Die Bedeutung der Bergpredigt
Matthäus 5–7

Frank Binford Hole

© CSV, online seit: 23.11.2014, aktualisiert: 17.11.2022

Leitverse:  Matthäus 5–7

Matthäus 5

Mt 5,1.2: 1 Als er aber die Volksmengen sah, stieg er auf den Berg; und als er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

Der Herr begann nun, zu seinen Jüngern zu sprechen, wenn auch in Gegenwart der Volksmenge, um sie über die Grundsätze des Reiches zu belehren.

Mt 5,3-10: 3 Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. 4 Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. 5 Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. 6 Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden. 7 Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit zuteilwerden. 8 Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen. 9 Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen. 10 Glückselig die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel.

Zunächst einmal zeigt Er auf, welche Art von Menschen in dieses Reich eingehen, um es zu besitzen und seine Vorteile zu genießen. In Reichen der Menschen braucht jemand heutzutage sehr viel Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen, wenn er erfolgreich sein soll; im Reich der Himmel dagegen trifft das Gegenteil zu. Schon im Alten Testament war darauf hingewiesen worden: Psalm 37,11 bringt das beispielsweise sehr deutlich zum Ausdruck. Hier jedoch stellt der Herr diese Tatsache noch weit umfassender vor unsere Augen. Er skizziert uns ein moralisches Bild des gottesfürchtigen Überrests, der schließlich in das Reich eingehen wird. Acht Dinge erwähnt Er, indem Er mit der Armut im Geist beginnt und mit Verfolgungen endet. In dieser Anordnung lässt sich eine bestimmte Reihenfolge erkennen. Buße erzeugt Armut im Geist, und da muss alles seinen Anfang haben. Es folgen Trauer und Sanftmut, die aus wahrer Einsicht in das eigene Selbst hervorkommen, dann ein Durst nach Gerechtigkeit, wie sie nur in Gott gefunden wird. Dann, wenn diese Tugenden den Gläubigen erfüllen, offenbart sich in ihm Gottes eigener Charakter: Barmherzigkeit, Reinheit, Friede. Doch die Welt verlangt nicht nach Gott und seinen Wesenszügen. So kommt es zu Verfolgungen, mit denen diese Aufzählung endet.

Mt 5,11.12: 11 Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden um meinetwillen. 12 Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren.

Der Segen, der in den Versen 3 bis 10 betrachtet wird, geht seiner völligen Verwirklichung entgegen, wenn das Reich der Himmel auf der Erde errichtet wird. In jeder Glückseligpreisung außer der letzten werden die Gottesfürchtigen in unpersönlicher Weise beschrieben, aber In den Versen 11 und 12 spricht der Herr seine Jünger persönlich an. Das „die“ von Vers 10 wechselt zum „ihr“ in Vers 11, und nun, indem Er das Wort an seine Jünger richtet, wird ihnen Lohn in den Himmeln verheißen. Er wusste, dass seine Jünger in eine neue und himmlische Ordnung der Dinge übergehen sollten, und während Er die alten Dinge in klarerem Licht bestätigt, beginnt Er schon, einige der neuen Dinge mitzuteilen, die bald kommen würden. Der Wechsel in diesen beiden Versen ist auffallend und hilfreich, um den Charakter der „Bergpredigt“ zu verstehen, in der der Herr seine Unterweisung zusammenfasst und sie zu den alten Dingen, wie Mose sie gegeben hatte, in Beziehung setzt. In Johannes 13–16 (wir könnten hier von der „Obersaalpredigt“ sprechen) erweitert Er seine Unterweisung und setzt sie in Beziehung zu dem vollen Licht, das Er geben würde, wenn der Heilige Geist gekommen wäre.

In Verfolgungen um seines Namens willen würde sein Segen auf seinen Jüngern ruhen, und das sollten sie erkennen und sich darüber freuen. Natürlicherweise schrecken wir vor Verfolgungen zurück, doch die Geschichte beweist die Wahrheit dieser Worte. Solche Gläubige, die dem Herrn sehr ähnlich und in ihrem Zeugnis mutig sind, haben zu leiden, aber sie werden gestärkt und belohnt werden. Dagegen werden solche, die durch Kompromisse einer Verfolgung aus dem Weg gehen, ins Elend kommen und all ihrer Belohnung verlustig gehen.

Mt 5,13: Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden.

Darüber hinaus ist ein Jünger, der von der Welt verfolgt wird, ganz sicherlich „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Salz erhält, und Licht erleuchtet. Wir können nicht wie gesunderhaltendes Salz in der Erde sein, wenn wir von der Erde sind. Und wir können nicht als ein Licht von erhöhter Stelle in der Welt scheinen, wenn wir von der Welt sind. Und damit wir uns von der Erde und der Welt unterschieden und abgesondert halten, hilft uns nichts mehr als Verfolgung seitens der Welt, wobei die Art der Verfolgung unwichtig ist. Wenn ein Jünger um Christi willen verfolgt wird, dann ist er wirklich salziges Salz, und auch strahlt er ein Höchstmaß an Licht aus. Enthüllt uns dieses Wort nicht das Geheimnis von so vieler Schwachheit unsererseits?

Mt 5,14-16: 14 Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. 15 Man zündet auch nicht eine Lampe an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Lampenständer, und sie leuchtet allen, die im Haus sind. 16 Ebenso lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.

Beachten wir, dass das Licht nicht bloß in lehrmäßigen Fragen, sondern vor allem im praktischen Verhalten leuchten sollte. Es geht nicht darum, dass die Menschen es in unseren klaren, vielleicht originellen Belehrungen mit Worten erkennen, sondern in unseren Handlungen und Werken. Sicher sollten sie auch unsere guten Worte hören, doch müssen sie unsere guten Werke sehen, wenn wir ihnen ein Licht sein sollen. Das Wort für „gut“ bedeutet hier nicht genau wohltätig, sondern mehr aufrichtig oder ehrbar. Solche Handlungen haben ihre Quelle in dem Vater im Himmel; sie verbreiten sein Licht und verherrlichen Ihn.

Mt 5,17-20: 17 Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. 18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. 19 Wer irgend nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel; wer irgend aber sie tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel. 20 Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht bei weitem übersteigt, werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.

Von Vers 17 an bis zum Ende von Kapitel 5 spricht der Herr von dem Verhältnis zwischen dem, was Er lehrte, und dem, was durch Mose gegeben war. Er war nicht gekommen, um aufzulösen oder ungültig zu machen, was früher gegeben worden war, sondern gerade um dessen Erfüllung oder Fülle zu bringen, denn das ist hier der Sinn des Wortes „erfüllen“. Er bestätigte und verstärkte alles, was früher gesagt worden war, wie die Verse 18 und 19 zeigen, und auch nicht ein einziges Wort von dem, was Gott gesprochen hatte, sollte gebrochen werden. Außerdem macht Vers 20 deutlich, dass Er fest darauf bestand, dass die Gerechtigkeit, die vom Gesetz gefordert wurde, eine Fülle umfasste, die weit über die oberflächliche Auslegung der Schriftgelehrten und Pharisäer seiner Tage hinausging. Sie beachteten wohl einen formellen Gehorsam in den zeremoniellen Vorschriften, kannten aber den wahren Geist des Gesetzes und die darin von Gott verfolgte Absicht nicht. Ihre Gerechtigkeit führte nicht in das Reich.

Deshalb fuhr Er fort, ihnen die tiefere, eigentliche Bedeutung der Forderungen des Gesetzes aufzuzeigen, die sie darin nicht vermutet hatten, und stellte ihnen nicht weniger als sechs Punkte vor, um seinen Gedankengang zu veranschaulichen. Er sprach über das sechste und siebte Gebot; dann über die Anweisung des Gesetzes im Fall einer Scheidung in 5. Mose 24,1, weiter im Fall von Schwören nach 3. Mose 19,12 und weiter über das Gesetz der Vergeltung nach 2. Mose 21,24 und anderen Stellen; schließlich über die Zulässigkeit von Feindeshass (5Mo 23,6).

In Bezug auf die beiden zitierten Gebote geht die Unterweisung des Herrn dahin, dass es Gott nicht nur um die offenkundige Tat geht, sondern ebenso um den Herzenszustand. Nicht nur Mord und Ehebruch werden verboten, sondern auch der Hass und die böse Lust, die solchen schweren Sünden zugrunde liegen. Wenn nach diesem Maßstab gerichtet wird, wer kann dann vor den heiligen Forderungen des Sinai bestehen? Die „Gerechtigkeit“ des Pharisäers und des Schriftgelehrten bricht vollständig zusammen. Nachdem Er in beiden Fällen diesen Sachverhalt klargestellt hat, lässt Er weitere Belehrungen folgen.

Mt 5,21-26: 21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten; wer aber irgend töten wird, wird dem Gericht verfallen sein. 22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder [ohne Grund] zürnt, wird dem Gericht verfallen sein; wer aber irgend zu seinem Bruder sagt: Raka!, wird dem Synedrium verfallen sein; wer aber irgend sagt: Du Narr!, wird der Hölle des Feuers verfallen sein. 23 Wenn du nun deine Gabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, 24 so lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh zuvor hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar. 25 Einige dich schnell mit deinem Widersacher, während du mit ihm auf dem Weg bist; damit nicht etwa der Widersacher dich dem Richter überliefert und der Richter [dich] dem Diener [überliefert] und du ins Gefängnis geworfen wirst. 26 Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Cent bezahlt hast.

Auf zwei bedeutungsvolle Punkte macht der Herr in den Versen 23 und 26 aufmerksam: Erstens ist vor Gott kein Opfer angenehm, das aufseiten des Darbringenden mit Ungerechtigkeit gegenüber Menschen verbunden ist. Wir können nicht ein Unrecht gegenüber einem Mitmenschen stillschweigend gutheißen, indem wir gegenüber Gott öffentlich Frömmigkeit demonstrieren. Erst nach der Aussöhnung kann man Gott nahen.

Zweitens muss das Gesetz ohne Barmherzigkeit zur Anwendung kommen, wenn die Ursache der Entfremdung einmal vor das Gericht gebracht ist. Die Worte des Herrn haben hier zweifellos eine prophetische Bedeutung. Die jüdische Nation war im Begriff, Ihn zu ihrer „Gegenpartei“ zu erklären und in ihrer Streitsache gegen Ihn Anklage zu erheben, doch ihre eigene Verdammung wird die Folge sein. Noch haben sie den letzten Pfennig nicht bezahlt.

Mt 5,27-30: 27 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. 28 Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, hat schon Ehebruch mit ihr begangen in seinem Herzen. 29 Wenn aber dein rechtes Auge dir Anstoß gibt, so reiß es aus und wirf es von dir; denn es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder umkomme, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde. 30 Und wenn deine rechte Hand dir Anstoß gibt, so hau sie ab und wirf sie von dir; denn es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder umkomme, als dass dein ganzer Leib in die Hölle komme.

Hiermit verwandt ist das nächste Beispiel: Der Herr zeigt darin, dass jedes Opfer sich lohnt, wenn es zur Befreiung von der Hölle verhilft, die am Ende eines bösen Weges steht.

Mt 5,31-37: 31 Es ist aber gesagt: Wer irgend seine Frau entlässt, gebe ihr einen Scheidebrief. 32 Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlässt, außer aufgrund von Hurerei, bewirkt, dass sie Ehebruch begeht; und wer irgend eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch. 33 Wiederum habt ihr gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht falsch schwören, du sollst aber dem Herrn deine Eide erfüllen. 34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht; weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs; 36 noch sollst du bei deinem Haupt schwören, denn du vermagst nicht ein Haar weiß oder schwarz zu machen. 37 Eure Rede sei aber: Ja – ja; nein – nein; was aber mehr ist als dieses, ist aus dem Bösen.

In dem dritten und vierten Punkt (V. 31-37) zeigt uns der Herr wiederum, dass die Anordnungen, die durch Mose gegeben waren, noch nicht den ganzen Willen Gottes ausdrücken. Sowohl eine Scheidung als auch das Schwören waren erlaubt, so dass die Norm, zu der die Menschen verpflichtet wurden, nicht zu streng war. Beide Punkte werden nun hier in ein klareres Licht gerückt, und wir sehen, dass es lediglich für eine Sache die Erlaubnis gab, das eheliche Band zu lösen. Weiterhin sollte das von Menschen gesprochene Wort so unwiderruflich und bindend sein, dass kraftvolle Schwüre in dieser oder jener Form sich erübrigten. Ein Mensch, der fast jede Behauptung durch einen Schwur bekräftigt, dessen einfache Rede ist nicht vertrauenswürdig.

Mt 5,38-42: 38 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn. 39 Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin; 40 und dem, der mit dir vor Gericht gehen und dein Untergewand nehmen will, dem lass auch das Oberkleid. 41 Und wer dich zwingen will, eine Meile mitzugehen, mit dem geh zwei. 42 Gib dem, der dich bittet, und weise den nicht ab, der von dir borgen will.

Wiederum setzte das Gesetz gerechte Vergeltung für zugefügtes Unrecht fest. Es folgte der Richtschnur des Ausspruchs „Wie du mir, so ich dir“. Und während es einerseits zur Nächstenliebe aufrief, erlaubte es aber auch, einen Feind zu hassen. Das Letztere drehte der Herr um. Er lehrte Geduld und die Gnade, die gibt, statt auf seinen eigenen Rechten zu bestehen. Und Er lehrte die Liebe, die den Feind segnet und ihn mit Gutem bedenkt. Und das alles, damit seine Jünger sich deutlich von den Sündern der Welt unterscheiden und den Charakter Gottes selbst darstellen möchten.

Mt 5,43-48: 43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe? 48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

Gott wird Ihnen vorgestellt, nicht als Jehova, der Gesetzgeber, sondern als „euer Vater, der in den Himmeln ist“. Gott wird so in neuem Licht gesehen. Das beherrscht hier die Unterweisungen des Herrn. Denn wenn wir Gott in dieser neuen Weise kennenlernen, entdecken wir, dass Ihn Wohlwollen auch gegen Ungerechte und Böse auszeichnet, und das sollte auch uns in unserem Maße kennzeichnen. Im Dienst Jesu brach eine neue Offenbarung Gottes an, und sie setzte einen neuen Maßstab für Vollkommenheit. Wir sollten uns praktischerweise als Söhne unseres Vaters in den Himmeln erweisen, denn ein Sohn ist dann vollkommen, wenn er so ist wie der Vater.

Achtmal sagt der Herr in diesem Kapitel: „Ich … sage euch“, und sechsmal, wenn Er diese Worte spricht, leitet Er sie mit „aber“ ein, um seine Aussage in Gegensatz zu dem zu stellen, was das Gesetz früher gesagt hatte. Da mögen wir wohl fragen: „Wer ist dieser, der das heilige Gesetz Gottes anführt und dann ruhig spricht: ‚Ich aber sage euch …!‘?“ Tatsächlich verändert und erweitert Er das Gesetz. Das zu tun, hatte kein Prophet jemals gewagt! Läuft das nicht auf schreckliche Anmaßung hinaus, die gar an Gotteslästerung grenzt? Ja, gewiss, und es gibt nur eine Erklärung, die diese Beschuldigung von Ihm wegnehmen kann: Wir haben hier den ursprünglichen Gesetzgeber, der einst vom Sinai aus sprach. Gott ist als Mensch, als Emmanuel, hervorgetreten. Emmanuel ist auf einen anderen Berg gestiegen, und jetzt spricht Er nicht zu einer Nation, sondern zu seinen Jüngern. Er verfügt über alle Rechte, sein eigenes Gesetz zu erweitern oder abzuändern.

Matthäus 6

Nachdem Er am Ende von Kapitel 5 seine Jünger in diesem neuen Licht mit Gott bekanntgemacht hat, fällt uns auf, dass sich all die Belehrungen in Kapitel 6 darauf beziehen. Der Ausdruck „euer Vater“ wird, bei geringfügigen Veränderungen, nicht weniger als zwölfmal gebraucht. Es lassen sich vier Abschnitte unterscheiden: das Geben von Almosen (Mt 6,1-4), das Gebet (Mt 6,5-15), das Fasten (Mt 6,16-18), irdischer Besitz und notwendige Dinge des Lebens (Mt 6,19-34). Alle vier Dinge berührten das praktische Leben des Juden in vieler Hinsicht; ihre Neigung und Gewohnheit gingen dahin, sich mit den ersten dreien auf eine mechanische und oberflächliche Weise zu befassen, dann aber den Nachdruck und die ganze Aufmerksamkeit auf den vierten Punkt zu richten. Der Herr Jesus rückt sie alle in das Licht, das seine vorangegangenen Worte verbreitet haben. In Kapitel 5 hatte Er ihnen einen Gott gezeigt, der sich mit den inneren Beweggründen des Herzens ebenso beschäftigt wie mit den äußeren Handlungen, und dennoch soll dieser Gott als himmlischer Vater erkannt werden. Immer noch fällt auf, wie Er die Worte „Ich sage euch“ wiederholt. Er lehrte nicht wie die Schriftgelehrten, die sich bei ihren Behauptungen auf die Überlieferung der Ältesten stützten, doch wir haben anzunehmen, was Er sagt, eben weil Er es sagt.

Mt 6,1-4: 1 Habt aber acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt, um euch vor ihnen sehen zu lassen, sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der in den Himmeln ist. 2 Wenn du nun Wohltätigkeit übst, sollst du nicht vor dir herposaunen lassen, wie die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, damit sie von den Menschen geehrt werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. 3 Du aber, wenn du Wohltätigkeit übst, so lass deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut, 4 damit deine Wohltätigkeit im Verborgenen bleibt; und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten.

Wenn die Überlieferung uns beherrscht, kommen wir leicht zu der gleichen Haltung, die wir bei den Juden im Blick auf ihr Geben von Almosen, ihre Gebete und ihr Fasten finden. Alles war für sie eine Sache der äußerlichen Beachtung geworden, um dadurch die Aufmerksamkeit der Augen und Ohren der Menschen auf sich zu lenken. Wenn wir andererseits unsere Gedanken zu dem Vater im Himmel erheben, der innigen Anteil an unserem Ergehen nimmt, muss alles lebendige Wirklichkeit werden und vor seinen Ohren und Augen getan sein. Dreimal sagt der Herr von den bloßen Formalisten: „Sie haben ihren Lohn dahin.“ Ihr Lohn besteht in dem Beifall und Lob ihrer Mitmenschen. Das haben sie, und zwar sofort und gegenwärtig; ein künftiger Lohn ist da nicht mehr zu erwarten. Wer aber vor Gott seine Spende gibt, betet oder fastet, ohne dass die Menschen darum wissen, wird an dem künftigen Tag öffentlich belohnt werden.

Mt 6,5-13: 5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Straßen stehend zu beten, um sich den Menschen zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. 6 Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten. 7 Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen; denn sie meinen, um ihres vielen Redens willen erhört zu werden. 8 Seid ihnen nun nicht gleich; denn euer Vater weiß, was ihr nötig habt, ehe ihr ihn bittet. 9 Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name; 10 dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde. 11 Unser nötiges Brot gib uns heute; 12 und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben; 13 und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen.

In Bezug auf das Gebet lehrt Er, dass es nicht nur in Zurückgezogenheit geschehen, sondern auch kurz sein soll; dadurch erweist sich die Echtheit. Ein Mensch, der wirklich und ernst um etwas bittet, kommt unweigerlich mit den wenigsten Worten und geradewegs auf den Kern der Sache. Er kann sich unmöglich in einer Wirrnis von Weitschweifigkeit ergehen. Die Verse 9 bis 13 geben uns ein Mustergebet, wie es den Umständen, in denen sich die Jünger derzeit befanden, genau angemessen war. Es enthält sechs Bitten. Die ersten drei haben mit Gott zu tun, mit seinem Namen, seinem Reich und seinem Willen. Die zweiten drei beziehen sich auf uns, unser Brot, unsere Schulden und unsere Errettung. Der himmlische Vater und seine Ansprüche stehen an erster Stelle, unsere Bedürfnisse an der zweiten. Die Segnung der Menschen auf der Erde hängt davon ab, dass sein Wille auf der Erde geschieht, und dieser Wille wird sich erst dann durchsetzen, wenn sein Reich aufgerichtet ist.

Mt 6,14.15: 14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Vergehungen vergebt, wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; 15 wenn ihr aber den Menschen [ihre Vergehungen] nicht vergebt, wird euer Vater auch eure Vergehungen nicht vergeben.

Die Vergebung, von der die Verse 14 und 15 sprechen, ist mit den Schulden in Vers 12 verknüpft. In der heiligen Regierung, die unser himmlischer Vater über seine Kinder ausübt, kommt ein unversöhnlicher Geist unter seine Züchtigung. Wenn jemand uns beleidigt und wir ihm Verzeihung verweigern, können auch wir in den Regierungswegen Gottes nicht auf Vergebung rechnen. Das ist dann nicht eine Frage der ewigen Vergebung, denn es waren Jünger, zu denen der Herr sprach, und bei ihnen war die Frage der ewigen Vergebung längst geordnet.

Dann folgen gewissenserforschende Worte über irdischen Besitz. Keine Neigung ist tiefer in allen Menschen verwurzelt als die, den Schätzen der Erde nachzujagen, sie zu erhaschen und aufzuhäufen, obwohl sie unter der Einwirkung der Naturkräfte ebenso vergehen, wie sie durch gewalttätige Menschen geraubt werden. Wenn wir den Vater im Himmel wirklich erkennen, dann haben wir unseren Schatz im Himmel gefunden und dann ist unser Herz auch da. Was wir brauchen, ist ein einfältiges Auge, um das zu sehen und damit auch alles andere klar zu sehen. Unsere Leiber werden licht sein, das heißt, wir werden selbst strahlend. Entweder regiert uns Gott oder der Mammon, denn wir können nicht zwei Herren dienen. In dieser Hinsicht sind Gott und der Mammon einander vollständig entgegengesetzt.

Mt 6,16-34: 16 Wenn ihr aber fastet, so seht nicht düster aus wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, damit sie den Menschen als Fastende erscheinen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. 17 Du aber, wenn du fastest, so salbe dein Haupt und wasche dir das Gesicht, 18 damit du nicht den Menschen als Fastender erscheinst, sondern deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten. 19 Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Rost zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen; 20 sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen; 21 denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. 22 Die Lampe des Leibes ist das Auge; wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; 23 wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß die Finsternis! 24 Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt für euer Leben, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht hin auf die Vögel des Himmels, dass sie nicht säen noch ernten, noch in Scheunen sammeln, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel vorzüglicher als sie? 27 Wer aber unter euch vermag mit Sorgen seiner Größe eine Elle zuzufügen? 28 Und warum seid ihr um Kleidung besorgt? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch aber, dass selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit bekleidet war wie eine von diesen. 30 Wenn Gott aber das Gras des Feldes, das heute da ist und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet: dann nicht viel mehr euch, ihr Kleingläubigen? 31 So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen?, oder: Was sollen wir trinken?, oder: Was sollen wir anziehen? 32 Denn nach all diesem trachten die Nationen; denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles nötig habt. 33 Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden. 34 So seid nun nicht besorgt für den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat an seinem Übel genug.

Indem wir Gott dienen, der uns ein himmlischer Vater ist, unterstehen wir seiner wachsamen und freundlichen Fürsorge. Er kennt alle unsere Bedürfnisse und nimmt sich ihrer an. Wir sind kraftlos und unvermögend, unserer Größe eine Elle hinzuzufügen oder uns gleich dem Gras des Feldes zu schmücken. Unser Vater hat unendliche Weisheit und Macht und ist besorgt um die geringsten Geschöpfe seiner Hand; deshalb sollten wir in seine liebende Fürsorge um uns ein unbedingtes Vertrauen setzen. Von ängstlichen Sorgen sollten wir uns gänzlich frei fühlen. Die Menschen dieser Weit greifen nach deren Schätzen, die so rasch ihren Wert verlieren, und sie sind voller Sorge, diese Schätze zu bewahren und zu nutzen. Wir sollten in unseres Vaters Fürsorge und Liebe ruhen und uns nicht fürchten.

Das ist die negative Seite. Wir brauchen keine ängstliche Vorsorge zu betreiben, wovon die Herzen vieler erfüllt sind. Das aber soll dem Zweck dienen, dass wir frei sind, um das Reich Gottes zu suchen, und das zuerst. Statt besorgt immer schon an morgen zu denken, sollten wir heute von den Dingen des Reiches Gottes erfüllt sein, des Reiches, das uns auf den Wegen der Gerechtigkeit leitet.

Diese Freude gewährt Gott den Jüngern, die dem Herrn in seinen Erdentagen folgten; nicht weniger ist es seine Freude für uns, die wir dem Herrn jetzt folgen, um all sein Werk zu tun, während Er im Himmel weilt. Der Geist, den der Herr seinen Jüngern einschärfte, war der Religion der Pharisäer seiner Tage fremd, ebenso wie der äußerlichen und weltlichen Religion unserer Tage.

Matthäus 7

Die Belehrungen des Herrn, die in Kapitel 6 aufgezeichnet sind, waren dazu bestimmt, seine Jünger in die Beziehungen zu ihrem Vater im Himmel einzuführen, so dass Er all ihr Denken ausfüllte, sei es im Spenden von Almosen, in den Gebeten, bei ihrem Fasten oder auch ihrem Verhältnis zu den Besitztümern und aller Notdurft dieses Lebens. Kapitel 7 führt uns in Belehrungen ein, die ihr Verhalten gegenüber ihren Brüdern, ja sogar gegenüber gottlosen Menschen regeln.

Mt 7,1-5: 1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet; 2 denn mit welchem Urteil ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. 3 Was aber siehst du den Splitter, der in dem Auge deines Bruders ist, aber den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? 4 Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Erlaube, ich will den Splitter aus deinem Auge herausziehen; und siehe, der Balken ist in deinem Auge? 5 Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge heraus, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.

Den Bruder zu richten, entspricht einer tief eingewurzelten Neigung unserer Herzen. Dass wir Sachverhalte oder Lehren beurteilen, ist uns nicht untersagt, dazu werden wir aufgefordert, wie wir das zum Beispiel in 1. Korinther 2,15 und 10,15 sehen, aber Personen zu richten, ist verboten. Wohl ist die Versammlung gehalten, in gewissen Fällen solche zu richten, die „drinnen“ sind, wie aus 1. Korinther 5 und 6 hervorgeht, aber außerhalb solcher Fälle ist die Beurteilung von Personen dem Herrn vorbehalten. Sollten wir es uns trotz des Verbots des Herrn dennoch erlauben, so hat das zweierlei Strafe zur Folge, wie der Herr hier darlegt. Erstens werden wir uns selbst unter Gericht bringen, und das Maß, mit dem wir andere gemessen haben, wird auch an uns gelegt werden. Zweitens werden wir zu Heuchlern. In dem Augenblick, wo wir andere richten, werden wir blind für unsere eigenen Fehler. Ein geringer Fehler bei unserem Bruder vergrößert sich uns, ohne dass wir wahrnehmen, dass uns ein weit schlimmerer Fehler anhaftet, der unsere geistliche Sehkraft trübt. Die nützlichste Art des Gerichts für einen jeden von uns ist das Selbstgericht.

Mt 7,6: Gebt nicht das Heilige den Hunden; werft auch nicht eure Perlen vor die Schweine, damit sie diese nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.

In Vers 6 geht es um Gottlose, die gefühllos gegenüber allem Guten und in ihren Neigungen unrein sind. Für sie sind heilige und kostbare Dinge nicht bestimmt. Wenn wir sie ihnen törichterweise vorlegen, so treiben sie Spott damit, und es kann sein, dass wir unter ihrer Gewalttätigkeit zu leiden haben. Es ist schon richtig, dass wir die heiligen Dinge Gottes weitergeben sollen, jedoch nicht solchen Menschen.

Mt 7,7-12: 7 Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden. 8 Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird aufgetan werden. 9 Oder welcher Mensch ist unter euch, der, wenn sein Sohn ihn um ein Brot bitten wird, ihm etwa einen Stein geben wird, 10 oder auch, wenn er um einen Fisch bitten wird, ihm etwa eine Schlange geben wird? 11 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater, der in den Himmeln ist, denen Gutes geben, die ihn bitten! 12 Alles nun, was irgend ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso! Denn dies ist das Gesetz und die Propheten.

Aber wenn wir weitergeben möchten, müssen wir zuerst empfangen. Davon sprechen die Verse 7 bis 11. Um zu empfangen, müssen wir Gott nahen: bittend, suchend und anklopfend. Es ist sicher, dass unser Vater antworten wird. Wenn wir um lebensnotwendige Dinge bitten, werden wir sie bekommen, denn Er wird uns doch nicht etwas Wertloses wie einen Stein geben oder etwas, was uns schaden könnte wie eine Schlange. Wir dürfen ganz ruhig und sicher sein, dass Er uns „gute Gaben“ zukommen lässt, denn Er handelt als ein himmlischer Vater. Deshalb wird sein Maßstab nicht hinter dem eines irdischen Vaters zurückbleiben. Wir dürfen hier Jesaja 55,9 anwenden und sagen, dass, wie der Himmel höher ist als die Erde, seine väterlichen Gedanken höher sind als unsere Gedanken. Wir können nicht zu seiner erhabenen Höhe aufsteigen. Deshalb verlangte der Herr damals in Vers 12 von seinen Jüngern auch kein Verhalten, das über das Gesetz und die Propheten hinausgeht.

Mt 7,13.14: 13 Geht ein durch die enge Pforte; denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die durch sie eingehen. 14 Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden.

In den Versen 13 und 14 geht der Blick des Herrn offensichtlich über die Jünger hinweg zu der Volksmenge hin. Ihr bot sich die Wahl zwischen dem breiten und dem schmalen Weg, dem Verlorensein und dem Leben. Dass Gottes Gnade eng ist, können wir nicht sagen, denn sie ist für alle Menschen erschienen. Eng ist aber der Weg des Selbstgerichts und der Buße. Es sind wenige, die diesen Weg finden, und noch weniger, die ihn öffentlich verkünden. Die Mehrheit der Prediger zieht es vor, über angenehmere Dinge zu sprechen.

Mt 7,15-20: 15 Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, innen aber sind sie reißende Wölfe. 16 An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Sammelt man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? 17 So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen, noch kann ein fauler Baum gute Früchte bringen. 19 Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Es folgen Warnungen vor falschen Propheten. Sie werden nicht an ihren schönen Worten, sondern an ihren Früchten erkannt. Frucht ist das Ergebnis und der krönende Ausdruck von Leben, und sie enthüllt den Charakter des Lebens, das in ihr zur Vollendung kommt. Der falsche Prophet hat ein falsches Leben, das sich in falschen Früchten kundtun muss.

Mt 7,21-23: 21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. 22 Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? 23 Und dann werde ich ihnen erklären: Ich habe euch niemals gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!

Doch es gibt nicht nur falsche Propheten, sondern auch falsche Jünger, solche, die ihre Treue zum Herrn wohl laut bekunden, aber keine lebendige Glaubensverbindung mit Ihm haben. Lebendiger Glaube muss sich, wie der Apostel Jakobus sagt, in Werken ausdrücken. Jeder, der sich wirklich der Herrschaft Christi im Glauben unterstellt, muss notwendigerweise sehr gern den Willen des Vaters im Himmel tun, den Christus darstellte. Judas Iskariot liefert uns ein schreckliches Beispiel für die Verse 22 und 23. Offenbar führte er zusammen mit den anderen Jüngern kraftvolle Werke aus, aber schließlich erwies sich, dass bei ihm das Bindeglied echten Glaubens nie vorhanden und er somit ein ungerechter Arbeiter war.

Mt 7,24-29: 24 Jeder nun, der irgend diese meine Worte hört und sie tut, den werde ich mit einem klugen Mann vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute; 25 und der Platzregen fiel herab, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stürmten gegen jenes Haus an; und es fiel nicht, denn es war auf den Felsen gegründet. 26 Und jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, der wird mit einem törichten Mann verglichen werden, der sein Haus auf den Sand baute; 27 und der Platzregen fiel herab, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel, und sein Fall war groß. 28 Und es geschah, als Jesus diese Reden vollendet hatte, da erstaunten die Volksmengen sehr über seine Lehre; 29 denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten.

Daher beschließt der Herr seine Worte mit dem Gleichnis von den beiden Häusern. Beide Bauenden, der kluge wie der törichte, hatten die Worte Jesu gehört, aber nur einer tat danach, und das war der kluge Mann. Das Gleichnis lehrt nicht eine Errettung aus Werken, sondern Errettung durch jenen lebendigen Glauben, der zu den Werken führt.

Wenn wir unsere Gedanken zur Bergpredigt zurückkehren lassen, werden wir sehr schnell erkennen, dass nichts als lebendiger Glaube an Ihn einen Menschen dazu bringen kann, die Dinge, wie Er sie lehrte, zu tun. Wir werden auch feststellen, wie sehr seine Belehrungen sein eigenes Wort in Matthäus 5,17 bestätigten. Er hat uns die Fülle des Gesetzes und der Propheten gegeben und zugleich neues Licht im Blick auf den Vater im Himmel hinzugefügt. Er hat dadurch den Weg für das noch hellere Licht der Gnade, das als Frucht seines Todes und seiner Auferstehung anbrechen sollte. Die Autorität, mit der Er diese Dinge ankündigte, setzte die Volksmengen in größtes Erstaunen. Die Schriftgelehrten stützten sich auf die früheren Auslegungen der Rabbiner, während Er über die Dinge redete, die Er von Gott und bei Gott kannte.


Aus dem Buch Grundzüge des Neuen Testaments (Bd. 1: Matthäus Lukas), S. 16–27, 
Hückeswagen (CSV) 1989.
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