Die RKI-Protokolle – und warum sie gar nicht brisant sind

Christoph Leinweber

© Christoph Leinweber, online seit: 10.04.2024, aktualisiert: 22.04.2024

Anmerkung der Redaktion:
Es ist nicht unsere Absicht, das Thema Corona wieder zu befeuern oder ein neues Fass aufzumachen. Doch haben wir immer wieder mit Menschen zu tun, die nicht nur eine differenziert andere Meinung haben – was für uns überhaupt kein Problem darstellt –, sondern mit Missionseifer Verschwörungstheorien verbreiten. Dadurch werden manche Glaubensgeschwister verwirrt, und denen möchten wir mit diesem Artikel helfen. Es wird hier auch auf die aktuelle Veröffentlichung und Diskussion der RKI-Protokolle eingegangen. Insbesondere bietet der Text auch sehr viele Belege und Quellen, die solchen, für die diese Quellen nicht gleich alle Fake News sind, eine Hilfe sein können, um sich ein ausgewogenes Bild zu machen.

Die Coronapandemie ist vorbei

Leider gilt das nur für die unmittelbare Gefährdung durch das Virus und die damit zusammenhängenden Belange. Die Nachwirkungen der Pandemie hingegen werden sowohl die säkulare Gesellschaft als auch die Christenheit noch lange beschäftigen. Dies umso mehr, als der aktuelle Ruf einiger nach einer Aufarbeitung der vergangenen Jahre in die völlig falsche Richtung geht. Denn er erfolgt besonders durch diejenigen, die sich im besagten Zeitraum aus unterschiedlichen Gründen und in vielerlei Weise als Gegner der Schutzmaßnahmen positioniert hatten. Grundsätzlich ist eine Aufarbeitung in jedem Fall zu begrüßen, um auf zukünftige Herausforderungen besser vorbereitet zu sein.

Nachfolgend soll in möglichst komprimierter Form aufgezeigt werden, warum der Widerstand gegen die Coronamaßnahmen gerade durch Christen unangebracht, ja geradezu fatal war und dass das, was man nun „Aufarbeitung“ nennt, das Potential besitzt, die bereits vorhandenen enormen Spannungen in christlichen Gemeinden noch weiter zu verstärken.

Leider kann man dem komplexen Geschehen der letzten vier Jahre nicht mit einem kurzen Aufsatz gerecht werden. Deshalb verweise ich zusätzlich auf meinen YouTube-Kanal[1], wo die hier nur kurz umrissenen Themen noch um einiges ausführlicher besprochen und auch die dazugehörigen Quellen und Belege präsentiert werden. Die dort einsehbaren Videos sind so strukturiert, dass jeder die Möglichkeit hat, sich Schritt für Schritt sein eigenes Bild zu machen, indem er jede einzelne Aussage gründlich prüft und mit den ihm vorliegenden Informationen abgleicht.

Die Fakten

Die Coronapandemie hat laut WHO weltweit mindestens 20 Millionen Todesopfer gefordert.[2] Somit reden wir von einem Drittel der Todesopfer des Zweiten Weltkriegs. Darüber hinaus wird die Pandemie hinsichtlich ihrer Opferzahl dem Vernehmen nach im 20. und 21. Jahrhundert nur von der Spanischen Grippe und von Aids übertroffen.[3] Und dies trotz der wohl krassesten Schutzmaßnahmen der Menschheitsgeschichte und einer bereits nach einem Jahr verfügbaren wirksamen Impfung. Somit ist im Nachhinein wohl unstrittig, dass gegen die Verbreitung des Coronavirus etwas unternommen werden musste.

Das war jedoch auch in der frühesten Phase der Pandemie schon erkennbar:

  • In Bergamo wurden Leichen mit Militärlastern in umliegende Krematorien gefahren.[4]
  • Im Iran wurden hektisch Friedhöfe aufgestockt oder neu gebaut, um der Toten Herr zu werden.[5]
  • Und auch in Deutschland war sehr schnell klar, welches Ausmaß die Pandemie annehmen würde, falls man nichts gegen das Virus unternähme:
    • Im Hanns-Lilje-Pflegeheim in Wolfsburg starben im Frühjahr 2020 innerhalb weniger Wochen 48 Patienten am Coronavirus.[6]
    • Ähnliche Berichte konnte man aus dem thüringischen Rudolstadt[7] oder von einem Pflegeheim in Kanada[8] lesen, wo 28 beziehungsweise 31 Virustote zu beklagen waren.

Was diesbezüglich die Impfung bewirkte – wenngleich vermutlich in Verbindung mit der abnehmenden Pathogenität des Virus –, zeigte sich an einem entsprechenden Ausbruch im Pflegeheim Roncallistift in Erlangen, wo sich insgesamt 36 mehrfach geimpfte Bewohner mit Corona infizierten, ohne dass es zu schweren Krankheitsverläufen oder Todesfällen kam.[9]

Spätestens nach den Ereignissen in Wolfsburg war also auch hierzulande klar, was dieses Virus anrichten konnte, wenn man es gewähren ließ. Außerdem stellte sich dadurch auch schnell heraus, dass Corona in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle alte und schwer vorerkrankte Menschen gefährdete. Allerdings traf dies nicht in allen Fällen zu; so wurden nach einigen Monaten mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland der sogenannten Hochrisikogruppe zugerechnet.[10] Darüber hinaus zeigten sich ebenfalls bereits in der frühesten Pandemiephase die längerfristigen Symptome, die wir als Long oder Post Covid kennen; folgerichtig wurde schon im Mai 2020 die Selbsthilfegruppe „Long Covid Deutschland“ gegründet.[11]

Diese schon nach kurzer Zeit vorliegenden Erkenntnisse machten also deutlich, dass das Coronavirus jeden Menschen in jeder Sekunde seines sozialen Lebens befallen, ihn leicht oder schwer erkranken lassen, ihn töten und/oder ihm unterschiedlich schwere Folgebeschwerden auferlegen kann. Und sie zeigten eben auch schon in der Frühphase der Pandemie unmissverständlich auf, dass gegen die Virusverbreitung etwas getan werden musste.

Die Schutzmaßnahmen

Was man gegen ein unsichtbares, sich teilweise symptomlos durch menschliche Kontakte verbreitendes Virus zu tun hatte, lag schnell auf der Hand: Kontaktvermeidung, Abstand, Hygiene, frische Luft, Schutzmaske – und schließlich Impfung.

Insofern verwundert nicht, dass alle Länder dieser Erde beinahe ausnahmslos dasselbe zur Eindämmung taten. Unterschiede gab es überwiegend lediglich dort, wo entweder der gesellschaftliche Zusammenhalt enorm hoch ist, wie in einigen südostasiatischen Ländern, oder wo zusätzlich auch die niedrige Besiedelungsdichte der Virusbekämpfung zugute kam, wie etwa in Skandinavien. Weitere Abweichungen gab es in Ländern, die von Populisten wie Bolsonaro (Brasilien), Trump (USA) oder anfangs auch Johnson (Großbritannien) regiert wurden. Diese Staaten schnitten folgerichtig – ebenso wie Schweden – gegenüber unmittelbar vergleichbaren Ländern deutlich schlechter ab, was die Opferzahlen der Pandemie betrifft.[12]

Bei der wirksamsten aller Schutzmaßnahmen, der generellen Vermeidung menschlicher Kontakte, gibt es zwei Probleme: Erstens, dass sich ein bestimmter Anteil der Bevölkerung nicht freiwillig an die Bitten der Obrigkeit oder der Experten hält. Dieser Anteil wird in Deutschland mit 10 bis 20 Prozent beziffert. Zweitens, dass abhängig von den strukturellen Gegebenheiten, der Besiedelung oder dem Grad der Industrialisierung das Vermeiden der nicht unbedingt notwendigen Kontakte möglicherweise nicht zur Eindämmung der Virusverbreitung ausreicht.

Aus den beiden genannten Gründen wurde es deshalb nötig, auch die eigentlich unvermeidbaren, die sogenannten „systemrelevanten“ Kontakte einzuschränken. Das nannte man Lockdown. Dieser wurde in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich strikt gehandhabt. Entgegen mancher anderslautenden Äußerung war Deutschland diesbezüglich keineswegs besonders streng. In Spanien beispielsweise wurde den Menschen klar auferlegt, wie weit sie sich von ihren Wohnungen entfernen durften und zu welchem Zweck.[13] In Lateinamerika sah man Straßensperren wie im Bürgerkrieg.[14]

Die Lockdowns hatten naturgemäß große Wirkung. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gelang es innerhalb weniger Wochen, die Virusverbreitung drastisch einzudämmen. Im ersten Quartal 2021 fielen die täglichen Sterbezahlen aufgrund von Corona in Deutschland von über 1200 auf unter 300.[15] Die einzigen relevanten Rahmenbedingungen, die sich seinerzeit geändert hatten, waren die Verschärfung des Lockdowns am 16. Dezember sowie die Einführung der Impfung am 27. Dezember 2020.

Dort, wo Kontakte überhaupt nicht vermieden werden konnten, bewährten sich die bereits genannten unterschiedlichen Maßnahmen. Allerdings geschah dies nach dem Sandsackprinzip, das heißt, nicht eine Maßnahme allein bringt den Erfolg, sondern alle zusammen. Denn weder Abstand und Hygiene noch Masken konnten einen hundertprozentigen Schutz gewährleisten. Beispielsweise stellte sich heraus, dass der vorgegebene Abstand von eineinhalb bis zwei Metern unter bestimmten Bedingungen deutlich zu gering war.[16] Ebenso kam es bei den Masken darauf an, dass das richtige Modell verwendet und überdies korrekt getragen wurde.[17] Zusammengenommen jedoch zeigten auch die Maßnahmen diesseits von Lockdowns große Wirkung – insbesondere wenn man bedenkt, mit welch geringem Aufwand für den Einzelnen sie verbunden waren.

Zwei weitere Aspekte trugen ebenfalls entscheidend dazu bei, dass die Pandemie letztlich eingedämmt werden konnte. Einmal die Impfung, die aufgrund einer beispiellosen Anstrengung aller Beteiligten bereits nach weniger als einem Jahr verfügbar war und verschiedenen Modellierungen zufolge Millionen Menschenleben rettete.[18] Und nicht zuletzt die Tatsache, dass ein Virus durch seine Mutationen üblicherweise sukzessive an Gefährlichkeit verliert. Beispielsweise wurde pathologisch ermittelt, dass bei den ersten Varianten wie Wildtyp oder Delta jeweils für 80 bis 90 Prozent der Todesopfer Covid die hauptsächliche Todesursache war. Bei der Variante Omikron war dies nur noch bei weniger als der Hälfte der Fall.[19]

Maßnahmenkritik

Relativ schnell nach Ausbruch der Pandemie in Europa wurden Stimmen laut, wonach Corona nichts anderes sei als eine mittelschwere Grippe. Sämtliche Kennzahlen belegen jedoch, dass dies nicht zutrifft. Selbst unter der vorherrschenden Variante Omikron gibt es diesbezüglich noch immer deutliche Unterschiede bei der Letalität, also dem Anteil der Erkrankten, der letztlich an der Krankheit verstirbt. Beispielsweise wurden von der vierzigsten Meldewoche 2023 bis Februar 2024 insgesamt 338 Grippetote offiziell registriert, während es bei Covid 5619 waren.[20] Und das, obwohl die Fallzahlen bei Covid im Gegensatz zu denen der Influenza nicht allzu hoch waren.

Die Fakten drangen jedoch bei einem Teil der Bevölkerung nicht durch. In der Folge entwickelte sich, befeuert von bestimmten Interessengruppen, eine Art Gegenbewegung, die sämtliche offiziellen Informationen zur Pandemie in Zweifel zog und sich insbesondere gegen die Schutzmaßnahmen stellte. In gewisser Weise war das auch verständlich. Ein Lockdown ist naturgemäß ein tiefer Eingriff in menschliche Grundrechte. Außerdem kann er insbesondere in wirtschaftlicher und sozialer, aber auch medizinischer Hinsicht diverse unterschiedliche Negativeffekte auslösen. Diese nannte man in der Folge Kollateralschäden. Dazu nachfolgend einige Fakten und Schlussfolgerungen.

Die Alten- und Pflegeheime

Durch die konsequente Abschottung der Heime kam es dazu, dass Menschen über Wochen hinweg nicht von ihren Angehörigen besucht werden konnten und teilweise ohne die Möglichkeit der Verabschiedung starben. Hier liegt das wohl größte Versagen der Entscheider während der Pandemie. Denn hätte man so wie die Tübinger Ärztin Lisa Federle[21] rasch und flächendeckend auf sogenannte Schnelltests gesetzt, wäre diese Entwicklung vermeidbar gewesen. Hätte man die Heime jedoch einfach offengelassen, wäre unweigerlich in größerem Ausmaß das passiert, was in Wolfsburg oder Rudolstadt geschah.

Die Schul- und Kita-Schließungen

Durch die Schließung der genannten Einrichtungen und die damit verbundene Isolation wurden viele Kinder psychisch stark belastet. Insbesondere gilt dies für Kinder aus prekären Familienverhältnissen. Allerdings ist es so, dass weniger als ein Fünftel der Alten oder Pflegebedürftigen in Deutschland in Heimen lebt.[22] Millionen andere Risikopersonen leben somit in Familienkonstellationen. Somit hätte eine Öffnung der Schulen und Kitas ebenfalls ohne jeden Zweifel zu mehr Todesopfern geführt. Denn die Kinder und Schüler hätten das Virus unweigerlich in stärkerem Maße mit nach Hause gebracht. Überdies wurde im Winter 2021 unter anderem anhand des Anstiegs der Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen nachgewiesen, dass diese einen erheblichen Anteil am Pandemiegeschehen hatten.[23] Und wer will eine Abwägung treffen zwischen einer Zahl X an weniger traumatisierten Kindern und einer Zahl Y an zusätzlichen Toten?

Die medizinischen Kollateralschäden

Im Gegensatz zu den Befürchtungen von Experten und den Behauptungen der Maßnahmenkritiker gibt es bis heute keinerlei belastbare, relevante Zahlen, beispielsweise was Todesfälle aufgrund ausgebliebener Behandlungen anbelangt. Weder bei Krebs noch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfall gibt es einen größeren Ausschlag, der auf Coronalockdowns zurückgeführt werden könnte. In verschiedenen Entwicklungs- oder Schwellenländern hingegen wird befürchtet, dass aufgrund ausgebliebener Impfkampagnen andere Krankheiten und überdies der Hunger ihren Tribut von der Pandemie fordern werden.[24]

Die Wirtschaft

Natürlich wurde die Wirtschaft durch die Schutzmaßnahmen enorm belastet. Positiv dabei war die starke Unterstützung betroffener Betriebe durch den Staat – wenngleich das weder flächendeckend noch ausnahmslos gerecht ablief. In Frage zu stellen ist jedoch die Entscheidung der Verantwortlichen, der Wirtschaft den Vorzug vor den Schulen und Kitas zu geben, was Schließungen anbelangt. Hier hätte man womöglich besser anders gehandelt.

Ein Aspekt trifft für sämtliche tatsächlichen und möglichen Kollateralschäden gleichermaßen zu: nämlich dass diese geringer ausgefallen wären, wenn die Gesellschaft sich einig gewesen und gemeinsam alles zur Eindämmung des Virus getan hätte. Auch die Wirtschaft selbst in Person von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, war der Auffassung, dass ein möglichst heftiger, dafür aber auch möglichst kurzer Lockdown auch ökonomisch die beste Lösung sei.[25] Dies wurde jedoch zunichtegemacht durch die lautstarken Proteste der Maßnahmengegner sowie der im Wahlkampf befindlichen Politiker, die auf eine zunehmend einschränkungsmüde Gesellschaft stießen.

Die Impfung

Die Coronaimpfung war und ist wohl der größte Zankapfel der vergangenen vier Jahre. Bemerkenswert daran ist, dass der Umgang einer bestimmten Minderheit in der Bevölkerung mit der Impfung bereits vor deren Einführung exakt vorhergesagt wurde. Beispielsweise durch den Verschwörungs- und Populismusforscher Michael Butter.[26] Zunächst wurde moniert, dass die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes zu lange dauern würde. Als dieser dann doch bereits nach weniger als einem Jahr verfügbar war, hieß es, er könne aufgrund der zu kurzen Entwicklungszeit nicht sicher sein. Dann wurde beklagt, dass zu viele Geimpfte auf den Intensivstationen lägen und die Impfung demzufolge offenbar nicht wirke. Dass die Anwesenheit Geimpfter auf Intensivstationen neben den sogenannten Impfdurchbrüchen in erster Linie eine direkte Folge einer steigenden Impfquote war, kam bei den Kritikern nicht an. Seither wird unablässig behauptet, die Impfung sei erstens mehr oder weniger unwirksam und habe zweitens enorme Folgeschäden verursacht.

Die Fakten sprachen von Beginn an eine völlig andere Sprache. Das kann man anhand weniger Zahlen leicht belegen. Beispielsweise lag die Zahl der in Deutschland anhängigen Klagen aufgrund vermeintlicher Impfschäden Ende 2023 bei 510.[27] Die Zahl der Anträge auf Entschädigung anlässlich eines vermuteten Impfschadens belief sich zum selben Zeitpunkt auf 11.827.[28] Das sind knapp 0,2 Promille aller Geimpften in Deutschland. Dazu muss man außerdem wissen, dass die allermeisten Anträge abgewiesen werden, weil keine Verbindung der jeweiligen Beschwerden zur Impfung nachgewiesen werden kann. Dazu passt die Meldung, wonach bei Impfstudien ein Drittel bis die Hälfte aller Probanden Nebenwirkungen meldete, obwohl man ihnen ein Placebo verabreicht hatte.[29]

Selbst wenn man den Anträgen und Klagen nun noch eine gewisse Dunkelziffer hinzurechnen wollte, weil es Menschen gibt, die sich trotz einer vermeintlichen Impfkomplikation nicht melden oder deren Arzt sie wieder nach Hause schickt, ist klar, dass die Gesamtzahl der Komplikationen äußerst gering ist.

Bemerkenswert sind die genannten Zahlen insbesondere deshalb, weil sie eben von den (möglicherweise) Betroffenen selbst stammen und nicht von unbestimmbaren Behauptungen den Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis betreffend.

Ein ebenfalls großer Streitpunkt war der sogenannte Fremdschutz der Impfung. Bekanntermaßen wurde ja dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen, um sich selbst und andere zu schützen. Dagegen liefen die Maßnahmengegner Sturm und wehrten sich beispielsweise vehement gegen die vermeintlich ungerechtfertigte Ausgrenzung Ungeimpfter. Tatsächlich war es so, dass der Fremdschutz jeweils in einem gewissen Zeitraum nach der Impfung nachließ und sich überdies vor der Anpassung der Impfstoffe auch durch die Virusmutationen verschlechterte.[30]  Allerdings ergaben Studien, dass die Impfung insgesamt deutlichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen nahm. So ermittelte die Humboldt-Universität Berlin, dass im Herbst 2021 acht von zehn Ansteckungen durch Ungeimpfte erfolgten.[31] Gleichlautende Beobachtungen machte die sogenannte StopptCOVID-Studie des RKI, die ermittelte, dass der bekannte R-Wert bei erhöhter Impfquote deutlich reduziert wurde.[32] Somit ist die Behauptung widerlegt, die Impfung böte keinen Fremdschutz, die auch dem Widerstand von Christen gegen bestimmte Maßnahmen zugrunde lag. Und wenn man den genannten Instituten und ihren Verlautbarungen nicht trauen mag, ist die Sache spätestens nach den Aussagen klar, wonach der Schutz mit der Zeit schlechter geworden ist. Denn um seine Verschlechterung zu ermitteln, muss man ihn ja messen können, nicht wahr?

Einen Impfskandal gibt es jedoch tatsächlich. Oder zwei. Und zwar erstens, dass die Pharmahersteller angesichts ihrer gewaltigen Gewinne durch den Coronaimpfstoff keine größeren Rücklagen gebildet haben, um im Zweifelsfall für den vermeintlich Geschädigten zu entscheiden und diesen zu entschädigen. Das hätte der Diskussion einiges an Schärfe genommen. Zweitens – und noch um einiges schlimmer –, dass in jüngster Vergangenheit mehrere Urteile ergingen, wonach die Ansprüche einzelner Geschädigter mit der Begründung abgewiesen wurden, die Impfung brächte einen so großen Nutzen für die Allgemeinheit, dass eine Schädigung Einzelner keine Entschädigung rechtfertige.[33] Das ist natürlich eines Rechtsstaats vollkommen unwürdig. Denn mit derselben Begründung könnte man ja auch den Hinterbliebenen der Opfer eines Flugzeugabsturzes die Entschädigung verweigern – schließlich bringt ein Flugzeug der Allgemeinheit ebenfalls großen Nutzen.

Dieses schäbige Vorgehen schmälert jedoch nicht den Erfolg der Coronaimpfung und die hervorragende Leistung ihrer Entwickler.

Die Politik und die RKI-Protokolle

Zunächst einmal zeigte sich während der Coronapandemie sehr deutlich, warum Christen angehalten sind, ihrer Obrigkeit untertan zu sein – also mit ihr zusammenzuarbeiten, solange es nicht dem Wort Gottes  deutlich widerspricht – und insbesondere für sie zu beten. Denn der Spagat, den diese zu vollführen hatte hinsichtlich Virusbekämpfung auf der einen und Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens auf der anderen Seite, war schlechterdings gar nicht zu bewältigen. Jede Lockerung, jede Öffnung hätte den einen das Leben erleichtert, für andere jedoch unweigerlich den Tod bedeutet. Denn Lockerung bedeutet stärkere Virusverbreitung, also höhere Inzidenz; diese führt zu stärkerer Hospitalisierung, zu höherer Belegung der Intensivstation, zu mehr Sterbefällen. Das ist eine zwingend logische Folgekette ein Virus betreffend.

„Die Politik“ gab es überdies auch gar nicht. Dies war in Deutschland nur während des ersten Lockdowns zumindest in den ersten Wochen der Fall – mit Ausnahme der AfD, die sich bekanntlich in erster Linie dadurch auszeichnet, gegen das zu sein, was die jeweilige Regierung tut. Und die folgerichtig zuerst strenge und harte Maßnahmen forderte und dann, als die amtierende Regierung aufgewacht war, das genaue Gegenteil.[34] Ansonsten hielt die Einigkeit bis kurz vor Ende der ersten Phase, und dann begann der Wahlkampf. Fortan stritten sich die politischen Lager, allen voran die Ministerpräsidenten der Länder. Dies führte dazu, dass es keine einheitlichen konsequenten Schutzmaßnahmen mehr gab. Und somit zwangsläufig mehr Opfer. Und nicht umsonst melden sich aktuell gerade die Politiker zu Wort und fordern lautstark Aufarbeitung, die sich seinerzeit am vehementesten gegen die Schutzmaßnahmen gestellt haben. Allen voran Wolfgang Kubicki und Armin Laschet. Bezeichnend hierfür eine Aussage des Fraktionsvorsitzenden der FDP, Christian Dürr, wonach die Schulschließungen „aus Sicht der Freien Demokraten ein Fehler waren“[35]. Hier sieht man sehr deutlich, worum es bei Verlautbarungen von Politikern letztlich immer geht – nämlich um Wählerstimmen. Denn „aus Sicht der Freien Demokraten“ bedeutet ja, dass hier eine bestimmte Haltung politisch festgelegt wurde.

Dessen ungeachtet wurde der Politik sowie den sogenannten Mainstream-Medien von den Virusverharmlosern und Maßnahmengegnern ständig Lügen vorgeworfen. Es gebe Panikmache, die Bedrohung durch das Virus werde aufgebauscht. Die Wirkung der Impfung werde zu optimistisch eingeschätzt, der Fremdschutz ebenso.

Die erste Frage hierzu wäre, warum die Politik die Bevölkerung derart belügen sollte. Schließlich machte sie sich bei ihren Wählern mit ihren darauffolgenden Anordnungen doch unbeliebt und riskierte, nicht wiedergewählt zu werden. Die zweite Frage wäre, wie dieses Lügen eigentlich vonstattengehen könnte. Denn hier muss man ja dann die weltweite Situation betrachten. Um also beispielsweise auf die eingangs erwähnten 20 Millionen Todesopfer zu kommen, während es tatsächlich vielleicht weniger als die Hälfte wären, bedürfte es ja einer weltweiten Zusammenarbeit tausender Menschen, die obendrein alle dichthalten. Wer das ernsthaft für möglich hält, muss zwangsläufig als Verschwörungstheoretiker gelten, denn der Tatbestand der globalen Verschwörung wäre hier zweifelsfrei gegeben. Dasselbe gilt übrigens für die immer wieder unterstellte breitflächige Vertuschung erheblicher und sogar tödlicher Impffolgen. Und das betrifft ja dann sogar noch einen anderen Personenkreis inklusive tausender Ärzte, die hinsichtlich des Umgangs mit möglichen Impfschäden nicht nur gesetzlichen Verpflichtungen, sondern auch dem sogenannten hippokratischen Eid unterliegen.[36]

Befeuert werden die Unterstellungen, die Bevölkerung werde systematisch belogen, aktuell durch die Diskussion um die RKI-Protokolle, insbesondere um die scheinbar so verdächtigen geschwärzten Passagen. Schaut man sich die mittlerweile frei zugänglichen Protokolle jedoch tatsächlich an,[37]  stellt man schnell fest, dass die öffentliche Aufregung wieder einmal auf oberflächlich gesammelten Informationen und bereitwillig nachgeplapperten Behauptungen beruht  und dass an den RKI-Notizen rein gar nichts brisant ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Denn man sieht sehr eindrücklich, dass die Verantwortlichen schlichtweg versuchten, möglichst sachlich an die Aufgabe heranzugehen und die anstehenden Probleme bestmöglich zu lösen, und vor welchen enormen Schwierigkeiten sie dabei standen. Dass in Besprechungsprotokollen Passagen geschwärzt werden, kommt überall vor. Selbst innerhalb von Unternehmen gibt es genaue Richtlinien, welche Mitarbeiter welche Informationen erhalten dürfen und welche nicht. Von den Informationen, die nach außen dringen dürfen, ganz zu schweigen. Auch der Kontext der jeweiligen geschwärzten Passagen in den Protokollen zeigt ohne jeden Zweifel auf, wie extrem unwahrscheinlich es ist, dass zwischen zwei Tagesordnungspunkten kurz verabredet wird, auf welche Weise man die Bevölkerung mal hinters Licht führen könnte.

Was aus den Protokollen hingegen durchaus hervorgeht, ist die Tatsache, dass man immer wieder vor der Frage stand, wie man die aktuelle Lage kommuniziert. Denn es war immer klar und zeigte sich auch genau so, dass viele Menschen dazu neigten, sofort unvorsichtiger zu werden, wenn sich eine Verbesserung der Lage abzeichnete. Entscheidend hierbei ist jedoch, dass es nie darum ging, eine geringe Bedrohung aufzubauschen, um die Leute bei der Stange zu halten, sondern ganz im Gegenteil: zu verhindern, dass die tatsächliche Gefahr unterschätzt würde. Dieses Vorgehen wurde dann als unnötige Panikmache gebrandmarkt. Wer das so sieht, sollte sich daran erinnern, dass es wie erwähnt um ein unsichtbares Virus ging, das sich symptomlos verbreiten und tödliche Wirkung bei jedem Menschen entfalten konnte. Insofern ist der Vorwurf der Panikmache unberechtigt, wohingegen einzelne Politiker – wiederum aus wahltaktischen Gründen – das eine oder andere Mal zu große Hoffungen in der Bevölkerung weckten, was den Verlauf und insbesondere das bevorstehende Ende der Pandemie betrifft.

Christen in der Pandemie

Eine Viruspandemie ist für Christen gewissermaßen maßgeschneidert.

  • Größtmögliche Vorsicht sowie Rücksicht gegenüber dem Nächsten im Sinne des Doppelgebots der Liebe sowie dem Motto „Sucht der Stadt Bestes“.
  • Unterordnung unter die Obrigkeit mit ihren Anordnungen zur Virusbekämpfung in der Absicht, das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen.
  • Im Fall durchaus nachvollziehbarer Angst vor der vermeintlich unausgereiften Impfung die biblische Verheißung, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten dienen. Also ganz gewiss auch die Folgen eines Handelns aus Nächstenliebe.

Diesem leicht verständlichen biblischen Ideal folgten die meisten Christen auch – obwohl bestimmte Schutzmaßnahmen durchaus schmerzhaft waren, wenn man an Kirchenschließungen oder Singverbote denkt. Aus den vorgenannten Gründen trug man das Ganze jedoch mit; ohnehin war ja klar, dass sämtliche Maßnahmen befristet sein würden.

Allerdings machten nicht alle mit:

Der Widerstand begann – zumindest im konservativen evangelikalen Lager – mit John MacArthur, dem bekannten Bibellehrer und Autor sowie Pastor der Grace Community Church in Los Angeles. Der weigerte sich, die befristete Schließung seiner Gemeinde zu akzeptieren, und ging vor Gericht. Dabei wartete er nicht einmal dessen Urteilsspruch ab. Später schaltete sich dann der Oberste Gerichtshof der USA ein und es kam zu einem Vergleich, in dem die Stadt Los Angeles sowie der Bundesstaat Kalifornien die Grace Community Church für ihre anwaltlichen Aufwendungen entschädigen musste.[38] Dies wurde folgerichtig als Sieg über verfassungswidrige Maßnahmen gefeiert, auch hierzulande.[39] Genau das war es jedoch nicht. Denn erstens ist ein Vergleich formal kein Sieg. Zweitens hatte besagter U.S. Supreme Court kurz zuvor eine genau gegensätzliche Entscheidung getroffen.[40] Viel wahrscheinlicher ist deshalb, dass besagte Entscheidung eher damit zu tun hatte, wie Donald Trump das besagte Gremium kurz vorher besetzt hatte.[41]

Wie auch immer, John MacArthurs Beispiel inspirierte offenbar einige deutsche Bibellehrer und Gemeindeleiter, ebenfalls Widerstand zu leisten. Dies geschah zunächst mehr oder weniger passiv von christlichen Kanzeln herab. Hier wurde die Pandemie kleingeredet, das Virus verharmlost und die Entscheidungen der Obrigkeit wurden in Frage gestellt. All das geschah oftmals mit dem Verweis auf endzeitliche Entwicklungen. Und gipfelte in den Warnungen vor der Impfung als angebliches Malzeichen des Tieres. Dabei wurde schnell deutlich, dass die jeweiligen Prediger sich besser an Paulus’ Vorgabe gehalten hätten, „Christus als gekreuzigt und sonst nichts“ zu predigen. Denn die Wissenslücken in medizinischer, juristischer und wirtschaftlicher Hinsicht, die bei den jeweiligen Predigern zutage traten, waren enorm. Außerdem ist bei den Maßnahmengegnern bis zum heutigen Tag ein enormes Informationsdefizit festzustellen. So sind die Toten in den Pflegeheimen offensichtlich genauso an ihnen vorbeigegangen wie das sogenannte Präventions-Paradoxon also die Zahl der Menschen, die aufgrund der Schutzmaßnahmen nicht sterben und die man deshalb nicht zählen kann. Aber selbst die Informationen, die ihr Narrativ unterstützen könnten, werden nicht von ihnen registriert. Beispielsweise die Sache mit den abgewiesenen Impfentschädigungen und ihrer abstrusen Begründung. Diese Wissensdefizite hielten sie jedoch nicht davon ab, sich zu den genannten Themen ausführlich zu äußern. Besonderes Augenmerk legte man dabei auf die juristischen Belange, indem man versuchte, sowohl das Grundgesetz als auch das biblische Gehorsamkeitsgebot völlig neu zu interpretieren.

Überdies wurde die Diskussion bis zuletzt ausschließlich destruktiv geführt. Die Gegner der Schutzmaßnahmen beklagten sich immer nur darüber, was angeblich nicht funktionierte. Sie machten aber nie konkrete Vorschläge, wie man es besser machen könnte, ohne mehr Menschen zu gefährden. So brachte kein Einziger derer, die sich über die Abschottung der Pflegeheime ereiferten, jemals die Schnelltests à la Federle ins Gespräch. Und das wäre schließlich die einzige Möglichkeit gewesen, die Heime offen zu halten, ohne gleichzeitig eine Katastrophe zu riskieren. Andererseits hielt man alternative Schutzmaßnahmen wohl auch gar nicht für erforderlich, schließlich wurde vereinzelt auch behauptet, es gebe überhaupt keine Pandemie.

Aktiv wurde der Widerstand dann, als man vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Singverbot klagte oder allen Ernstes außerhalb von Lockdownzeiten damit begann, Untergrundgottesdienste abzuhalten, um den Schutzmaßnahmen aus dem Weg zu gehen. Oder unverblümt in der Tradition von Rahab zur Fälschung von Impfpässen aufrief. Erschreckend dabei war die Menschenverachtung, die hinter diesen Aktivitäten steckte. Denn auch hier gilt ja, dass jede Lockerung von Maßnahmen potentiell Dritte gefährdet. Und wenn man, wie geschehen, das im Grundgesetz verankerte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit für lediglich „bedingt“ erklärt und die ungestörte Religionsausübung für unbedingt, dann ist klar, dass hier nichts anderes als ein Freibrief dafür angestrebt wurde, beispielsweise durch lautes Singen das Leben anderer aufs Spiel zu setzen. Ebenso erschreckend war die Verantwortungslosigkeit, mit der von christlichen Kanzeln herab beispielsweise vor der Impfung gewarnt wurde. Mit dem traurigen Tiefpunkt, dass das längst als Fake widerlegte Gerücht, wonach die Impfung zu Fehlgeburten führe, unbeeindruckt weitererzählt wurde.[42] Denn das genaue Gegenteil ist der Fall: Ein verstärktes Risiko für Früh- und Fehlgeburten besteht durch eine Infektion mit dem Virus, und die Impfung schützt davor![43] Man mag sich gar nicht vorstellen, dass schwangere Frauen so etwas in einem Gottesdienst hörten und womöglich dadurch in ihrer Entscheidung bezüglich Impfung beeinflusst wurden. Eine Warnung vor der Impfung, genauso wie eine Aufforderung zur Impfung, gehört nicht auf christliche Kanzeln.

Besonders traurig sind zwei weitere Tatsachen im Zusammenhang mit dem Predigen gegen Corona:

  1. Erstens, dass es so viele unbedarfte Christen gab und gibt, die sich in ihrer Meinungsbildung den Aussagen der Gegner anschlossen. Und das, obwohl die Aufgabe für den Christen, wie oben beschrieben, so klar auf der Hand lag. Das ist nur damit zu erklären, dass sie dem klaren biblischen Auftrag, alles zu prüfen, nicht nachkamen. Oder dass sie dafür nicht das geistliche Unterscheidungsvermögen besitzen.
  2. Zweitens, dass einige christliche Bibellehrer, die sich dem Coronawiderstand verschrieben hatten, es nicht dabei beließen, ihre eigene, persönliche Interpretation der Pandemie, der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen oder der dazugehörigen theologischen Aspekte zu verkünden. Nein, sie griffen zur Stützung ihres Narrativs auch noch zu ganz anderen Maßnahmen, indem sie klare Falschbehauptungen aus der Querdenkerszene ungeprüft weiterverbreiteten, indem sie eigene glasklare Lügen beisteuerten oder Andersdenkende ebenfalls mit falschen Anschuldigungen verleumdeten. Letzteres teilweise sogar unter Nennung von Quellen und Belegen, deren Prüfung die Verleumdung sofort entlarvte. Auch hier ist an erster Stelle John MacArthur zu nennen, der nachgewiesenermaßen sowohl eine Covid-19-Erkrankung von ihm und seiner Frau als auch mindestens einen größeren Ausbruch in seiner Gemeinde monatelang vertuschte.[44] Gleich mehrere Bibellehrer in Deutschland folgten in ihrem Verhalten seinem Beispiel. Ausführlicher nachzulesen und zu prüfen in den empfohlenen Videos oder meinem Buch Die frommen Geisterfahrer.[45]

Damit zum Fazit

1. Das schriftgemäße und das tatsächliche Verhalten von Christen während einer Pandemie

Dazu zitiere ich zunächst einen Vers aus dem ersten Buch Mose. Es ist der Zeitpunkt, als Gott Noah direkt nach der Sintflut Verhaltensregeln für die Zukunft erteilt.

In 1. Mose 9,6 lesen wir diesbezüglich:

  • 1Mo 9,6: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht.

Für unsere Belange hier ist nicht die Art der Bestrafung wichtig. Ebenso wenig, zu wem und in welcher Situation Gott das sagt und was es mit diesem Bild Gottes eigentlich konkret auf sich hat. Wichtig ist allein die Begründung. Denn offensichtlich misst Gott dem irdischen menschlichen Leben eine gewaltige Bedeutung zu – weil der Mensch eben nach seinem Bild gemacht ist. Diese Begründung bedeutet ohne jeden Zweifel, dass Gott das ganz sicher auch heute noch genauso sieht wie damals, völlig unabhängig von irgendwelchen dispensationalistischen Belangen. Und das bedeutet für Christen, dass jedes einzelne menschliche Leben so unendlich wertvoll ist, dass alles dafür zu tun ist, es zu schützen. Genau deshalb spielt die tatsächliche Schwere der Pandemie für Christen eigentlich gar keine Rolle, wenn es darum geht, wie sich zu verhalten ist. Sie spielt auch deshalb keine Rolle, weil in jeder Hinsicht allein die Möglichkeit, jemand könnte zu Schaden kommen, ausreichend und entscheidend war.

Deshalb könnte man sich bei der Aufarbeitung, spätestens wenn diese unter Christen durchgeführt wird, eigentlich jede Diskussion über das Ausmaß der Pandemie ersparen. Was übrigens auch andersherum gilt: Wenn es tatsächlich so wäre, dass die theologischen Aspekte für den christlichen Coronawiderstand entscheidend wären – also beispielsweise der Präsenzgottesdienst und das gemeinsame Singen sowohl zeitlich als auch räumlich klar biblisch festgelegt und somit unverhandelbar wären –, dann dürften die medizinischen und juristischen Sachverhalte überhaupt keine Rolle mehr spielen. Ergo wäre es gar nicht nötig gewesen, dass Christen sich über diese Themen so ausführlich ausließen; es hätte dann genügt, auf die theologischen Sachverhalte hinzuweisen.

Selbst wenn sich hinterher herausgestellt hätte, dass Corona tatsächlich so vergleichsweise harmlos wäre wie Grippe, wäre dann die Zuwiderhandlung gegen Schutzmaßnahmen nicht ein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe gewesen?

Selbst wenn sich hinterher herausgestellt hätte, dass es überhaupt keinen Fremdschutz durch die Impfung gab, hätte die Verweigerung der Impfung dann nicht dasselbe bedeutet?

Und dann kommt noch der Verstoß gegen das Gehorsamkeitsgebot. Denn selbst wenn man der Obrigkeit alle möglichen niederen Motive vorwerfen wollte – oder, rein hypothetisch, die entschwärzten RKI-Protokolle das letztendlich sogar beweisen würden –, hat sie ihre Maßnahmen doch immer mit dem Schutz des Lebens und der Gesundheit begründet. Und das heißt, solange man nicht glasklar beweisen konnte, dass das alles nicht stimmte, war nicht auch hier die Zuwiderhandlung ein Verstoß gegen die klare Aufforderung, sich der Obrigkeit unterzuordnen?  

Hinzu kommen die unzähligen herabwürdigenden Äußerungen gegenüber den damaligen Entscheidern oder beispielsweise einem Karl Lauterbach, die ohne Belege allesamt klaren Verleumdungscharakter besitzen und somit unter das achte Gebot fallen. Nicht zu vergessen die von einigen offensichtlich unterlassene, biblisch ebenfalls angemahnte Prüfung aller vorliegenden Informationen. Dies ist umso beschämender, als nicht nur 80 bis 90 Prozent der Christen, sondern auch zwei Drittel der säkularen Gesellschaft in Umfragen stabil hinter den Schutzmaßnahmen standen.[46] Denn die informierten sich entweder ausreichend oder taten einfach das, was ihnen gesunder Menschenverstand und soziales Gewissen sagten. Das entsprechende Verhalten sogenannter geistlicher Leiter, die ja eine große Verantwortung für ihre Gemeinden und darüber hinaus tragen, ist hier natürlich noch einmal tragischer.

2. Warum konnte das passieren?

Die unzureichende Beurteilungsfähigkeit wurde schon genannt. Das ist natürlich nichts Neues. Das geistliche Niveau befindet sich seit langer Zeit im Sinkflug. Mit dem Ergebnis, dass man, wird man ernsthaft geprüft, eben ein Fähnchen im Wind ist. Schlimmer noch ist jedoch der menschliche Stolz. Zu Beginn der Pandemie bildete man sich eine Meinung. Für einige war es dabei besonders anziehend, sich einer vermeintlich elitären Minderheit anzuschließen, die es besser weiß als die Mehrheit der Schlafschafe. Dies trifft übrigens im Besonderen auch auf Anhänger der Irrlehre der Werkgerechtigkeit zu. Weiterführendes dazu findet man bei Interesse in meinen beiden Büchern zum Thema.[47] Außerdem ist es natürlich immer attraktiv, „die da oben“ zu kritisieren. Als sich immer mehr herausstellte, dass Corona sowohl real als auch gefährlich war, hätte man also umschwenken müssen. Das wäre allerdings mit dem Eingeständnis eines Irrtums verbunden gewesen. Also machte man einfach weiter. Das wurde einem übrigens auch leichtgemacht. Denn die Meinungsmacher hatten ja dasselbe Problem. Und dachten sich in der Folge immer neue Argumente aus, um ihr Narrativ fortzuführen. Dass sie dann urplötzlich in jeder relevanten Hinsicht scheinbar kompetent waren, fiel den meisten gar nicht auf. Und dann gibt es ja auch noch die, die auf eine Gelegenheit wie Corona nur gewartet haben und seither alles tun, um die Atmosphäre im Land weiter zu erhitzen und die Demokratie möglichst zu destabilisieren. Somit ging den Leugnern und Verharmlosern nie das Futter aus. Und auch ungeachtet dessen scheint es in unserer Gesellschaft, und leider genauso in der Christenheit, mittlerweile beinahe unmöglich geworden zu sein, jemanden von einer einmal gebildeten Meinung abzubringen.

3. Was muss jetzt passieren?

Die Frage ist: Wie geht die christliche Gemeinde nun damit um? Insbesondere mit der Tatsache, dass die Fronten so verhärtet sind und die Bereitschaft, einen Irrtum einzugestehen, nahe null liegt?

Meines Erachtens ist das ein großer Kampf. Aber einer, der gekämpft werden muss. Denn es ist offensichtlich, dass die Haltung, die sich einige während der vergangenen Jahre angeeignet haben, auch ihren Umgang mit nachfolgenden Krisen prägt. Das sieht man bereits relativ deutlich am Beispiel Ukraine. Und eine Haltung, die sich sowohl dem jeweils Nächsten als auch der kritischen, aber konstruktiven Zusammenarbeit mit der Obrigkeit grundsätzlich verweigert, ist eben nicht bibelkonform. Also müssen die Geschehnisse auf den Tisch. Eine echte Aufarbeitung muss her. Auf die Bibel gestützt. In echter Versöhnungsabsicht. Aber auch in aller Klarheit wie bei Timotheus:

  • 2Tim 4,2: Verkündige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen; überführe, tadle, ermahne mit aller Langmut und Belehrung!

Denn es wäre ein riesiger Fehler, das Ganze unter dem Deckmäntelchen des Friedens und der Einmütigkeit unter den Teppich zu kehren. Die Kirchengeschichte ist voll von Beispielen, die aufzeigen, dass diese Vorgehensweise das Ganze immer nur noch schlimmer macht. Wie Sauerteig eben.

Abschließend ein schon mehrmals von mir geäußerter eindringlicher Vorschlag: Lehrt Medienkompetenz in euren Gemeinden! Medienkompetenz ist die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte sachkundig, kritisch und verantwortungsvoll zu nutzen. Sie ist wichtig, um sich vor Manipulation und Desinformation zu schützen, mündig zu handeln und die Chancen und Risiken der Mediennutzung zu erkennen. Medienkompetenz kann durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden. Viele Christen sind hier völlig unbedarft und fallen auf Propaganda und Fake News leicht herein. Sie wissen auch nicht, wie ihr eigenes Suchverhalten im Internet durch die benutzten Medien sie immer mehr in eine bestimmte Richtung treibt. Was sich bibelfremd und exotisch anhört, ist dennoch bitter nötig. Denn wir haben in den letzten Jahren gesehen, was falsche Informationen in der heutigen Medienlandschaft bewirken können. Das wird durch den Vormarsch der Künstlichen Intelligenz weiter befeuert. Das dürfen christliche Gemeinden nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, dass es genügt, den Kindern das Evangelium nahezubringen. Und nicht darauf, dass die Eltern das zu Hause schon erledigen. Die Realität der vergangenen Jahre hat bewiesen, dass das nicht der Fall ist. Also nehmt euch des Themas an. Nicht in ein oder zwei Sonntagspredigten. Nutzt die Gelegenheit und ladet qualifizierte Redner und Experten zu diesem Thema ein. Und definiert den Umgang mit dem Nächsten und vor allem der Obrigkeit ganz neu. Denn hier werden mit großer Wahrscheinlichkeit künftig Herausforderungen auf die christliche Gemeinde zukommen, die man noch bei Corona nur herbeigeredet hat.

Anmerkungen


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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