Der Prophet Jona (3)
Kapitel 3

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 10.03.2021, aktualisiert: 21.03.2021

Tod und Auferstehung

Es ist beim Studium der Vorbilder des Alten Testamentes von allergrößter Wichtigkeit, die persönlichen und repräsentativen Aspekte eines Menschen voneinander zu unterscheiden. Mit anderen Worten: Jemand kann, allgemein betrachtet, ein Vorbild des Herrn Jesus sein, obwohl er moralisch gesehen ein ausgesprochener Versager ist. Das wird im Fall von David eindrucksvoll illustriert. Als der Gesalbte des HERRN ist er in erster Linie ein Vorbild des wahren Königs, des Gesalbten des HERRN, der einmal auf dem heiligen Berg Zion eingesetzt werden soll; aber tatsächlich gab es vieles in seinem Leben, was der Heiligkeit und Vollkommenheit entgegengesetzt war, obwohl er wirklich „ein Mann nach dem Herzen Gottes“ [1Sam 13,14; Apg 13,22] war.

Im vorliegenden Fall gilt das gleiche Prinzip. Die Geschichte von Jona ist, wie wir gesehen haben, äußerst traurig und betrüblich. Jedoch freut sich die Gnade, gerade einen Menschen wie ihn anzunehmen. Der göttliche Ausleger, nämlich der Herr Jesus selbst, erklärt, dass sein eigener Tod und seine Auferstehung in der Erfahrung des Propheten aus Galiläa symbolisch dargestellt wurden [Mt 12,40]. So wie der Herr Jesus auf diese Weise den Tod geschmeckt, aber über ihn triumphiert hatte, so wird Jona nun der Überbringer einer Botschaft des HERRN an die Niniviten.

Sein ganzer Eigensinn hatte die Gedanken Gottes nicht verändert. Er sollte zu diesem gottlosen Volk gesandt werden, um zu predigen. Der Diener mag versagen, aber er ist immer noch ein Diener, wie es auch am Beispiel von Abraham und Hiob deutlich wird. Abraham sollte für Abimelech Fürsprache einlegen, „denn er ist ein Prophet“ (1Mo 20,7), obwohl er gerade seine Frau verleugnet hatte. Hiob, zweifellos seelisch wiederhergestellt, betet für seine Freunde, obwohl er sich selbst und nicht Gott gerechtfertigt hatte.

Es gibt hier eine ernste und wichtige Lektion für diejenigen, denen das Evangelium anvertraut ist oder die einen besonderen Dienst für das Volk Gottes erhalten haben. Sie werden vom Herrn nicht nur als Heilige, sondern auch als Diener beurteilt. Auch das Versagen entbindet sie nicht von der Verantwortung, zu dienen, sondern ruft umso lauter nach Selbstprüfung, damit sie in einem rechten Seelenzustand sind, um in den heiligen Dingen zu dienen.

Wenn ich das so schreibe, denke ich nicht daran, klerikale Anmaßungen zu billigen oder aus den Dienern Christi eine besondere Klasse zu machen, von der man annimmt, dass sie über den Schwächen steht, die bei Menschen und sogar bei Heiligen üblich sind. Aber ich betone nur, worauf die Schrift häufig besteht: Derjenige, der dient, sollte dies tun, weil er von Gott zu einem besonderen Dienst berufen ist; und wenn er so berufen ist, hat er eine sehr ernste Verantwortung, entsprechend zu wandeln. Ein „Ein-Mann-Dienst“ wird von vielen zu Recht als unbiblisch abgelehnt. Ein „Jeder-Mann-Dienst“ ist es ebenso. Wer ohne Berufung läuft, hat schon gleich zu Beginn versagt [vgl. 2Sam 18,19-30].

Verse 1-4

Jona 3,1-4: 1 Und das Wort des HERRN erging zum zweiten Mal an Jona, indem er sprach: 2 Mach dich auf, geh nach Ninive, der großen Stadt, und rufe ihr die Botschaft aus, die ich dir sagen werde. 3 Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive, nach dem Wort des HERRN. Ninive war aber eine außerordentlich große Stadt von drei Tagereisen. 4 Und Jona begann in die Stadt hineinzugehen, eine Tagereise weit, und er rief und sprach: Noch vierzig Tage, dann wird Ninive umgekehrt!

„Noch vierzig Tage, dann wird Ninive umgekehrt!“ – das ist die Last von Jonas Botschaft an die ausschweifende Stadt. Das Ergebnis ist genau so, wie er es befürchtet hatte. Für sich selbst hatte er gerne bekannt, dass „bei dem HERRN die Rettung ist“ (Jona 2,10). Das Volk von Ninive sollte es ebenso bekennen; aber das menschliche Herz ist so verdorben, selbst das eines Heiligen, dass es Jona mit Zorn erfüllt, als er sieht, wie die bußfertige Stadt Barmherzigkeit erlangt.

Die Geschichte der großen Erweckung wird in ein paar anschaulichen Sätzen erzählt:

Verse 5-10

Jona 3,5-10: 5 Und die Leute von Ninive glaubten Gott; und sie riefen ein Fasten aus und kleideten sich in Sacktuch, von ihrem Größten bis zu ihrem Kleinsten. 6 Und das Wort gelangte zum König von Ninive; und er stand von seinem Thron auf und legte seinen Mantel ab und hüllte sich in Sacktuch und setzte sich in die Asche. 7 Und er ließ in Ninive, auf Befehl des Königs und seiner Großen, ausrufen und sagen: Menschen und Vieh, Rinder und Kleinvieh sollen gar nichts zu sich nehmen, sie sollen nicht weiden und kein Wasser trinken; 8 und Menschen und Vieh sollen mit Sacktuch bedeckt sein und sollen heftig zu Gott rufen; und sie sollen umkehren, jeder von seinem bösen Weg und von dem Unrecht, das in ihren Händen ist. 9 Wer weiß? Gott könnte sich wenden und es sich gereuen lassen und umkehren von der Glut seines Zorns, dass wir nicht umkommen.
10 Und Gott sah ihre Werke, dass sie von ihrem bösen Weg umgekehrt waren; und Gott ließ sich des Übels gereuen, wovon er geredet hatte, dass er es ihnen tun wolle, und tat es nicht.

His is love, ’tis love unbounded
Without measure, without end.
Human thought is here confounded,
’is too vast to comprehend.

(Sein ist die Liebe, ist die Liebe ohne Grenzen,
ohne Maß, ohne Ende.
Menschliches Denken ist hier verwirrt;
Gottes Liebe ist zu groß, um sie zu begreifen.)

Ach, dass Jona nicht in der seelischen Verfassung war, in eine solche Liebe und Gnade einzutreten und sich daran zu erfreuen! Sein Zustand entspricht dem des älteren Sohnes im Gleichnis vom verlorenen Sohn, wie es das nächste Kapitel deutlich macht.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Jonah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Stephan Isenberg


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