Sakrileg
„Was gibt es Schöneres als Verschwörungstheorien?“

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 02.05.2006, aktualisiert: 02.04.2023

Einleitung

Das Buch Sakrileg hält, was es verspricht. Das Brockhaus-Lexikon schreibt über die Bedeutung des Wortes „Sakrileg“:

Sakrileg: Die Entweihung heiliger Orte oder Sachen durch Schändung, Missbrauch oder Raub bzw. tätliche Angriffe gegen geweihte Personen.[1]

In Amerika wurde der Thriller bekannt unter dem Namen The Da Vinci Code. Weltweit wurde es über 40 Millionen Mal verkauft. Ab 20. Mai 2006 wird man diesen Thriller mit Tom Hanks in der Hauptrolle als Robert Langdon im Kino sehen können. Nicht genug, dass man die lesende Bevölkerung in das Dunkel von Mythen und Legenden schickt, jetzt werden diese Fiktionen, die als Tatsachen und Fakten verkauft werden, mit dem Namen eines ansonsten seriösen Schauspielers verbunden. Schade, dass sich der ansonsten ausgezeichnete Schauspieler dafür hergegeben hat.

Die Behauptungen des Buches Sakrileg können im Wesentlichen wie folgt zusammengefasst werden:

  • Eine geheime Bruderschaft, Prieuré de Sion („Priorat von Zion“), hüte ein Geheimnis, das der Kirche den Todesstoß versetzen werde.
  • Leonardo Da Vinci, Victor Hugo, Isaak Newton und andere seien Teil dieser Bruderschaft gewesen.
  • Der Heilige Gral sei kein Kelch, sondern das Geheimnis um die Ehe von Maria Magdalena und Jesus.
  • Leonardo Da Vinci habe geheime Botschaften in seinen Bildern verborgen.
  • Maria Magdalena sei mit Jesus verheiratet gewesen und habe ein Kind von Ihm gehabt.
  • Maria Magdalena sei statt Petrus der Fels der Kirche und das göttlich Weibliche komme durch Maria Magdalena zur Geltung.
  • Es gebe noch andere Evangelien neben den vier in der Bibel.
  • Erst das Konzil von Nizäa 325 n.Chr. habe Jesus zum Sohn Gottes gemacht und habe uns den heutigen neutestamentlichen Kanon gegeben. Außerdem sei damals der Sabbat auf den Sonntag verlegt worden.

Wären diese Behauptungen wahr, hätten Millionen von Menschen jahrhundertelang an irgendwelche Fabeln und Legenden geglaubt. Der Glaube an den Gott der Bibel würde zu einer „Farce“ werden, sollten diese Behauptungen stimmen.

Sakrileg ist ein Roman, also Fiktion und Erfindung. Insoweit seine Erzählungen im Gewand historischer Wirklichkeit daherkommen, ist das Buch ausgesprochen unzuverlässig. Besonders die Aussagen über die Geschichte der christlichen Kirche, ihrer Theologie und ihrer Institutionen enthalten unzählige Irrtümer und groteske Verzerrungen.

Im Prinzip sind die „neuen Offenbarungen“ zum einen überhaupt nicht neu, aber sie sind es eigentlich auch gar nicht wert, ernsthaft beachtet zu werden. Warum also dieser Artikel?

Erstaunlich viele Menschen durchschauen diesen Wahrheitsanspruch nicht als Teil des fiktionalen Spiels, wie man dies bei vielen anderen Romanen kennt, sondern nehmen den Roman für bare Münze. Manche Rezensenten halten das Buch sogar für „akribisch recherchiert“ und für ein nützliches Werkzeug für das theologische Nachdenken. Leider zeigt sich immer wieder, wie leicht Menschen zu beeinflussen sind und durch solche Phantastereien darin „bestätigt“ werden, dass der christliche Glaube sowieso nicht stimme. Selbst aufrichtige Christen werden durch solche Behauptungen verunsichert. Dan Brown, der Autor von Sakrileg, erweckt gleich zu Beginn auf Seite 9 den Eindruck, dass sich diese Dinge auf „Fakten und Tatsachen“ gründen. So ist es nicht verwunderlich, folgende Stimmen über diesen Thriller zu lesen:

  • „Es zeigt, dass die Bibel unmöglich richtig überliefert worden sein kann und dass die Texte abgeändert wurden.“
  • „Fast hätte ich dadurch meinen Glauben verloren.“
  • „Es hat mir den Eindruck vermittelt, dass sich mein Glaube überhaupt nicht auf Tatsachen stützte.“
  • Auf amazon.de ist zu lesen: „Genaue Recherchen an den Schauplätzen und penible historische Studien in Zusammenarbeit mit seiner Frau Blythe, einer Kunsthistorikerin, machen das umfangreiche Werk nicht nur für Historiker und Religionswissenschaftler, sondern gerade auch für ein großes Publikum zu einem echten Vergnügen.“
  • Der Focus schreibt: „Für Nichtfachleute jedoch ist schwer zu entscheiden, wann eine berechtigte Korrektur anerkannter Geschichtsschreibung angesagt ist oder Revisionsversuche in okkultistische Propaganda umschlagen.“[2]

Diese Zitate zeigen, dass es nötig ist, hier Aufklärung zu betreiben.

Zum Buch im Allgemeinen

Über den Thriller an sich streiten sich die Kritiker. Zum literarischen Wert gehen die Aussagen von „ein vorzüglicher Thriller“ bis hin zu „prätentiös, marktschreierisch, selbstgerecht, arrogant, selbstverliebt, herablassend, glatt, unlogisch, oberflächlich und abartig“.

Persönlich kam ich gut in den Thriller hinein. Dan Brown versteht es, den Leser am Lesen zu halten. Nebenbei offenbart der Autor auch gewisse Zusammenhänge der Natur, wie zum Beispiel die Hintergründe der Zahl Phi (1,618) und wie man diese Verhältniszahl in der Natur immer wieder findet (S. 129f.).

Zwischen den Seiten 300 und 400 (von 605 Seiten) gelangt der Thriller zu seinem eigentlichen Höhepunkt, und man hat den Eindruck, dass Dan Brown danach nichts mehr wirklich Relevantes zuzusetzen hat. Es folgt nur noch ein Rätsel auf das Nächste und man schreit innerlich förmlich: „Nun komm doch mal zum Ende.“ Auch erwartet man die großen „Fakten und Tatsachen“ für die ganzen nach und nach offenbarten Phantastereien, die im Gewand historischer Wahrheit daherkommen. Der aufrichtige Leser wird jedoch enttäuscht, denn das Geheimnis vom Heiligen Gral wird natürlich nicht wirklich gelüftet und muss – vielleicht für immer – schweigen. Der Schluss lässt sich mit den Worten „märchenhaft-kitschig“ beschreiben, was aber sicherlich auch Geschmacksache ist. Es haben bereits andere gesagt, dass dieser Thriller niemals so viel Erfolg gehabt hätte, wenn man nicht diesen sensationsheischenden Hintergrund gewählt hätte. Viel zu groß ist bei vielen die heimliche, innere Freude, wenn die Kirche in Misskredit gebracht wird – selbst wenn das kaum einer laut sagen würde und die Kirche dabei auch in der Tat nicht immer ganz unschuldig war. Dan Brown soll es recht sein, er ist nun Multimillionär und kann sich jetzt genug „Scheunen“ bauen und das Leben „genießen“. Doch was, wenn Gott „heute seine Seele von ihm einforderte“? Das letzte Hemd hat keine Taschen, und was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele einbüßt?

Ein Grund zur Freude

Aber es gibt für Christen auch einen Grund zur Freude, und wer weiß, ob nicht der souveräne Gott auch hier seine Hand im Spiel hat und dieses ganze „Theater“ über das Buch und den Film für seine Sache nutzen kann. Es wird wieder über die Bibel und deren Glaubwürdigkeit gesprochen. Endlich finden Christen wieder ein Ohr, um die wirklichen Fakten und die Einzigartigkeit der Bibel ans Licht zu stellen. Jeder wissenschaftlich arbeitende Historiker, ob gläubig oder ungläubig, würde nie – wie bei amazon.de geschehen – von „genauen Recherchen“ oder „historischen Studien“ sprechen. Auch Dan Browns Frau Blythe zeigte keinen wirklichen Kunstverstand (sie ist Kunsthistorikerin!) bei der Beratung ihres Ehemannes, wenn man die ungeheuerlichen Unterstellungen liest, die Dan Brown einem Leonardo Da Vinci unterschieben möchte. Dieser würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, könnte er diesen Roman lesen. Dazu aber weiter unten mehr.

Christen sollten diese einzigartige Gelegenheit nutzen, um mit den Menschen über das Wunder der Entstehung der Bibel zu reden, und den Nachweis erbringen, dass die Bibel anerkanntermaßen das am besten überlieferte Werk der Literaturgeschichte ist. Kein Platon, Aischylos, Aristophanes, Thukydides oder Demosthenes sind auch nur annähernd so gut überliefert wie die Bibel – und da fragt niemand nach der Glaubwürdigkeit, wobei natürlich auch keines dieser Bücher den Anspruch der Bibel erhebt, Gottes Wort zu sein.

Dr. Paul L. Maier schreibt:

So eigenartig es scheinen mag – es stimmt: Irrlehren sind stets gut für die Gemeinde gewesen, weil diese sie gezwungen haben, die Aufmerksamkeit erneut auf die zentralen Lehren des christlichen Glaubens zu lenken, um den Irrtum zu bekämpfen. … Möglicherweise zwingt dieser neueste Versuch, die Geschichte umzudeuten, daher dazu, sich noch ausgiebiger mit dem Jesusbild, den Evangelien und den Ursprüngen des christlichen Glaubens und dem geschichtlichen Weg der Kirche durch die Jahrhunderte zu beschäftigen. Dies ist umso besser! Und wenn man wieder über die Heilige Schrift redet, ist es noch besser.[3]

Der Autor Dan Brown

Dan Brown[4] wurde am 22. Juni 1964 in New Hampshire (USA) als Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Mathematikprofessors und einer bekannten Kirchenmusikerin geboren. Seine Ausbildung am Amherst College schloss Brown mit einem Bachelor-Abschluss in Englisch ab. Nach dem College studierte Brown zwei Jahre Kunstgeschichte in Sevilla. In den folgenden Jahren unterrichtete er Englisch. Bis zu seinem Abgang vom College hatte Brown noch keinen Roman aus der modernen Unterhaltungsliteratur gelesen.

Mit nur vier Romanen ist Dan Brown zum absoluten Topautor der amerikanischen Unterhaltungsliteratur geworden und zieht mit seinen Bestsellern nunmehr auch Europa in seinen Bann. Er sagt selbst über den Erfolg seiner Arbeit:

Geheime Gesellschaften, verstecktes Wissen, verlorengegangene Geschichte, sinistre Verschwörungen, so etwas spricht alle an, vom Chefarzt bis zum Klempner, von der Designerin bis zur Küchenhilfe.[5]

Auf der Internetseite von Dan Brown heißt es einmal, dass Dan Brown sich als Christ bezeichnet:

… vielleicht nicht im traditionellen Sinne des Wortes. Wenn Sie drei Menschen fragen: „Was heißt es, ein Christ zu sein?“, dann erhalten Sie drei verschiedene Antworten. Die einen meinen, man müsse getauft sein. Die anderen sagen, man muss die Bibel für historisch wahr halten. Wieder andere verstehen unter Glauben die Tatsache, dass alle, die nicht an Christus als ihren persönlichen Erlöser glauben, in die Hölle gelangen. Glaube ist ständige Veränderung, und jeder folgt dem Glauben, der ihm gefällt … Wir alle versuchen, das große Geheimnis des Lebens zu entschlüsseln, und jeder folgt dabei seinen eigenen Erleuchtungen. Ich bekenne mich als ein Schüler vieler Religionen. Je mehr ich lerne, umso mehr Fragen habe ich. Für mich wird die spirituelle Suche ein lebenslang unvollendetes Werk bleiben.[6]

Man fragt sich, ob Dan Brown wirklich diese wirklichkeitsfremden Fehlinterpretationen selbst glaubt. Doch müssen wir seinen eigenen Angaben zufolge davon ausgehen. Oder ist er philosophisch gesehen vielleicht postmodernistisch eingestellt?

Dr. Paul L. Maier schreibt:

Postmodernisten, darunter Dekonstruktionisten, vertreten folgende Überzeugung: Was immer für sie wahr ist, ist schlicht und einfach die Wahrheit. Es gibt keine objektiven Maßstäbe oder allumfassende Normen, da alles relativ ist.[7]

So heißt es ja auch im Buch einmal:

Sophie, in unserer Welt beruht jeder Glaube aufErfindungen. Das ist ja gerade die Definition von Glaube: Etwas als wahr zu akzeptieren, das wir für wahr halten wollen. (S. 461)

Wenn Christen ihre Definition von Glaube dagegensetzen würden, dann würden sie vielleicht antworten: „Glaube ist: auf die Worte und Taten Gottes vertrauen.“ Etwas für wahr halten, was wir für wahr halten wollen, ist nicht Glaube, sondern Dummheit.

Hat Dan Brown gewissenhaft recherchiert?

Viele Passagen in dem Roman sind durchaus sehr schlampig recherchiert. Dies wäre alles zu entschuldigen, wenn Dan Brown die Messlatte nicht selbst so hoch gelegt hätte, wenn er schreibt:

Sämtliche in diesem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur und alle Dokumente sind wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu wiedergegeben. (S. 9)

In der Aufklärungsbroschüre Sakrileg Geheime Evangelien? von Michael Kotsch führt der Autor auf Seite 29f. eine nicht enden wollende Liste von dreiundvierzig offenbaren Fehlern, unlogischen Dingen, geographischen Fehlern, naturwissenschaftlichen Fehlern und eindeutigen historischen Irrtümern auf. Wie man da von „genauen Recherchen“ und „historischen Studien“ reden kann, wie bei amazon.de geschehen, ist wirklich eine Verdrehung der für alle sichtbaren Wahrheit. Diese Liste von M. Kotsch reicht von Kleinigkeiten wie Jasmindüfte im April (S. 26), die bekanntermaßen im Juli/August blühen, bis zu übertriebenen Darstellungen des Künstlers Leonardo da Vinci, der angeblich eine gewaltige Produktivität an atemberaubenden Gemälden mit religiösen Inhalten im Auftrag des Vatikans fertiggestellt haben soll (S. 69). Tatsächlich war Leonardo aufgrund seiner vielfältigen Aktivitäten eher als unzuverlässiger Künstler bekannt. Im Vergleich zu anderen Künstlern stellte er nur wenige Gemälde fertig.[8] Dass diese und andere Dinge von seiner Frau als Kunsthistorikerin (!) durchgelassen wurden, weckt in dem aufmerksamen Leser kein sonderliches Vertrauen in seine anderen scheinbaren Fakten und Tatsachen. Selbst das Online-Magazin www.spiegel.de gibt dem Buchrezensenten José Garcia vom Opus Dei eine Plattform, indem es dort auf die Behauptung Dan Browns, die „Geschichte würde im Kern stimmen“, heißt:

Dass sie nicht stimmt, ist jedem klar, der sich statt an Phantastereien an wissenschaftliche Erkenntnisse hält. Was Brown etwa über die Göttlichkeit Christi schreibt, die angeblich Kaiser Konstantin im Konzil von Nizäa aus politischen Gründen habe feststellen lassen, was er über die angebliche Ehe zwischen Jesus und Maria Magdalena und ein gemeinsames Kind schreibt, ist schlicht abstrus. Dennoch ergötzen sich viele – selbst Akademiker – an dem Werk voller historisch-verbrämter, hanebüchener Behauptungen und nehmen für bare Münze – „wie interessant, dass Schlusssteine in Kirchengewölben nach oben geöffnet sind und die Form einer Vulva haben!“ –, was ihnen in den esoterischen Kram passt.[9]

Behauptungen

Kommen wir nun zu den eigentlichen Behauptungen dieses Romans.

Prieuré de Sion

Bereits zu Beginn auf Seite 9 heißt es unter der Überschrift „Fakten und Tatsachen“ von der angeblichen Geheimgesellschaft Prieuré de Sion, sie verwalte das Geheimnis, dass Jesus mit Maria verheiratet gewesen sei und ein Kind gehabt habe:

Die Prieuré de Sion, der Orden der Bruderschaft von Sion, wurde im Jahr 1099 gegründet und ist eine Geheimgesellschaft, die bis heute existiert. Im Jahr 1975 wurden in der Pariser Nationalbibliothek Dokumente entdeckt, die unter der Bezeichnung Dossiers Secrets bekanntgeworden sind und aus denen hervorgeht, dass eine Reihe berühmter Männer der Prieuré angehörten, darunter Sir Isaac Newton, Sandro Botticelli, Victor Hugo und Leonardo da Vinci. (S. 9)

Nicht nur, dass Brown sich in Widersprüchen vergeht, wenn er auf der einen Seite sagt, diese Bruderschaft sei 1099 n.Chr. gegründet worden, und es dann später auf Seite 218 heißt, dieser Orden könne auf eine Geschichte von über tausend Jahren zurückblicken. Dan Brown scheint in seiner eigenen Welt zu leben und der Zeit weit voraus zu sein ;-). Allerdings ist das noch ein Fehler, über den man eher schmunzeln, als ihn wirklich ernst nehmen kann.

Nahezu fatal ist jedoch die Behauptung, wer oder was diese Bruderschaft sei, weil sie unter der Überschrift „Fakten und Tatsachen“ zu finden ist. Ich empfehle dem Leser eine kurze Recherche im Internet auf seriösen Seiten, um die Windigkeit dieser geheimen Bruderschaft selbst aufzudecken.

Die angegebenen Dokumente, „Dossiers Secrets“, haben keinerlei historische Relevanz. Sie stammen weder aus der Antike noch aus dem Mittelalter. Die Sachverständigen sind sich darüber einig, dass diese Dokumente versteckt wurden, um dann „wiedergefunden“ zu werden. Der Religionswissenschaftler und Qumranforscher Prof. Claus-Hunno Hunzinger kommentiert Dan Browns Thesen über den geheimen Orden so:

Die Leute sind von einer solchen religiösen Ahnungslosigkeit, dass sie jeden Blödsinn glauben und auf den Leim gehen. Gegen Argumente kann man wissenschaftlich argumentieren, gegen pure Phantasien hat man nichts entgegenzusetzen, das ist wie der Kampf von Don Quichote gegen die Windmühlen.

Opus Dei

Diese tatsächlich real-existierende konservative Organisation der römisch-katholischen Kirche gibt es wirklich. Das Selbstverständnis dieser Organisation lautet:

Das Opus Dei ist eine internationale Seelsorgeeinrichtung der katholischen Kirche. Es wurde 1928 vom heiligen Josemaría Escrivá gegründet.
Es will überall bekanntmachen, dass die Arbeit und die gewöhnlichen Lebensumstände Gelegenheiten sind, Gott zu begegnen, den anderen zu dienen und zur Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse beizutragen. Das Opus Dei arbeitet mit den Ortskirchen zusammen, indem es christliche Bildung (Vorträge, Besinnungstage) und priesterlichen Beistand für diejenigen anbietet, die ihr geistliches Leben und ihr Engagement in der Glaubensweitergabe erneuern möchten.[10]

Der Begründer (Hl. Josemaría Escrivá) selbst sagt über diese Organisation:

Das Opus Dei beherrscht keinen weltlichen Bereich und will keinen beherrschen; es will lediglich die Botschaft des Evangeliums verbreiten. Gott möchte, dass alle Menschen, die in der Welt leben, ihn gerade im Vollzug ihrer weltlichen Tätigkeiten lieben und ihm darin dienen. Dementsprechend arbeiten die Mitglieder des Opus Dei, da sie ja normale Christen sind, wo und wie sie es für richtig halten. Das Werk kümmert sich nur um ihre geistliche Betreuung, damit sie immer nach ihrem christlichen Gewissen handeln.[11]

Weiter heißt es auf den Internetseiten des Opus Dei:

Laut „Sakrileg“ soll das Opus Dei die Vatikan-Bank Anfang der achtziger Jahre vor dem Kollaps gerettet haben. Als Gegenleistung dafür habe es den Status einer Personalprälatur erhalten.

In Wirklichkeit hat weder das Opus Dei noch eines seiner Mitglieder der Vatikan-Bank aus ihrer schwierigen Lage geholfen. Die Kirchenleitung errichtete das Opus Dei 1982 als Personalprälatur, weil sie nach jahrelangen Vorstudien zur Überzeugung gelangt war, dass diese neue Rechtsform dem Wesen und der Zielsetzung des Opus Dei am besten entspricht.[12]

Weitere Information kann man auf der Website von Opus Dei nachlesen.[13] Sie vermittelt ein völlig anderes Bild dieser Organisation, als im Buch dargestellt. Es finden sich dort auch Stellungnahmen zum Buch Sakrileg. Die Aussagen des Buches und der Website sind derart konträr, dass man sich fragen muss, wie Dan Brown eine derartige Verleumdungsaktion ruhigen Gewissens verantworten kann, ohne nun diese Organisation an sich reinwaschen zu wollen; doch eine faire Auseinandersetzung mit dieser Gruppierung sollte anders aussehen.

Der Heilige Gral

Beim Heiligen Gral beschränke ich mich auf den Hinweis, dass dieser in der Regel als der Kelch des letzten Abendmahls des Herrn mit seinen Jüngern verstanden wurde und es Spekulation gibt, nach denen Joseph von Arimathia das Blut Jesu darin aufgefangen habe. In der Kunst wurde diese Spekulation um 1120 v.Chr. zum ersten Mal auf einem Gemälde dargestellt, ohne dieses Auffangen des Blutes Jesu den Heiligen Gral zu nennen [siehe Ausgabe Nr. 16 April 2006 des Focus-Magazins]. Hinter dieser Darstellung steckt wahrscheinlich die katholische Idee, dass sich bei der Eucharistie der Wein in das Blut Christi verwandelt.

Die Legende über den Heiligen Gral kam jedoch erst namentlich im Jahr 1180 n.Chr. auf, wahrscheinlich durch den altfranzösischen Dichter Chrétien de Troyes. Der Focus interviewte den Gralsexperten Richard Barber, der auf die Frage, ob sich dieser Dichter diese Geschichte ausgedacht hat, Folgendes antwortete:

Ja, offensichtlich. Es handelt sich geradewegs um einen Prozess imaginativen Schreibens. Im Jahr 1180 kannte noch niemand die Sache, die man Gral nannte, außer Chrétien. Er hatte eine Erziehungsgeschichte im Kopf, sein Nachwuchsritter Perceval gerät in die Burg des kranken Fischerkönigs und wird dort Zeuge einer Prozession. Ein Knabe trägt einen blutenden Speer, ein Mädchen den goldenen Gral, der hell leuchtet und mit Edelsteinen besetzt ist. Er ist ein Behälter für eine Hostie.[14]

Nach der These von Dan Brown kommen angeblich ca. 1180 Jahre n.Chr. einige Leute auf die Idee, etwas in die Welt zu setzen, wonach der Heilige Gral eine Person sei und Maria Magdalena das Blut Christi quasi aufgefangen habe [im Bilde des Kelches], um einen Stammhalter zu zeugen und das Geschlecht des Herrn am Leben zu erhalten. Allerdings wurde diese Botschaft hinter der eigentlichen Legende verborgen, wonach der Kelch der Heilige Gral wäre. Schließlich hätte man dies ja nicht öffentlich sagen dürfen, da es der Todesstoß für die Kirche gewesen wäre. Michael Kotsch hat sich in der Broschüre Sakrileg Geheime Evangelien? ab Seite 77 ausgiebig mit der Gralslegende beschäftigt.

Selbst das säkulare Focus-Magazin schreibt:

Seriöse Historiographie schilt die Gattung der Baigent-Monographien [worauf Brown sich beruft] Pseudogeschichte, sehr konservative Akademiker fügen noch das Adjektiv „paranoid“ hinzu.[15]

Geheimcode in Bildern von Leonardo da Vinci

Das letzte Abendmahl

So manche Bilder von Leonardo da Vinci haben Weltruhm erlangt. Eines der bekanntesten Bilder ist das letzte Abendmahl des Herrn mit seinen Jüngern. Hier möchte Dan Brown nun eine geheime Botschaft entdeckt haben. Wie oben bereits erwähnt, sieht Brown Leonardo da Vinci als Mitglied der Bruderschaft Prieuré de Sion, und da diese Bruderschaft das mächtigste Geheimnis nicht öffentlich machen konnte, seien hier und da in der Kunst und in der Musik bestimmte Botschaften versteckt worden. Diese These stützt Brown allein auf die windigen Dokumente „Dossiers Secrets“ von 1956, die nach historischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten keinerlei Relevanz haben. Da Vinci hätte nach Brown die Maria neben dem Herrn gemalt. Petrus würde Maria angeblich mit einem Messer bedrohen oder jedenfalls angezeigt haben, dass es hier um den Anspruch dieser beiden gehe, auf wem die Gemeinde/Kirche erbaut werden sollte. Diese Thesen sind insoweit unglaubwürdig, da Brown überhaupt nicht verstanden hat, dass die Kirche weder auf Maria noch auf Petrus erbaut werden sollte, sondern dass die Gemeinde auf das Zeugnis des Petrus erbaut werden sollte, der sagte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16) – doch ist es natürlich theoretisch möglich, dass Leonardo da Vinci die Bibelstelle aus Matthäus 16 genauso falsch verstanden hat wie Dan Brown und die katholische Kirche, die ja bekanntermaßen aus dieser Stelle das Papsttum begründen möchte.

Zugegebenermaßen sieht die Person rechts von dem Herrn sehr weiblich aus. Das war jedoch der Stil vieler Künstler zur damaligen Zeit. Im Weiteren hätten es dann natürlich auch nicht nur zwölf, sondern dreizehn Personen (zwölf Jünger plus Maria) sein müssen, die auf dem Bild zu sehen sind. Doch die Erklärung des Bildes, was übrigens wahrscheinlich nach genauen Vorgaben gezeichnet werden musste (jedenfalls war das üblich zur damaligen Zeit), ist ganz einfach, wenn man die biblischen Berichte kennt. 

In Johannes 13,21-24 heißt es: „Als Jesus dies gesagt hatte, wurde er im Geist erschüttert und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern. Da blickten die Jünger einander an, in Verlegenheit darüber, von wem er rede. Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tisch in dem Schoß Jesu. Diesem nun winkt Simon Petrus, damit er frage, wer es wohl sei, von dem er rede.“ Petrus wendet sich durchaus nicht an Maria, sondern an den noch sehr jungen Jünger Johannes, der im Johannesevangelium fünfmal „der Jünger, den Jesus liebte“ genannt wurde, um zu erforschen, von wem der Herr redete. Schaut man sich das Bild nun genau an, dann schauen die anderen gerade so, als wollten sie sagen: „Ich bin es doch nicht, Herr?“, oder: „Von wem redest du?“ Der eine ist überrascht, der andere entrüstet usw.

Warum hat aber Petrus ein Messer in der Hand? Nun, ich möchte da auch nicht zu viel spekulieren, aber Petrus war immer der forscheste aller Jünger und er stand wohl schon bereit, seinen Herrn zu verteidigen. Petrus war es ja, der sagte: „Wenn sich auch alle an dir ärgern würden, ich nicht“ (Mt 26,33). Und tatsächlich hieb Petrus auch einige Stunden später dem Malchus das rechte Ohr ab. Eine Verschwörungstheorie à la Dan Brown ist allerdings reine Phantasie. Übrigens: Schöne Grüße an die Frau „Kunsthistorikerin“ und Ehefrau Blythe Brown! ;-)

Mona Lisa

Auch bei dem Bild der Mona Lisa finden wir die Nachlässigkeit bei der angeblich so „genauen Recherche“. Was man Dan Brown noch nachsehen könnte, kann man einer Kunsthistorikerin jedoch nicht nachsehen. Wenn Leonardo da Vinci wirklich eine geheime Botschaft à la Dan Brown übermitteln wollte, und dies besonders in dem Namen des Bildes, dann fragt man sich natürlich, wie er das hätte machen sollen. Angeblich soll das Wort „Mona Lisa“ ja für „Amon L’isa“ (Roman S. 167) stehen, wobei dann Amon für den männlichen Götterkult und L’isa (oder Isis) für den weiblichen Götterkult der Ägypter steht. Diese Theorie ist insofern absurd, als das Bild zu Leonardos Lebzeiten noch gar keinen Titel trug. Erst dreißig Jahre nach dem Tod des Meisters benutzt der Leonardo-Biograph Giorgio Vasari erstmals den Namen „Mona Lisa“ für das Gemälde. Wie also sollte Leonardo eine geheime Botschaft codieren, wo er doch den Namen noch gar nicht kannte und die weitaus meisten seriösen Experten andere Theorien über den Hintergrund dieses Bildes bevorzugen?

War Jesus mit Maria M. verheiratet und hatte Er Kinder?

Maria Magdalena wird in den vier Evangelien insgesamt zwölfmal erwähnt:

  • Sie wird als eine Frau beschrieben, die unter dämonischer Besessenheit gelitten und aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte (Mk 16,9; Lk 8,2).
  • Sie ist eine der Frauen, die Jesus bei seinem Wirken begleiteten (Lk 8,2).
  • Sie war eine Zeugin der Kreuzigung (Mt 27,56; Mk 15,40; Joh19,25).
  • Sie war beim Begräbnis Jesu anwesend (Mt 27,61; Mk 15,47).
  • Sie war eine Zeugin am leeren Grab (Mt 28,1-10; Mk 16,1-8; Lk 24,10).
  • Nach seiner Auferstehung erschien Jesus ihr allein am Grab (Mk 16,9; Joh 20,1-18).

Dan Brown erwähnt in seinem Buch das sogenannte Philippusevangelium, das höchstwahrscheinlich aus dem 3. Jahrhundert stammt. Es hat also keinen Bezug zur historischen Wirklichkeit. Nicky Gumbel schreibt dazu:

Dan Brown behauptet zwar in „Sakrileg“, dass diese gnostischen „Evangelien“ älter wären als die Schriften des Neuen Testaments, aber interessanterweise zitiert das Philippus-„Evangelium“ sogar aus dem Neuen Testament (z.B. aus 1Kor 8,1; 1Pet 4,8; Mt 15,13). Das ist mit Sicherheit ein klarer Beweis dafür, dass das Philippus-„Evangelium“ erst nach dem Neuen Testament verfasst wurde, nicht vorher.

Aber nehmen wir für einen Moment an, Dan Brown hätte Recht und das Philippusevangelium wäre ein ernstzunehmendes Evangelium – was steht dort nun?

Und die Gefährtin des Erlösers war Maria Magdalena. Christus liebte sie mehr als seine Jünger und küsste sie oft auf den Mund. Die Jünger waren darüber erzürnt und verliehen ihrer Enttäuschung Ausdruck. Sie sprachen zu ihm: Warum liebst du sie mehr als uns?

Darauf bauen nun Dan Brown und vor ihm Baigent und Leigh in Verschlusssache Jesus ihre ganze Theorie. Der Focus schreibt zu Recht:

Der Satz [siehe oben] könnte auch als äußerst knappe Kurzfassung der Gralstheorien von Michael Baigent, Dan Brown und Richard Leigh gelesen werden.[16]

Kann man aus dieser Stelle wirklich schließen, dass Jesus mit Maria verheiratet war und sogar ein Kind gehabt hat? Es mag verrückt klingen, aber das sind die angeblich so schlagenden Beweise für die Ehe zwischen Jesus und Maria Magdalena. Es wäre nicht nur absurd, dass die Jünger sich beschwerten über die Liebe des Herrn zu seiner angeblichen Ehefrau (das wäre schließlich das Normalste von der Welt); auch die Frage der Jünger „Warum liebst du sie mehr als uns?“ zeigt doch deutlich, dass es hier nicht um die Liebe zwischen Mann und Frau geht. Und die Jünger werden mehrfach im Neuen Testament „die Gefährten“ genannt. Was will mal also mit dieser Stelle wirklich beweisen?

Im Weiteren: Was sollen wir dann davon halten, wenn in einem anderen gnostischen Text – die „Zweite Apokalypse des Jakobus“ – steht, dass der auferstandene Jesus den Jakobus auf den Mund küsste und ihn „mein Geliebter“ nannte? Scheinbar verstanden die Schreiber dieser Zeilen diese Küsse auf den Mund nicht als sexuellen Akt, sondern als einen symbolischen Ausdruck [abgesehen davon, ob diese Sache nun stimmt oder nicht!]. Dan Brown zitiert diese gnostischen Texte so, wie es ihm in den Kram passt. Wenn sie für seine Phantastereien sprechen, dann müssen sie für seine Sache herhalten, aber wenn sie ihr widersprechen, wird das unter den Tisch gekehrt. So heißt es zum Beispiel einmal in dem sogenannten Thomasevangelium:

Simon Petrus sprach zu ihnen: Maria soll von uns weggehen, denn die Frauen sind des Lebens nicht wert. Jesus sprach: Siehe, ich werde sie ziehen, auf dass ich sie männlich mache, damit auch sie ein lebendiger, euch gleichender, männlicher Geist werde. Jede Frau, die sich männlich macht, wird eingehen in das Königreich der Himmel.[17]

Diese Stelle widerspricht so ziemlich allem, was Dan Brown uns gern durch sein Buch mitteilen will. Er möchte ja gern das göttlich Weibliche wieder in den Vordergrund heben, was seiner Meinung nach durch die Kirche bewusst vernichtet worden sei. Dazu beruft er sich auf die nicht anerkannten gnostischen Texte, worin aber eben auch solche Texte stehen wie der zuvor zitierte. In Wirklichkeit gibt es wohl kaum eine Religion, die der Frau einen höheren Wert gibt als gerade das richtig verstandene Christentum. Dass die Kirche hier im Allgemeinen viele Jahrhunderte lang gefehlt hat, mag dabei wahr sein.

Es gibt eigentlich nur zwei Hinweise, auf die sich Dan Brown bei dieser Behauptung stützen kann. Es handelt sich zum einen um das oben erwähnte „Philippusevangelium“ und um das „Evangelium der Maria Magdalena“. Beide Evangelien haben aber historisch gesehen keinerlei Relevanz, da diese auf das 3. bzw. 2. Jahrhundert datiert wurden. Aber selbst wenn man sie für wahr ansähe, so enthalten sie keinen einzigen direkten Beweis für die Behauptung, dass Jesus verheiratet gewesen wäre, und schon gar nicht, dass Er ein Kind gehabt hätte. Es ist schon Wahnsinn, wie weit Dan Brown zu gehen bereit ist, wenn er schreibt:

Ich möchte Sie nicht mit endlosen Verweisen auf die Verbindung von Jesus und Maria Magdalena langweilen. (S. 339)

Wenn man bedenkt, dass es deren zwei gibt und diese noch nicht einmal einen direkten Hinweis geben.

Die Funde vom Toten Meer

Mitte des 20. Jahrhunderts wurden am Westufer des Toten Meeres in verschiedenen Berghöhlen die wohl sensationellsten antiken Schriftenfunde, die jemals gemacht worden sind, ans Licht gebracht. Ein großer Teil dieser Funde enthält die Literatur der jüdischen „Sekte von Qumran“, die meistens mit den Essenern (1. Jh. v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr.) identifiziert wird. Die größte Bedeutung dieser Entdeckungen liegt jedoch für den Bibelleser eindeutig darin, dass in Qumran die älteste erhaltene Sammlung von Schriften des Alten Testaments gefunden wurde, die alles bis dahin Bekannte an Alter um über 1000 Jahre übertrifft! Die Funde können deshalb ohne Übertreibung als sensationell bezeichnet werden. Sie sind für unsere Kenntnis der Geschichte des Judentums und der Überlieferungsgeschichte der Bibel von großem Wert.[18]

Dan Brown schreibt nun über diese Funde:

Natürlich hat der Vatikan in Fortsetzung seiner Tradition der Verschleierung und Informationsunterdrückung mit allen Mitteln versucht, die Veröffentlichung dieser Schriften zu verhindern. (S. 323)

Alexander Schick schreibt in seinem Buch Faszination Qumran, dass die Herausgabe der Qumranschriften unter Aufsicht der jordanischen und israelischen Antikenverwaltung erfolgte. Der Vatikan hatte also mit der Edition der Texte nichts zu tun und konnte demnach auch keine Schriften unterdrücken bzw. unter Verschluss halten. Zudem sind seit November 2001 alle Qumrantexte zugänglich und jeder kann die Übersetzungen der Qumranschriften lesen und feststellen, dass dort keine Geheimbotschaften über Jesus und Maria enthalten sind. Ähnlich verhält es sich im Übrigen auch mit den Nag-Hamadi-Texten, die Dan Brown mehrfach erwähnt.

Welche Rolle spielten Konstantin und das Konzil von Nizäa 325 n.Chr.?

Bezüglich der Persönlichkeit Konstantins schreibt Brown die Geschichte kurzerhand um. Brown legt es seinem Religionswissenschaftler Langdon in den Mund,

dass Kaiser Konstantin und seine männlichen Nachfolger den Übergang der Welt vom heidnisch matriarchalischen Mutterkult zum patriarchalischen Christentum mit einem Propagandafeldzug ohnegleichen durchgedrückt haben, der das göttlich Weibliche dämonisiert und die Göttinnen für immer aus der modernen Religionsausübung verdrängt hat. (S. 172)

Dazu gibt es jedoch keinerlei seriösen Hinweise. Konstantin hatte weniger irgendeine Religion oder einen Götterkult im Sinn als vielmehr ein starkes politisches Interesse. Von Hause aus war Konstantin christlicher Prägung, Vater und Mutter bekannten sich zum Christentum, wobei seine Mutter Helena durch ihre Wohltaten an den Armen bekannt wurde. Konstantin sprach sich aber erst im Jahr 313 öffentlich für das Christentum aus (geboren wurde er 280 n.Chr.; er starb 337 n.Chr.), indem er die Christenverfolgung beendete, die durch Diokletian initiiert worden war. In der Folge verschmolz die Kirche immer mehr mit dem Staat, so dass viele Menschen sich taufen ließen, weil sie dadurch bestimmte Vorzüge genossen. Vermutlich geschah dieses Entgegenkommen Konstantins weniger aus innerer Überzeugung als aus politischen Interessen. Andrew Miller geht in seiner Geschichte der christlichen Kirche, Band 1, ausführlich auf das Leben und Wirken Konstantins ein. Hier können wir nicht weiter darauf eingehen.

Brown behauptet:

Konstantin gab eine neue Evangeliensammlung in Auftrag, die er obendrein finanzierte. In diese Sammlung durfte keine jener Darstellungen aufgenommen werden, in denen Jesus als Mensch gesehen wurde, während alles, was ihn in ein göttliches Licht rückte, besonders hervorzuheben war. Die früheren Evangelien wurden geächtet, konfisziert und verbrannt. (S. 322)

Das ist sicher so nicht wahr. Brown fährt dann weiter fort, indem er behauptet, dass zum Glück die Wahrheit der Nachwelt erhalten geblieben sei, nämlich in den Schriftrollen vom Toten Meer. Tatsächlich wurden dort die sogenannten gnostischen Schriften gefunden, doch leider bezeugen diese gerade die einseitige Lehre der Gnostiker, die in Jesus eben keinen wahren Menschen sahen, sondern sein göttliches Leben in den Vordergrund stellten und es ablehnten, dass Jesus Christus einen normalen menschlichen Leib hatte. Diese Schriften beinhalten also genau das Gegenteil von dem, was Brown gern darin finden möchte. Brown möchte ja gern in seinem Buch beweisen, dass Jesus Christus erst auf dem Konzil von Nizäa 325 n.Chr. zum Sohn Gottes erhoben und vorher überall lediglich als sterblicher Mensch angesehen worden sei.

Die Wahrheit ist, dass Brown besser die Bibel gelesen hätte als die gnostischen Schriften vom Toten Meer, denn in der Bibel, wie wir sie heute überliefert in Händen halten, gibt es mehr Indizien für die wahre Menschheit des Herrn als in den gnostischen Schriften. Der Herr Jesus wird uns im Neuen Testament als wahrer Mensch vorgestellt: Er war müde (Joh 4,6), Er hatte Hunger (Mt 4,2), Er hatte menschliche Gefühle (Mk 11,15-17), Er liebte (Joh 11,35), Er wurde auf die Probe gestellt (Mk 1,13), Er lernte (Lk 2,52), Er arbeitete (Mk 6,3), und Er gehorchte seinen Eltern (Lk 2,51). Natürlich stellt uns das Neue Testament auch die göttliche Seite vor, wenn wir lesen, dass Er über das Wasser ging, Menschen sättigte, Menschen heilte und Tote auferweckte oder wie einer der Jünger ausrief: „Mein Herr und mein Gott.“ Es ist einfach nicht wahr, wenn Brown behauptet, dass

vor 325 n.Chr. niemand glaubte, dass Jesus göttlich war.

Ein kurzer Blick in die Kirchengeschichte vor 325 n.Chr. bringt die Beweise ans Licht:

  • Ignatius von Antiochien (ca. 50 bis ca. 117 n.Chr.):
    Jesus Christus, „unser Gott“ (in Brief an die Epheser, Kap. 15,3).
  • Justin der Märtyrer (ca. 133 bis ca. 165 n.Chr.)
    bezeichnet Christus als „Sohn Gottes“ und als „Gott“ (in Dialog mit Trypho, 126. Kapitel).
  • Melito von Sardes (gestorben um 195 n.Chr.):
    „… Er, der Gott und gleicherweise vollkommener Mensch war“ (in einem Fragment bei Anastasius vom Sinai: Viae Dux).
  • Irenäus von Lyon (ca. 135 bis ca. 202 n.Chr.):
    „Er ist der heilige Herr, der Wunderbare, der Ratgeber […] und der mächtige Gott“ (In Gegen die Häresien, Buch 3, Kapitel 19,2).
  • Clemens von Alexandrien (ca. 150 bis ca. 215 n.Chr.):
    „Er allein ist sowohl Gott als auch Mensch“ (in Mahnrede an die Griechen, 1,7,1).
  • Tertullian (ca. 150 bis ca. 230 n.Chr.):
    „[…] weil Christus auch Gott ist“ (In De Anima, 41,3).[19]

Brown schreibt auf S. 321, dass auf dem Konzil von Nizäa die Abstimmung für die Göttlichkeit Jesu sehr knapp ausgefallen sei. Fakt ist, dass von über dreihundert Stimmen lediglich zwei Gegenstimmen gezählt wurden. Dazu muss man jedoch fairerweise sagen, dass dies wahrscheinlich zum Teil auch durch den Druck Konstantins zustande kam und viele aus Angst vor dem Kaiser für die Göttlichkeit Christi stimmten.[20]

Aber auch die Behauptung, Konstantin habe eine Evangeliensammlung in Auftrag gegeben, ist nicht richtig. Bereits 150 n.Chr. gibt es Dokumente und Listen, aus denen hervorgeht, welche Schriften von der Christenheit als inspiriert anerkannt wurden und welche nicht. Konstantin bestätigte auf dem Konzil in Nizäa lediglich das, was von der Christenheit im Allgemeinen schon längst anerkannt wurde. Die These, Konstantin habe die Evangelien sogar ausgeschmückt und manipuliert, ist nicht haltbar. Das kann man dadurch beweisen, dass man Schriften kurz vor 325 n.Chr. mit gefundenen Fragmenten um 130 n.Chr. vergleicht. Sie stimmen in ganz erstaunlicher Weise überein. Der heute vielfach gehörte Einwand, an der Bibel sei unzählige Male herumverbessert und ergänzt und gestrichen worden, kann durch die historischen und archäologischen Funde widerlegt werden. Es gibt kein Buch der Weltliteratur, das besser überliefert wurde als die Bibel. Das macht das Wunder des Buches der Bücher aus.

Schluss

Brown fragt in seinem Roman:

Was gibt es Schöneres als Verschwörungstheorien? (S. 233)

Man kann nur hoffen, dass es am Ende für jeden „nichts Schöneres“ gibt, als die Wahrheit mehr als alles andere zu lieben.[21]

Noch auf ein Wort

Jene Leser, die vielleicht noch keine lebendige Beziehung zu Gott und dem Herrn Jesus Christus haben und diesen Artikel mit Interesse gelesen haben und überrascht sind von der Glaubwürdigkeit und Einzigartigkeit der Entstehung der Bibel und die es wagen möchten, der Bibel mehr Vertrauen zu schenken, denen möchte ich nahelegen, ihr Leben bewusst in die Hände Gottes zu legen. Vertrauen Sie auf Christus. In Christus ist Gott Mensch geworden, um die Kluft zu überbrücken, die zwischen Gott und dem Menschen durch die Sünde entstanden ist. Christus hat diese Kluft überbrückt, indem Er auf dem Kreuz von Golgatha für die Sünden der Menschen gestorben ist, die einmal an Ihn glauben würden. Gott hat es uns in seinem Wort verbürgt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). Es stimmt: So wie wir sind, können wir nicht vor Gott erscheinen, aber wenn wir uns darauf verlassen und darauf stützen, was Jesus Christus für uns getan hat, dann wird Gott uns annehmen.

Jesus sagt in Johannes 5,24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen.“

Folgende empfehlenswerte Literatur stand mir bei dieser Arbeit zur Verfügung:

  • Hank Hanegraff, Paul L. Maier, Sakrileg – Daten, Fakten, Hintergründe, Bielefeld (CLV) 2006
  • Michael Kotsch, Sakrileg – Geheime Evangelien?, Lage (Lichtzeichen) 2005, Logos Aufklärung, Bd. 59
  • Nicky Gumbel, Das Sakrileg unter der Lupe, Aßlar (GerthMedien)  2005
  • Erwin W. Lutzer, Der „Da Vinci Code“ – Fakt oder Fiktion?, Dillenburg (CV) 2005

Folgende Internetseiten beschäftigen sich mit diesem Thema:
www.sakrileg-betrug.de
http://www.karl-leisner-jugend.de/Sakrileg.htm

Anmerkungen

[1] (c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001.

[2] Focus, Heft 16/2006, S. 118.

[3] Hank Hanegraff, Paul L. Maier, Sakrileg Daten, Fakten, Hintergründe, Bielefeld (CLV) 2006.

[4] Ausführlichere Details zum Autor Dan Brown siehe Michael Kotsch, Sakrileg Geheime Evangelien?, Lage (Lichtzeichen) 2005, Logos Aufklärung Bd. 59.

[7] Hank Hanegraff, Paul L. Maier, Sakrileg – Daten, Fakten, Hintergründe, Bielefeld (CLV) 2006.

[8] Michael Kotsch, Sakrileg – Geheime Evangelien?, Lage (Lichtzeichen) 2005, Logos Aufklärung, Bd. 59.

[11] L’Osservatore della Domenica, 26.5.1966; abgedruckt in Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, Nr. 64.

[14] Focus, Heft 16/2006, S. 116.

[15] Focus, Heft 16/2006, S. 117.

[16] Focus, Heft 16/2006, S. 120.

[17] Thomas-Evangelium, Logion 114. Zitiert nach Uwe Karsten Plisch, Verborgene Worte Jesu Verworfene Evangelien. Berlin (Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft und von Cansteinsche Bibelanstalt) 2000, S. 93–122, hier S. 121.

[18] A. Remmers, Die Schriftrollen vom Toten Meer, Hückeswagen (CSV) 2003, S. 6.

[19] Nicky Gumbel, Das Sakrileg unter der Lupe, Aßlar (GerthMedien)  2005, S. 27.

[20] Andrew Miller, Geschichte der christlichen Kirche, Neustadt/Weinstraße (Ernst Paulus) 1983, Bd. 1.

[21] Hank Hanegraff, Paul L. Maier, Sakrileg – Daten, Fakten, Hintergründe, Bielefeld (CLV) 2006 .

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