4. In Vers 1 spricht Paulus über den Leib als eine irdische Hütte, in der wir wohnen. Diese Wohnung wird abgebrochen. Ich lasse jetzt offen, wann das geschieht: beim Sterben oder bei der Wiederkunft des Herrn. Es geht mir nur um die Worte „Hütte“ und „wohnen“ in dieser Hütte.

In Vers 4 benutzt der Apostel das Bild, „entkleidet“ zu werden, und bezieht dies offensichtlich auf das Ablegen des „sterblichen Leibes“. Nach meinem Eindruck kommt dieselbe Vorstellung, „in dem Leib zu wohnen“, auch in Philipper 1,20 zum Tragen, wo Paulus die Formulierung „in meinem Leib“ benutzt, was er kurz danach mit „Bleiben im Fleisch“ wiedergibt.

Auch Petrus drückt sich sehr ähnlich aus: Er gebraucht die Wendung „solange ich in dieser Hütte bin“ (2Pet 1,13) und deutet auf sein Bleiben im Leib. Im nächsten Vers spricht er über das „Ablegen meiner Hütte“ und zielt damit auf sein Sterben, das er in Vers 15 als „seinen Abschied“ bezeichnet (2Pet 1,15). Wenn aber der Mensch so gesehen wird – als in einem Leib wohnend –, dann wird sein „Ich“ offenbar nicht mit seinem Leib identifiziert.

Sterben ist ein Bruch

Im Licht dieser Bibelstellen habe ich starke Bedenken, zu behaupten, dass der ganze Mensch stirbt. Dass der Mensch den Tod überlebt, schreibe ich dann doch der Tatsache zu, dass das „Ich“ des Menschen beim Tod bestehen bleibt. Beim Tod findet eine Trennung statt, eine unnatürliche zwar, aber doch eine Trennung zwischen dem Leib und dem „Ich“ des Menschen. Ich spreche hier am liebsten von einem Bruch. Was eine Einheit ist, kann man wohl „zerbrechen“, und ich glaube, dass ebendies beim Tod geschieht.

In diesem Zusammenhang können wir auch Matthäus 10,28 erwähnen, wo der Herr seinen Jüngern sagt, sie brauchten sich nicht vor denen zu fürchten, die wohl den Leib töten können, nicht aber die Seele. Dem „Ich“ des Menschen kann man nicht ein Ende bereiten, so wie man das leibliche Leben beenden kann. Etwas ganz anderes ist, dass Gott – in Bezug auf die Ungläubigen – diesen Unterschied aufhebt und sowohl die Seele als auch den Leib in der Hölle verdirbt (Mt 10,29). Der komplette Mensch in seiner „Einheit“ geht somit für ewig verloren – in der Tat eine schreckliche Sache! Nichtsdestoweniger ist aber die „Einheit“ durch den Tod schon zerbrochen gewesen. Für die Gläubigen dagegen gilt, dass sie als vollständige Menschen mit einem verherrlichten Leib die ewige Herrlichkeit ererben.

In diesem Zusammenhang ist es auch gut, an 1. Korinther 15,35 zu denken, wo zunächst die Frage gestellt wird, wie die Toten auferweckt werden, dann aber die Folgefrage: Mit was für einem Leib kommen sie? Diese „sie“ werden also von ihrem „Leib“ unterschieden. Und in den nächsten Versen wird nicht vom Säen des Menschen als solchem gesprochen, sondern über das Säen des „Leibes“. Der Mensch wird als „sterblich“ bezeichnet, aber daneben ist auch die Rede von dem „sterblichen Leib“ und von unserem „sterblichen Fleisch“ (siehe Röm 6,12; 1Kor 15,53; 2Kor 4,11). Man denke auch an Philipper 3,21, wo von der Umgestaltung „unseres Leibes der Niedrigkeit … zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ gesprochen wird. Hier heißt es nicht, dass wir verändert werden, sondern dass unser Leib verändert wird. Ebenso wenig wird gesagt, dass wir dem Herrn gleichförmig werden, sondern dass unser Leib dem Leib seiner Herrlichkeit gleichgestaltet werden wird. Diese Stellen zeigen meines Erachtens, dass in Bezug auf das Sterben zu unterscheiden ist zwischen dem Leib und dem „Ich“ des Menschen. Ich wiederhole: Das „Ich“ überlebt den Tod. Der Tod ist ein unnatürlicher Bruch in der menschlichen Existenz, wodurch das, was eigentlich nur Aspekte dieser Einheit sind, jetzt Teile mit (vorläufig) eigener Bestimmung werden.

Die Erlösung des Leibes

Nach dem oben Dargelegten kann ich die „Erlösung unseres Leibes“, über die Römer 8,22 spricht, schwerlich ausdehnen auf die Erlösung des ganzen Menschen, wie WJO es tut.

Ich stimme also zu, dass dieses Bleiben im Leib unsere ganze menschliche Existenz umfasst und dass wir in dieser leiblichen Existenz Gott verherrlichen sollen (Röm 12,1). Alles, was wir tun, soll auf die Verherrlichung Gottes zielen. Meines Erachtens bezieht sich Römer 8,22 aber auf die Erlösung „des“ Leibes (nicht „aus/von“ dem Leib – das wäre heidnisch); damit ist dann nichts anderes gemeint als diese Hütte, in der wir jetzt wohnen.

In 1. Korinther 6,13-15.19.20 geht es darum, dass wir unseren Leib nicht missbrauchen dürfen, um Hurerei zu begehen. Mag WJO nun denken, dass der Ausdruck „der Herr für den Leib“ am besten im Heilungsdienst zum Tragen komme (S. 65) – das ist dann seine Auffassung. In diesem Abschnitt von 1. Korinther ist keine Rede von Krankheit oder Heilung, sondern von Hurerei und von deren Vermeidung.

Die Ergebenheitslehre

In Kapitel 3.3 schreibt WJO einiges Beherzigenswerte. In der Tat brauchen wir Krankheiten nicht als etwas Normales zu betrachten, das nun einmal zum Leben gehöre. Krankheit ist eine Folge des Sündenfalls, aber wir brauchen uns damit ebenso wenig einfach abzufinden wie damit, dass die Erde Dornen und Disteln hervorbringt (1Mo 3,18). Wir dürfen um Heilung bitten und dazu auch Hilfsmittel benutzen. Etwas anderes ist, dass wir auch bei Krankheiten die Hand Gottes nicht ausschließen sollten. Das tut Ouweneel auch nicht, aber doch betrachte ich diesen Gesichtspunkt differenzierter als er. Bei Hiob (s. S. 67b) können wir unterscheiden zwischen den Unglücken, die ihn durch die Aktivität Satans treffen, und der Krankheit, die dieser Widersacher Gottes ihm sendet; ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Tatsachen aber nicht. Hiobs Haltung kommt gleichermaßen zum Ausdruck in den Worten: „Der Herr hat gegeben, und der Herr hat genommen“, wie auch in den Worten, die er seiner Frau entgegenhält, nachdem er mit Krankheit geschlagen wurde: „Wir sollten das Gute von Gott annehmen, und das Böse sollten wir nicht auch annehmen?“ Auf diese Krankheit können wir meines Erachtens auch die Worte anwenden, die Gott an Satan richtet: „obwohl du mich gegen ihn gereizt hast“.

Den Nachdruck auf die Zulassung Gottes zu legen, indem dieses Wort durch Kursivdruck hervorgehoben wird, richtet nach meinem Eindruck nichts aus, denn Gottes Zulassung können wir ohnehin niemals trennen von dem Willen Gottes. Das sagt WJO auf Seite 83 sogar selbst. Gott hat seine Hand also auch bei Krankheit im Spiel – und das nicht nur, um Heilung zu schenken.

Krankheit und Glaubensprüfung durch Trübsal

Ich stimme WJO zu, dass wir Krankheit nicht als Prüfung und Trübsal ansehen dürfen, die durch die Nachfolge Christi entstehen. Diese sind ja nur Trübsale um des Glaubens willen. Petrus spricht sehr eindeutig über das Leiden um Christi willen – und dabei geht es dann nicht um Krankheiten (s. 1Pet 3,14.17; 4,1.12-19). Oft wird über Krankheit als über ein Kreuz gesprochen, das der Herr uns auflege; aber unser Kreuz-Aufnehmen hat damit nichts zu tun. Letzteres wird ja nicht ohne Grund „Kreuz“ genannt, sondern hat mit den Verfolgungen zu tun, die das Nachfolgen des Gekreuzigten mit sich bringt [vgl. Lk 9,23].

Auf Seite 69 bemerkt WJO, es sei ein heidnischer Gedanke, dass alles von Gott komme. Auch zitiert er Mart-Jan Paul (*1955), der (meines Erachtens zu Recht) gemäßigter spricht. Gern füge ich hier noch das Wort Aad van der Sandes (1937–2019) hinzu: „Nicht alles kommt aus Gottes Hand, aber Gott nimmt doch alles in seine Hand.“ Ein Christ nimmt alles, was ihn trifft, nicht aus zweiter Hand, aus der Hand Satans an, sondern aus erster Hand, der Hand Gottes. Genau das tut Hiob, gerade auch in Bezug auf das körperliche Leiden, das ihn betroffen hat.

Keine zufriedenstellende Erklärung

Nicht jeder Kranke wird geheilt, und WJO bietet hierfür als Erklärung: „Denn nicht jeder hat Ihn gebeten bzw. wurde zu Ihm gebracht“ (S. 72, 2. Abschnitt). Eine zufriedenstellende Erklärung ist dies allerdings nicht. Tatsächlich weist unser Bruder sogar selbst darauf hin, indem er erwähnt, dass auch Kranke gesund wurden, ohne Jesus darum zu bitten (man denke an den Gelähmten in Bethesda, Joh 5,1-9). Damit relativiert Ouweneel glücklicherweise seine eigene Erklärung, zugleich aber entwertet er sie damit auch.

Im Weiteren zeigt der Autor auf, dass Jesus seine Wunder nicht nur vollbracht hat, um zu beweisen, dass Er der Messias ist, bzw. um das Reich Gottes einzuführen, sondern aus Barmherzigkeit gegenüber dem Menschen insgesamt. Nun hat dieses Erbarmen sicher eine Rolle gespielt, in bestimmten Fällen sogar eine hervorragende, zum Beispiel in Matthäus 14,14; was aber hatte – aufs Ganze gesehen – den Vorrang? Es war doch schließlich kein Mangel an Erbarmen, dass Er in Bethesda nicht alle Kranken heilte? Der Hinweis auf sein Erbarmen reicht also nicht aus. Aad v.d. Sande hat – wie schon gesagt – in Bezug hierauf die wichtige Bemerkung gemacht, dass Gott „alles kann, aber nicht alles tut, was Er kann“. Die Frage, warum Er manches nicht will, müssen wir Ihm überlassen, ohne dabei eine mögliche eigene Verantwortung von vornherein auszuschließen.

1. Thessalonicher 5,23 – eine andere Auslegung

Im Hinblick auf 1. Thessalonicher 5,23 will ich neben der von WJO angebotenen Erklärung die folgende zu bedenken geben. Es heißt dort, dass Gott uns völlig „heiligen“ möge, und danach folgt, dass unser Geist, unsere Seele und unser Leib tadellos bewahrt werden möge bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Nach meinem Verständnis ist dieses Letzte eine Fortsetzung des „Heiligens“, bei der es um die drei Aspekte unseres Menschseins geht – und zwar auf folgende Weise:

  1. Unser Geist deutet unsere Denkwelt an, die vor Verunreinigung durch verkehrte Lehren bewahrt werden möge.
  2. Die fleckenlose Bewahrung unserer Seele weist auf die Heiligung unseres Gefühlslebens hin, indem wir vor Hass, Eifersucht, bösen Trieben und Ähnlichem bewahrt werden.
  3. Und die Bewahrung unseres Leibes kann sich auf die Vermeidung von Hurerei beziehen. Diese ist nämlich eine Sünde, die in 1. Korinther 6,18 sehr kennzeichnend als Sünde gegen den eigenen Leib bezeichnet wird.

Zurechtbiegen eines Bibeltextes

In dem WJO-Kommentar über 2. Mose 4,10-12 auf Seite 82 sehe ich ein Beispiel für das Zurechtbiegen eines Bibeltextes, das ich in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt habe.

Ouweneel legt dar: Gott hat Mose stumm gemacht, um ihn auf diesem Wege zu einem großen Lehrer zu machen. Die Tatsache, dass Mose „schwer von Mund und schwer von Zunge“ war, sei ein Teil seines Trainings gewesen, um aus ihm einen Helden des Mundes und der Zunge zu machen. Offensichtlich hat Ouweneel ein Problem mit der biblischen Aussage, dass Gott „stumm oder taub oder sehend oder blind“ macht. Er erkennt wohl, dass Gott dies tut, aber er bietet eine großartige Erklärung dafür, bei der die Aussage selbst leider abgeschwächt wird. Dass Mose zu einem großen Lehrer und zu einem Helden des Mundes und der Zunge gemacht worden wäre, steht nirgendwo geschrieben!! Es ist reine Spekulation von WJO. Tatsache ist, dass Gott das Sprachdefizit Moses nicht wegnimmt. Im Gegenteil, Er fügt ihm Aaron hinzu, damit dieser das Wort führe, weil er nämlich „reden kann“. Dass Gott mit dem Mund Moses sein will, bedeutet nicht etwa eine Verbesserung seines Sprechtalents, was Ouweneel mehr oder weniger suggeriert (auf S. 182 spricht er sogar von Heilung!), sondern nichts anderes, als dass Er mit ihm sein werde bei allem, was Mose dem Pharao zu sagen habe.

Im Übrigen übersieht WJO bei der Besprechung dieser Verse, dass hier nicht nur von Moses mangelndem Sprechvermögen gesprochen wird, dessen Gott sich annimmt, sondern auch, dass Gott „stumm oder taub oder sehend oder blind“ macht. Das wird an dieser Stelle ohne jede Diskussion Gott zugeschrieben, und das dürfen auch wir tun. Es ist also durchaus Gott, der jemand eine Krankheit oder ein Handicap gibt und diese auch bestehen lässt.

Auf Seite 84 trägt der Schreiber zwar sehr nuanciert dem Werk Gottes Rechnung, aber de facto schwächt er damit seine (zu starke) Kritik an den Fragen 27 und 28 (= 10. Sonntag) des Heidelberger Katechismus.

Auf den folgenden Seiten bietet Ouweneel verschiedene Antworten auf die Frage, warum bestimmte Personen nicht geheilt worden sind, aber – wie schon gesagt – man kann diesen ebenso gut alternative Erklärungen gegenüberstellen. Es bleibt eine Tatsache, dass verschiedene Mitarbeiter von Paulus krank wurden, und im Fall des Epaphroditus rechnete Paulus sogar damit, dass dieser möglicherweise sogar sterben würde. Seine Genesung betrachtete der Apostel nicht etwa als eine Selbstverständlichkeit, sondern ggf. als Beweis für Gottes Barmherzigkeit.

Auf Seite 96 schreibt Ouweneel: „Es ist in der Bibel kein einziger unbezweifelter Fall zu finden, wo Gott gewollt hat, dass ein geistlicher Gläubiger … krank bleiben sollte.“ Diese Aussage ist zu suggestiv. Ob eine Aussage bezweifelt oder nicht bezweifelt wird, hängt doch von deren Auslegung ab (vgl. hierzu noch einmal die Erklärung, die WJO zu 2. Mose 4,10-12 gibt)! Wenn wir annehmen dürfen, dass sich 2. Korinther 12,7 (auch) auf ein körperliches Leiden bezieht – und vieles spricht dafür –, dann haben wir hier ein Beispiel für ein Leiden, das blieb und nicht aufgehoben wurde.

Zeichen, die den Gläubigen folgen (Kapitel 4)

Drei Auffassungen

In Kapitel 4 behandelt Ouweneel ein Thema, über das viel gesagt werden kann/muss, nämlich: Wann und wo fanden bzw. finden Zeichen und Wunder statt? Es bestehen hierüber grundsätzlich drei Auffassungen, und zwar:

  1. Zeichen und Wunder fanden nur zur Zeit der Apostel statt.
  2. Zeichen und Wunder sind bestimmt für „Missionssituationen“ heute und in der Vergangenheit.
  3. Zeichen und Wunder sind nicht auf bestimmte Zeiten oder Orte beschränkt.

WJO neigt zu der Auffassung (c), ich selbst zu der Auffassung (b).

Der Schreiber nimmt zunächst die Auffassung (a) unter die Lupe. Die Befürworter dieser Meinung führen Argumente aus dem Alten Testament an. Der im AT beschriebene Zustand unterscheidet sich aber grundlegend von dem des Neuen Testaments. So hatte Israel zum Beispiel keinen Missionsauftrag. Aus dem Alten Testament sind deshalb meines Erachtens keine Pro- oder Kontra-Argumente herauszudestillieren, die wirklich weiterführen. Ich lasse deshalb diese Argumente wie auch die von WJO angeführten auf sich beruhen.

Der Heilungsdienst

Ich möchte allerdings wohl eingehen auf die Kritik, die Ouweneel auf Seite 101 an der Sichtweise von Richard Mayhue (*1944) übt, die dieser in seinem Buch De belofte van genezing (dt. üb.: „Die Verheißung der Heilung“[3]) dargestellt hat. Leider verengt sich die Erörterung dabei auf die Frage der Heilungen.

Ich könnte diesen Abschnitt deshalb eigentlich überschlagen, möchte aber doch einen Punkt aus WJOs Widerlegung kurz unter die Lupe nehmen, weil die Art seiner Argumentation so kennzeichnend ist.

Mayhue schreibt, dass die von Jesus vollbrachten Heilungen immer unmittelbar stattfanden. Ouweneel wendet dagegen ein, dass das nicht ganz stimme, und nennt folgende Beispiele:

  1. Die Heilung des Blinden (Mk 8,22-25) geschah in zwei Phasen.
    Kommentar: Das ist aber auch das einzige Beispiel, wo dies zutrifft, und die zweite Behandlung folgte direkt auf die erste; dies zeigt nur, dass der Satan seine Beute nicht sofort loslassen wollte; seitens des Herrn war aber nur ein einziger Befehl nötig, um den Jungen zu befreien, und der Prozess dauerte nicht stundenlang!

  2. Bei der Befreiung des mondsüchtigen Knaben (Mk 9,25-27) schien sich dessen Zustand zuerst zu verschlechtern.

  3. Die Aussätzigen (Lk 17,14) wurden erst unterwegs geheilt.
    Kommentar: Geschah dies „erst“ nach Verlauf einer langen Zeit? Aber nein! Was Mayhue mit „unmittelbar“ zum Ausdruck bringen will, ist doch nicht mehr als: Es sind darüber keine Zeitabschnitte vergangen und es sind nicht mehrere Behandlungen erforderlich gewesen!

  4. In Lukas 11,14 steht, dass der Herr damit beschäftigt war, einen bösen Geist auszutreiben. Folglich geschah dies nicht einfach „im Handumdrehen“.
    Kommentar: Letzteres hat Mayhue auch sicher nicht behauptet! Als der Herr den Blindgeborenen behandelte, tat er einen Brei auf dessen Augen und befahl ihm, zum Teich Siloam zu gehen (Joh 9). Da könnte man auch sagen, der Herr sei „beschäftigt gewesen“, um ihn zu heilen. Aber als der Mann sich in Siloam wusch, wurde er augenblicklich gesund!

  5. WJO weist auf das von ihm so genannte Lazarus-Prinzip hin: Der Herr selbst erweckte Lazarus, aber alles, was die Menschen weiterhin an ihm tun konnten, hat Er ihnen auch überlassen.
    Kommentar: Dieses Argument greift überhaupt nicht, denn hier taten die Jünger gar nichts, was mit der Auferweckung des Lazarus oder mit der Beseitigung der Todesspuren zu tun hatte; sie sollten ihn nur aus den Grabtüchern auswickeln, damit er wieder frei laufen konnte.

Diese Art zu argumentieren, finde ich Ouweneels wirklich unwürdig! Wenn es heißt: „nicht immer unmittelbar“, dann tut er so, als heiße es: „nie unmittelbar“, und ignoriert damit vollends, was Mayhue mit dem Wort „unmittelbar“ sagen will. Ich füge noch dieses hinzu: Der Knecht des Hauptmanns wurde aus größerer Entfernung geheilt, und es steht ausdrücklich dabei: „Und sein Knecht wurde gesund in jener Stunde.“ Siehe auch Johannes 4,52, wo ausdrücklich erwähnt wird, dass der Knecht in derselben Stunde geheilt wurde, als der Herr über seine Genesung sprach!

Gottes Erbarmen

Ouweneel legt, wie schon erwähnt, Nachdruck darauf, dass der Herr nicht nur Kranke heilte, um zu beweisen, dass Er der Messias war, sondern auch, weil Er innerlich über sie bewegt war. Dabei vermengt er allerdings zwei Dinge, und zwar das innere Motiv des Herrn und die äußere Wirkung, die davon ausging, nämlich den Beweis, dass Er der Christus, der Messias war.

Auf Seite 107 bemerkt WJO, dass Hebräer 13,8 nicht sagt, Christus handle immer gleich; wegen des Kommentars, den er hierzu gibt, weise ich darauf hin, dass Hebräer 11,32-38 zeigt, dass Gott in demselben Zeitabschnitt [derselben „Haushaltung“] mit Gläubigen verschiedene Wege geht; siehe den Wendepunkt in Vers 36. Auch Gott ist gestern und heute derselbe und sein Erbarmen ist für den einen nicht anders als für den anderen, und doch handelte Er damals nicht mit allen auf gleiche Weise; und das gilt genauso für Jesus Christus in dieser Zeit. Jakobus wurde mit dem Schwert getötet, Petrus wurde befreit (Apg 12,1-17; vgl. auch „Die sogenannte Gebetsheilung“, S. 13–14).

Markus 16

Mit Kapitel 4.2 auf Seite 107 kommt WJO zur Sache und behandelt das, was er dem 4. Kapitel als Titel gegeben hat, nämlich „Zeichen folgen den Gläubigen“.

Ouweneel schreibt einiges Gute in diesem Kapitel, wozu ich sage: „O.k., schön!“ Aber er macht auch Bemerkungen, zu denen ich sage: „Ja, und?“ Ich gehe nicht weiter darauf ein und beschränke meinen Kommentar auf die Besprechung von Markus 16,14-20 sowie auf das, was damit zusammenhängt.

Bei der Behandlung dieses Themas müssen meines Erachtens folgende Fragen gestellt werden:

  1. Was ist die Bedeutung von Zeichen und Wundern?
  2. In welchen Situationen lässt Gott Zeichen geschehen?
  3. Gehören Zeichen tatsächlich in unsere Zeit?
  4. Was lehrt die Schrift über diejenigen, die die Zeichen taten (tun)?

Auf die erste Frage gibt uns Markus 16 schon eine Antwort, denn wir lesen: „Jene aber gingen aus und predigten allenthalben, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen“ (Mk 16,20).

Zeichen dienen also der Bekräftigung der Predigt. Eine gleiche Aussage finden wir in Hebräer 2,23. Dort heißt es, dass die große Errettung im Anfang von dem Herrn selbst verkündigt worden ist und dass sie „uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben, indem Gott außerdem mitzeugte sowohl durch Zeichen als durch Wunder und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen“.

Dieses Mitzeugnis durch die Zeichen finden wir auch in Apostelgeschichte 14,3, wo Paulus und Barnabas predigten. Man beachte, dass hier von Zeichen und Wundern gesprochen wird, die durch ihre Hände geschahen.

Auch das Wort von Petrus darf hierbei wohl angeführt werden, das er am Pfingsttag in Jerusalem den Juden vorhielt: „Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus, den Nazaräer, einen Mann, von Gott an euch erwiesen durch mächtigen Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat“ (Apg 2,22).

Zeichen dienen also der Bestätigung der Botschaft und der Verkünder dieser Botschaft. Dies werden wir bei der weiteren Besprechung gut festhalten müssen.

Die zweite Frage hängt eng mit der ersten zusammen. Wenn Zeichen als Bestätigung einer Botschaft und/oder des Verkündigers gedacht sind, dann dürfen wir Zeichen dort erwarten, wo Gott Menschen aussendet, damit sie das Evangelium predigen. Dann geht es nicht um das Wirken von Zeichen um ihrer selbst willen, sondern um die Bestätigung der Predigt durch die Zeichen. Wir sprechen deshalb von Zeichen in „Missionssituationen“, wobei wir das Wort „Mission“ ziemlich weit verstehen wollen.

Die dritte Frage berührt die Aussage in Hebräer 6,5, wo von „Wunderwerken des zukünftigen Zeitalters“ gesprochen wird. Es sind also Wirkungen, die in das zukünftige Zeitalter gehören, wenn Jesus Christus sein Königreich aufrichtet; dann wird es diese Wirkungen geben. Es sind Kräfte, die zu diesem Königreich gehören. Mit Recht richtet WJO die Aufmerksamkeit auf diesen Gedanken und verweist auf Jesaja 29,18; 32,1.3; 35,5, verbindet damit allerdings keine weiteren Folgerungen […]

Und doch wurden (werden) diese Kräfte auch im gegenwärtigen Zeitalter ausgeübt – was bedeutet das? Als Johannes der Täufer auftrat, verkündigte er das Evangelium des Königreichs (ohne allerdings Zeichen zu tun); ebenso verkündigten der Herr und seine Jünger dieses Reich. Die Botschaft bestand darin, dass das Königreich nahe gekommen war (s. die Verbindung mit dem Ausführen von Zeichen in Matthäus 10,7). Hätte Israel sich damals bekehrt, dann wäre das Königreich errichtet worden. Das galt sogar noch nach der Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsttag, wie aus Apostelgeschichte 3,17-21 zu ersehen ist. In diesen Versen wird von der Wiederkunft Christi und von der Wiederherstellung aller Dinge gesprochen, von der die heiligen Propheten von alters her geredet hatten.

Dort, wo die Verkündigung des Königreichs stattfand, wurde sozusagen das künftige Zeitalter „vorgezogen“, indem Gott die Zeichen dieses Zeitalters geschehen ließ. Wir wissen aus der Schrift, dass das Königreich in der heutigen Zeit eine verborgene Gestalt angenommen hat, wie es unter anderem die Gleichnisse in Matthäus 13 zeigen.

Angesichts dieses Sachverhalts ist meines Erachtens doch die Frage berechtigt, ob diese Zeichen denn wohl bis zum Ende dieses Zeitalters weiterhin zu erwarten sind, denn kennzeichnend sind sie nicht für das gegenwärtige, sondern für das zukünftige Zeitalter! Dieser Gedanke ist doch wohl der Erwägung wert!

Zur Beantwortung der vierten Frage müssen wir nachsehen, was die Schrift über das Ausführen der Zeichen sagt. Dies ist mit der Auslegung von Markus 16,15-18 eng verknüpft.

Vorab dazu eine Bemerkung über Auslegungen, die von dem ausgehen, was in diesem Abschnitt nicht geschrieben steht. Es steht dort allerdings nicht, dass das Nachfolgen der Zeichen auf eine bestimmte Zeit begrenzt ist, aber ebenso wenig, dass sie den Gläubigen immer folgen werden. Sich darauf zu berufen, dass etwas nicht geschrieben steht, ist spekulativ, und Spekulationen in beide Richtungen weise ich ab. Wir müssen von dem ausgehen, was die Schrift explizit sagt und was sie andernorts darüber weiter entfaltet.

„… werden denen folgen, die glauben.“ Nun, es steht also dort, dass die Zeichen den Glaubenden folgen werden. Aufgrund dieser Stelle meinen einige Ausleger, dass allen Gläubigen die Ausübung von Zeichen verheißen ist. Andere meinen, dass diese Verse nicht mehr besagen, als dass Gläubige die Zeichen miterleben werden, die von den Verkündigern ausgeübt werden. Ich lasse beide Gedanken zunächst nebeneinander bestehen und stelle sie nur der Beurteilung anheim. Wichtig ist, dass wir den gesamten Textabschnitt beachten [Mk 16,15-18]. Er beginnt in Vers 15 mit dem Missionsauftrag „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung“. Dieser Auftrag wird den „Elf“ erteilt (Mk 16,14). Natürlich ist er nicht auf die „Elf“ beschränkt, aber zur Auslegung der nachfolgenden Verse ist es wohl wichtig, diese Aussage erst einmal auszuwerten. Alle Gläubigen sind damit aufgerufen, Zeugen des Herrn Jesus zu sein, und wir sehen, dass selbst jene, die verfolgt wurden, diesem Auftrag Gehör schenkten (Apg 8,4; 11,19-21), aber nicht alle Gläubigen wurden zum Predigen ausgesandt.

Im Weiteren zählt der Herr die Zeichen auf, die den Gläubigen folgen würden, und wir lesen die Erfüllung seines Auftrages in Apostelgeschichte 16,19.20: „Jene aber gingen aus und predigten allenthalben, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen.“

Wenn wir am Text bleiben, können wir nichts anderes sagen als dieses: Es gingen Prediger hinaus, und Gott bestätigte ihre Predigt, indem Er Zeichen geschehen ließ. Die Zeichen sind verbunden mit der Predigt!

Was sagt die Apostelgeschichte?

Das Hinausgehen der Prediger fand erst statt, nachdem der Herr auferstanden war, in den Himmel aufgefahren war und den Heiligen Geist gesandt hatte (vgl. Joh 15,26). Die Erfüllung von Markus 16,15-18 werden wir deshalb zuallererst in der Apostelgeschichte berichtet finden:

  1. Dem ersten Bericht begegnen wir in Apostelgeschichte 2,43, wo wir lesen: „Es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel.“
  2. Eine zweite Erwähnung in Apostelgeschichte 5,12: „Aber durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk.“

Dies ist eine Erfüllung des Gebets in Apostelgeschichte 4,29-31. Dort bitten die Gläubigen, dass die Knechte des Herrn das Wort Gottes mit aller Freimütigkeit verkünden möchten; die Erfüllung finden wir dann in Vers 31. Danach bitten sie, dass Gott seine Hand ausstrecken möge „zur Heilung und dass Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus“. Die Erfüllung hiervon finden wir in Apostelgeschichte 5,12; dort wird berichtet, dass die Apostel diese Zeichen bewirkten.

Eine besondere Erwähnung verdient Apostelgeschichte 5,15, denn dort steht, dass Kranke sogar dann gesund wurden,  wenn der Schatten von Petrus auf sie fiel. Es darf wohl auch darauf hingewiesen werden, dass Petrus einen Menschen aus den Toten auferweckte (s. Apg 9,32-41).

Die Bezeichnung „Apostel“ braucht nicht auf die Zwölf beschränkt zu werden; das können wir aus Apostelgeschichte 6,8 ableiten; dort lesen wir nämlich, dass Stephanus, voll Gnade und Kraft, große Zeichen und Wunder unter dem Volk tat. Stephanus war ein Gesandter für das Volk, der ein gewaltiges Zeugnis für den Herrn Jesus ablegte. Sein Zeugnis war auf Israel beschränkt und wurde durch seine Ermordung beendet. Im weiteren Verlauf lesen wir, dass Philippus nach Samaria hinabzieht und den Samaritern das Evangelium verkündigt. Die Menschen hören seine Predigt und sehen die Zeichen, die er tat (Apg 8,6.13). Das Wort „Apostel“ bedeutet „Gesandter“; in diesem Sinne können wir Stephanus und Philippus zu den Aposteln zählen.

Mit Recht verweist auch Ouweneel hierauf und erwähnt dazu das Beispiel der siebzig ausgesandten Jünger (Lk 10,1-20); seinen Hinweis auf das Sprachenreden der hundertzwanzig Jünger am Pfingsttag halte ich aber nicht für sachdienlich. Dort geht es nicht um eine Predigt, die durch Zeichen bekräftigt wird, sondern um ein Zeichen, dessen Bedeutung Petrus anschließend erklärt. Nebenbei will ich bei dieser Gelegenheit noch erwähnen, dass hier in real existierenden Sprachen gesprochen wurde.

Auch das Beispiel von Ananias führt nicht weiter. Auch hier gab es keine Predigt, die durch ein Zeichen bestätigt worden wäre, sondern Ananias wirkt ein Zeichen, das ihm um Paulus’ willen aufgetragen war. Auch dies ist ein Sonderfall, wobei es natürlich möglich ist, dass Ananias noch weitere Wunder bewirkte, was aber nicht berichtet wird. Und Sonderfälle sollte man nicht heranziehen, um eine allgemeine Lehre zu stützen.

Das Zeugnis der Apostelgeschichte geht weiter in Kapitel 13, wo Paulus und Barnabas durch den Heiligen Geist ausgesandt werden (Apg 13,4). Ihr Auftrag ist jetzt nicht mehr auf die Juden im Land oder auf die Samariter in ihrem Gebiet beschränkt. Das Evangelium geht jetzt in die ganze Welt, um „dem Juden zuerst als auch dem Griechen“ gepredigt zu werden.

Auf Zypern tat Paulus ein Zeichen, ohne dass es als solches bezeichnet wird. Durch die Hand des Herrn schlägt er nämlich Bar Jesus (auch Elymas genannt) mit Blindheit (Apg 13,10-12). Weiter lesen wir in Apostelgeschichte 14,8-11, dass Paulus einen Gelähmten heilt; zu beachten ist hierbei,

  1. dass er bei diesem Mann den Glauben erkannte, gerettet zu werden, und
  2. dass er ihm befahl, sich auf seine Füße zu stellen.

Paulus und Barnabas gehörten ebenso wenig wie Stephanus und Philippus zu den Zwölfen, die ausdrücklich Apostel genannt werden, aber in Kapitel 14 werden beide doch als Apostel bezeichnet (Apg 14,14; s. auch Apg 14,3.4). Von beiden heißt es in Apostelgeschichte 15,12, dass Gott „viele Zeichen und Wunder unter den Nationen durch sie getan hatte“.

Erwähnenswert ist schließlich noch, dass von Paulus ebenso wie von Petrus bezeugt wird, dass er außergewöhnliche Wunderwerke tat, denn Schweißtücher oder Schürzen von seinem Leib ließen Krankheiten weichen und böse Geister ausfahren (s. Apg 19,11.12). Auch weckte Paulus einen Toten auf, wie Apostelgeschichte 20,7-12 angibt. Man beachte, dass nicht irgendein anderer aus jenem Obersaal dies bewirkte, sondern ausgerechnet Paulus. Hiermit ist das Zeugnis der Apostelgeschichte zu Ende, aber es gibt noch mehr.

Die Zeichen eines Apostels

In 2. Korinther 12,12 steht ein wichtiges Wort des Apostels Paulus. Er schreibt dort: „Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch vollbracht worden in allem Ausharren, in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten.“ Dieses Wort würde allen Sinn verlieren, wenn jeder Gläubige solche Zeichen und Wunder verrichten könnte. Zeichen würden dann nicht mehr Kennzeichen der Apostelschaft sein („als-Prediger-ausgesandt“), sondern von Christen allgemein.

Die Schrift zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Zeichen auf die Verkündigung von Christen folgten, die ausgesandt waren, um die Botschaft des Evangeliums zu verbreiten, sich also in einer „Missionssituation“, einer Situation des „Gesandtseins“ befanden.

Nun kann man natürlich behaupten, dass der Ausdruck „die Zeichen des Apostels“ nicht bedeuten muss, dass es nur den Aposteln vorbehalten war, solche Zeichen zu tun, dass es sie einfach nur kennzeichnete: Ohne Zeichen bist du kein Apostel. Man kann es aber ebenso auch umdrehen und sagen: Wer predigt und auch Zeichen tut, muss dann offenbar wohl ein Apostel sein. Dann müsste man das Wort „Apostel“, wie schon angedeutet, etwas weiter auffassen: Jemand, der ausgesandt ist, um zu predigen; demnach wären auch Philippus und andere darin eingeschlossen.

Wenn Ouweneel schreibt, dass Markus 16,17 eine Verheißung ist, die jeder Gläubige auf sich beziehen kann (s. S. 120–121), dann löst er diese Stelle aus ihrem Zusammenhang und verfehlt die Belehrung der Apostelgeschichte und der anderen oben zitierten Schriftabschnitte. Auf Seite 121 rückt er von dieser Aussage etwas ab: Zuerst sagt er, alle Gläubigen könnten Zeichen in ihrem Glaubensleben erfahren, wenig später heißt es, dass diese nur von einigen Gläubigen regelmäßig in ihrem Dienst eingesetzt werden. Er grenzt also das zuerst Gesagte ein und beachtet auch nicht den bestätigenden Charakter der Zeichen im Blick auf die Verkündigung.

Was ist mit 1. Korinther 12?

Auf diesen Bibelabschnitt geht WJO im nächsten Kapitel ein; ich möchte allerdings in Anbetracht der obigen Überlegungen etwas vorausschicken. Die soeben von mir verteidigte Position, dass nämlich die Zeichen von Aposteln (im weiteren Sinn: unabhängig von Ort und Zeit „Ausgesandte“) ausgeführt wurden und werden, scheint durch 1. Korinther 12 ausgehöhlt zu werden. In den 1. Korinther 12,28-30 werden nämlich Gnadengaben der Heilungen und Arten von Sprachen (beide werden in Markus 16 zu den Zeichen gezählt) neben der Gabe von Aposteln genannt. Damit bekommen wir ein Problem, allerdings nur ein kleines, denn wir brauchen nur die Unterschiede zu beachten, die Paulus macht: einerseits die Zeichen eines Apostels und andererseits die Gaben in der Versammlung, die er hier zum Thema hat.

Zum Ersten schreibt der Apostel in 2. Korinther 12,12 in der Mehrzahl über die Zeichen eines Apostels, die er präzisiert als „Zeichen, Wunder und mächtige Taten“. Das entspricht völlig der Aufzählung in Markus 16,17.18. Hier in 1. Korinther 12 spricht der Apostel über eine einzelne Gabe, die einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine andere Gabe einer anderen Person, nicht über mehrere Gaben an eine einzige Person.

Zum anderen spricht Paulus in 1. Korinther 12 nicht über Zeichen, die die Verkündigung der Missionare begleiten, die in die Welt ausgesandt werden oder wurden, sondern über Gaben, die dem Aufbau bzw. der Erbauung der Versammlung dienen. Von 1. Korinther 11,17 bis 14,26 (oder 34) geht es um das Zusammenkommen der Gläubigen als Glieder des Leibes Christi sowie um die gegenseitige Erbauung. Eine Ausnahme macht der Apostel höchstens in 1. Korinther 12,22 für das Reden in Sprachen; das ist nämlich normalerweise für Ungläubige gedacht, die die Verherrlichung Gottes in ihrer eigenen Sprache hören sollen. Das ist dann für sie ein Zeichen dafür, dass das Heil auch den Nationen (oder Heiden) angeboten wird (vgl. Apg 2). In der Versammlung soll nur dann in Sprachen geredet werden, wenn ein Ausleger da ist, denn es geht ja um die Erbauung der Versammlung.

Was ich über Markus 16,14-20 und über 2. Korinther 12,12 ausgeführt habe, wird also durch 1. Korinther 12 keineswegs entkräftet.

Europa als Missionsfeld?

Es gibt Ausleger, die wegen des Abfalls vom Christentum Europa wiederum als Missionsgebiet ansehen. Wir würden demnach auch hier wieder „Zeichen, Wunder und mächtige Taten“ erwarten oder gar beanspruchen dürfen. Zunächst müssen wir festhalten, dass in verschiedenen europäischen Ländern immer noch ein treues christliches Zeugnis besteht. Der Abfall ist deshalb nur teilweise, nicht vollständig. Außerdem gilt, dass man zwar so denken kann, entscheidend ist aber allein die Frage, ob auch Gott, unser Herr, so darüber denkt und ob Er hier ein solches Mitzeugnis geben will durch Zeichen, Wunder und mächtige Taten, wie in der Apostelgeschichte beschrieben.

Größere Werke als diese

Nebenbei noch ein kurzes Wort über die Aussage des Herrn, dass die Jünger noch größere Taten vollbringen würden als Er selbst (Joh 14,12). Manche Gläubige verstehen das Wort „größer“ so, dass solche Zeichen geschehen sollten, die noch größeres Aufsehen erregen würden als die des Herrn. Hat aber jemals jemand etwas getan, das größer war als die Auferweckung des Lazarus, dessen Körper schon in Verwesung übergegangen war??

Andere sehen die größeren Werke in dem Ergebnis der Verkündigung, wobei Tausende zur Bekehrung kamen (oder kommen), wie etwa am Pfingsttag.

Ich selbst gebe folgenden Gedanken zur Erwägung: Wir können an die besonderen Werke denken, die durch Petrus geschahen, dessen Schatten auf Kranke fiel, die anschließend gesund wurden; oder an Paulus, dessen Schürzen und Schweißtücher auf Kranke gelegt wurden und ihnen Heilung brachten. So etwas hatte es bei dem Herrn nicht gegeben.

Wie schon gesagt gebe ich zu Kapitel 4 keine weiteren Kommentare; sie könnten womöglich von meinen genannten Hinweisen zu Markus 16,14-20 ablenken. Diese allerdings gebe ich ernstlich zu bedenken.

Die neuen Wundergaben (Kapitel 5)

Eine andere Auffassung

In Kapitel 5 bespricht WJO die in 1. Korinther 12 aufgezählten Wundergaben. Dabei weist er auch auf die entsprechenden Stellen in Epheser 4,11; Römer 12,6-8 und 1. Petrus 4,10 hin.

Es fällt auf, dass er auf Seite 133 eine völlig andere Auffassung verkündet als die, die er früher hinsichtlich der Gnadengaben hatte. Natürlich ist es möglich, dass jemand neue Gedanken entwickelt und so zu besserer Einsicht gelangt. Das Ändern der eigenen Auffassung verurteile ich nicht – das soll klar gesagt sein –, aber ich möchte dann auch deutlich vernehmen, aus welchen Gründen man seine Ansichten revidiert.

Ouweneel formuliert seine neue Auffassung so: Kein einziger Gläubiger „besitzt“ eine der neun Wundergaben von 1. Korinther 12 in dem Sinn eines stets vorhandenen Vermögens; jeder Gläubige kann aber für einen bestimmten Fall und für einen bestimmten Augenblick eine dieser neun „Gaben“ empfangen (S. 133).

Das ist eine deutliche Aussage, und ich möchte doch gern wissen, worauf WJO diese Auffassung gründet. Zunächst erhalte ich hierfür aber keinen biblischen Beleg, sondern nur die Meinung gewisser Personen.

Ouweneel zitiert Guy P. Duffield (1909–2000) und Nathaniel M. Van Cleave (1909–2002), die behaupten, dass niemand die Gabe der Heilungen hat … Niemand hat jemals die Gabe besessen, jede Krankheit zu heilen. Auch Jesus heilte manchmal alle Kranken, die zu ihm kamen, zu anderen Zeiten aber wurde Er in seinem Wirken gehindert, weil die Menschen zu wenig Glauben hatten (Mt 13,58).

Was ist das für ein nichtssagendes Argument! Hatte Christus zu gewissen Zeiten etwa nicht mehr die Gabe und Macht, um zu heilen – oder wurde Er nur gehindert, diese Macht auszuüben? Ich glaube das Letztere.

WJO zitiert auch einen Ausspruch von John Wimber (1934–1997) über die „Offenbarungen“ des Geistes. Diese Formulierung soll den „Augenblickscharakter“ der Gnadengaben betonen. Auch in diesem Wimber-Zitat vermisse ich eine saubere biblische Begründung.

Nuancierung …

Nach dieser forschen Aussage über die fall- und augenblicksbezogene Erteilung einer Gabe auf Seite 145 nuanciert Ouweneel weiter. Auch auf die Gefahr hin, dass dies unfreundlich klingt: Seine Aussage stimmt weder mit der Praxis noch mit der Schrift überein.

Hinsichtlich der Praxis sagt er also, dass manche Gläubige bestimmte Gnadengaben häufiger empfangen als andere. Seltsamerweise zählt er dann auf, es gebe Apostel und Propheten (Personen, die häufig Weissagungen empfangen), sodann Lehrer und Wunderkräfte (Personen, in denen sich Gottes Kraft häufig offenbart). Dies wendet er dann auch auf andere Gaben an.

Das ist aber pure Willkür. Von den Aposteln sagt er nämlich nicht, dass sie nur zu bestimmten Zeitpunkten und für bestimmte Dienste Apostel waren. Für sie müsste aber doch das Gleiche gelten!? So konsequent ist WJO nun auch wieder nicht. Bezüglich der Heilungsgabe wiederholt er zunächst, dass niemand diese Gabe hat, schreibt dann aber weiter, es gebe aber solche in der Gemeinde, die viel häufiger Heilungsgaben empfangen als viele andere … und diese seien besonders dazu berufen, sich dieser Aufgabe zu widmen.

Dies ist für mich reine Willkür und Spekulation. Wo lesen wir denn, dass jemand eine bestimmte Gabe häufiger bekommt als ein anderer? Nirgends! Auf diese Weise gelingt es Ouweneel aber, das Auftreten verschiedener Heiler zu rechtfertigen und sie zugleich dafür zu entschuldigen, dass sie in bestimmten Fällen die Heilung nicht vollführen können! Sie können sich dann hinter dieser Auslegung verstecken und sagen, sie hätten für diesen Moment und für diesen Fall die Gabe der Heilung eben nicht zugeteilt bekommen.

Ich berufe mich ungern auf Erfahrungen, aber ich könnte hier etliche Personen nennen, die sehr wohl eine bestimmte Gabe besitzen oder besaßen – und zwar nicht nur für einen Moment, sondern immer! Viele kennen, wie ich, Brüder in ihrer Gemeinde, die echte Lehrer waren, „Vollbluthirten“, Schwestern, die durch die Gabe der Barmherzigkeit gekennzeichnet waren usw.

Dessen ungeachtet kann es natürlich einen Gabenwechsel im Sinne des Wachstums geben. Ein Evangelist kann zum Beispiel weiter wachsen zu einem Lehrer; er hat dann aber diese Gabe nicht nur für einen bestimmten Augenblick oder Fall bekommen.

Was sagt die Schrift?

Wie gesagt steht Ouweneels Auffassung auch im Widerspruch zur Schrift. Auch hier bringt er Unterschiede an, und ich muss leider sagen, dass er sich die Schrift zugunsten seiner eigenen Darlegung zurechtbiegt.

Nachdem er dargelegt hat, dass es Personen gibt, in denen sich die Kraft Gottes häufiger offenbart, sagt er dann: „In diesem Sinn ist der eine ein Fuß, der andere eine Hand, ein Auge oder ein Ohr.“ Damit beschränkt er die Aussage der Schrift.

Beim Lesen von 1. Korinther 12,4-11 merken wir, dass Gott dem einen diese Gabe gibt, einem anderen oder dem nächsten eine andere Gabe. Nichts lesen wir von einem zeitlichen Charakter einer solchen Gabe bzw. dass eine Gabe nicht an eine Person gebunden wäre.

In 1. Korinther 12,12 wird das Bild des menschlichen Körpers vorgestellt und gesagt, dass der Leib viele Glieder hat. Danach wird die Betonung auf die Einheit dieses Leibes gelegt. Schließlich sagt der Apostel, dass dies genauso auch für den Leib des Christus gilt. Im Weiteren arbeitet Paulus dieses Bild aus: Der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Er nennt den Fuß, die Hand, das Ohr und das Auge. Ist der Fuß etwa nur in einen bestimmten Moment Fuß, um laufen zu können? Und wie ist es mit dem Auge? Erhält es in einem bestimmten Fall die Sehfähigkeit und im nächsten Augenblick kann es hören? Niemals! Ein Fuß ist und bleibt ein Fuß, ein Auge ist ein Auge und bleibt ein Auge.

Dieses Bild eines gewöhnlichen Körpers überträgt der Apostel nun auf die Versammlung, den Leib Christi. Schon in Vers 25 wird das angedeutet, aber in Vers 27 wird klar gesagt: Ihr seid der Leib Christi und Glieder im Einzelnen. Was für den menschlichen Leib gilt, gilt deshalb ebenso auch für den Leib Christi. Wer dort ein Fuß ist, ist ein Fuß, ein Auge ist ein Auge usw. (1Kor 12,25.27).

Das Zurechtbiegen der Schrift zeigt sich bei WJO in seiner Aussage, dass jemand in diesem Sinn ein Fuß sei usw. So lässt er die Schrift etwas anderes sagen als das, was wirklich geschrieben ist!

Danach zählt der Apostel verschiedene Gaben auf und stellt fest, dass nicht alle Apostel, Propheten, Lehrer usw. sind. Wenn es nach Ouweneel geht, kann jeder Gläubige in einem bestimmten Augenblick Lehrer, Prophet usw. sein. Das widerspricht völlig dem, was der Apostel in 1. Korinther 12,28-31 sagt.

Dass niemand aus sich selbst heraus einen bestimmten Dienst ausführen kann, ist natürlich vollständig klar. Auch dass es letzten Endes nur Gott ist, der eine Heilung bewirkt, ist ebenso eine Tatsache. Aber es ist auch ebenso eine Tatsache, dass Gott für bestimmte Dienste Menschen gebraucht und sie für diesen Dienst mit einer (bleibenden) Gabe ausrüstet.

Um seine Lehre der augenblicks- und fallbezogenen Erteilung der Gaben zu beweisen, führt Ouweneel dann Beispiele aus dem Alten Testament an. Hier gilt, was ich schon früher gesagt habe: bei manchen seiner Aussagen sage ich: „O.k.“, bei anderen aber: „Ja und?“, oder: „Aha!?“ Aufs Ganze gesehen enthält seine weitere „Beweisführung“ nichts wirklich Konstruktives.

Selbstverständlich kann Gott einem Gläubigen deutlich machen, was in einem bestimmten Moment getan werden muss (s. Kap. 5.2.1); ist das aber dasselbe, wie „das Wort der Weisheit“ zu geben? Oder geht es in dieser Stelle nicht eher um Gläubige, die in ihren Äußerungen durch Weisheit gekennzeichnet sind?! Bezüglich des „Wortes der Erkenntnis“ können wir das Gleiche sagen. Es geht hierbei ja nicht einfach darum, etwas zu kennen, zu wissen, was los ist, sondern darum, dass der Geist einer Person das „Wort der Erkenntnis“ gibt; damit ist der Dienst des Wortes gemeint, den jemand empfangen hat.

Zusammengefasst: Der Herr gibt uns in 1. Korinther 12 eine Belehrung, und dabei entdecken wir nicht, dass es eine Mitteilung von Gaben in bestimmten Situationen gibt, sondern die Zuteilung bestimmter Fähigkeiten, die jeweils in Abhängigkeit vom Herrn ausgeübt werden sollen.

An dieser Stelle ist es wohl angebracht, etwas über die drei Arten zu sagen, in denen Paulus über Gaben spricht:

  • Im Römerbrief behandelt er die Rechtfertigung aufgrund des Glaubens. Ab Kapitel 12 spricht er über das praktische Leben der Gläubigen. Sie sollen ihre Leiber als lebende Opfer Gott darbringen und in ihrem Denken verändert werden. Sie sollen bescheiden denken und erkennen, dass sie Glieder eines Leibes sowie auch Glieder voneinander sind. In diesem Bewusstsein sollen sie ihre Gaben ausüben und sich auch klarmachen, dass die Glieder nicht alle denselben Auftrag haben. Der eine hat diese, der andere jene Gabe. Dieser Unterschied ist, ebenso wie in 1. Korinther 12, kennzeichnend für den Leib.

    Bei der Aufzählung der Gaben werden hier nicht die „Wundergaben“ genannt, wie das Sprechen oder Auslegen von Sprachen, das Heilen usw., sondern solche Gaben, die im weiteren Sinn das Gemeindeleben betreffen, wie zum Beispiel das Mitteilen oder das Erweisen von Barmherzigkeit. Wir müssen das im weitesten Sinn verstehen, es bezieht sich auf praktische Hilfeleistungen wie das Erledigen von Besorgungen für jemand und dgl. ganz alltägliche Dinge. Zwar ermahnt Paulus die Jünger, aber seine Anweisungen sind in erster Linie erzieherisch gemeint.

  • In der Versammlung von Korinth musste der Apostel einiges zurechtrücken – auch bezüglich des Gebrauchs der Gaben. Sein Schreiben an diese Versammlung ist in dieser Hinsicht ebenfalls ermahnend, hier aber korrektiv. In 1. Korinther 14 kommt dies besonders deutlich zum Ausdruck. Viele übersehen das, wenn sie Stellen aus diesem Kapitel auslegen, indem sie positiv auffassen, was ironisch gemeint ist. Wir kommen darauf noch zurück.

  • Im Epheserbrief spricht Paulus wieder ganz anders über Gaben. In Epheser 4 geht es nicht um Gaben, die einer bestimmten Person in der Versammlung gegeben sind, sondern um Personen, die einer Gemeinde als Geschenk gegeben worden sind. Diese Gaben sind zur Auferbauung der Gemeinde notwendig. Es gibt solche, die grundlegende Arbeit tun (= Apostel und Propheten); solche, die zu der Gemeinde hinzufügen (= Evangelisten); und solche, die aufbauend tätig sind (= Hirten und Lehrer). Hier spreche ich deshalb von Gaben in konstruktivem Sinn.

Ich will diese drei Arten nicht weiter ausarbeiten, es geht mir jetzt nur um eine knappe Information über den Unterschied zwischen diesen drei Arten, die Gaben vorzustellen.

Krankheitsmächte (Kapitel 6)

Allgemeine Vorbemerkungen

In diesem Kapitel behandelt WJO den Zusammenhang zwischen Krankheiten und (dämonischen) Mächten, die Krankheiten bewirken.

Zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen:

  1. Ouweneel geht hier ziemlich genau vor und warnt in zwei Richtungen vor extremen Standpunkten. Er stellt nämlich klar, dass nicht alle Krankheiten durch dämonischen Einfluss verursacht sind. Außerdem weist er darauf hin, dass infolge der gewachsenen Kenntnis heute viel mehr Heilungen durch ärztliche Bemühungen zustande kommen als früher (S. 172f). Andererseits sagt er auch, das dämonischer Einfluss bei Krankheiten häufiger vorkommt, als viele Menschen denken. Diesen Aspekt betont er meines Erachtens aber zu stark; das ist zwar verständlich, weil dies nach seiner Meinung ein in der Christenheit vernachlässigter Aspekt ist. Aber wie oft kommt es denn tatsächlich vor, dass Aids oder Krebs mit dämonischem Einfluss zusammenhängen? Mir scheint dieser Zusammenhang doch sehr gering zu sein.

  2. Zum Zweiten stelle ich fest, dass Ouweneel sich auf seine persönliche Erfahrung und auf die Meinung von „Heilungsdienern“ beruft (6.1.2). Wir wollen das auf sein Wort hin so stehen lassen, aber ich hege hierbei doch starke Bedenken. Beim Gebrauch des Internet zum Beispiel muss man sehr vorsichtig sein, denn es werden unter Verwendung von Zitaten manchmal sehr negative Dinge über bestimmte Heiler mitgeteilt (man braucht nur mal das Programm Google zu benutzen). Auf der anderen Seite kann man natürlich auch nicht alles einfach unbeachtet lassen und als Lüge oder Lästerung abtun.

  3. Drittens fällt es mir auf, dass Ouweneel bei der Darstellung seiner Meinung häufig Wendungen benutzt wie ‚es scheint‘, ‚es kann sein‘ oder ‚wahrscheinlich‘; das klingt zwar einigermaßen zurückhaltend, andererseits sind solche Ausdrücke aber suggestiv.

Zehn biblische Beispiele für eine Verbindung zwischen Krankenheilung und dämonischem Einfluss (S. 167–170)

  1. Das Beispiel Hiobs (s. meine frühere Bemerkung hierzu) scheint mir zu speziell zu sein, um als „Beweis“ für die Entstehung von Krankheiten durch dämonischen Einfluss zu dienen. Das Gespräch zwischen Gott und Satan zeigt nur, warum Gott dem Satan erlaubte, Hiobs Gesundheit (in zweiter Instanz) anzutasten.

  2. Bei der Besprechung von Lukas 6,19 möchte ich den Unterschied zwischen der Heilung von Kranken und der Heilung von solchen, die von unreinen Geistern gequält werden, stärker betont sehen – dies vor allem im Blick auf Lukas 6,18. Der für sich allein stehende Fall von Lukas 9,42 kann nicht herangezogen werden, um diesen allgemeinen Unterschied aufzuheben oder abzuschwächen. In Bezug auf diesen Unterschied gebe ich die folgende Übersicht:

    1. Dieser Unterschied wird an etlichen Stellen vermerkt, unter anderem in Matthäus 4,23.24 (Lk 6,18); Matthäus 8,16.17 (Mk 1,32-34; Lk 4,40.41); Matthäus 10,1.2.8 (Mk 6,13; Lk 9,1); Markus 3,11; 16,17.18; Lukas 8,2; Apostelgeschichte 5,15.16; 19,12.

    2. Andere Stellen sprechen ausschließlich von Kranken: Matthäus 8,5-13 (Lk 7,1-10; Joh 4,46); Matthäus 9,35 (wenn wir unter „Gebrechen“ hier auch das Leiden unter bösen Geistern verstehen müssen, dann fällt diese Stelle unter Punkt (a)); diese Annahme ist allerdings zweifelhaft, denn in Matthäus 10,1 wird das Behaftetsein mit einem „Gebrechen“ von dem Leiden unter bösen Geistern unterschieden); des Weiteren Matthäus 14,14.35.36 (Mk 6,53-56); Matthäus 25,36 (hier kann keinesfalls von Besessenheit gesprochen werden); Markus 6,5; 7,31-37.56; Lukas 5,15; 10,9; Johannes 5,1-18; 6,2; 11,1-3; Apostelgeschichte 3,1-11; 9,37; 28,8.9.

    3. Außerdem gibt es verschiedene Fälle, wo böse Geister ausgetrieben werden, ohne dass von Krankheit die Rede ist: Matthäus 8,28-32 (Mk 5,1-13; Lk 8,26-33); Matthäus 15,25 (Mk 7,24); Markus 1,23-26 (Lk 4,31-37).

    In Apostelgeschichte 10,38 scheint (!), so sagt WJO, dämonische Belastung mit Krankheit gleichgesetzt zu werden, das heißt aber noch nicht, dass dies wirklich der Fall ist. Außerdem wird vorher gesagt, dass Jesus „wohltat“, und das könnte möglicherweise auch die Heilung von Kranken einschließen. Wie dem auch sei, der Schluss, den WJO zieht, geht meines Erachtens zu weit.

  1. Ouweneel zieht eine Folgerung aus der Tatsache, dass in Lukas 7,21 die bösen Geister genannt werden, in Lukas 7,22 aber nicht. Und zwar schließt er daraus, dass hier wahrscheinlich Blinde, Lahme usw. von bösen Geistern geheilt worden sind. Diese Folgerung ist sehr spekulativ, was schon durch das Wort „wahrscheinlich“ zum Ausdruck kommt.

  2. Das Gebundensein durch Satan, von dem Lukas 13,11 spricht, muss nicht bedeuten, dass diese Frau dämonisch gebunden war; es kann auch bedeuten, dass Satan sie – wie bei Hiob – durch die Krankheit gebunden hatte.

  3. Allerdings kommt die Kombination von Stummheit, Taubheit und Besessenheit in der Schrift vor (s.o. mein Punkt (c)), man beachte aber, dass es dabei nur um einzelne Fälle geht.

  4. Der Ausdruck „bedrohte“ in Lukas 4,39 ist in der Tat auffallend. Den Nachdruck allerdings darauf zu legen, dass das Fieber „sie verließ“ – mit dem unausgesprochenen Gedanken, dass sie von einem unreinen Geist besessen gewesen war –, halte ich wiederum für spekulativ. Es kann ebenso sein, dass der Herr das Fieber bedrohte, weil Satan diese Frau krank gemacht hatte oder auch weil der Herr Krankheit als ein Übel betrachtete, das durch Satans Aktivität in die Welt gekommen ist.

  5. Die Unterstellung, der Taubstumme in Markus 7,31-37 könnte besessen gewesen sein, weil Jesus bei der Heilung dieses Mannes seine Finger in dessen Ohren legte und weil in Lukas 11,20 steht, dass der Herr durch den Finger Gottes die Dämonen austrieb, ist wieder vollkommen spekulativ. Ouweneel springt hier vom wortwörtlichen Gebrauch der Finger zu der geistlichen Verwendung des Ausdrucks „Finger Gottes“, der nichts anderes bedeutet als die Macht Gottes (vgl. 2Mo 8,19).

  6. In Apostelgeschichte 19,12 steht, dass Schweißtücher auf die Kranken gelegt wurden und dann die Krankheiten verschwanden und die bösen Geister ausfuhren. Ouweneel liest diese Stelle, als ob dort stünde, die Geister hätten die Kranken verlassen, aber das steht dort nicht! Das Wort „und“ fügt zwei Dinge kurz zusammen, aber damit werden „Krankheit“ und „Besessenheit“ durchaus nicht als ein und dasselbe betrachtet (s. o. Punkt (a)). Ouweneel will offenbar etwas in diese Stelle hineinlesen, was nicht da steht, um seine Meinung darauf gründen zu können. Das gilt auch für sein Argument, das sich auf Matthäus 8,16 gründet; zu beachten ist auch hier der Ausdruck „scheint“.

  7. Das Überliefern an den Satan (1Kor 5,5) kann natürlich beinhalten, dass die Person krank wurde, das heißt aber noch lange nicht, dass bei jeder Krankheit der Satan mit im Spiel ist. Das sagt WJO auch nicht; dieser Punkt hat somit keine allgemeine Aussagekraft.

  8. Im Tausendjährigen Reich, wenn der Satan gebunden ist, wird es keine Krankheit mehr geben. Ouweneel will hier nun einen Zusammenhang herstellen. Er benutzt diese Tatsache als Beweis für die Behauptung, mit der er die zehn Punkte begann: dass es nämlich eine Verbindung gebe zwischen Krankheit und Dämonen (s. S. 181). Und dennoch gibt es im Tausendjährigen Reich noch Sterbefälle, und Heilung gibt es nur für solche, die zu dem Volk Gottes gehören (den Bewohnern des Landes), sowie für diejenigen, die den Namen des Herrn fürchten (s. Jes 33 und Mal 3).

Mit diesen Hinweisen habe ich versucht, den besonderen Nachdruck, den WJO auf die Verbindung zwischen Krankheiten und geistlichen Mächten legt, mit den biblischen Aussagen darüber in Einklang zu bringen. Diese Übereinstimmung fehlt leider bei WJO.

Die Abschnitte 6.1.2 über die Erfahrungen von „Befreiungsdienern“ sowie 6.1.3 über (die) Natur und Geister belasse ich der Verantwortung Ouweneels. Hinweisen möchte ich nur auf die Verwendung von Ausdrücken wie „es sieht danach aus …“, „könnten“ und ähnliche auf Seite 173; hierauf habe ich in meiner allgemeinen Einleitung schon hingewiesen. Hinter solchen Formulierungen kann man sich schön verstecken. In einer Abhandlung, in der man neue Gedanken vorstellen will, darf man sie meines Erachtens nicht verwenden.

Bei Abschnitt 6.2.1 will ich die Aufmerksamkeit noch auf die Fußnote 12 lenken. Einige der dort zitierten Stellen lassen keinen Zusammenhang mit Krankheiten erkennen, ebenso wenig mit okkulten Einflüssen. Sie zeigen allein (und das ist ja auch wichtig genug), dass wir vor Satan und seinen Untertanen auf der Hut sein müssen. Auf Seite 175 unten und Seite 176 weist Ouweneel zwei einseitige Annäherungsweisen zurück.

Zu der Anführung aus 2. Mose 15,26 („Ich bin der Herr, der dich heilt“) möchte ich nebenbei noch vermerken, dass es sich hier um das Auferlegen (oder auch Ersparen, wie bei Davids Volkszählung) der Krankheiten handelt, die Gott mit den zehn Plagen den Ägyptern auferlegte. Das bezieht sich nicht auf geringfügige Alltagszipperlein, aber auch nicht auf schwere Krankheitsfälle, die dann und wann die Gläubigen befallen. Man sollte schon genau hinsehen, was in diesem Vers steht!

Zu 6.3.1 möchte ich den Leser an die ungegründete Aussage von WJO über die rhetorische Unfähigkeit Moses (2Mo 4,11) erinnern, die er hier wiederholt und dabei (wie schon vermerkt) sogar von „Heilung“ spricht! In diesen Vers legt Ouweneel Sachen hinein, die überhaupt nicht da stehen. Ich wiederhole: Er biegt sich den Text zurecht, damit er seiner Argumentation entspricht! Diese Tendenz meine ich in diesem 6. Kapitel auch bei anderen Stellen wahrzunehmen, die von WJO angeführt werden.

Was Ouweneel in 6.3.2 sagt (dass man unbedingt ein Wunder sehen will), ist an sich wohl zutreffend; wir müssen in der Tat aufpassen, dass wir nicht mit einer „natürlichen Erklärung“ ein echtes Wunder wegdiskutieren oder es gar dem Satan zuschreiben. Etwas anderes ist es, dass wir die Echtheit eines Wunders wohl prüfen dürfen.

Über die Frage, was der „Dorn für das Fleisch“ für Paulus bedeutete (Kap. 6.4), wird es wohl immer Meinungsunterschiede geben. Ich möchte aber doch anmerken, dass dieser Dorn ein ganz bestimmtes Ziel hatte, nämlich der Selbstüberhebung entgegenzuwirken. Auf jeden Fall war es etwas sehr Unangenehmes, das Gott nicht weggenommen hat. Für uns enthält dies sicher diese Lektion, dass Gott auch in unserem Leben bestimmte Dinge (wozu auch Krankheiten zählen können) bestehen lässt, um uns dadurch geistlich zu erziehen. In solchen Situationen sollten wir nicht danach trachten, uns zu „beruhigen“, sondern Gottes Weg anzunehmen, damit Er mit uns sein Ziel erreicht.

In Kapitel 6.5.1 behandelt WJO die Notwendigkeit des Befreiungsdienstes, und entsprechend dem vorangehenden Abschnitt versteht er darunter wohl das Austreiben von Dämonen, die hinter einer Krankheit verborgen sind. Demnach geht es also um Menschen, die nicht nur durch dämonischen Einfluss „verunreinigt“ sind, sondern die von Dämonen „besetzt“ sind (ein Ausspruch von A.v.d. Sande).

Ouweneel führt in diesem Zusammenhang Jakobus 3,13-18 an. Auch hier legt er meines Erachtens mehr in den Text hinein, als er wirklich enthält. In Vers 13 steht die Frage, wer unter den Lesern weise ist; danach folgt der Aufruf, Werke der Sanftmut und Weisheit zu zeigen. Als Gegensatz dazu nennt der Apostel Neid und Streitsucht, die einer anderen Art von Weisheit zugehören, nicht der Weisheit von oben, sondern einer irdischen, ungeistlichen, teuflischen Weisheit. Damit ist der Ursprung dieser Weisheit angegeben; das beinhaltet aber noch nicht dämonische Besessenheit. Für solche bösen Dinge ist kein Befreiungsdienst nötig, sondern ein gründliches Verurteilen und Entfernen aus dem Herzen.

Dasselbe kann man über 2. Timotheus 2,26 sagen. Auch hier geht es nicht um besessene Menschen, sondern um Personen, die von Satan verführt worden sind. Ihre Gesundung geschieht nicht durch Teufelaustreibung, sondern durch Zurechtweisung (s. 2Tim 2,19), die von Gott zu ihrer Umkehr eingesetzt wird. Ich habe auch hier den Eindruck, dass WJO die Bibelstellen im Sinne seiner „Beweisführung“ zurechtbiegt.

In 6.5.2 behandelt WJO die Wirkung von Dämonen, die er deren „Vererbung“ nennt. Von Krankheiten sagt er, dass sie erblich genannt werden, weil sie von Generation zu Generation in einer Familie vorkommen. Das ist ja eine bekannte Erscheinung. Die eine Seite dieses Themas behandelt er nun sehr genau und stellt fest, dass die Vererbung eine biologische Grundlage hat. Es ist aber möglich, so Ouweneel dann, dass es auch geistliche Ursachen gibt, ja, sogar wenn eine biologische Begründung vorliegt, müsse immer untersucht werden, ob nicht auch eine geistliche Ursache mit im Spiel ist. Gerade das wird hier nun stark betont, und Ouweneel beruft sich wieder auf die Erfahrung von Befreiungsdienern, die besagt, dass Dämonen von sterbenden Personen am ehesten auf nahe Familienangehörige der Sterbenden übergehen. Da muss ich dann sofort wieder fragen, wie zuverlässig die Aussagen solcher Zeugen sind.

Ouweneel spricht hier offensichtlich über Besessenheit, nicht etwa über satanische Verführung. Auch jetzt stellt er ganz richtig fest, dass ein solches „Überspringen“ nur möglich ist, wenn die betreffende Person dafür offensteht. Ist aber dieses Offensein einfach schon dadurch gegeben, dass jemand „im Fleisch“ ist? Kann diese Öffnung unbewusst geschehen? Ich denke, dass so etwas nur möglich ist, wenn man sich ganz bewusst mit okkulten Dingen beschäftigt. Mittlerweile bringt Ouweneel so manchen Leser zu einer ungesunden Selbstbeobachtung, wodurch man Gefahr läuft, sich gerade der Wirkung Satans zu öffnen.

Dass dämonische Geister eine Behausung suchen, können wir ableiten (wie wir es immer getan haben) aus dem Bericht über den Besessenen im Land der Gadarener. Beachte aber, dass diese Dämonen nicht einfach so überspringen; sie bitten ausdrücklich darum, nicht in den Abgrund geschickt zu werden, und sie sind abhängig von der Zustimmung des Herrn, um in die Schweine fahren zu dürfen. Diese haben sich doch bestimmt nicht für diesen Umzug geöffnet! Dies ist somit ein ganz besonderer Fall. In den anderen Fällen von Dämonenaustreibung lesen wir nichts von einem solchen Umzug!

Konkretere Auskunft bietet dazu die Stelle aus Matthäus 12,43 (S. 189). In diesem bestimmten Fall fährt der Dämon von dem Menschen aus, sucht dann Ruhe und findet sie nicht. Er geht dann zurück zu seiner ersten Behausung und findet sie gereinigt und geschmückt. Man beachte genau: Das Haus ist jetzt „leer“! Es ist nichts für Gott Wertvolles zu finden. Der Geist Gottes wohnt nicht darin! Dann nimmt er mit sieben anderen Geistern wiederum Einzug in dieses leerstehende Haus, und das Letzte dieses Menschen ist schlimmer als das Erste. So kann es also geschehen bei wirklich Besessenen, von denen der böse Geist ausgefahren ist. Und wie ist das passiert? Etwa auf Eigeninitiative des unreinen Geistes? In solchen Fällen ist es unbedingt nötig, dass das „Haus“ mit guten Dingen gefüllt wird, das heißt mit den Dingen des Geistes Gottes; sonst kann der Mensch in eine bedrohlichere Situation kommen als vorher.

Aber nun geht es weiter; am Ende sagt der Herr: „So wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen.“ In Israel wirkte der unreine Geist des Götzendienstes. Dieser Geist ist ausgezogen – das ist zum Beispiel nach der babylonischen Gefangenschaft geschehen. Stattdessen kam bald ein toter Gottesdienst, das „Haus“ Israel blieb leer, und ihren Messias haben sie verworfen. In der Zukunft wird der unreine Geist allerdings zurückkehren, und dann wird ein schlimmerer Götzendienst vorhanden sein als früher. Das wird in der Zeit des „Tieres“ geschehen, von dem in Offenbarung 13 gesprochen wird.

Bedeutet das nun, dass das Volk allein aus Besessenen besteht? Ich glaube nicht, dass wir das so sehen müssen. Wohl schließt es ein, dass das Volk sich dann von Satan leiten lässt. Wir müssen nämlich unterscheiden zwischen wirklicher Besessenheit und einem Sichbewegen in der Machtsphäre Satans.

Ein Beispiel dafür haben wir in dem Fall von Ananias und Sapphira. Nichts steht davon geschrieben, dass dieses Ehepaar besessen gewesen sei, sondern dass der Satan ihr Herz erfüllte, so dass sie den Heiligen Geist belogen. Es geht hierbei nicht um Besessenheit, sondern um die Wirkung Satans in ihren Herzen. Dasselbe trifft auf Judas zu. Dieser Jünger war kein Besessener, sondern er öffnete sich der Wirkung Satans und verriet seinen Meister (Joh 13,2).

WJO hatte schon vorher auf Seite 189 bis 190 vorgetragen, dass dämonische Einflüsse bis in die dritte und vierte Generation weiterwirken können. In der dazu gehörigen Anmerkung Nr. 50 verweist er auf folgende Schriftstellen: 2. Mose 20,5; 34,7; 4. Mose 14,18; 5. Mose 5,9. Diese Stellen sagen aber nichts über das Weiterwirken dämonischer Einflüsse, sondern nur über die Tatsache, dass Gott die Ungerechtigkeit der Väter an den Kindern heimsucht, und zwar bis ins dritte und vierte Geschlecht. Dieses Zitat aus den Zehn Geboten sollten wir aber nicht bei der Erwähnung des vierten Geschlechts beenden, denn nach diesem Ausdruck folgen hier (wie auch in 5. Mose 5,9, wo die Zehn Gebote wiederholt werden) die Worte „derer, die mich hassen“.

Anlässlich einer Frage zu dem von der Stiftung Wat zegt de Bijbel? („Was sagt die Bibel?“) herausgegebenen Bibelkurs habe ich seinerzeit folgende Antwort gegeben:

Gott straft niemals „einfach so“ die Kinder für die Sünden ihrer Väter. Im Gesetz heißt es, dass die Väter nicht wegen der Sünden ihrer Kinder und die Kinder nicht für die Sünden ihrer Väter getötet werden dürfen (5Mo 24,16; 2Chr 25,4; Hes 18,20).

Beachte, dass in 2. Mose 20,5 nicht vom „Vater“ in der Einzahl gesprochen wird, auch nicht nur von den unmittelbaren Vätern, sondern allgemein von den Vätern. Damit ist nicht nur der direkte Vater, sondern auch der Großvater usw. gemeint. Es geht also darum, dass die Sünden der (Vor-)Väter an ihren Kindern, das heißt ihren Nachkommen heimgesucht werden. Es ist aber zu beachten, was dabei steht: „derer, die mich hassen“. Mit anderen Worten: Wenn die Nachkommen in den Sünden ihrer Väter wandeln, dann werden deren Sünden auch an ihren Nachkommen heimgesucht.

Siehe hierzu auch Matthäus 23,34.35; dort sieht man, dass dieser Grundsatz auch in bildlichem oder geistlichem Sinn zutrifft. Obwohl die Juden nicht von Kain abstammen, wird das Blut Abels doch von ihrer Hand gefordert werden; sie sind nämlich geistlicherweise Nachkommen Kains, der seinen Bruder ermordet hat. So haben sie ihren Bruder, Jesus Christus, ermordet, und deswegen wird die Sünde Kains ihnen zugerechnet!

In diesem Zusammenhang ist es nützlich, das ganze Kapitel Hesekiel 18 in Ruhe durchzulesen. Das Kapitel beginnt mit dem Vorwurf, dass die Väter unreife Trauben gegessen haben und dass Gott diese Tatsache auf ihre Kinder gelegt habe, die deswegen stumpfe Zähne bekommen hätten. Man beachte, wie Gott diese Anschuldigung widerlegt!!

Das Heimsuchen der Sünden an den Nachkommen schließt ein, dass Gott den Nachkommen die Sünden der Väter zurechnet. Auf Seite 190 weist Ouweneel mit Recht darauf hin, dass Kinder für die Sünden ihrer Väter nicht bestraft werden, aber dass sie wohl einen Schaden davontragen. Dieses Erfahren eines Schadens ist zwar völlig zutreffend, aber das ist es nicht, was mit „Heimsuchen der Sünden“ bis ins dritte und vierte Geschlecht gemeint ist. Das nämlich schließt ein, dass sie für die Sünden ihrer Vorväter als mitverantwortlich angesehen werden, das heißt, dass ihnen diese Sünden zugerechnet werden!! Die Stellen aber, die in Anmerkung 50 angegeben werden, haben nichts zu tun mit einem Fortwirken von dämonischen Einflüssen.

Auf Seite 190 oben spricht WJO auch über Verfluchungen, die auf nachfolgende Generationen fortwirken. In Anmerkung 51 nennt er dazu folgende Stellen:

  • 1. Mose 9,24. Hier wird der Fluch wiedergegeben, den Noah über Kanaan ausspricht. Von diesem Fluch sind auch die Nachkommen Kanaans betroffen. Die Tatsache, dass er ein Knecht Sems werden soll, sehen wir darin erfüllt, dass Israel die Kanaaniter unterwirft und ihr Land in Besitz nimmt. Das aber hat nichts mit einem dämonischen Einfluss oder mit einer Erbschaft solcher Einflüsse zu tun; diesen Zusammenhang versucht Ouweneel aber herzustellen.

  • 5. Mose 28,41.46.59. In diesen Stellen geht es um den Fluch des Bundes, den Israel zu erwarten hat, wenn es den Bund nicht hält. Es wird von traurigen Ereignissen gesprochen, die im Verlauf der Zeiten über Israel kommen werden. Sogar gottesfürchtige Israeliten würden unter diesen Ereignissen zu leiden haben, wie wir bei Daniel und seinen drei Freunden sehen, die nach Babylon verschleppt wurden. Auch diese Stellen sagen nichts über ein Erben dämonischer Einflüsse.

  • 5. Mose 30,19. Auch diese Stelle spricht über den Segen und den Fluch, der über Israel kommen wird, je nachdem, ob sie dem Herrn dienen oder sich von Ihm abwenden. Die anderen Stellen aus Josua und 2. Samuel reden über schreckliche Dinge, von denen ganze Familien (wie bei Achan) betroffen wurden, und wir können auch durchaus Schwierigkeiten mit diesen Stellen haben; über das sogenannte Erben von dämonischen Einflüssen sagen sie allerdings nichts – genau darum aber geht es in 6.5.2, Punkt 3.

Dass Flüche über Generationen hinweg fortwirken können, ist eine Tatsache; der Fluch aber, den Gott mit dem Bund verbunden hat, wirkt so lange weiter, wie das Volk von dem Bund abweicht, und er wird erst unterbrochen, wenn das Volk seine Schuld bekennt. In diesen Fällen werden die Sünden der Väter an den Nachfahren heimgesucht, weil diese in den Sünden der Väter weiterlebten. Den nachfolgenden Geschlechtern werden dann die Sünden der Vorväter zugerechnet, wie es auch bei den Amalekitern, den Ammonitern und den Moabitern war (5Mo 23,5), aber das hat – um es noch einmal zu sagen – nichts mit geistlicher Vererbung zu tun.

Oben auf Seite 190 finden wir die Aussage, dass jeder von uns dreißig Vorfahren hat, die beispielsweise die Folgen ihrer okkulten Kontakte auf uns übertragen haben können. Eine solche Rechnerei widerstrebt mir zutiefst; wichtiger aber ist, dass auch hier wieder die von Ouweneel in Anmerkung 52 angeführten Stellen nichts mit einem Übertragen okkulter Kontakte zu tun haben. Es geht in diesen Stellen lediglich um das Bekennen der eigenen Sünden und derer der Vorväter. Auf Israel lastete der Fluch des Bundes, weil es von dem Weg des Herrn abgewichen war. Völlig zu Recht haben gläubige Israeliten ihre eigenen Sünden und die ihrer Väter bekannt. Sie waren durch diesen Fluch keineswegs okkult belastet, aber sie haben sich der Tragweite dieses Fluches unterstellt; man sollte hierzu noch einmal 5. Mose 28,15ff. lesen. Wenn Israel seine Schuld bekannt hätte, wäre es nicht etwa von einer okkulten Belastung befreit worden, sondern von den Folgen des Fluches; sie wären wieder in ihr Land zurückgeführt worden und hätten (statt des Fluches) den Segen des Bundes empfangen.

Natürlich enthält dies wiederum die Lektion für uns, auf die ich schon hingewiesen habe: Wenn unsere geistlichen Väter gesündigt haben und wir selbst in ihrer Spur weitergelebt haben, dann müssen wir nicht nur unsere eigenen Sünden bekennen, sondern auch die unserer Väter, um wieder vor Gott richtig zu stehen und seinen Segen empfangen zu können.

Was den Rest dieses Kapitels betrifft, möchte ich dem Leser anraten, die Aussagen von WJO in der gleichen Weise zu prüfen, wie ich es oben getan habe. Er wird dann erkennen, mit welcher Leichtigkeit WJO Schlussfolgerungen zieht bzw. eine Meinung vorträgt. Als Beispiel erwähne ich Seite 192, wo der Verfasser angibt, aus welchem Grund Jesus einen Blinden aus dem Dorf hinausgeleitete (Mk 8,22): nämlich um ihn aus dem „territorialen Geist“ des Dorfes hinauszuführen. Zwar sagt Ouweneel, dass dies „möglich“ sei, aber dennoch ist die Aussage vollends spekulativ.

Ich verkenne übrigens nicht, dass Gott bestimmten Engeln Machtgebiete zugestanden hat (siehe hierzu mein Buch Babel – das Bild und das Tier, Teil 2, S. 196–200). Ouweneel arbeitet diese Tatsache allerdings viel weiter aus, als die Schrift es angibt, und verfällt so in Spekulationen. Ich will damit nicht sagen, dass seine Gedanken nicht sinnvoll sind, aber er vermischt sie mit Spekulationen und das macht die Beurteilung so schwierig.

Krankheit und Sünde (Kapitel 7)

In Kapitel 7 behandelt WJO den Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde. Zum Glück entschärft er das Thema sofort, indem er sagt, dass wir nicht hinter jeder Krankheit eine Sünde wittern müssen. Gleiches hatte er vorher schon in Kapitel 6 in Bezug auf einen Zusammenhang zwischen Krankheit und dämonischem Einfluss gesagt. Das ist also positiv. Auch sagt er über den Zusammenhang von Krankheit und Sünde manches, was wir uns zu Herzen nehmen können. Daneben trifft er allerdings auch Aussagen, hinter die ich ein Fragezeichen setze.

Unser Bruder nennt drei Ursachen von Krankheiten, und zwar:

  1. Krankheiten als Folge menschlichen Verhaltens
  2. Krankheiten, die Gott bewirkt
  3. Krankheiten, die Satan bewirkt

Beim letzten Punkt nimmt er Bezug auf das, was er schon vorher geschrieben hat, drückt sich dabei aber weniger präzise aus. In Kapitel 3.1 hatte er geschrieben, dass Krankheiten mit unerklärlichen Ursachen (Kursivschrift von mir, JGF) oft dämonischer Belastung zuzuschreiben seien. Jetzt aber schreibt er auf Seite 204 unten, dass Krankheiten (ohne eine Einschränkung anzugeben) oft aus dämonischem Einfluss resultieren. Hat er sich hier versehen? Unmittelbar danach wird er wieder genauer und beruft sich für das Folgende „auf die reiche Erfahrung der Befreiungsdiener“. Das ist ja allein schon ein heikler Punkt, denn wer könnte das nachprüfen? In einer Fußnote dazu verweist er allerdings auf Lukas 22,31; Epheser 4,26.27; 1. Timotheus 3,7; 2. Timotheus 2,25.26. Hier erwartet man dann eine Reihe von Bibelstellen, die diese „reiche Erfahrung“ stützen, die uns somit einen Halt geben. Tatsächlich sagen diese Stellen aber gar nichts über Krankheit und ebenso wenig über dämonischen Einfluss, sondern nur über die Verführungskünste Satans, denen wir alle ausgesetzt sind.

Unter „persönliche Sünden“ zählt WJO dann einige Sünden auf, von denen bekannt ist, dass sie Krankheiten bewirken können. Bei einigen dieser Sünden ist der kausale Zusammenhang mit Krankheiten deutlich, bei anderen vermisse ich diesen Zusammenhang ebenso wie biblische Belege, die diese Behauptung stützen. Sprüche 6,16-19 wird genannt, aber dort gibt es keine Verbindung mit Krankheit.

Bei den Sünden der Väter (Punkt II, S. 206) nennt Ouweneel unter ‚f‘ Verfluchungen oder Verschwörungen, die über Kinder ausgesprochen werden. Ich habe Schwierigkeiten, die von ihm genannten Beispiele als Verfluchungen oder Verwünschungen zu werten, wobei ich durchaus sehe, dass solche Aussprüche ernstliche nachteilige Folgen für Kinder haben können, aber das ist eine andere, nämlich psychologische Sache.

Unter Punkt 7.1.2 geht es um negative Voraussagen. WJO spricht von Verfluchungen und ihren schwerwiegenden Auswirkungen. Er führt auch einige Bibelstellen an, die darüber sprechen, wie viel Böses man mit seiner Zunge bewirken kann. An und für sich sind dies natürlich warnende Bibelstellen. Die Frage ist aber, ob in diesen Stellen Krankheiten gemeint sind, die die Auswirkung verkehrten Sprechens sind. Ouweneel geht offensichtlich davon aus, aber das ist dann seine Interpretation. Das Beispiel Rahels erfordert durchaus unsere Aufmerksamkeit. Jakob hatte gesagt: „Bei wem du deine Götter findest, der soll nicht leben.“ Das könnte man in der Tat eine Verfluchung nennen. Ouweneel behauptet nun, dass diese Verfluchung in Erfüllung gegangen sei, weil Rahel sehr bald nach diesem Vorfall in ihrem Kindbett gestorben sei. Wie bald danach dies geschehen ist, ist allerdings die Frage, denn es passiert noch einiges in der Zeit dazwischen (siehe 1Mo 32,33,34,35a). Viel aussagekräftiger ist, dass Rahel nicht krank wird und stirbt, sondern dass sie während der Entbindung stirbt, was eine ganz natürliche Ursache gehabt haben kann. Außerdem sagt die Schrift überhaupt nicht, dass sie aufgrund der Verfluchung Jakobs gestorben ist. Einen Beweis für die „schwerwiegenden Folgen“ negativer Voraussagen kann ich hierin nicht sehen.

Nach den Worten unseres Bruders bedeutet Fluchen und Segnen nicht nur das Aussprechen schlechter oder guter Dinge über jemand, sondern dass man mit dem Aussprechen diese Dinge auch aktiv auf den anderen bringt. Er versucht, dies zu bekräftigen, indem er sagt, dass das gesprochene Wort, „logos“, Kraft beinhaltet. Die Bibelstellen, die er als Beweis für diese Aussage anführt, kann man natürlich nicht abschwächen, das bedeutet aber nicht, dass jeder Verfluchung, die irgendein Mensch ausspricht, diese Kraft innewohnt. Natürlich gilt das wohl, wenn Gott einen Segen oder einen Fluch ausspricht. Man denke an das ernste Wort, das Josua als Knecht Gottes über denjenigen aussprach, der Jericho wieder aufbauen würde. Dieser Ausspruch ging wortwörtlich in Erfüllung, und diese Erfüllung wurde auch deutlich erwähnt (1Kön 16,34). Das heißt aber nicht, dass jeder negative Ausspruch über einen anderen dieselben Folgen hat.

Wenn Ouweneel auf Seite 208–209 sagt, dass „die Kraft des menschlichen Wortes nicht hoch genug eingeschätzt werden kann …, sei es nun durch den Geist oder durch das Fleisch gesprochen“, dann halte ich das einfach für übertrieben. Er sagt, dass sogar die ewige Bestimmung eines Menschen davon mitbetroffen sei, und führt dazu Matthäus 12,37 an. Diese Stelle sagt aber doch nichts über die Auswirkung der Worte eines Menschen, die er über andere ausspricht?? Die Stelle sagt nicht mehr und nicht weniger, als was Johannes 5,28.29 über die aussagt, die das Gute bzw. das Böse getan haben: Wir sind verantwortlich für das, was wir tun. – Dabei bewirken unsere Taten an sich nicht das ewige Heil oder die ewige Verdammnis, sondern das Heil wird empfangen aufgrund des Glaubens und nicht aufgrund von Werken. Wenn aber jemandes Werke ein Zeugnis des Glaubens sind, dann wird ein solcher das Leben empfangen. Genau so ist es mit unseren Worten: Wenn die Worte schlecht sind (und von Unglauben zeugen, JGF), dann werden wir verurteilt werden, und gute Worte bewirken (als Ausdruck des Glaubens), dass wir gerechtfertigt werden. Auch hier vermisse ich eine wirklich schriftgemäße Begründung.

Auf Seite 209 liefert Ouweneel zwar eine gewisse schriftgemäße Begründung, wenn er nämlich Sprüche 26,2 anführt. Dieser Vers sagt, dass ein unbegründeter Fluch nicht eintrifft. WJO dreht diesen Vers allerdings um und schließt daraus, dass ein begründeter Fluch dann wohl eintrifft. Ich könnte mit diesem Schluss Frieden haben, es drängt sich dann aber die Frage auf, was ein begründeter Fluch ist und wer das beurteilt. Als Begründung nennt er die eigene Sünde bzw. die Sünde anderer gegen uns.

5. Mose 28 ist zwar ein Schlüsseltext in dem Sinn, dass, wenn das Volk von Gott abweichen würde, der im Gesetz verzeichnete Fluch auf sie kommen würde; gibt es aber ein Beispiel dafür, dass die Sünden anderer diesen Fluch über Israel brachten? Welchen biblischen Beleg kann Ouweneel dafür beibringen?

Die Anwendung, die Ouweneel auf Seite 210 für unsere Tage macht, halte ich für unbegründet. Er dehnt 5. Mose 28 dahingehend aus, dass nicht nur Gott, sondern auch Menschen gewollt oder ungewollt über sich selbst oder über andere einen Fluch bringen können und dabei Werkzeuge Gottes, aber auch Satans sein können. In Anmerkung 19 nennt er als Beleg hierfür 1. Samuel 3,13; Matthäus 26,74; Apostelgeschichte 23,12.14.21.

Die erste dieser Stellen besagt nur, dass die Söhne Elis einen Fluch über sich selbst brachten. Es steht keineswegs dabei, dass sie oder andere über sie einen Fluch ausgesprochen hätten, der nun in Erfüllung gegangen wäre. Sie brachten einfach durch ihr sündiges Verhalten den Fluch Gottes über sich, den Fluch der Übertretung des Bundes Gottes.

Die zweite Stelle sagt, dass Petrus anfing zu fluchen und zu schwören, dass er Jesus nicht kenne. Ob dies auch eine Selbstverfluchung einschloss, bleibt offen; jedenfalls lesen wir nichts davon, dass dieser Fluch in Erfüllung gegangen wäre, und erst recht nicht, dass dies etwas mit einer Krankheit zu tun gehabt hätte, die Petrus befallen hätte. Die Verse aus Apostelgeschichte 23 sprechen allerdings über Verfluchung. Sie besagen, dass die so Schwörenden, falls sie doch essen würden, von einem Fluch getroffen würden, indem sie zum Beispiel sterben würden. Nun, wenn sie sich an ihren Schwur gehalten haben, dann sind sie verhungert, aber diesen Tod haben sie dann durch eine vollkommen natürliche Ursache auf sich gezogen. Wir werden aber wohl davon ausgehen dürfen, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder zu essen begonnen haben … Die Schrift verrät uns nicht, ob ihr Fluch auf sie herabgekommen ist, auch von Tod oder Krankheit lesen wir nichts. Solche Schriftzitate scheinen die Beweisführung unseres Bruders zu stützen, tatsächlich tragen sie dazu aber nichts bei. Sie liefern durchaus keine Beispiele für „Krankheit verursachende Flüche“. Was Ouweneel hier tut, ist nichts als herumräsonieren.

Auf Seite 211 gibt WJO ein paar Beispiele für Selbstverfluchung. Er erwähnt Rebekka als diejenige, auf die der Fluch Isaaks herabgekommen sei, aber wir lesen nirgends, dass Isaak Jakob verflucht hätte und dass dieser Fluch auf Rebekka übergegangen wäre. Der Ausspruch „Ich bin des Lebens überdrüssig“ (1Mo 27,46) kann auch schwerlich als ein Fluch angesehen werden, der in Erfüllung gegangen sei, weil sie bei ihrem Tod so viel jünger war als ihr Mann. Das kann wohl kaum als Beweis gelten. Auch hier also eine völlig willkürliche Schlussfolgerung.

Ob man den Ausspruch der Israeliten als eine Selbstverfluchung auffassen darf, ist sehr zu bezweifeln. Natürlich stimmt es, dass Gott sie züchtigte und sie in der Wüste umkamen, dabei geht es aber darum, was Gott mit denen tut, die seinen Bund brechen, nicht etwa um einen von Menschen ausgesprochenen Fluch.

Anders liegt die Sache bei dem von David über das Haus Joabs ausgesprochenen Fluch; WJO weist zu Recht darauf hin, dass dies eine verdiente Verfluchung ist, nicht ein spontan ausgesprochener Fluch, wie auf Seite 211 besprochen.

Der Bannfluch, den Achan über das Volk brachte, wurde ebenfalls von Gott ausgesprochen, nicht von Achan. Dieses Beispiel hilft also auch nicht weiter. So trägt Ouweneel oft mit starken Worten etwas vor, aber wenn man dann aussagekräftige Beispiele erwartet, dann kommen keine.

In Kapitel 7.2 will er biblische Belege für den Zusammenhang von Krankheit und Sünde bringen. Brauchbare Beispiele gibt er erst auf Seite 214. Dort geht es um Züchtigung, die der Herr über sein Volk bringt bzw. über Personen, die gesündigt haben. Dies sind wirklich warnende Beispiele. Wenn Unschuldige von Krankheiten betroffen werden, fällt es in der Tat schwer, dies anzunehmen, aber es bleibt festzuhalten: Es ist keine Schicksalslaune, sondern Gott will den Eltern oder dem Volk eine Lektion erteilen.

Für die Aussage auf Seite 216 („Von der Bibel her ist absolut sicher, dass manche Gläubige krank bleiben, weil sie nicht von Herzen vergeben …“) hätte ich gern einen Beleg gesehen. WJO gibt aber keinen Beleg. Wohl verweist er auf Kapitel 7.1, aber dort findet man kaum etwas, was diese Behauptung begründen könnte.

In 7.2.2 kommt unser Bruder zum Neuen Testament. Nach einer detaillierten Einführung nennt er auf Seite 218 das Beispiel Jakobus 5. Ich habe selbst im Vorwort schon geschrieben, dass ich davon ausgehe, dass hier von einer Krankheit die Rede ist, bei der Sünde eine Rolle spielt. Kurzum, WJO sagt, es könne zwischen Sünde und Krankheit eine Verbindung geben, und darin stimmen wir überein.

In 7.3 behandelt Ouweneel die Verbindung von Krankheit, Sünde und Dämonie. Über Jakobus 3,14-16 ging es schon in Kapitel 6.5.1; den Rest dieses Abschnitts sowie den folgenden überlasse ich der Beurteilung der Leser, ebenso auch Kapitel 7.3.3 über kranke Heilungsdiener. Hierbei hätte WJO auch Jan Zijlstra nennen können, bei dem eine Gefäßerweiterung vorgenommen werden musste. Ich weiß wirklich nicht, was ich von solchen Dingen sagen soll. Ich wage nicht zu sagen, was der Herr dem Volk als Sprichwort in den Mund legt: „Arzt, heile dich selbst!“ (Lk 4,23). Ich finde es aber doch seltsam, dass diese kranken Heilungsdiener nicht durch andere Heilungsdiener auf wunderbare Weise gesund geworden sind.

Der Rest des Kapitels ist schnell behandelt. Auf Seite 227 bis 228 wendet Ouweneel Jesaja 53,4 meines Erachtens breiter an, als Matthäus selbst es tut (Mt 8,16.17). Er beruft sich dazu auf Matthäus 12,17-21 und Lukas 4,17-21, aber was dort steht, geht, wie die Stellen selbst schon zeigen, viel weiter als alles, was zu Lebzeiten des Herrn geschah. Aus Matthäus 8,16 ergibt sich eine solche Schlussfolgerung jedenfalls nicht.

In dem Zehn-Schritte-Plan in Kapitel 7.6 gibt unser Bruder verschiedene beherzigenswerte Empfehlungen, zu Schritt 8 und 9 allerdings möge man noch einmal nachlesen, was wir über okkulte Verbindungen und Verfluchungen geschrieben haben.

Wunderheilungen und die Kraft Gottes (Kapitel 8)

Bei der Behandlung dieses Kapitels möchte ich gern eine Bemerkung wiederholen, die ich schon früher vorgestellt habe: dass Ouweneel nämlich beherzigenswerte Dinge sagt, daneben aber auch solche, die Fragen aufwerfen, und zwar manchmal sehr dringliche.

Nach meinem Eindruck führt Ouweneel uns zwar nicht in einen freien Fall, aber in eine gleitende (Abwärts-)Bewegung, indem er uns argumentierend von einem Punkt zum nächsten führt. Er fängt beispielsweise bei einer ganz besonderen, spezifischen biblischen Aussage an und verallgemeinert diese anschließend. Bei der Behandlung dieses Kapitels wurde mein Urteil deshalb immer negativer, und zum Ende hin konnte ich nur noch den Kopf schütteln. Hier sind meine Anmerkungen:

Über die Formen des Glaubens möchte ich zu Punkt (c) eine (an sich nicht so wichtige) Bemerkung anbringen. Es ist nämlich sehr zu fragen, ob Petrus mit seiner Erwähnung des Glaubens, der diesen gelähmten Mann gesund gemacht hatte, dessen eigenen Glauben oder den von Johannes und sich selbst gemeint hat (Apg 3,16). Man kann natürlich sagen, dass über den Glauben des Gelähmten vorher nicht gesprochen worden ist, sondern nur berichtet wird, was Petrus sagt und tut. Die andere Seite ist: Petrus hat zu dem Mann gesprochen, hat den Namen Jesu Christi genannt und ihm sogar den Befehl gegeben, aufzustehen und zu laufen. Ein solcher Befehl setzt doch wohl auch Glauben voraus. Auf der nächsten Seite behauptet WJO, der Mann könne keinen Glauben gehabt haben, weil sonst Petrus ihn nicht bei der Hand hätte greifen und ihn aufrichten müssen. Ich finde, das ist wieder eine viel zu flotte Folgerung. Das eine braucht das andere nicht auszuschließen. Es ist meines Erachtens viel eher anzunehmen, dass Petrus über den Glauben dieses Mannes spricht als über seinen eigenen und den von Johannes. Der Ausdruck „der Glaube, der durch ihn ist“ bezieht sich eher auf den Glauben, den Gott bei diesem Mann bewirkt hat, als auf den Glauben, den Petrus und Johannes von dem Herrn Jesus empfangen haben, um diesen Mann gesund zu machen. Ich erwähne diesen Punkt nur, um deutlich zu machen, mit welcher Leichtigkeit, aber auch Bestimmtheit Ouweneel seine Schlüsse zieht, während ebenso auch eine ganz andere Sichtweise möglich wäre.

Wir sollen nicht nur davon überzeugt sein, dass Gott gesund machen kann, sondern wir sollen für die Genesung auch offen sein, sie erwarten (S. 245–246); dies ist ein wertvoller Hinweis. Wir müssen davon ausgehen, dass der Herr tut, was wir von Ihm erbitten, womit ich nicht sagen will, dass Er es auch immer tun wird.

Ob der Gelähmte in Johannes 5,1-18 verbittert war, wie Wimber sagt, ist auch eine Schlussfolgerung, die auf keine Textstelle gegründet werden kann. WJO fügt das Wort „vermutlich“ ein (S. 247), drückt sich also vorsichtig aus, aber er sagt doch knallhart, der Mann habe die Schuld für seinen Unglauben auf andere schieben wollen. Er begründet dies mit der Aussage des Mannes, er habe niemand, der ihn in den Teich werfen könne.

Aber wer redet denn über die Schuld für seinen Unglauben? Davon ist doch überhaupt keine Rede! Wimber und Ouweneel lassen hier ihre Phantasie durchgehen. Das Einzige, was man sagen kann, ist: Der Mann hat einfach seine Hilflosigkeit und die Trostlosigkeit seiner Lage beschrieben. Das aber darf man nicht Weiterschieben von Schuld nennen.

Aber das ist noch nicht alles; Ouweneel zieht auch eine Schlussfolgerung in Bezug auf solche, die trotz Konsultationen von Heilungsdienern nicht gesund werden, und zwar – so Ouweneel – weil sie offensichtlich mit der Bosheit und Bitterkeit in ihren Herzen nicht brechen wollen. Von daher ist es wohl nicht so günstig, nicht gesund geworden zu sein und dann dies zu lesen … Dies nur als Hinweis am Rande.

Es gibt Heilungsdiener, die sagen, Kranke würden nur gesund, wenn sie zu Jesus kommen. Wenn Kranke also nicht gesund werden, dann liege es daran, dass sie den Herrn nicht wirklich um Heilung bitten. In Johannes 5 haben wir allerdings ein Beispiel für jemand, der gesund wurde, ohne darum gebeten zu haben.

Auf Seite 249 schreibt WJO nach einem Zitat von Derek Prince (1915–2003) über den Verlauf von Heilungen. Nun, wir haben ja schon darauf hingewiesen, dass die Schrift bei den Berichten von Heilungen keinen „Heilungsprozess“ beschreibt. Dass man trotz Verschlimmerung der Krankheitssymptome dennoch von einer Heilung ausgehen darf, ist eine sehr unnüchterne Bemerkung; der Vergleich mit Menschen, die nach ihrer Bekehrung wieder in Sünde fielen, tut hier nichts zur Sache – das ist ein völlig anderer Fall, aber Emenike bringt diesen Vergleich trotzdem. Auch Gläubige haben noch das Fleisch in sich und können es leider wirken lassen. Dadurch machen sie nicht ihre Errettung ungültig, sondern sie beweisen nur, dass sie die Grundsätze des empfangenen neuen Lebens nicht verwirklichen. Wenn allerdings die Symptome einer Krankheit nicht verschwinden, beweist dies, dass die Person nicht gesund geworden ist – so einfach ist das.

Kapitel 8.2 handelt über Kraft und (Voll-)Macht. WJO setzt zuerst auseinander, welche Wörter in der Bibel für „Kraft“ verwendet werden. So etwas kann er auch sehr gut. In 8.2.2 bespricht er dann drei Stellen, in denen von Folgendem die Rede ist:

  1. dass von dem Herrn Kraft ausging, wenn Er jemand heilte (Lk 6,19; 8,46)
  2. dass in dem Herrn Kraft vorhanden war, um zu heilen. Diese beiden ersten Stellen zeigen, was es bedeutete, dass der Herr die Krankheiten trug (Mt 8,16). Das war nicht einfach. Er nahm die Krankheiten wirklich auf sich, Er nahm sie voll auf seine Rechnung. Um es volkstümlich zu sagen: „Es ist Ihm wirklich an die Nieren gegangen.“
  3. dass der Herr auch Kraft verlieh, um andere gesund zu machen. Diese Kraft hat der Herr also auch eingesetzt.

Ouweneel beginnt diesen Abschnitt allerdings mit der Behauptung, dass der Diener diese Kraft auch als eine physische Kraft erfahre, die bei einer Heilung auch spürbar von ihm ausgeht; danach erst zitiert er die drei genannten Stellen. Er wendet somit das, was vom Herrn gesagt wird, auch auf die Diener an. Im Weiteren spricht er von der Kraft des Gebets in der Versammlung. Dass Gott solche Kraft verleihen will, steht außer Frage. WJO bringt sie aber auch in den Zusammenhang mit dem Heilungsdienst. Hierzu möchte ich die Randnotiz anbringen, dass diese Kraft nur in denen offenbar wird, die die Gabe der Heilungen vom Herrn empfangen haben, aber eine solche und nur bestimmten Personen zuerkannte Gabe erkennt Ouweneel nicht an. Nach seiner Auffassung kann jeder Gläubige in jedem Augenblick eine solche Gabe empfangen.

Diese Gedanken verbindet er nun mit der Schechina. Die Zusage des Herrn, dass Er in der Mitte sein werde, wo zwei oder drei zu seinem Namen hin versammelt sind, bedeutet nach Ouweneel die Anwesenheit der Schechina. Darf man diese Schlussfolgerung aber ziehen? Die Wolkensäule ist schließlich verschwunden, Hesekiel sah, wie sie sich zurückzog. Sie wird erst zurückkehren, wenn Israel wiederhergestellt ist. Es ist eine Tatsache, dass der Herr dort in der Mitte ist, wo die Seinen in seinem Namen versammelt sind – aber ist das die Schechina? Ouweneel zitiert hierzu 1. Korinther 14,25, wo davon gesprochen wird, dass ein Ungläubiger oder Unkundiger auf sein Angesicht fällt und bekennt, dass Gott wirklich unter den Gläubigen ist. Wie kommt es denn, dass dieser Mann niederfällt? Etwa durch gewaltige Ereignisse, die er miterlebt, so wie es bei Israel war? Keineswegs, sondern weil er durch den „prophetischen“ Dienst, durch das Wort Gottes überführt wird, wodurch „das Verborgene seines Herzens offenbar“ wird. Hier sehen wir diesen gleitenden Prozess, von dem ich oben gesprochen habe.

Unter Punkt 5 (auf Seite 253) zitiert er eine „unter uns“ unbekannte Schreiberin, die dieses Austeilen der Kraft wiederum verallgemeinert. Zwar macht Ouweneel deutlich, dass es hierbei immer um geschenkte Kraft geht, in der Anwendung spielt das aber keine Rolle mehr. Wenn er aber anschließend bemerkt, es gehe hier „um eine Kraft, zu der man bevollmächtigt ist“, dann muss man allerdings fragen, wer denn diese Vollmacht besitzt. Die zwölf Jünger (einschließlich Judas) erhielten diese Vollmacht, aber haben nun alle Gläubigen diese Vollmacht? Bei der Behandlung von Markus 16 habe ich versucht aufzuzeigen, dass die Vollmacht, Zeichen zu tun, nur bei denen vorhanden ist, die zum Predigen ausgesandt sind.

Unter Punkt 6 spricht WJO über die Kraft des Namens des Herrn und weist darauf hin, welche Wirkung es hatte, als der Herr seinen Namen nannte: „Ich bin“. Seine Widersacher damals in Gethsemane wichen zurück und fielen zu Boden. Natürlich geschah diese Wirkung nicht einfach durch die bloße Nennung des Namens, sondern weil der Herr das war, was Er sagte! Ouweneel aber geht hier weiter und folgert, dass dies auch möglich sei bei Heilungen (oder anderen Kontakten) seiner Diener. Er kommt in 9.1.5 darauf zurück; wir stellen diesen Punkt deshalb auch bis dahin zurück. Hier stellt er fest, dass das gesprochene Wort also dynamis enthält, und verweist dazu zurück auf Kapitel 7.1.2; man lese noch einmal meinen Kommentar zu Ouweneels Ausführungen dort. Er fährt dann fort: „Genau wie beim Segnen wird beim Heilen der Name Gottes auf die Menschen gelegt.“ In der Fußnote 32 führt er dazu drei Stellen an, in denen es aber um den Segen geht, den der Hohepriester im Namen Gottes auf das Volk legte. Wieder „gleitet“ Ouweneel unmerklich vom Besonderen zum Allgemeinen.

Was er im Weiteren über Kathryn Kuhlman schreibt, überlasse ich vollständig seiner Verantwortung. Dass die Schechina mit den Auftritten dieser Frau verbunden gewesen sein soll, will mir nicht in den Kopf!

In Punkt 7 wird dann über die Kraft gesprochen, die über den Heilungsdiener vermittelt wird. Dazu führt Ouweneel Epheser 3,17 an, so dass wir wieder auf biblischem Boden stehen, aber das ist leider nur Anschein. Er zieht nämlich aus dieser Stelle wieder eine Schlussfolgerung, die an sich wahr ist, aber er beruft sich wieder nur auf das Zeugnis von Heilungsdienern.

Im Blick auf die Seiten 255 bis 258 habe ich nur eine kurze Notiz: Auf Seite 256 schreibt Ouweneel, dass die dynamis des Heiligen Geistes oft mit verschiedenen sichtbaren Zeichen verbunden ist. Er nennt allerdings nur zwei Beispiele dafür; als erstes die Begleiterscheinungen der Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Erde. Beim zweiten Beispiel (Apg 4,31) ist die Erklärung etwas schwieriger, aber hier können wir auch einfach eine Wiederholung sehen, wie es auch bei den Berichten über die Ausgießung des Heiligen Geistes der Fall ist (Apg 2,11.19). Weiterhin lesen wir in der Schrift nichts von solchen aufsehenerregenden Erscheinungen.

Auf Seite 260 spricht Ouweneel über Gläubige, die gegen spektakuläre Szenen während der Zusammenkünfte sind. Er erwähnt die Ekstase von Jesus, Petrus und Paulus. Wo aber lesen wir jemals, dass Jesus in Ekstase war? WJO verweist auf Markus 3,21; ist dies aber eine Aussage der Schrift über Jesus? Gewiss nicht, denn es sind seine Verwandten, die dies sagen, und mit keinem Wort wird von einem ekstatischen Zustand bei dem Herrn gesprochen. Es wird nur gesagt, dass Er so sehr beschäftigt war, dass Er noch nicht einmal Zeit zum Essen hatte. Eine „wilde Szene“? Keine Rede davon!

Wenn davon gesprochen wird, dass Petrus und Paulus verzückt oder außer Sinnes waren, heißt das dann automatisch, dass es „wüste Szenen“ gegeben hat? Selbstbeherrschung gehört zu der Frucht des Geistes, und die verließ die Apostel auch nicht, als sie verzückt waren. Den kontrastierenden Vergleich mit Trunkenheit kann man nicht so weit ziehen, dass diese Ekstase zu „wilden Szenen“ geführt hätten.

Das Verallgemeinern besonderer Situationen sehen wir auch in Punkt 3 (S. 260), wo es um Weissagung geht. Nach Ouweneel müssten alle Gläubigen weissagen können, wenn sie nur vom Heiligen Geist erfüllt wären. Die Beispiele von Zacharias und Paulus werden wiederum ausgedehnt, trotz der Tatsache, dass nicht alle die Gabe der Prophetie bekommen haben.

In Punkt 4 haben wir wieder eine Verallgemeinerung vor uns, wenn hier auch nicht so deutlich wie in Punkt 3. Im Blick auf Johannes 15,16 und 16,13 sowie 1. Korinther 2,13 hole ich etwas weiter aus. Die Worte des Herrn in Johannes 14,26; 15,26; 16,13a und b treffen in vollem Umfang nur auf die Jünger zu. In Johannes 14,26 geht es um die Erinnerung an alles, was der Herr ihnen früher gesagt hatte; das hat in den Evangelien seinen Niederschlag gefunden. Johannes 15,27 sagt dasselbe in Bezug auf das Zeugen; sie zeugen von Ihm, „weil ihr von Anfang an bei mir seid“. Das bedeutet nicht, dass andere nicht auch zeugen, aber der Herr hat hier insbesondere seine Jünger im Blick, die Ihn begleiteten. Das allgemeinere Zeugnis finden wir zum Beispiel in der Apostelgeschichte. Gleiches gilt für Johannes 16,13a und b, wo der Herr über die Lehre und über die Zukunft spricht, die ihnen der Geist offenbaren würde. Den Niederschlag hiervon finden wir in den Briefen sowie in der Offenbarung. Natürlich können wir eine freiere Anwendung machen, mehr aber auch nicht. Auch wir können zum Beispiel die Wahrheit kennen, aber dann nur aus der Schrift; genauso ist es auch mit zukünftigen Dingen.

Noch etwas über 1. Korinther 2,13; dieser Vers zeigt: Hier geht es um die von den Aposteln, insbesondere Paulus, empfangenen Dinge, die sie durch Inspiration und mit geistlichen Worten verkündeten. Dies sind besondere Fälle, die wir nicht einfach verallgemeinern dürfen, was Ouweneel mit seiner Darstellung allerdings nahelegt.

8.3.3 lasse ich unkommentiert und komme zu Punkt 8.3.4: die Übertragung der dynamis. WJO sagt hier, diese „dynamis scheine [?!] gleichsam von dem Heilungsdiener auf den Körper des Kranken überzugehen“. Die Wirkung dieser Kraft sehen wir natürlich bei der in Lukas 8,43-46 genannten Frau, da sie das Gewand des Herrn anrührte. Ouweneel folgert nun, dass so etwas auch bei einem Heilungsdiener und einem Kranken geschehe. Wir sehen, wie er wieder vom Besonderen zum Allgemeinen hinübergleitet. Er argumentiert, dass, wenn so etwas über den Saum eines Kleides geschehen kann, es „natürlich“ (man beachte das Wort!) auch über andere Berührungen möglich sei, zum Beispiel über den Fuß.

Zum Beleg bemüht er Apostelgeschichte 4,30, wo die Jünger beten, Gott möge seine Hand zur Heilung ausstrecken. Dort ist aber nicht das buchstäbliche Ausstrecken der Hand Gottes gemeint, sondern es ist nichts anderes als ein bildlicher Hinweis auf die wirksame Macht Gottes, genau wie wenn von dem Finger Gottes gesprochen wird. WJO überträgt dies nun auf die ausgestreckte Hand des Heilungsdieners, auch wenn dieser den Kranken gar nicht berührt. Also spricht er hier über das tatsächliche Ausstrecken der Hand eines Menschen. Wieder sehen wir das Hinübergleiten, von dem ich oben gesprochen habe.

Im Weiteren nennt Ouweneel das Beispiel von Petrus, dessen Schatten Menschen gesund machte, wenn er auf sie fiel. Mit Recht weist er darauf hin, dass es nicht der Schatten als solcher war, der die heilende Kraft hatte. Er spricht aber doch davon, dass es „die unmittelbare Nähe“ von Petrus war, die bewirkte, dass „die Kraft Gottes von ihm zu ihnen hinüberfließen konnte“. In der Geschichte von der blutflüssigen Frau war es Petrus, der die Bemerkung aussprach, dass so viele den Herrn berührt hätten. Ging dabei Kraft von dem Herrn auf sie über? Nein, aber bei der Frau wohl, weil sie Glauben hatte.

Auf Seite 302 weist Ouweneel auch darauf hin. In dem Fall von Petrus war bei den Menschen, die ihre Kranken auf Matratzen oder Ähnliches anbrachten, auch Glaube vorhanden. Den beantwortete Gott, indem Er Genesung schenkte; zugleich bestätigte Er mit diesen außergewöhnlichen Zeichen die Apostelschaft von Petrus. Dann aber, ausgehend von Matthäus 8, bei dem Dienst eines Menschen vom Hinüberfließen der Kraft Gottes zu sprechen, ist ein schauriges Wort.

Verstärkt wird dies noch durch die darauffolgende Ausführung über die Gebeine Elisas (S. 265 Mitte). Ouweneel unterstellt, dass „in den Gebeinen von Elisa noch so viel dynamis übriggeblieben“ wäre, dass der Tote, der in Elisas Grab geworfen wurde, dadurch wieder zum Leben kam. Bei einer solchen Aussage kann ich nur noch den Kopf schütteln. Als ob in dem Gerippe Elisas Gottes Kraft eingelagert gewesen wäre. Was für eine absurde Idee!! Das klingt schon fast wie Animismus oder Mystik.

Aber WJO geht noch weiter. Er behauptet, dass sich die dynamis in dem Körper des Heilers befinde. Diese Aussage allein ist schon sehr fragwürdig. Ouweneel aber geht weiter und sagt, diese dynamis könne „offensichtlich“ auf materielle Hilfsmittel „übertragen“ werden und so eine Heilung bewirken. Hierzu verweist er auf den Fall, dass Schweißtücher oder Schürzen von Paulus, auf die Kranken gelegt, die Krankheiten verschwinden ließen. Hierzu heißt es, dass Gott durch die Hände des Paulus außergewöhnliche Wunder tat. Paulus berührte aber in diesem Fall jene Kranken nicht einmal und gebrauchte seine Hände nicht. Das beweist, dass es falsch ist, gerade auf das Anrühren, Handausstrecken und Ähnliches so den Nachdruck zu legen; tatsächlich hat Gott durch diese Zeichen nur Paulus als seinen Diener bestätigt. Unser Bruder behauptet weiterhin, diese dynamis, die sich in oder an Paulus’ Körper befand, habe „offenbar seine Leibtücher imprägniert“, so dass die Kraft von dort auf die Kranken übergehen konnte … Man stelle es sich vor: Die Kraft Gottes geht von dem Körper einer Person auf ein totes Materialstück über; dort bleibt sie – getrennt von der Person – eine Zeitlang drin, um dann irgendwann eine heilende Wirkung auf einen Kranken zu haben. So weit kann man kommen, wenn man, ausgehend von einer biblischen Aussage, durch rationales Argumentieren mehrere Schlussfolgerungen aneinanderreiht. Dann zitiert man am Ende sogar jemand, der diese Vorgänge mit der elektrischen Energie vergleicht, die in einem Akku gespeichert ist! Siehe das Zitat auf Seite 266.

Direkt nach diesem Zitat schreibt WJO, wenn es nicht in der Bibel stünde, würden viele Christen solche sogenannten Kontaktpunkte sicher als Aberglauben oder gar als okkult zurückweisen. Viele Christen weisen dies allerdings zurück, wie auch ich selbst, denn was Ouweneel hier vorbringt, steht nicht in der Bibel, sondern ist das Ergebnis menschlicher Argumentation.

Über das Anfassen des Radios haben wir schon gesprochen; ich erwähne es jetzt nur, weil aus Ouweneels Kommentar zu erkennen ist, dass er Maasbach offensichtlich unterstützt. Die Kraft Gottes soll also durch den Äther und sogar auch nach Ablauf einer gewissen Zeit übertragen werden – denn manchmal findet die Sendung ja auch erst später statt!! Wo steckte denn Gottes dynamis in der Zeit zwischen der Predigt und der Sendung?

Unter Punkt 8.4.2 geht WJO noch weiter auf das Übertragen der dynamis ein. Über alle dort von ihm genannten Beispiele könnte man etwas sagen; am Ende läuft es darauf hinaus, dass Gott bestimmte Hilfsmittel angibt und eine bestimmte Bedeutung damit verbindet; nicht aber so, dass zum Beispiel das Wasser des Jordan Gottes dynamis enthalte, sondern dass der Gehorsam Naamans dem Befehl Elisas gegenüber von Gott belohnt wurde.

Die Erfahrungen der Heiler, über die Ouweneel schreibt, belasse ich in seiner Verantwortung. Die Parallelen, auf die er in 8.4.3 hinweist, sind wichtig, und zwar deshalb, weil er selbst mit seinen Überlegungen für diese Parallelen sorgt. Nicht die Bibel legt diese Parallelen nahe, sondern Ouweneel selbst.

Die Punkte 8.5.1 und 8.5.2 übergehe ich jetzt, um mich nicht zu wiederholen. Zu Punkt 8.5.3 möchte ich aber etwas anmerken. Ouweneel sagt, der Heilungsdiener bete nicht nur, sondern gebe der Krankheit auch den Befehl, zu verschwinden. Hierzu führt er Jakobus 5,16 an. Dort aber wird keineswegs von einem Befehl gesprochen! Außerdem verweist er auf Apostelgeschichte 9,40, wo Gebet und Wort zusammenwirken. Diese Stelle sagt nur, dass der Diener (Petrus) betete – vielleicht, um Kraft vom Herrn zu empfangen; mit der Toten betete Petrus jedenfalls nicht. Im Blick auf sie sprach er nur einen Befehl aus.

Die Stelle Apostelgeschichte 28,8 kann im Sinne Ouweneels verstanden werden, der ja den Unterschied zwischen Heilung durch Gebet und Heilung in Ausübung der Gabe der Heilungen nicht erkennen will. Paulus drückt hier im Gebet seine Abhängigkeit vom Herrn aus, anschließend erfolgte die Heilung durch das Auflegen seiner Hände. Bei einer Heilung in Ausübung der Heilungsgabe aber wird ein Befehl ausgesprochen; das zeigt den Unterschied zu Jakobus 5,16.

Die Behauptung, in Markus 16,17.18 würden die Zeichen jedem Gläubigen verheißen, beruht auf oberflächlichem Lesen dieser Stelle. Das haben wir schon behandelt. Auch die Aussage, jeder Gläubige könne die Gnadengabe der Heilungen empfangen, beruht ebenfalls auf einer unbesonnenen Auslegung von 1. Korinther 12. Ob Ananias, der zu Paulus geschickt wurde, um ihm die Hände aufzulegen, ein „ganz normaler Bruder“ war, wissen wir nicht. Dass er einfach nur ein Jünger genannt wird, sagt nichts über Gaben, die er möglicherweise hatte. Im Übrigen handelt es sich hier ja um einen ganz speziellen Auftrag, den der Herr diesem Jünger erteilt.

Punkt 8.6.1 enthält einerseits wichtige Hinweise, die Tendenz des Ganzen geht doch wieder zugunsten der heutigen Heilungsdiener. 8.6.2 enthält nichts Neues, sondern bietet noch einmal eine Wiederholung der unbiblischen Darstellung, die Heilungen im NT hätten nicht augenblicklich stattgefunden.

„Normale“ Krankenheilungen werden nicht von „seltsamen Erscheinungen“ begleitet; so etwas begegnet uns nur beim Austreiben von Dämonen, die ihre Opfer nicht sofort loslassen wollen. Wenn sie es dann doch tun, kann es von schreiendem Protest begleitet sein (s. Apg 8,7 und vgl. Mt 8,24; Lk 4,34.35). Wenn es aber um „seltsame Erscheinungen“ beim Dienst Jesu geht, dann muss wohl der Fall des mondsüchtigen Knaben zum x-ten Mal herhalten. Andere Beispiele gibt es nämlich nicht. Auch dies ist in früheren Notizen schon ausführlich zur Sprache gekommen.

In Kapitel 8.6.3 bekennt Ouweneel, dass ihm 2002 von T.B. Joshua die Hände aufgelegt wurden. Er erlebte damals einen gewaltigen Anfall von Zweifel und Unglauben und bekam danach prompt die schlimmste Erkältung seines Lebens. Sein Vertrauen auf Joshua ging aber so weit, dass er sich selbst die Schuld dafür zuschrieb, nicht unmittelbar gesund geworden zu sein. Danach aber hatte er keine nennenswerten Klagen mehr. Hier beruft sich Ouweneel also total auf seine Erfahrung und seine positive Einschätzung. Ich frage: Ist eine Erkältung, von der man nach einer gewissen Zeit gesund wird, ein so gewaltiges Ereignis, dass man solche Schlussfolgerungen daraus ziehen kann?

Dass er sich von Joshua die Hände hat auflegen lassen, wurde mir schon früher erzählt, ich habe es nur nicht glauben wollen. Hier allerdings steht es schwarz auf weiß, und es lässt mich schaudern. Ich bete jeden Abend für Ouweneel, dass er von möglichen falschen Einflüssen befreit werden bzw. dass er sich selbst davon abwenden möge.

Denkmodelle über Heilung (Kapitel 9)

In Kapitel 9 behandelt Ouweneel verschiedene Denkmodelle über Heilungen. Die Seiten 285 bis 288 erfordern kaum Kommentar. Nur zu Seite 286 gebe ich eine Anmerkung; dort schreibt er, dass viele nicht an solche Dienste und solche Heilungen glauben. Solche Personen gibt es allerdings – aber es gibt auch viele, die sehr wohl an wunderbare Heilungen auch in unserer Zeit glauben, die aber große Zweifel haben angesichts der Wunder jener Heilungsdiener, die WJO im Blick hat.

Auf Seite 287 berichtet er von der Auffassung Peter Tans, dass mittels Rundfunk und Fernsehen über Satelliten Millionen von Menschen durch ein und dieselbe Salbung, die jemand vornimmt, gleichzeitig gesund werden können – oder dass Millionen von Dämonen in vielen verschiedenen Ländern gleichzeitig hinausgeworfen werden können … Über solcherart „Übertragungen“ der göttlichen dynamis haben wir im vorigen Kapitel schon geschrieben: Ich halte das für unmöglich.

Ich möchte hier nur die Frage stellen: Sind denn auch Millionen oder wenigstens Zehntausende auf diese Weise wirklich gesund geworden? Außerdem werden bei dieser Auffassung auch die technischen Erfindungen der Menschen einbezogen. Warum wird dann aber der Gedanke, Gott könne doch den medizinischen Fortschritt benutzen, um Wunderheilungen überflüssig zu machen (sofern solche Mittel erhältlich sind) als „Unglaube“ verworfen? (Siehe Punkt (c) auf S. 286.)

Auf Seite 288 wird unter (a) – „alle Krankheiten kommen von Gott“ – eine viel zu einseitige Sicht der Dinge gegeben; siehe mein Kommentar zu Kapitel 3. Mit seiner Kritik an der Aussage in Punkt (b) – „Krankheit ist ein Kreuz“ – bin ich einverstanden, wie schon früher erwähnt. In Punkt (c) geht es um den Gedanken, Heilungswunder seien nur in sehr bestimmten Zeiten vorgekommen; hier kann ich Ouweneels Kritik teilweise zustimmen, möchte aber dazu vermerken, dass mir die „deutlichen Tatsachen“ in 4.1 und 2 bisher noch nicht begegnet sind. Bei Punkt 3 (S. 289 Mitte) stelle ich mir die Frage: Ist sich unser Bruder wohl bewusst, dass sein Denksystem (wie es in Kapitel 8 so deutlich hervortritt) genauso daneben sein kann wie der Rationalismus, den er so kritisiert? Schließlich Punkt 4: Was soll man von der Technik halten, derer sich die Heiler bedienen (s. noch einmal die Auffassung von Peter Tan über Radio, Fernsehen und Satelliten [S. 287])?

In Kapitel 9.2.2 wendet sich WJO gegen Extremismus in pfingstlichen Kreisen und macht darüber zutreffende Ausführungen; was aber soll man von seiner dynamis-Lehre halten? Ist die nicht auch etwas extrem? Unter Punkt 9.3.1 geht Ouweneel sehr genau vor und gibt auch wertvolle Hinweise. Zu 9.3.2 ergänze ich, dass in reformierten Kreisen tatsächlich paranormale Heilungsmethoden wie zum Beispiel die von Magnetiseuren akzeptiert werden. In evangelischen Kreisen sind solche Methoden oft entschieden zurückgewiesen worden. Bei der Behandlung dieses Themas geht Ouweneel auch vernünftig und sorgsam vor. Mit Punkt 9.4.1 bin ich allerdings weniger glücklich, und zwar unter anderem, weil er hier William Branham zu Wort kommen lässt, der einer Irrlehre anhängt. Das ist aber nicht das Einzige, denn Ouweneel schreibt auch über eine gewisse von Heilungsdienern erlebte Hitzewirkung oder Ähnliches, was sich wieder allein auf die Erfahrung anderer gründet und einen biblischen Beleg völlig vermissen lässt, denn ein derartiges „Prickeln“ wird im NT nicht beschrieben. WJO muss solche Zeugnisse selbst verantworten; er tut das auch, wie aus dem verschiedentlich hinzugefügten Hinweis „Kursivschrift von mir“ zu ersehen ist. Gleiches gilt für das, was er unter 9.4.2 über die Quelle schreibt, aus der Heilungen hervorkommen.

Kapitel 9.5.1 handelt von dem „Fallen im Geist“. Ouweneel beginnt, indem er sagt, angesichts des Vorangegangenen brauchten wir uns keine Sorge zu machen über bestimmte Erscheinungen, die anlässlich der Heilungsdienste zu beobachten seien. Genau dieses „Vorangegangene“ nimmt diese Sorge aber überhaupt nicht weg, denn es besteht hauptsächlich aus der Meinung von Menschen und von WJO.

Was auf Seite 306 steht, belasse ich ebenfalls in Ouweneels Verantwortung; ich frage mich aber, was da am Wirken war, als die Leute beim Vorbeigehen von Kathryn Kuhlman reihenweise zu Boden fielen? Worin bestand der Nutzen dieses Phänomens? Wurden diese Menschen durch die Botschaft Gottes so getroffen, und hatte dies eine solche Auswirkung auf sie? Offenkundig nicht – es war das einfache Vorbeigehen Kathryn Kuhlmans, das diese Wirkung hatte. Müssen wir daher annehmen, dass der Heilige Geist es bewirkt hat?

Die gleichen Bedenken habe ich bei den Berichten über das Umfallen der Menschen, wenn T.B. Joshua vorbeiging. Finden wir so etwas auch in der Bibel? Niemals!! Was ist der Nutzen dieses Umkippens? Wer wird dadurch verherrlicht? In der Bibel lesen wir zwar sehr wohl von Menschen, die auf ihr Angesicht fielen – aber weil sie in ihren Herzen getroffen waren, nicht etwa, weil ein Jünger an ihnen vorbeilief. Wir haben es in diesem Abschnitt einfach nur mit den Erfahrungen von Menschen zu tun; das wird auch deutlich aus der Fortsetzung von Seite 307 und 308.

Im Blick auf das „Fallen im Geist“ möchte ich auch auf meine Website verweisen, wo ich diese Frage in der Rubrik „Artikel/Diskussionen“ behandelt habe.

Unter 9.5.2 kommt wieder das „Zungenreden“ zur Sprache; wieder verweise ich auf dieselbe Rubrik, und zwar auf den Artikel „Tongen – gewikt en gewogen“ [dt. etwa: „Sprachenreden auf der Waagschale“], worin alle Bibelaussagen zu dieser Frage besprochen werden. Zugunsten Ouweneels kann ich vermerken, dass auch er eine sinnlose „Brabbelsprache“ abweist.

In 9.6.1 wird sehr vorsichtig über parapsychologische Einsichten gesprochen. Ich überlasse dies der Beurteilung des Lesers. Zu 9.6.2 habe ich allerdings etwas anzumerken. Die genannten Beispiele aus dem Buch der Sprüche über den Zusammenhang zwischen Seele und Leib sind natürlich bekannt; in der Praxis können wir etwas daraus lernen. Dass Glaube eine Heilung fördert, können wir wohl unterstreichen, ebenso wie die Behinderung durch Zweifel. Ouweneel weist dabei zurück auf seine in 8.6.2 beschriebene Erfahrung; ich nehme an, er meint 8.6.3, aber diese Erfahrung kann ich – wie dort schon erwähnt – durchaus nicht spektakulär nennen.

In der Fußnote 94 auf Seite 313 erwähnt Ouweneel, er habe bei manchen Heilungen gesehen, dass Menschen während der „Geistberührung“ in alle Richtungen umfielen. Wieder hebt er also ab auf das, was er gesehen hat; im NT finden wir aber nur das Nach-vorn-Fallen, das Auf-das-Gesicht-Fallen, und das auch nur mit klar erkennbarer Ursache. Zu Punkt 9.6.3 weise ich den Leser noch einmal auf meine Website hin; das erübrigt eine ausführliche Behandlung hier.

Krankensalbung (Kapitel 10)

In Kapitel 10.1.1 werden sieben Gründe aufgezählt, warum viele Jakobus 5,14-16 heute nicht mehr anwenden. Als dritter Grund wird angegeben, dass Paulus diese Vorschrift nicht übernimmt bzw. anwendet und sie deshalb für uns nicht mehr gelte (s. weiter unten). WJO lässt sich durch diese Gründe nicht beeindrucken; ich auch nicht, obwohl ich für einige von ihnen wohl Verständnis aufbringen kann.

Zu Punkt 5: WJO spricht hier von einer „Gabe der Heilung“; meines Erachtens geht es in Jakobus 5 aber nicht um die Ausübung einer Gabe, sondern um Heilung aufgrund von Gebet. Dieser Unterschied wird – wie ja schon mehrfach – von Ouweneel verworfen. Eine andere Sache ist, dass wir Jakobus 5 in solchen Fällen anwenden können, die Jakobus im Blick hat, und das sind nach meinem Urteil nur Krankheiten, die als Folge von Sünden auftreten; das hatte ich ja in meinem Vorwort schon angegeben.

In 10.1.2 sagt Ouweneel meines Erachtens zu Recht, dass es nicht um eine einfache Grippe oder Ähnliches geht, sondern um ernste Krankheiten (S. 322 unten). Noch einmal schreibt er, dass die Hilfe eines Arztes keineswegs abzulehnen sei, dass man aber die Krankheit zuerst im Gebet zu Gott bringen solle. Auch mit dem Übrigen dieses Abschnittes bin ich einverstanden.

Es ist nach Ouweneel keine strenge Regel, dass die Initiative von dem Kranken ausgeht (Punkt 10.1.3). Insoweit kann ich dem zustimmen, dass die Ältesten den Kranken auf diese Möglichkeit aufmerksam machen können, dann aber muss die Bitte, die Salbung anzuwenden, von dem Kranken ausgehen. Mindestens aber muss der Patient mit dieser Behandlung einverstanden sein. In der Belehrung der Gemeinde können diese Verse natürlich allgemein zur Sprache kommen.

Auf Seite 324 nennt Ouweneel die Möglichkeit, dass auch Sünde mit im Spiel sein kann. Ich möchte hier die Gründe angeben, warum ich glaube, dass dies mehr ist als nur eine Möglichkeit – und zwar:

  • In Jakobus 5,15 wird als Bedingung genannt: Wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden; in Jakobus 5,16 wird die Reihenfolge allerdings umgedreht. Dort heißt es: Bekennt denn eure Vergehungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet. Dort wird also das Bekennen der Sünden vorangestellt.

  • Für Juden (s. die Adressaten des Briefes) war der Zusammenhang Krankheit/Sünde etwas Normales. Dass sie dabei manchmal zu weit gingen, sehen wir in Johannes 9,2. Die Jünger übernehmen dort die Theorie der Pharisäer, ein Kind könne schon im Mutterleib sündigen. Damit wird durchaus nicht geschmälert, dass der Herr den Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde in Johannes 5,14 feststellt und offenbar auch in dem Fall des Gelähmten in Matthäus 9,2, denn dort sagt Er zuerst: Deine Sünden sind vergeben. Dies dürfen wir beim Nachdenken über diese Verse nicht aus dem Auge verlieren.

  • Die Tatsache, dass der Kranke die Ältesten der Versammlung zu sich rufen soll, ist umso verständlicher, wenn er aufgrund von Sünde krank geworden ist. Dann muss nämlich auch eine Wiederherstellung seines Verhältnisses zur Versammlung stattfinden.

  • Jakobus erwähnt das Beispiel Elias (Jak 5,17.18). Dessen erstes Gebet bezog sich auf Gottes Züchtigung wegen der Sünde Israels. Erst in seinem zweiten Gebet ging es um die Aufhebung dieser Züchtigung. Also gab es dort ganz klar einen Zusammenhang mit Sünde.

Somit können wir aus der Tatsache, dass der Apostel Paulus diese Vorschrift des Jakobus in den Fällen seiner eigenen kranken Mitarbeiter (Trophimus, Epaphroditus, Timotheus) nicht empfiehlt, keineswegs ableiten, dass diese Vorschrift für uns keine Bedeutung mehr habe. Viel eher könnten wir vorsichtig (!) folgern, dass er dies deshalb nicht tut, weil in diesen Fällen die Krankheit eben nicht Folge von Sünde war.

Unter Punkt (b) auf Seite 325 weist WJO darauf hin, dass Glaube erforderlich ist – und zwar besonders bei den Ältesten. Weniger glücklich bin ich mit seiner Bemerkung, dies Gebet könne auch während der Gemeindezusammenkünfte stattfinden. Der Kranke soll die Ältesten „zu sich“ rufen – das kann doch wohl kaum etwas anderes bedeuten als „zu sich nach Hause“; dies umso mehr, wenn wir bedenken, dass es sich, wie gesagt, um eine schwerer wiegende Krankheit handelt. Diesen Hinweis von WJO können wir zu der Reihe spekulativer Gedanken zählen, von denen er nun schon etliche vorgebracht hat. Auch bin ich – aus schon genannten Gründen – alles andere als begeistert darüber, dass er William Branham schon wieder zu Wort kommen lässt.

Zu Punkt (b) auf Seite 327 merke ich an, dass auch bei den Aposteln keine Heilung aufgrund von Gebeten stattfand. Das heißt natürlich nicht, dass sie für sich selbst nicht beteten – zum Beispiel um persönliche Kraft. Wir lesen allerdings nirgends, dass sie mit Kranken beteten, auch nicht in Apostelgeschichte 28,8. Somit bleibe ich bei meiner Unterscheidung zwischen Heilung aufgrund von Gebet und Heilung in Ausübung der Gabe der Heilungen.

Über die Kraft des Gebets hat WJO nützliche Gedanken, was er aber über das „Durcheinander-Beten“ schreibt, überlasse ich ganz der Verantwortung von Derek Prince und seiner selbst, da er (WJO) diesen Gedanken ja unterstützt.

Auch John Wimbers Fünf-Punkte-Plan lasse ich so stehen – er enthält gute Gedanken.

Zur Bedeutung des Öls: Zu Ouweneels Gedanken hierüber füge ich noch hinzu, dass die Salbung mit Öl auch symbolisch auf die Wirkung des Heiligen Geistes hindeuten kann, durch die der Kranke gesund wird. Die Frage, ob wir das Öl zusätzlich zur normalen Therapie einsetzen, behandelt WJO angemessen und sorgfältig.

Abschnitt 10.3.3 enthält eine Wiederholung, wobei ich nur an meinen früheren Kommentar zum Thema „Ergebenheit“ erinnere. Im Weiteren setzt sich WJO sehr einleuchtend mit dem Unterschied zwischen Krankheit und Leiden auseinander.

Ob alle Gesalbten gesund werden, hängt wiederum davon ab, was wir als Ursache der Krankheit ansehen. Natürlich gibt es auch für die betenden Brüder Voraussetzungen; auf den Seiten 336 bis 337 trägt Ouweneel einige davon in gut nachvollziehbarer Weise vor. Wenn es aber um Krankheit als Folge von Sünden geht und wenn dann die Sünde aufrichtig bekannt und im Glauben gebetet wird, dann glaube ich, dass auch Genesung folgen wird. Die Worte „Der Herr wird ihn aufrichten“ dürfen wir dann im vollen und absoluten Sinn verstehen.

Wenn ein Kranker um Salbung bittet, ohne dass Sünde im Spiel ist, können wir meines Erachtens nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Anwendung der Salbung auch zur Erhörung und Heilung führt. Natürlich würde ich in einem solchen Fall eine Salbung nicht grundsätzlich ablehnen, aber ich würde wohl den Patienten warnen, dass die Salbung in diesem Fall durchaus nicht zur Heilung zu führen braucht.

Über die Voraussetzungen aufseiten des Kranken schreibt Ouweneel an sich wertvolle Gedanken. Einige der Bedingungen, die er unter 10.4.3 aufzählt, haben allerdings meines Erachtens nichts mit Jakobus 5 zu tun, obwohl auch dabei Bedenkenswertes angegeben wird.

Zu der Frage, warum Kranke nicht gesund werden, gibt Ouweneel zwar sinnvolle Hinweise; in Bezug auf den sechsten Punkt aber, wo es um das Überwinden von Flüchen geht, verweise ich auf meinen früheren Kommentar hierzu. Ich finde nirgendwo in der Schrift, dass es eine Auswirkung hat, wenn jemand über einen anderen Menschen irgendeinen Fluch ausspricht! Auch mit der Bemerkung von Viktor Emenike kann ich mich nicht anfreunden. Wiederum vermisse ich hier die biblischen Belege. An eine Heilung zu glauben, obwohl die Krankheitssymptome noch da sind, und dann auch noch dafür zu danken, finde ich einfach unnüchtern.

Ouweneels Argumentation mit dem verzögerten Einsetzen der Heilung, wobei er vom Feigenbaum-Prinzip bzw. vom Lazarus-Prinzip redet, greift überhaupt nicht. Matthäus 21,20 zeigt, dass der Feigenbaum unmittelbar verdorrte und dass die Jünger dies sahen. Markus 11,20 sagt nicht, dass der Baum erst am nächsten Tag verdorrte, sondern dass die Jünger am nächsten Tag sahen, dass er verdorrt war, und zwar von den Wurzeln an. Nun kommen sie auf das am Tag zuvor Geschehene zurück, was sie (z.T.?) dann schon gesehen hatten. Ouweneel spielt hier die eine Stelle gegen die andere aus und liest dabei noch nicht einmal genau, was da steht.

Das Feigenbaum-Prinzip wie auch das Lazarus-Prinzip sind Erfindungen von Ouweneel, aber nicht Prinzipien, die wir in der Schrift finden und die wir anwenden dürften, wenn Heilungen nicht unmittelbar stattfinden.

Gesamturteil

Ich bin am Ende meiner Anmerkungen angekommen. Es war eine mühevolle Arbeit, und wer diese Anmerkungen liest, ohne Ouweneels Buch zu kennen, wird das Ganze wohl ziemlich verwirrend finden; das liegt aber zu einem großen Teil an dem Konzept des Buches und an dem häufigen Zurückgreifen auf früher Geschriebenes.

Ich stelle auch voran, dass ich selbstverständlich nicht behaupte, mit den hier vorgelegten Gedanken das letzte Wort über die Frage der Krankenheilungen gesagt zu haben. Auch wenn Ouweneel immer wieder gute Gedanken vorträgt, so halte ich sein Buch nicht für eine gründliche und gediegene Behandlung des Themas „Krankenheilungen“. Es enthält mehr Meinungen charismatischer Autoren und schwammige Schlussfolgerungen als saubere biblische Begründungen. Die Gesamttendenz halte ich deshalb für schädlich.

Gern gebe ich diese Anmerkungen den Lesern zur Erwägung; möge der Herr durch seinen Geist und durch sein Wort uns alle, auch Bruder Ouweneel, bewahren auf seinen Wegen bzw. darauf zurückbringen, wenn wir davon abgewichen sind.

Allen Kranken möchte ich in ihrer oft so schweren Lage von Herzen Kraft wünschen. Hoffentlich werden sie vor Enttäuschungen bewahrt, wenn möglicherweise in ihnen geweckte Erwartungen einer Heilung sich nicht bewahrheitet haben und sie beim Fortdauern der Krankheit auf sich selbst zurückgeworfen werden. Möge das Vertrauen auf den Herrn keinen Schaden nehmen. Er ist der Gott der Treue, auch in Zeiten der Krankheit und auch, wenn das Sterben naht.


Originaltitel: „Notities bij het boek ‚Geneest de zieken‘ van Willem J. Ouweneel“
Quelle: www.jaapfijnvandraat.nl

Anmerkungen

[1] Anm. d. Übers.: www.jaapfijnvandraat.nl ist eine Website in niederländischer Sprache.

[2] Anm. d. Red.: Dieser Artikel ist auf SoundWords ins Deutsche übersetzt erschienen: „Ist Fallen im Geist biblisch?

[3] Anm. d. Red.: Das Buch ist im Deutschen unter dem Titel Dein Glaube hat dich geheilt bei CLV erschienen.


Hinweis der Redaktion:

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