Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf (1)
Unterschiede zwischen Israel und der Gemeinde?

Botschafter

© SoundWords, online seit: 17.08.2006, aktualisiert: 06.11.2023

Leitverse: Galater 1,4.5

Gal 1,4.5: Der Herr Jesus Christus hat sich selbst für unsere Sünden hingegeben, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

1. Vorwort

Der Herr Jesus ist geboren, um König zu sein; dazu ist Er in die Welt gekommen, um der Wahrheit Zeugnis abzulegen. Da Ihn aber die Seinen nicht aufgenommen haben, so entsagt Er für einige Zeit, hier auf der Erde zu regieren und, in den Himmel zurückgegangen, sammelt sich von dort aus eine Versammlung, die als seine Frau mit Ihm das Reich ererben soll. Diese Zeit der Abwesenheit Jesu ist für uns der gegenwärtige böse Zeitlauf.

Wenn diese Versammlung vollständig und zu Ihm aufgenommen ist, so wird Er mit ihr kommen, um seine Rechte geltend zu machen; und als wahrer Melchisedek wird Er seinem Zepter der Gerechtigkeit und des Friedens alle Reiche, die unter allen Himmeln sind, unterwerfen. Dies wird das Reich Gottes sein oder der zukünftige Zeitlauf.[1]

Der gegenwärtige Zeitlauf und der zukünftige Zeitlauf – dies ist in wenigen Worten der Gegenstand, den wir in diesen Aufsätzen erforschen möchten, indem wir besonders den Charakter und die Berufung der Versammlung Jesu Christi durch diese beiden Haushaltungen hindurch zu unterscheiden suchen.

Wie könnten wir, die Glieder dieser Versammlung, unserer Berufung würdig wandeln, wenn wir nicht zuerst einen klaren und bestimmten Begriff davon haben? Lasst uns deshalb das Licht der Prophezeiung nicht verachten, das unseren Weg beleuchten kann, indem es mit seinen Strahlen das herrliche Ziel unserer Pilgerschaft erhellt und unsere Schritte durch den dunklen Ort dieser Welt, durch die wir zu gehen haben, leitet und sicher macht.

Gebe der Herr in seiner Gnade, dass diese einfachen Forschungen einigermaßen zu diesem Zweck dienen.

2. Die Natur der Versammlung

Die Versammlung ist keineswegs die Gesamtheit aller Heiligen seit Anbeginn der Welt bis zum Ende der Welt. Sie ist der Leib des Christus, am Tag der Pfingsten durch seinen Geist gebildet und seitdem gesammelt, um zu ihrem Haupt versammelt zu werden, ehe Er kommt, um über die Welt Gericht zu halten und sein Reich aufzurichten. Sie ist sogar ein Geheimnis, das in früheren Zeiten nicht offenbart worden ist.

Dies lehrt uns das Wort und insbesondere Paulus, der Diener der Versammlung und Verwalter dieses Geheimnisses (Eph 3,1-12; Kol 1,18-27). Deshalb:

1. Ist die Versammlung gänzlich unterschieden sowohl von Israel in den vergangenen Zeiten als auch von Israel und den Nationen im zukünftigen Zeitalter?

  1. Israel war ein Volk nach dem Fleisch, äußerlich von allen anderen Völkern getrennt, in einem besonderen ihm zur Wohnung angewiesenen Land. Die Versammlung ist ein Volk, das aus allen anderen genommen ist, obschon es mitten unter ihnen wohnt. Sie ist auf der ganzen Erde zerstreut; und aller nationaler Unterschied ist darin gänzlich ausgelöscht (Gal 3,26; Eph 2,11.12; Kol 3,11; Apg 15,14).

  2. Israel war ein Volk nach dem Fleisch. Wer von israelitischen Eltern geboren und am achten Tag beschnitten wurde, war Israelit. Die Versammlung ist ein Volk nach dem Geist. Weder die Geburt nach dem Fleisch noch irgendeine Zeremonie macht zum Christen, sondern nur der Glaube und die Geburt nach dem Geist (Joh 1,12.13).

  3. Nicht nur dies, sondern die Versammlung ist ein „Haus Gottes im Geist“, „der Tempel Gottes“, so wie dies auch jedes Glied derselben ist (1Kor 3,16; 4,17; 2Kor 6,16; Eph 2,20-22; 1Pet 2,5). „Der Leib Christi“, in dem folglich sein Geist lebt, wie der Geist des Menschen im Menschen lebt (Eph 1,22.23; 4,4 usw.). Deshalb ist auch die Gottesverehrung der Versammlung bezeichnet durch „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,21), im Gegensatz zur jüdischen, die in „Schatten und Satzungen des Fleisches“ bestand (Kol 2,17; Heb 9,1.10). Israel hatte wohl eine Wohnung Gottes bei sich in seiner Stiftshütte oder in seinem Tempel; da aber dieser Tempel selbst von „dieser Schöpfung“ war, so war er nur ein Schatten der himmlischen Güter, und die Opfer, die man dort darbrachte, waren in Beziehung mit den Segnungen, welche Israel verheißen waren, das heißt wieder von dieser Schöpfung: Lämmer, Früchte, Wein, Öl usw., nicht geistliche Opfer wie in der Versammlung.

  4. Das Königtum und das Priestertum in Israel gehörten von Rechts wegen einer Familie und waren demgemäß Rechte nach dem Fleisch. Jeder Sohn Aarons war bei erreichtem Alter, wie sein Charakter im Übrigen auch sein mochte, Priester (2Mo 28,1; 3Mo 8). Die Leviten allein konnten im Tempel dienen und das Volk belehren (5Mo 33,10; 2Chr 35,3). Die Versammlung hat einen einzigen Hohenpriester in dem Himmel, Jesus, wie es der Brief an die Hebräer zeigt. Alle Glieder der Versammlung sind Könige und Priester durch den Geist, der in ihnen ist (1Pet 2,5.9). Der Dienst ist nicht das Recht einer Familie und ist an keine Stellung nach dem Fleisch gebunden, sondern hängt einzig von den Gaben ab, die der Geist jedem zuteilt, wie es Ihm gefällt (Röm 12,3-8; 1Kor 12,6.11; 1Pet 4,10.11).

  5. In Israel wollte Gott, dass man Ihm nur an einem Ort diene, den Er sich selbst erwählt hatte und wo sein Name wohnte (5Mo 12,11; 16,5.6). In der Versammlung gibt es keine heiligen Örter. Da, wo zwei oder drei in dem Namen des Herrn versammelt sind, ist Er in ihrer Mitte (Mt 18,20). Dies ist ebenfalls eine Folge der Innewohnung des Geistes in den Gläubigen. Da dieser Geist in ihnen ist, so sind sie selbst der Tempel Gottes.

  6. Der Bund, den Gott mit Israel, wenigstens als Volk, gemacht hatte, war ein Bund des Gesetzes und unter der Bedingung des Gehorsams (3Mo 18,5; 2Mo 19,5.6; 5Mo 27,12-26.28). Die Versammlung aber steht vor Gott auf dem Grund einer unbedingten und unabhängigen Gnade (Joh 3,16.17.36; Eph 2,4-6).

  7. Die an den Bund mit Israel geknüpften Segnungen waren alle irdisch (3Mo 26,3-12; 5Mo 7,12-15; 8,7-18; 11,8-15.21; 28,1-14). Die Versammlung ist mit geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern gesegnet (Eph 1,3; Kol 3,1-4; Phil 3,18-21). Auf der Erde hat sie Trübsal und Kreuz zu erwarten (Joh 12,25.26; 15,18-21; 16,1-4; 2Tim 3,11.12 usw.)

  8. Israel war von Gott berufen, seinen Feinden den Krieg zu machen und sie auszurotten (3Mo 10,9; 5Mo 7,12.16-26). Die Waffen der Versammlung aber sind nicht fleischlich; sie soll kein anderes Schwert kennen als das des Geistes. Und wenn es sich um Feinde Gottes handelt, so soll der Christ sie tragen, wie auch sein Heiland tat (2Kor 10,4; Eph 6,10-17; Mt 13,30; Lk 9,54.55).

Können zwei Haushaltungen[2], deren Charakterzüge so verschieden sind, eine und dieselbe Haushaltung bilden? Mit anderen Worten, kann die Versammlung nur die Fortsetzung von Israel sein?

Man wird sagen, dass die Versammlung, so wie sie heutzutage besteht, ein Fortschreiten der Gemeinde von Israel sei und dass die Versammlung der letzten Tage, wenn ganz Israel errettet und die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, wieder ein Fortschreiten der jetzigen Versammlung sei. Aber kann man wohl das Ersetzen gewisser Grundsätze durch andere, oft ganz entgegengesetzter Grundsätze ein Fortschreiten nennen? Was wird endlich die Idee einer einzigen Versammlung durch alle Haushaltungen hindurch werden, wenn die hauptsächlichsten Charakterzüge der vergangenen Haushaltung wieder in der zukünftigen Haushaltung erscheinen? Das ist es aber, was uns gerade das Wort zeigt, mit Ausnahme zweier oder dreier Fälle, in denen Verschiedenheit, sogar Gegensatz zwischen dem alten Israel und dem Israel der letzten Tage ist.

Um nun mit den Verschiedenheiten anzufangen, so war der Bund, den Gott einst mit Israel auf Sinai gemacht hatte, wie wir gesehen haben, nach dem Gesetz, und die Segnungen hingen vom Gehorsam ab. Der Bund, den Gott mit Israel in den letzten Zeiten machen wird, wird im Gegenteil ein Bund der unbedingten Gnade sein. In diesem ist er neu im Vergleich mit dem Bund auf Sinai. Deshalb werden auch die Segnungen dieses Bundes so lange währen wie Himmel und Erde, während die Segnungen des Bundes des Gesetzes ein Ende genommen haben (Jer 31,31-37; 33,11-26; Hes 37,25-28).

Übrigens hat dieser Bund der unbedingten Gnade seinen Grund in dem Bund, der (mit Abraham) schon vierhundert Jahre vor dem Gesetz gemacht war; ein Bund, auf den sich die Heiligen in Israel immer vor Gott berufen und nie auf den Bund des Sinai (Ps 105,8 usw.; Mich 7,20 in Verbindung mit dem ganzen Kapitel; Lk 1,72.73). Dies macht uns auch begreiflich, warum Jesus „der Mittler des neuen Bundes“, sein Blut „das Blut des neuen Bundes“ und der Kelch des Abendmahls „der neue Bund im Blut Jesu“ genannt wird (Heb 9,15; Mt 26,28; Lk 22,20). Es macht uns ferner die Anwendung von Jeremia 31,31-37 in Hebräer 8,8-12 und 10,16.17 verständlich.

Ehe die Versammlung bestand, war auch Israel das einzige Volk auf der Erde, mit dem Gott einen Bund machte und dessen Gott Er sich nannte. Im zukünftigen Zeitlauf wird es nicht so sein; denn es werden im Gegenteil „viele Nationen sich dem HERRN anschließen, und sie werden mein Volk sein“; „Ihre Brand- und Schlachtopfer sollen wohlgefällig sein auf meinem Altar. Denn mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ (Sach 2,11; Jes 56,3.6.7).

Jedoch lasst uns jetzt auf die Beziehungen zwischen dem alten Israel und dem der letzten Tage zurückkommen.

  1. Der Herr sagt zu der Tochter Zion allein: „Siehe, ich komme, und will in dir wohnen; … denn der HERR wird Juda erben als sein Teil in dem heiligen Lande, und wird Jerusalem wieder erwählen“ (Sach 2,10.32). Kurz, unter den alsdann gesegneten Völkern wird Israel eine Vorrangstellung einnehmen. Wer könnte daran zweifeln, nachdem er Stellen, wie Jesaja 14,1.2; 49,22.23; 54,3; 60,3-16 usw. gelesen hat?

  2. Wie vormals die Heiligen in Israel zur Austilgung ihrer Feinde berufen waren, so wird es wieder der Fall sein. Während „ihr Mund erhöht, werden sie zweischneidige Schwerter in ihren Händen haben, dass sie die Rache üben unter den Heiden, Strafe unter den Völkern“ (Ps 149,6-9). Die, die den Herrn fürchten, „werden die Gottlosen zertreten wie Asche unter den Füßen“, „wie Kot auf der Straße“ (Mal 4,3; Mich 4,13; 5,8.9; 7,10).

  3. Wie Gott in der vorherigen Haushaltung einen einzigen Ort auf der Erde erwählt hatte, um seinen Namen darauf zu legen und um dort die Verehrung der Heiligen anzunehmen, so wird Er es wieder tun, und der Ort wird derselbe sein, nämlich Jerusalem, „die Stadt des großen Königs“, von der Er gesagt hat: „Meine Augen und mein Herz werden immer dort sein.“ Da wird Er wieder mitten unter Israel wohnen, da wird nicht nur das wiederhergestellte Israel, sondern es werden alle Nationen hinkommen, um „den Herrn der ganzen Erde“ anzubeten (Jes 2,2.3; Jer 3,17; Mich 4,1.2; Hes 20,40.41; 43,7; Sach 8,1-3; 20-23; 14,16-21).

  4. Der Gottesdienst wird, wenigstens in manchen Beziehungen, den fleischlichen und irdischen Charakter annehmen, den er früher in Israel hatte. Man wird wieder Brand- und Schlachtopfer, Kuchen und Weihrauch opfern, und man wird wieder das Laubhüttenfest halten. Seht die vorherigen Stellen und Jeremia 33,17.18.

  5. Wie vor dem Bestand der Versammlung die Segnungen, mit denen Gott seine Heiligen belohnte, irdische Segnungen waren, so wird es in der letzten Zeit wieder der Fall sein (Jes 60; 61,4-6; 64,11-25; Jer 31,12-14.23-28; Hes 36,24; Hos 2,18-22; Amos 9,13-15).

Nun frage ich, wie kann man aus diesen Charakterzügen der Heiligen der letzten Zeit diejenigen der Versammlung machen, ohne die bestimmtesten Belehrungen des Wortes über die Versammlung und der Berufung ihrer Glieder umzuwerfen? – Können die Christen je den Rockzipfel eines Juden fassen, um Gott in Jerusalem zu suchen und um dort das Laubhüttenfest zu halten (Sach 8,23) – sie, die von ihrem Meister gelernt haben, dass man in der Versammlung den Vater weder auf dem Berg von Samaria noch in Jerusalem anbeten wird; sondern dass Gott wahrhaftige Anbeter verlangt, die Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten? – Werden sie je das Schwert nehmen können, um sich an ihren Feinden zu rächen – sie, denen gesagt ist: „Liebt eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beeinträchtigen und verfolgen“ (Mt 5,44)? – Können die Christen je, ohne untreu zu sein, ihre Segnungen auf der Erde erwarten – sie, denen gesagt ist, „zu trachten nach dem, was droben ist und nicht nach dem, was auf der Erde ist“ (Kol 3,2)? – Sollen sie endlich einmal die Knechte und Mägde Israels sein, seine Ackersleute und Weingärtner und sich damit beschäftigen, die zerstörten Mauern wieder aufzubauen – sie, die gelernt haben, dass in der Versammlung „weder Jude, noch Grieche ist“ (Kol 3,11)?

Das ist aber noch nicht alles. Der Herr hat gesagt: „Wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben; und er wird sie weiden mit eiserner Rute“ (Off 2,26.27). Und wir sehen diese Verheißung in Offenbarung 20 erfüllt, wo die Glieder der Versammlung, nachdem sie die Begleiter des Herrn geworden sind, mit Ihm, wenn Er kommt, um den Boshaftigen zu zerstören, leben und regieren werden tausend Jahre über Nationen, die Satan nicht mehr verführt. Diese vor den Verführungen Satans geschützten Nationen beziehen offenbar die Heiligen dieser glücklichen Zeiten, wo die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, in sich. Wenn aber die Heiligen nur eine Fortsetzung der Versammlung sind, wenn sie wieder die Versammlung selbst sind, wie es einige sagen, was geht daraus hervor? Dass ein Teil der Versammlung von dem Himmel aus über einen anderen Teil der Versammlung auf der Erde, regieren wird? Ist aber das annehmbar? Ist das die Einheit des Leibes, die uns Paulus lehrt, wenn er sagt: „Ein Leib, und ein Geist, wie ihr auch in einer Hoffnung eurer Berufung berufen seid“ (Eph 4,4)?

Wenn einmal eine einzige Wahrheit angenommen ist, so macht sie alle diese Unmöglichkeiten aufhören, und diese Widersprüche verschwinden. Die Versammlung ist der Leib des Christus, der seit Pfingsten durch seinen Geist gesammelt wird; und wenn er einmal vollständig ist, wird er mit seinem Haupt vereinigt, und zwar ehe Er kommt, um über die Welt das Gericht zu halten und sein Reich aufzurichten. Wenn diese Versammlung aus der Welt entrückt ist, so nimmt Gott seine unterbrochenen Beziehungen zu Israel wieder auf, und nachdem Er es gerichtet hat, erfüllt Er in seiner Gnade alle dem Abraham und den Vätern gemachten Verheißungen. Da sehen wir, weshalb wir Israel in den letzten Zeiten in vielen Beziehungen in ähnlichen Stellungen und Charakterzügen finden, wie diejenigen, die es ehemals hatte. Nur konnte es ehemals, unter dem Bund des Gesetzes, seine Segnungen, die ihm dargestellt waren, verlieren; in den letzten Zeiten, unter dem (mit Abraham gemachten) Bund der Gnade wird es die Segnungen, die ihm beigelegt werden, nicht verlieren.

Doch wir kommen darauf zurück. Jetzt wollen wir unsere Forschungen über die Natur der Versammlung fortsetzen.


Originaltitel: „Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1857, S.21–28
aus dem Französischen übersetzt
von der Redaktion sprachlich leicht angepasst

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Anmerkungen

[1] Wir sagen, der gegenwärtige Zeitlauf sei die Zeit der Abwesenheit des Herrn, und es ist dies in jedem Fall für uns wahr. Aber wann hat denn dieser Zeitlauf angefangen? Vielleicht bei der Sintflut. Deshalb wären dann die Zeiten des Herrn und seiner Apostel „die letzten Zeiten oder die letzten Tage“ genannt (Heb 1,1).

Wäre Jesus aufgenommen worden, so wären es wirklich die letzten Tage gewesen, weil sein herrliches Reich den zukünftigen Zeitlauf eingeführt hätte. Obwohl übrigens der Anfang dieses Zeitlaufes nicht genau angegeben ist, so ist es doch sein Charakter. Der Christ ist aus einem bösen Zeitlauf herausgenommen (Gal 1,4); aus einem Zeitlauf der Finsternis, dessen Weltbeherrscher und Gott der Teufel ist (Eph 6,12; 2Kor 4,4), dessen Kinder den Kindern des Lichtes entgegengestellt sind (Lk 16,8). Die, die diesen Zeitlauf liebgewinnen, verlassen Gott und seine Kinder (2Tim 4,10). Auch soll man nicht diesem Zeitlauf gemäß handeln (Röm 12,2).

Der zukünftige Zeitlauf fängt offenbar mit der Ankunft des Herrn an und entspricht der Zeit seines Reiches. Dieses Reich ist ein herrliches und wünschenswertes Reich, weil diejenigen, die „würdig gehalten werden, jenes Zeitlaufes und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu sein, nicht mehr sterben können“ (Lk 20,35.36). Es ist der Zeitlauf der Vergeltung (Mk 10,30; Lk 18,30), und zwar offenbar derjenigen, die bei der Auferstehung der Gerechten stattfinden wird (Lk 14,14). Endlich ist es der Zeitlauf der Auferstehung, des Lebens und der Herrlichkeit.

Oft verwechselt man die Welt und den Zeitlauf, was zu großen Irrtümern führt. Die Welt, kosmos oder oikumene, ist die Erde, die wir bewohnen. Der Zeitlauf aion ist ein bestimmter Zeitlauf dieser Welt oder eine Zeitspendung Gottes gegen diese Welt und ihre Bewohner. Sie sind gleichsam wie zwei gleichlaufende Linien, die sogar manchmal in gleicher Entfernung von denselben Ereignissen durchschnitten und doch immer unterschiedlich sind. Wenn der gegenwärtige Zeitlauf bei der Sintflut angefangen hat, so entspricht er in seiner Dauer dem, was man die jetzige Welt nennen kann, im Gegensatz zur alten Welt, das heißt der vorsintflutlichen Welt.

Der durch die Ankunft des Herrn eingeführte zukünftige Zeitlauf entspricht auch der zukünftigen Welt oder dem zukünftigen Erdkreis (Ps 8; Heb 2,5), das heißt der durch den Herrn hergestellten Welt, auf der alle Kreaturen Ihm unterworfen sein werden.

Ferner entsprechen sich auch die Charakterzüge der jetzigen Welt und des jetzigen Zeitlaufes. Wenn dieser Zeitlauf „böse“ ist, so „liegt auch die ganze Welt im Argen“ und „alles, was in der Welt ist“. – „Die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens ist nicht aus dem Vater, sondern aus der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust.“ Wie man deshalb den jetzigen Zeitlauf nicht lieben noch ihm gemäß handeln soll, so soll man auch die Welt nicht lieben noch was in der Welt ist (1Joh 2,15-17; Jak 4,4). Wenn der Teufel der Weltbeherrscher dieses Zeitlaufes ist (Eph 2,2), so ist er auch der Fürst dieser Welt genannt (Joh 12,31; 14,30; 16,11). „Wenn man nach dem Zeitlauf dieser Welt wandelt, so wandelt man nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirksam ist“ (Eph 2,2); auch ist jetzt das Reich des Herrn Jesus weder von diesem Zeitlauf noch von dieser Welt (Joh 18,36). Dass es nicht von diesem Zeitlauf ist, wird durch das Wort „jetzt“ bezeichnet, und dass es nicht von dieser Welt ist, durch das Wort „von hier“; aber es wird sich im zukünftigen Zeitlauf über eine erneuerte Welt erstrecken.

Ungeachtet dieser Beziehungen ist Welt und Zeitlauf nicht dasselbe und soll nicht verwechselt werden. Man tut es aber in Matthäus 13,39.40.49 und 24,3, wenn man anstatt „Ende des Zeitlaufs“ „Ende der Welt“ liest, was glauben macht, dass es sich dort um Zerstörung von Himmel und Erde handle und um das Gericht, das dann stattfinden wird (Off 20), während es sich in diesen Stellen, so wie in Matthäus 25, das nur eine nähere Entwicklung davon ist, keineswegs um das Ende der Welt handelt, sondern um das Ende des jetzigen bösen Zeitlaufs und um das Gericht, das dann vom Herrn ausgeführt wird, um den zukünftigen Zeitlauf einzuführen.

[2] Anmerkung des Herausgebers des Botschafters: Das Wort „Haushaltung“ ist in seiner eigentlichen Bedeutung, nach meiner Meinung, auf die Versammlung als solche nicht anwendbar; allein ein anderer Ausdruck, etwa „Periode“, würde hier weniger für Israel passend sein.

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