Die Leiden Christi – in den Psalmen

John Nelson Darby

© SoundWords, online seit: 26.04.2002, aktualisiert: 24.04.2022

Einleitung

Im Vergleich zu der großen Zahl der Psalmen sind es nur wenige, die sich ganz und ausschließlich auf Christus anwenden lassen. Die große Masse unter ihnen gibt dem Wirken seines Geistes in den Herzen derer, die geprüft werden, Ausdruck. Die Psalmen, die ausschließlich auf den Herrn zutreffen, sind deutlich von den übrigen zu unterscheiden (auch in Fällen, wo solche von Leiden sprechen). Gleicherweise sehen wir ohne Weiteres den Unterschied zwischen den Psalmen, die uns seine Leiden unter Gottes Hand vorstellen, und den anderen, die die Leiden von der Hand des Menschen behandeln, auch dann, wenn Er unter der Heimsuchung Gottes und der Macht des Feindes litt. Es ist der Mühe wert, diese Punkte klar zu beachten.

Psalm 2

Psalm 2 bezieht sich auf Christus persönlich als Messias, den Sohn Gottes, der in diese Welt geboren wird.

Psalm 8

In Psalm 8 sehen wir Ihn als den Sohn des Menschen.

Psalm 16

Psalm 16 zeigt uns den Herrn, wie Er inmitten des gottesfürchtigen Überrestes seinen Platz einnimmt und den Weg des Lebens geht, durch den Tod hindurch zur Fülle von Freuden in der Auferstehung.

Psalm 20 und 21

Psalm 20 und 21 haben in gewissem Sinn auch Christus zu ihrem alleinigen Thema. So leidet Er in den Psalm 20 und 21 von der Hand der Menschen, mit der Folge, dass Psalm 21 das Gericht über den Menschen ankündigt. Bis Psalm 25 gibt es kein Bekenntnis von Sünden. Die lautere Gesinnung im Herzen des Überrestes wird dargestellt, wie sie dem Herzen Christi entspricht.

Psalm 22

Sehr auffallend ist in Psalm 22, der das Sühnungswerk auf dem Kreuz als klar bestimmtes Thema hat, dass, sobald der Herr von den Hörnern der Büffel erhört worden ist, es sein erster Gedanke ist (wie es auch historisch tatsächlich war), den Namen seines Gottes und Vaters seinen Brüdern zu verkündigen, mit all dem Segen, den dieser Name in sich schließt, nachdem Er jetzt diese Stellung ungetrübter Segnung und Gerechtigkeit eingenommen hat. Dann lobpreist Er in der Mitte der Versammlung, später in der großen Versammlung – das ist ganz Israel in den letzten Tagen. Anschließend erreicht der Segen in den Gnadenerweisungen des Tausendjährigen Reiches alle Enden der Erde, zuletzt wird ein Volk gesehen, das geboren werden wird. An alle ergeht das Wort, dass Er es getan (vollbracht) hat. Hier ist nicht die Spur eines Gerichts vonseiten dessen, der unsere Sünden getragen und den schrecklichen Kelch für uns getrunken hat, noch vonseiten dessen, der in seinen Ratschlüssen unaussprechlicher Gnade Ihn für uns zur Sünde gemacht hat.

Psalm 31

Psalm 31 wird entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass er das Gericht über die Gesetzlosen erwartet (Ps 31,18.19). Die Heiligen können einen Anteil an jenen Leiden haben, die durch menschliche Verfolgung dessen, was gut ist, entstehen können. Der Druck solcher Leiden, verbunden mit dem Druck der Sünden, wie auch das Verlangen nach Rache oder Gericht finden ihre prophetische Erfüllung bei dem jüdischen Überrest in den letzten Tagen.

Psalm 40

Psalm 40 spricht hauptsächlich von Ihm, doch nicht ausschließlich (s. Ps 40,5).

Psalm 45

Psalm 45 feiert Ihn in erhabener Weise.

Psalm 69

Psalm 69 spricht vorwiegend, doch nicht ausschließlich von Ihm (s. Ps 69,27). Dieser Psalm handelt von den Vielen, die Ihm ohne Ursache feind sind, die Ihm Galle als Speise darreichen und Ihn in seinem Durst mit Essig tränken. Und Er wünscht, dass ihr Tisch ihnen zur Schlinge wird, dass ihre Augen dunkel werden und Gott seinen Grimm über sie ausschütten möge. Auch in Psalm 69 haben wir das Kreuz und nicht nur die Bosheit des Menschen, obwohl diese völlig in Erscheinung tritt; aber wir finden auch das Vertrauen auf Gott und die Betrübnis unter dem Gefühl der Sünde. Wie kann das von dem Sühnungswerk Christi unterschieden werden? Hier liegt wirklich eine Schwierigkeit, doch wenn wir geduldig auf den Herrn warten, so lösen sich alle Schwierigkeiten der Schrift und bringen uns schließlich Licht und Segen. Die erwähnten Kennzeichen, die die Leiden von der Hand des Menschen anzeigen, wie auch andere unterscheidende Merkmale, werden in diesem Psalm klar gefunden. Dort sehen wir die Erwartung des Gerichts über die Feinde – und damit eine absolute und schlüssige Unterscheidung in der ganzen Natur der Leiden. Und wir treffen hier auf ein anderes Kennzeichen, das schon gestreift wurde und uns weiterhilft.

In Vers Psalm 69,26 lesen wir: „Denn den du geschlagen hast, haben sie verfolgt, und von dem Schmerz deiner Verwundeten erzählen sie.“ Offensichtlich haben wir hier mehr als nur die Verfolgung durch Menschen. Sie benutzen die Tatsache, dass die Hand Gottes auf dem gepeinigten Dulder liegt, um seinem Kummer weiteren Schmerz hinzuzufügen. Das ist aber nicht Sühnung, sondern hier ist Er von Gott geschlagen und niedergebeugt. So finden wir in Psalm 69,5 das Gefühl der Sünden, doch bei Christus handelt es sich natürlich nicht um eigene, persönliche Sünden, sondern um die Sünden Israels (in gewissem Sinn sind es auch die unseren, aber vornehmlich die des jüdischen Volkes). Aber wir haben den klaren Beweis, dass die daraus entspringenden Leiden nicht solche mit sühnendem Charakter sind; denn statt für andere zu leiden, die dann auch nicht mehr einen Tropfen jenes Kelches zu trinken brauchen, sind hier andere mit dem Herrn in diesen Leiden verbunden. „Den du geschlagen hast, haben sie verfolgt, und von dem Schmerze deiner Verwundeten erzählen sie.“ Wenn auch Menschen verwundet sind, wenn Christus deren Genosse ist – nicht ihr Stellvertreter –, dann wird nicht Sühnung gewirkt und nicht das Gericht der Verdammnis ertragen. Doch Gott hat geschlagen und verwundet. Nicht nur der Mensch hat die Leiden verursacht, aber er kam mit seiner Bosheit noch hinzu, um seine Leiden zu vermehren. Das Thema von Psalm 69 sind also die Leiden seitens der Menschen zur Zeit der Kreuzigung, die Gericht über den Menschen bringen.

Christus geht in diesem Psalm ein in die Züchtigungen, von denen Israel unter der Regierung Gottes betroffen ist. Er ist sich dieser Leiden, durch die Er hindurchgehen muss, voll bewusst, ebenso der Auswirkungen ihres bösen Zustandes, an denen Er seinen Anteil hatte, indem Er als der Messias abgeschnitten werden musste. Sie verwarfen Ihn und brachten damit die Verwerfung auch über sich selbst. Die damit verbundenen letzten Trübsale und Leiden, in die Christus hineinging um des Überrestes willen – wie war Er bedrängt in all ihrer Bedrängnis! –, stehen gleicherweise dem Überrest bevor. Deshalb ist Christus in diesen Leiden auch nicht verlassen, obschon wir lesen: „In Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich; ich bin müde vom Rufen“ (Ps 69,3.4), so ist doch sein Gebet zu Gott zur Zeit der Annehmung (Ps 69,14). Wie tief auch die Not seiner Seele sein mag, sie steht dennoch ganz und gar im Gegensatz zu seinen Sühnungsleiden. Und ebenso ist sie natürlich etwas ganz anderes als sein Dienst, den Er in der Freude und im Licht des Angesichts seines Vaters tat. Diese Art seiner Leiden besteht in dem Kampf und in der Qual seiner Seele gegenüber der auf Ihn einwirkenden Macht der Finsternis.

Psalm 72

In Psalm 72 finden wir Ihn als den wahren Salomo.

Psalm 101 und 102

Die Psalm 101 und 102 handeln auch von Christus als dem König Israels und, obgleich Er „in der Hälfte seiner Tage“ weggenommen wird, von Ihm als dem Schöpfer. In Psalm 102 wird kein Wunsch nach einem Gericht ausgesprochen. Der letzte Ausblick geht hin auf Segen und Gnade. Wohl werden die Feinde in diesem Psalm gesehen, doch die Leiden des Messias werden zurückgeführt auf den Grimm und Zorn Gottes. (Grimm ist, so möchte ich sagen, das kennzeichnende Wort für die Drangsal der letzten Tage.)

Psalm 110

In Psalm 110 wird Er erhöht zur Rechten des HERRN, um Priester zu sein nach der Ordnung Melchisedeks.

Andere Psalmen

Andere Psalmen erwähnen den Herrn, ohne dass Er in persönlicher Weise ihr Thema ist; an andere, deren Thema Er ausschließlich oder vorwiegend ist, kann ich mich jetzt nicht erinnern, obwohl es möglich ist, dass mir einige entschwunden sind. Mein Anliegen ist es ja nur, eine Anzahl deutlicher Beispiele zu geben und keine vollständige Aufzählung. Was die Psalmen angeht, die von seinen Leiden sprechen, so sind, denke ich, die Unterscheidungsmerkmale hinsichtlich der Leiden von Menschen und derer unter der Hand Gottes sehr klar und bestimmt.

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Aus „The sufferings of Christ“, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 7

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