Die prophetische Geschichte der Gemeinde (4)
Offenbarung 2,18-25

Frederick William Grant

© SoundWords, online seit: 01.01.2001, aktualisiert: 29.04.2023

Leitverse: Offenbarung 2,18-25

Off 2,18-25: 18 Und dem Engel der Versammlung in Thyatira schreibe: Dieses sagt der Sohn Gottes, der seine Augen hat wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer: 19 Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und dein Ausharren und weiß, dass deine letzten Werke mehr sind als die ersten. 20 Aber ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. 21 Und ich gab ihr Zeit, damit sie Buße tue, und sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei. 22 Siehe, ich werfe sie in ein Bett und die, die Ehebruch mit ihr treiben, in große Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken. 23 Und ihre Kinder werde ich mit Tod töten, und alle Versammlungen werden erkennen, dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht; und ich werde euch einem jeden nach euren Werken geben. 24 Euch aber sage ich, den Übrigen, die in Thyatira sind, so viele diese Lehre nicht haben, die die Tiefen des Satans, wie sie sagen, nicht erkannt haben: Ich werfe keine andere Last auf euch; 25 doch was ihr habt, haltet fest, bis ich komme.

Die Frau Isebel und die Stimme der Kirche

Wir gehen heute Abend weiter mit dem vierten dieser Sendschreiben an die sieben Gemeinden: dem Sendschreiben an Thyatira. Nur den ersten Teil wollen wir hier vor uns stellen. Den anderen Teil möchten wir später behandeln, so der Herr will.

Wir kommen nun zu dem, was sich sehr klar und einfach auf das Papsttum oder den Katholizismus anwenden lässt. Wir haben die Schritte verfolgt, die zu diesem Abstieg führten; und wenn wir anfangen, vom Katholizismus zu reden, dann lasst uns bedenken, dass Gott ihn als innerhalb dessen betrachtet, was in gewissem Sinn ihm als sein Eigen gehört. Ich meine nicht, dass ihm die Frau Jesabel gehört, sondern dass ihm die Gemeinde von Thyatira gehört, wo die Frau Jesabel ist. Es ist nichts außerhalb, mit dem wir nichts zu tun hätten, als dass wir es nur aufgeben müssten. Es ist nichts, das unabhängig entstanden wäre, losgelöst von uns (obwohl wir sicherlich davon abgetrennt sind), es ist etwas, was eben das Ergebnis, die vollreife Frucht dessen ist, was wir in früheren Briefen haben heranreifen sehen.

Tatsächlich haben wir sein allmähliches Entstehen verfolgt. Zuerst die Versammlung Gottes, die Herausgerufenen, die ihre abgesonderte Stellung verlieren und zur „Synagoge“ werden – die bloße, unterschiedslose Zusammenkunft von Leuten, die eben nur zusammenkommen. Dann haben wir die Ernennung einer besonderen Priesterklasse gesehen, die zwischen Gott und dem Volk stehen sollen, weil das Volk nun entfremdet ist und nicht mehr in der Lage, selbst zu Gott zu kommen. Das verstehen wir unter „Geistlichkeit“. An nächster Stelle sahen wir die Vermählung zwischen der Kirche und der Welt – wie sie sich vollkommen darin einrichtete. Dadurch hat sie sich selbst die Dinge der Welt verschafft, worauf sie dann zum Köder für weltliche Menschen wurde, welche sich die Rolle christlicher Lehrer anmaßten, die selbst andererseits die Lehre des Bileam einführten und Gottes Volk immer mehr lehrten und verführten, sich mit denen ringsum zu vermischen und jedes Anzeichen von Absonderung aufzugeben. Das war Bileams Werk in Israel, dessen Geschichte gleichsam die Vorwegnahme der unseren war. Nun kommen wir zur Gemeinde von Thyatira – dem Vollreifen Ergebnis alles dessen –, der Frau Jesabel, die systematisch und als eine Prophetin das tut, was die anderen als Einzelne und mit weniger Anmaßung getan hatten. Ich habe nicht die Absicht, mich auf das zu beschränken, was als römisch-katholisch bezeichnet wird. Wenn wir es nur unter diesem Gesichtspunkt betrachten, greifen wir etwas an, mit dem wir sehr wenig zu tun haben. Aber ich möchte zeigen, dass gerade das Prinzip, welches im Papsttum so deutlich wird, sehr viel weiter wirkt und sogar bei jenen anzutreffen ist, die sich vom Papsttum befreit haben und die kirchlich vollkommen außerhalb sind.

Zuerst einmal aber muss ich die Anwendung auf das Papsttum selbst aufzeigen. Offensicht ist das Wichtige in diesem Sendschreiben das Dulden der Frau Jesabel. Diese Frau Jesabel wirkt nun an dem selben Werk wie zuvor die Nachfolger Bileams. Aber, wie ich jetzt gerade gesagt habe, sie waren nur Einzelne. Nun tut es die ganze bekennende Kirche insgesamt – denn das ist die Macht und Bedeutung der „Frau“. Diese Frau lehrt und nimmt für sich die absolute Vollmacht in Anspruch, die Vollmacht einer Prophetin – das heißt praktisch, dass ihre Lehre geistgewirkt sei. Sie nimmt für sich Unfehlbarkeit in Anspruch. Und doch, nach der Schrift hat die Frau kein Recht, zu lehren. „Ich erlaube keiner Frau, dass sie lehre“, lautet dort das Prinzip. In der Bibel ist die Kirche immer die Frau, niemals der Mann. Das ganz einfach darum, weil die Kirche/Gemeinde Christus anverlobt ist, und Christus ist der Mann, dem sie Unterordnung schuldet. Daher muss ihr auch von Christus das Wort zukommen. Sobald sie es selbst übernimmt, zu lehren, in dem Augenblick richtet sie notwendigerweise eine unabhängige Vollmacht unabhängig von Christus auf. Sie lehnt sich auf gegen ihre rechtmäßige Bindung an den, den sie als ihren Herrn bekennt. Hier steht damit die Frau am Platz des Mannes. Es ist die Kirche, die sich ersatzweise an die Stelle Christi setzt.

Sie trägt auch einen bemerkenswerten Namen – Jesabel, der uns zurückdenken lässt an die Tage eines Ahab, des Königs von Israel, an jene Tage aus den schlimmsten Zeiten in Israels Geschichte und an eine, die zwar Königin von Israel war, aber eine Kanaaniterin, eine Götzenanbeterin und eine erbitterte Verfolgerin der Heiligen und Propheten Gottes. Ich muss kaum deutlich machen, wie bemerkenswert dieser Namen Jesabel zu dem vielfach erwiesenen Wesen der Katholischen Kirche passt. Wenn wir weitergehen zur großen Babylon, der Frau aus dem 17. Kapitel dieses Buches der Offenbarung, finden wir sie trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Märtyrer Jesu. Und dort wird sie beschrieben als sitzend auf den sieben Hügeln und über der Stadt, wo sie über die Könige auf Erden regiert. Ihr Name ist noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Die Bedeutung des Wortes Jesabel wird am häufigsten mit „die Keusche“ wiedergegeben. Während der Herr von ihrer Unzucht spricht und davon, dass sie ihre Kinder tötet, gibt sie vor, gerade das Gegenteil zu sein. Sie tut so, als sei sie die züchtige Braut Christi; und im 17. Kapitel wird sie die Hure genannt. Wie ist ihr Charakter? Jeder weiß, dass sie für ihre Lehre Unfehlbarkeit beansprucht – damit brüstet sie sich. Keine Kirche ist damit so weit gegangen wie die katholische Kirche. Sie behauptet, eine Prophetin zu sein und darum mit Vollmacht von Gott zu sprechen, orakelhaft, und doch lehrt und verführt sie Gottes Diener, „Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen“. Sie drückt der schlimmsten Verfehlung das Siegel Gottes auf.

Gleich zu Anfang dieses Sendschreibens wird deutlich auf ihre Lehre hingewiesen. In anderen Fällen findet man, dass sich der Herr eines Vorbildes bedient, das zu dem, was Er zu sagen hat, passt. Hier stellt Er sich vor als „der Sohn Gottes“. Nichts ist eindeutiger in der Lehre Roms, als dass Er einfach der Sohn der Maria ist. Man erhebt Maria über Ihn in jeder nur denkbaren Weise. Man sagt, Maria ist eine Frau und hat ein empfindsames Herz, darum wende man sich lieber an Maria. Auch ist Maria eine Mutter, und sie kann ihrem Sohn befehlen. Auch wenn man zugibt, dass Er Gott ist, dient auch das nur dazu, Maria noch mehr zu erheben; denn damit ist Maria die Mutter Gottes und die Himmelskönigin. Das ist die Gotteslästerung Roms. Der Herr bedient sich daher hier ausdrücklich des Titels, der Ihm zukommt als dem Sohn Gottes. Wie verblüffend das ist! Wenn wir genauer nachsehen, werden wir feststellen, wie vollkommen jedes Wort auf das passt, wovon die Rede ist. Die Frau Jesabel ist die Kirche, die sich den Platz Christi genommen hat; sie setzt Ihn, wie wir sagen können, auf jede nur mögliche Weise herab, um sich herauszustreichen; sie stellt jedes seiner Worte zur Seite, um ihr eigenes durchzusetzen und nimmt für ihr Wort jene Autorität in Anspruch, die sie dem Wort Gottes verweigert.

Und wie verweigert sie diese? Sie sagt, ihre Tradition – die sie damit gleichzeitig auf eine Ebene mit dem Wort Gottes erhebt – sei ganz zweifellos Wort Gottes; und gleichzeitig sagt sie, niemand könne es verstehen, der nicht auf ihre Lehre hört. Praktisch hat man also auf ihre Lehre zu hören: Da sie die Schrift falsch anwendet, soll man „auf die Kirche hören“, und dazu wird Matthäus 18,12 zitiert. Fragt man andererseits, woran man die Kirche erkennen soll, gibt sie Merkmale wie Einheit, Heiligkeit, Katholizität, apostolische Gestalt an (von denen nicht eines offensichtlich auf sie zutrifft); aber sie wird niemanden auffordern, ihr Wesen gerade an dem Buch zu prüfen, welches sie das Wort Gottes nennt und auf das sie sich wegen ihrer Vollmacht „beruft! Sie schlägt es auf, um einem den Bruchteil eines Satzes zu zeigen – „hört auf die Kirche“ – und dann schließt sie es fest zwischen ihren schnell geschlossenen Händen und sagt mit einer Selbstbeherrschung, die das Absurde des Vorgangs fast verdeckt: „Und das bin ich; ihr müsst mich hören!“ So verlangt sie wahrlich die blindeste Gläubigkeit, die möglich ist.

Doch gehe ich darauf nicht weiter ein. Wir wollen von etwas sprechen, was uns selbst betrifft. Und ich glaube, es fällt nicht schwer, das herauszufinden, was uns reichlich betrifft gerade an den Prinzipien, um die es hier geht. Wir mögen uns für völlig außerhalb des Papsttums halten, während wir uns gerade an diese Prinzipien des Papsttums selbst halten. Wir mögen die Wurzel haben, während wir behaupten, die richtige Frucht des Baumes nicht zu kennen; aber, liebe Freunde, die Wurzel findet sich zweifellos noch überall im Boden, und auch noch reichlich Frucht. Diese Wurzel ist: die Vollmacht der Kirche zu lehren – das weiterzugeben, worauf wir hören, als in gewisser Hinsicht verbindlich, weil es die Kirche lehrt. Natürlich, wenn ich das sage, gebe ich voll und ganz zu, dass dies auf verschiedene Weise und in Abstufungen behauptet wird. Wenn ich mich dem Ritualismus zuwende, finde ich zum Beispiel die Anmaßung fast so hoch wie die katholische selbst, nur dass man sich aus einem antiken Katholizismus herleitet, über dessen Traditionen man nur als die eifersüchtigen Wächter fungiert. Das ist noch immer die unfehlbare, orakelhafte Kirche, nur mit einer weniger spürbaren Unfehlbarkeit und mit weniger definierten Lehren.

Aber die Lehre der Kirche ist keineswegs notwendigerweise mit dieser Anmaßung verbunden. Wenn wir durch das Christentum schauen, finden wir fast in jeder kleinen Sekte, dass sie für sich Lehren definiert, an denen sie festhält und von denen sie erwartet, dass ihre Mitglieder sich an sie halten. Ich will damit nicht sagen, dass sie überhaupt für sich Unfehlbarkeit beanspruchen oder dass sie sich nicht auf Gottes gesegnetes Wort berufen, dass das, wofür sie eintreten, die Wahrheit sei. Das ist natürlich richtig und am Platz, sondern ich meine etwas ganz anderes. Ich meine, wenn wir zum Beispiel die Kirchen der Reformation nehmen und jene, die seither aus ihnen hervor gegangen sind, stellen wir fest, dass jede von ihnen noch immer an diesem Prinzip festhält: dass die Kirche lehren muss und dass eine Anzahl von Lehrsätzen aufgestellt werden sollte als Lehre der Kirche, auf die man sich berufen kann und an der die Wahrheit, an welche die Mitglieder glauben, geprüft werden kann. Darin haben wir, trotz allem äußeren Schein, was ein wichtiges Prinzip römisch-katholischer Lehre ist, die Autorität der Kirche an Stelle derer des Christus: Die Kirche gibt vor, ein Wort zu sagen, das autoritativ für jene ist, die, wenn sie nicht Glieder am Leib Christi sind, nichts sind.

Sehen wir uns dies etwas ausführlicher an. Wie gesagt, ist da erstens die Anmaßung: Die Kirche beansprucht für sich, ein Lehrer zu sein. Ich will noch nicht sagen, ein unfehlbarer Lehrer – das wäre reinster Katholizismus –, aber trotzdem ein Lehrer. Und jene, die sich zu dieser Kirche halten, welche Kirche es auch sein mag, müssen sich in jedem Fall ihrer Lehre unterwerfen. Nehmen wir aber nun die Schrift, wie völlig steht sie all dem entgegen. Erstens einmal, was ist die Kirche? Die Kirche ist die Gemeinschaft des Volkes Gottes – die Gemeinschaft, die da ist Christi Leib: Ihre Mitglieder sind Glieder am Leib Christi. Von der ersten bis zur letzten Seite im Neuen Testament findet man keinen anderen Vergleich für die Kirche in Gottes Vorstellung. Doch was der Mensch daraus macht, wird anerkannt, ja; doch das ist eine andere Sache. Es ist die Kirche, die den Leib Christi bildet, und zu ihm gehört jedes Glied Christi und nur dieses allein. Aber wenn das gesagt ist, bleibt die Frage, wo ist der Lehrkörper? Schlicht gesagt besteht der Leib Christi aus allen, den Lehrern und den Belehrten zusammen. Schon das kleinste Kindlein in Christus gehört ebenso zu diesem Leib wie der Älteste und Reifste von allen. Wie kann es dann möglich sein, dass diese Kirche irgendwelche Äußerungen in Vollmacht tut? Tatsache ist, dass man sich unbedingt von dieser Definition der Kirche frei machen muss in dem Augenblick, da man an ihre Lehre denkt. Wen will sie lehren: sich selbst, die Welt oder was? Ist es nicht klar, dass man die Lehrer und die Belehrten nicht verwirren darf? Und wenn die Kirche der Lehrer ist, muss ihre Belehrung denen außerhalb der Kirche gelten. Und wer lehrt die Kirche?

Jedes Bekenntnis und jede Denomination ist praktisch zunächst der Glaube einiger weniger, der sich an jene anderen wenigen wendet, die nicht zu jenen gehören, die ihn verkündigen. Er mag Anhänger finden und auf diese Weise der Glaube einer großen Zahl werden; aber wie das auch sein mag, die vollmächtige Lehre ist nur jene der wenigen vom Anfang, die, in welchem Ausmaß auch immer, sogar die Lehrer dieser gleichen Gemeinschaft später bindet. Denn, wenn man sagt, die Kirche lehrt uns das und das, meint man damit nicht die gegenwärtigen Lehrer. Man ruft sie vielleicht tatsächlich zur Lehre der Kirche zurück oder überzeugt sie davon, dass sie sich von ihr entfernt haben. Die Lehre, die bindet (oder binden soll), ist nicht die Lehre der Kirche heute, sondern die Lehre bestimmter Lehrer der Vergangenheit. Die Kirche ist dann in diesen Fällen nicht der Lehrer, sondern hat sich nur verpflichtet, eine bestimmte Lehre zu übernehmen. Das ganze Gewicht eines eindrucksvollen Namens wird der Lehre von jenen beigegeben, die, wenn sie in der gegenwärtigen Generation lebten, überhaupt nicht anerkannt würden, als hätten sie die gleiche Autorität. Aber ganz abgesehen von der Schrift, die hier nicht gefragt ist, was hat Lehrern der Vergangenheit diesen Platz gegeben, den Lehrer der Gegenwart nicht beanspruchen können? Haben wir nicht den gleichen Geist, den sie hatten? Haben wir nicht das gleiche Wort zu unserer Erleuchtung? Wir mögen weniger geistliche sein, das ist wahr; aber sind nicht das Wort und der Geist Gottes genügend für uns heute, wie es war, als diese Kirchenbekenntnisse entstanden?

Wenn wir uns der katholischen Kirche zuwenden, finden wir sie konsequenter und daher auch in vollkommenerem Irrtum. Sie erhebt nicht die Vergangenheit über die Gegenwart, sondern behauptet, die gleiche Unfehlbarkeit habe der Kirche zu allen Zeiten innegewohnt. Und da es keine Abstufungen in der Unfehlbarkeit gibt, haben all ihre Erlasse von gestern die ganze Vollmacht der Schrift selbst. Doch ist die Stimme der Kirche hier die Stimme des Papstes oder des Papstes zusammen mit den Bischöfen und Kardinalen; und es wäre nichts als pure Ironie, wollte man dem einfachen Laien sagen, er habe irgendetwas mit dem Erlass zu tun, der den Papst für unfehlbar erklärt oder die Jungfrau Maria unbefleckt, außer, dass er dem Erlass zu gehorchen hat. Manche mögen das für eine Wortklauberei halten und dass „die Stimme der Kirche“ nicht bedeutet, die Kirche lehrte anders als durch ihre Lehrer; und das würde Rom mehr nützen als den protestantischen Gemeinschaften, wenn (sehr viel hängt oft von dem „wenn“ ab) das behauptet werden könnte.

Doch das kann es nicht; denn der Lehrer ist nicht das Werkzeug oder Sprachrohr der Kirche, sondern Christi durch den Geist. „Er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer.“ Und nicht nur so, sondern der Apostel Johannes kann von den Christen sprechen, als die das Wort der Wahrheit und den Geist der Wahrheit haben, als die in sehr wirklichem Sinn unabhängig sind von Lehrern. „Ihr habt die Salbung von dem Heiligen“, sagt er, „und wisset alles.“ Und nochmals: „Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr bedürfet nicht, dass euch jemand belehre, sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge, und wie sie euch belehrt hat, so werdet ihr in ihm bleiben“ (1Joh 2,20.22). Das ist wirklich Unfehlbarkeit, und sie steht jedem Christen zur Verfügung; aber es ist die Unfehlbarkeit des Geistes, nicht der Kirche und nicht des Menschen: eine Salbung, die jeder Christ empfangen hat, und die ihn, wie ich bereits sagte, unabhängig von Lehrern macht im wahrsten Sinne – die wir jedoch vor Konstruktionen schützen müssen, welche menschlicher Stolz auf sie gründen möchte. Der Apostel meint offenbar nicht, dass Lehrer überflüssig sind oder ein Auswuchs am Leib der Kirche. Er hat nicht vor, jeden Menschen zum Lehrer zu machen, noch meint er, Gott wolle ihn in Unabhängigkeit von Diensten halten, die Gott selbst geweiht hat. Er will nicht, dass wir isolierte Einheiten sind. Die Kirche Gottes ist ein Leib, in dem das vornehmste nicht zum geringsten Glied sagen kann: „Ich bedarf deiner nicht.“ Wer die Hilfe ablehnt, die Gott ihm gibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es ihm überlassen bleibt, die Vergeblichkeit und Unfruchtbarkeit der Selbstgenügsamkeit zu beweisen.

Und doch ist Wahrheit – tiefe und von uns sehr ersehnte Wahrheit – gerade in diesen Worten: „Ihr versteht alles und bedürft nicht, dass jemand es euch lehre.“ Das ist die Kenntnis, die Tageslicht und gute Augen vermitteln. Die besten Augen nützen nichts im Dunkeln, und das hellste Licht nicht, wenn wir blind sind. Aber das Wort ist Licht, und der Geist Gottes hat die Decke weggerollt von unseren Augen. Zu Menschen mit guter Sehfähigkeit im Tageslicht kann ich nicht nur sagen: Ihr könnt sehen, sondern auch: Ihr seht alles. Ich meine nicht die Antipoden oder die andere Seite des Mondes; ich meine nur, dass jeder sehen kann, was ihm vor die Augen gestellt ist. Ihr seid nicht wie Blinde, die es mir auf mein Wort abnehmen müssen, dass die Sonne scheint oder dass Regenwolken aufziehen. Doch kann ich eure Aufmerksamkeit darauf lenken, oder ich kann euch etwas vor die Augen führen, was bisher noch nicht in euer Blickfeld gerückt war. Und das ist das richtige Amt eines Lehrers: nicht die Wahrheit zu autorisieren oder auch für euch zu entscheiden, dass die und die Sache wahr ist, sondern ich kann nur vor euch stellen, was sich und mich selbst als richtig erweist – sich als Wahrheit und mich als Lehrer der Wahrheit. Hier haben das Wort und der Geist den Vorrang bei der Seele, der ihnen gebührt. Sie, und nur sie allein, sind die Garantie für die Wahrheit. Sie, und nur sie allein, sind meine wahre und ausreichende Sicherheit für die Lehre.

Aber das ist die Schwierigkeit mit diesen Bekenntnissen des Glaubens – und, passt auf, ich habe nicht das Geringste gegen sie als Glaubensbekenntnisse jener, die sie entwarfen. Ich darf Gott danken für das Augsburger Bekenntnis als einen Protest gegen den Irrtum, während ich es ablehne als eine Autorität, die meinen Glauben definiert oder eingrenzt. Und zu diesem Zweck entstand es und wurde es gebraucht, als ein Test für die Wahrheit und als Sicherheit für ihre Bewahrung – wie schwach ist das Zeugnis, das ganz Deutschland heute damit ablegt in dieser Hinsicht! Und kein Wunder; denn damit werden die Lehren der Apostel beiseitegeschoben (was sie der Kirche als Wahrheit vortrugen), ja als ungenügend und nicht vertrauenswürdig hingestellt. Die Bibel! Nun, viele Unitarier lassen sich von der Bibel leiten! Was also? Warum ist eine menschliche Erklärung über die Göttlichkeit Christi nötig, und dann erst ist die Sache entschieden. Ich werfe den Leuten nicht absichtliche Unehrerbietigkeit gegen das Wort oder den Geist Gottes vor, aber nichts weniger ist der Fall.

Es ist die gemeinsame Sünde und Schande der ganzen Kirche Gottes. Und unser aller, wie ich annehme. Und wenn Unglaube diese Dinge zuerst einführte, erhält auch Unglaube sie aufrecht. Und wir, die wir so lange die Bibel aufgeschlagen in Händen halten, sind dafür in hohem Maße verantwortlich, nicht wahr? Sicherlich sehr viel mehr als jene, die in den Tagen lebten, als sie erst wieder zugänglich gemacht worden war. Ich sage nicht, dass jene, die diese Dinge für wahr halten, ihnen bis zum letzten Schluss folgen, aber ich bin berechtigt, die Schlussfolgerung aufzuzeigen, die sie erbringen können. Was der Herr sagt, bewahrheitet sich auch hier: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen: kann man auch Trauben von den Dornen lesen oder Feigen von den Disteln?“

Und lassen wir uns hier nicht durch den weitverbreiteten Gedanken fehlleiten, dass Gottesmenschen nichts Falsches lehren könnten. Auf diese Weise wird die Güte eines Menschen höher bewertet als die Wahrheit des Wortes Gottes und, wie ich bereits gesagt habe, wird Gottes Wort dann nicht die Vollmacht eingeräumt, weil gute Menschen etwas anderes sagen. Menschen, die gleich gut und gelehrt sind und die mit gleicher Sorgfalt (wie wir vermuten) erarbeitet haben, was sie lehren, vertreten doch einander völlig entgegengesetzte Lehrmeinungen. Doch Gott hat seinen Geist gegeben, damit Er in alle Wahrheit führen soll, und Er hat gesagt: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist.“ Wie sollen sich all diese Dinge so zusammenfügen, dass sie passen? Wenn wir die Güte der Menschen als Sicherheit für ihre Lehre nehmen, geht das nicht. So kommt es, dass so viele die Autorität der Schrift über Bord werfen. Man darf nicht so anmaßend sein, dass man behauptet, die Wahrheit zu besitzen. Man kann eine Meinung haben. Welchen Wert hat eine Meinung? Angenommen, sie führt uns in die Irre? Wenn es meine Meinung ist, habe ich keinen Anspruch auf sie, wenn das Wort Gottes die Richtschnur sein soll. Hat Er unverständlich gesprochen, oder kann sein gesegneter Geist widersprüchliche Dinge lehren? Wir müssen so denken, wenn wir an die Güte des Menschen und auf den Charakter des Menschen sehen, statt alles, was er vorträgt, am Wort zu prüfen.

Gott will und hat es uns ausdrücklich gesagt, dass wir alles am Wort prüfen sollen. Wollen sich die Menschen dieser Forderung unterwerfen? „Suchet in der Schrift“, waren seine eigenen Worte, „denn diese ist es, die von mir zeugt.“ So erscheinen die Leute von Beröa (von denen oft gesprochen, denen aber selten gefolgt wird!) als vornehmer als die von Thessalonich, weil sie in der Schrift forschten, wie sogar ein Apostel sagte: „Sie forschten täglich in der Schrift, ob sich’s also verhielte.“ Wo sollten wir sonst überhaupt Gewissheit finden? Man mag von Vermutungen sprechen, aber, ich sage euch, im Angesicht der Ewigkeit möchten wir Gewissheit haben, etwas, worauf wir uns stützen können, was nicht nachgibt. Und dieser Mangel an Gewissheit macht die Schwäche großenteils des evangelischen Protestantismus aus. Untreue ist „Positivismus“, und Rom ist so kühn wie eh und je mit der Behauptung, die absolute Wahrheit zu besitzen. Wie will man gegen diese beiden aufstehen, wenn man selbst unsicher ist? Der Katholik wendet sich einem ganz natürlich zu und fragt: Willst du keine Gewissheit? Ich sage: Aber gewiss doch; und darum wende ich mich dorthin, wo einzig sie zu finden ist: zum Wort Gottes und zum Geist Gottes. In dem Augenblick, da ich andere Autoritäten anführe, ist das Wort Gottes verschwunden.

Nehmen wir zum Beispiel die sogenannte anglikanische Kirche: Wenn die und die Person eine Irrlehre verbreitet, führt man nicht die Bibel ins Feld und sieht sie sich an. Sie hat da nichts zu suchen. Ich sage ganz deutlich, um zu verurteilen, was Ketzerei ist, sie hätte nichts weniger damit zu tun, wenn es sie gar nicht gäbe. Es ist das Prayer Book (Gebetbuch), nach dem entschieden wird; und wenn das Gebetbuch die Sache nicht verurteilt, hat der Mensch ein Recht auf seine Ansicht, so hochgradig die Ketzerei auch sein mag. Darüber stöhnen die Christen in allen Richtungen, aber sie wenden sich mit ihren Klagen nicht an die richtige Quelle. Sie sehen nicht, dass es gerade die Notwendigkeit für ein Bekenntnis ist, von dem sie annehmen, dass es die Wahrheit sichert, dass die unumgängliche Wirkung eines Bekenntnisses die ist, dass es den wahren Maßstab für die Wahrheit ganz und gar aus der Debatte entfernt und etwas anderes an den Platz rückt. Wir brauchen nicht die Frömmigkeit der Menschen in Frage zu stellen, die das Bekenntnis aufsetzten; aber nichtsdestoweniger, was ist die Folge? Natürlich konnten sie nicht vorher sehen, welche Ketzereien entstehen würden; sie konnten nicht gegen jedes Schlupfloch absichern. Sie waren nicht allwissend, wie es aber der Autor der Heiligen Schrift ist. So steht ihre bemerkenswerte Absicherung ihrer Auseinandersetzung mit dem Irrtum tatsächlich im Wege. Sie haben Gott von der Möglichkeit ausgeschlossen, die Dinge auf seine Weise zu regeln; und ihr Unglaube an seine Weisheit und Fürsorge bindet sie an Händen und Füßen und liefert sie dem Feind aus.

Lasst mich allen Ernstes fragen, meint ihr wirklich, Gottes Verstand ist weniger bestimmt, weniger klar, weniger einfach in der Aussage als Menschenwort? Ihr sagt, die Leute bekennen, diese oder jene Lehre in der Schrift zu finden. Das ist zwar wahr, aber will man denn wirklich behaupten, Menschenwort sei klarer und könne so größere Sicherheit bieten als Gottes Wort? Wenn wir es als Gottes Wort anerkennen, können wir doch gewiss nicht so urteilen. Ist es nicht Gott, der zum Menschen spricht? Ein Vater zu seinen Kindern? Spricht Er nicht sogar zu kleinen Kindern, nicht zu den Gelehrten, sondern zu den Ungelehrten? Wenn all das wahr ist (und es ist die einfachste Wahrheit, die es gibt), was muss das Ergebnis sein? Das Ergebnis ist, dass Gottes Wort einfacher, wahrer, vertrauenswürdiger sein muss, als irgendein menschliches Bekenntnis es sein kann. Und dies durch ein Bekenntnis zu ergänzen, ein bindendes Bekenntnis, heißt in der Tat, ihm etwas überordnen. Damit wird gesagt: Gott hat für uns nicht getan, was der Mensch tun kann; Gott hat nicht einmal für uns mit der Fürsorge gesorgt hat, mit der wir füreinander sorgen.

Die nächste Folge eines menschlichen Bekenntnisses ist notwendigerweise Sektierertum und Spaltung. Ich weiß, dies wird in den Augen der Leute heute als sehr geringfügig angesehen, und ich bin sicher, es gibt etwas, was schlimmer ist in Gottes Augen: jene falsche Einheit, welche die Katholiken für sich beanspruchen – keine innere und geistliche Einheit, sondern eine äußere, die dadurch gewonnen wird, dass jegliche Dissidenz mit Autorität niedergeschlagen wird. Diese Einheit herrschte praktisch durch viele Zeitalter; und wie nennen wir diese Zeitalter? Wir nennen sie mit recht „finstere Zeiten“: damals, als das Diktum der Kirche (in Opposition zu Gottes Wort) die größte Autorität hatte. Wo keine Macht ist, Uneinigkeit in dieser Weise zu unterdrücken, ist die Folge eines autoritativen Bekenntnisses, dass es zu Spaltungen führt. Da es menschlich ist, wird es natürlich nie vollkommen sein: Es wird nur den Kenntnisstand seines Verfassers wiedergeben und ganz natürlich auch die Merkmale seines Versagens tragen, wo auch immer er versagt hat und die Belehrung des Wortes Gottes nicht verstand. Diese Irrtümer sind nun zugleich mit der Wahrheit selbst allen aufgebürdet von der gleichen Autorität. Die Leute müssen sich unterordnen und ihrem Gewissen Gewalt antun, oder sie müssen auf ihr Gewissen hören und sich absetzen. Damit wird das Bekenntnis zum Parteiabzeichen. Es bindet Leute zusammen gerade durch die Überzeugungen, in denen sie sich von anderen Christen unterscheiden, von denen sie zugeben müssen, dass sie ebenso gläubig wandeln wie sie selbst. Die Heilige Schrift selbst muss in Übereinstimmung mit dem Bekenntnis ausgelegt werden, und wo sie nicht zum Schweigen zu bringen ist, werden in reicher Zahl Sektierer geschaffen und Lehren werden verändert, die ursprünglich Zeichen der Erbauung sein sollten und nun zu unheiligen Kennworten des inneren Zwistes geworden sind.

So haben wir praktisch den gesegneten Namen von Christen verloren und sind nun Episkopale, Presbyterianer, Baptisten – Namen, die sich nur von unseren Differenzen herleiten. Unsere Verschiedenheiten werden stärker hochgespielt als das, was wir gemeinsam haben, und der Leib Christi ist in viele Körperschaften zerrissen, die daher menschliche Organisationen werden und nicht göttliche. Es wird von der wahren Kirche Gottes gesprochen, aber sie ist unsichtbar. Es gibt praktisch arbeitende Kirchen, die sich der Denkweise der Menschen besser anpassen, und die sie nach ihrem eigenen Wunsch und Willen regulieren können [wer wen ist auch im Engl. nicht klar; Anm. d. Üb.]. Wer nimmt Kapitel zwölf aus dem ersten Korintherbrief, um wirklich die Kirche zu definieren, zu der er gehört? In welcher Kirche ist „Mitgliedschaft“ nicht mehr und nicht weniger, als Glied am Leib Christi zu sein? Wer nimmt das 14. Kapitel als Regel dafür, wie die Gemeinde zusammenkommen soll? Doch der Apostel ermahnt dort jeden, der vorgibt, geistlich zu sein, er müsse anerkennen, dass die Dinge, die er ihnen schreibe, Gebote des Herrn seien. Ist das alles veraltet und überholt, oder gilt es für einen unsichtbaren Leib, der nirgends auf Erden zu finden ist?

Auf der anderen Seite sagt man uns: „Die sichtbare Kirche Christi ist eine Gemeinde gläubiger Menschen, in welcher das reine Wort Gottes gepredigt und die Sakramente in der rechten Weise gespendet werden“, etc.; und: „Die Kirche hat die Macht, Riten und Zeremonien festzulegen, und die Entscheidungshoheit in Streitfragen des Glaubens.“ Wessen Stimme ist das? Nicht die der Jesabel? Da ist kein Anspruch auf Unfehlbarkeit, sondern im Gegenteil: Die Kirche „darf nichts gutheißen, was gegen Gottes geschriebenes Wort steht“; und diese Gefahr besteht, denn „wie die Kirchen von Jerusalem, Alexandria und Antiochien geirrt haben, so hat auch die Kirche von Rom geirrt nicht nur in ihrem Leben und der Art ihrer Zeremonien, sondern auch in Sachen des Glaubens“.

Das ist nicht Unfehlbarkeit, sondern andererseits ein sehr schlichtes Eingeständnis der Gefahr, sich dieser Autorität zu unterwerfen, welche die Kirche angeblich haben soll. Doch sie wird erhalten in der Kraft, die sie missbraucht hat, und wird nur gewarnt, nichts gutzuheißen, was Gottes Wort zuwiderläuft. Aber wer soll entscheiden, ob sie das tut? Und was sollen wir tun, wenn sie sich so verhält? Uns entgegen unserem Gewissen anpassen oder die Kirche verlassen? Sowohl das eine wie das andere ist von Zehntausenden schon getan worden; und die Autorität der Kirche ist im protestantischen England auf Kosten zahlloser belasteter Gewissen und der Trennung der ehrlichsten, mutigsten, frömmsten Menschen, die sie je hatte, aufrechterhalten worden. Das Uniformitätsgesetz (act of uniformity) ließ unverzüglich zweitausend Kanzeln vakant werden. Wie viele sich untergeordnet haben, die nicht stark genug für den Kampf, nicht überzeugt genug für das erforderliche Opfer waren, wird erst der Tag der Offenbarung zeigen. Wer kann sagen, wie viele gegenwärtig ihrem Gewissen Gewalt antun jedes Mal, wenn sie den Taufgottesdienst verwenden? Das ist nicht zu ändern, sagen sie, denn die Kirche hat die Vollmacht, zu bestimmen, und sie hat keine Unfehlbarkeit, die sie davor bewahren könnte, den Irrtum durchzusetzen! Gibt das Wort Gottes wirklich Vollmacht, wo so offenbare Unfähigkeit ist, es zu gebrauchen? Mit allem Nachdruck sei das verneint; Gott bewahre! Es ist die eigene Bestimmung der Kirche und nicht Gottes; die Frau in der Position des Mannes und darum Verwirrung.

Jesabel geht weiter als das, und das ist weise. Sie verkündet nicht ihre Vollmacht und ihre Unfähigkeit in einem Atemzug. Sie ist eine Prophetin und „unfehlbar“, der einzige Grund, auf dem sie mit Recht an ihrer Vollmacht festhalten kann. Aber sie ist mit Nachdruck der Prediger der Ungerechtigkeit, der Christi Volk lehrt und verführt, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben. Es ist die „Frau“ aus Matthäus 13, die den Sauerteig unter das feine Mehl des Fleischopfers mengt; denn dieses Gleichnis wird in 5. Mose 2 erklärt. Wie der „Baum“ aus dem dritten Gleichnis dort zeigt, wie das Wort vom Reich Gottes sich auswirkt, das mit einer Babel vergleichbaren Macht in der Welt aufgerichtet werden soll (und dies als Antwort auf Pergamus), so entspricht die „Frau“ des vierten Sendschreibens der „Frau“ aus dem vierten Gleichnis; und wie in 2. Mose heißt es auch im Gleichnis „feines Mehl“. Dieses „feine Mehl“ ist Christus, das Brot des Lebens, die Speise seines Volkes, und die Frau hat ein Recht darauf, dies Brot zu haben und auszuteilen. Aber sie tut mehr: Sie fügt Eigenes dazu, und dies verfälscht und verdirbt es. Gott hat ihr nicht das Recht zur Bearbeitung der Nahrung für sein Volk gegeben. Wenn sie etwas hinzusetzt, ist es „Sauerteig“ – Verderbnis. Auf den Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer und auf den Sauerteig des Herodes weist der Herr selbst hin als auf eine Gefahr in Verbindung mit der Nahrung für sein Volk (Mt 16,12; Mk 8,15); und das weist er klar als ihre „Lehre“ aus. Die Lehre der Pharisäer war Ritualismus und Aberglauben; die Lehre der Sadduzäer war verstandesmäßige Untreue; die Lehre der Herodianer war ein Werben um die Welt. Und hier ist es noch immer klar die Verfälschungen des Christentums. Es ist des Menschen – Christi – Stimme, die allein das Recht hat, beim Volk Gottes gehört zu werden; wenn die Frau spricht, ist es zugleich Aufbegehren und Verderbnis.

Unglücklicherweise ließen jene, die in der Reformation so edel und kühn gegen das Tun und Sagen der Frau Jesabel protestierten, die Wurzel alles dessen unberührt, weil sie nicht gegen alle kirchliche Gesetzlichkeit in Angelegenheiten Gottes protestieren. Hätten sie die Gesetzgebung dem gerechten Gesetzgeber überlassen und für die Kirche nur die einfache Gehorsamspflicht beansprucht gegen ihn und hätte man sich an die Vollmacht seines Wortes allein gehalten und als Macht nur die Macht des Heiligen Geistes genommen – wie anders wäre das Ergebnis gewesen! Stattdessen nahm man der Frau nur die Unfehlbarkeit (zugegebenermaßen die wirklich schlechte Frucht ihrer Lehre), und dann, nachdem man sie so als böse und unfähig gebrandmarkt hatte, setzte man sie wieder ein wie zuvor nur mit der Ermahnung, wieder wahr und nach dem Wort zu lehren. Das natürliche Ergebnis folgte. Als die Menschen das Wort nun in ihren Händen hatten und gelernt hatten, dass die Kirche fehlbar war, wurde ihre Lehre bald tatsächlich falsch. Spaltung folgte, Disharmonie, Zweifel an aller Wahrheit – bis Untreue einerseits verkündigt, dass nichts wirklich wahr ist; während Jesabel von ihrem Prophetenstuhl herunterschaut und fragt: „Bedeutet ,Babel‘ nicht ,Verwirrung‘? Wo ist die wirkliche Verwirrung? In eurer Vielstimmigkeit oder in meiner einen Stimme?“ Und, in Wahrheit, breitet sich nicht „die große Babylon“ immer weiter aus, so viel auch ihr Sitz in Rom sein mag und ist? Als Gottes Urteil auf die alte Stadt fiel, die hier Vorbild war – den Sitz der Gewalt und des ersten Abfalls –, und als man sich, bedingt durch die Sprachverwirrung trennte und aufhörte, die Stadt zu bauen, nahmen da nicht jene, welche die Ebene von Sinear verließen, in ihrer unterschiedlichen Sprache den Augenschein mit, dass auch sie nur durch diese Beeinträchtigung am Bau von Babel gehindert worden waren? Sind nicht auch diese unterschiedlichen Stimmen des Protestantismus ein Zeichen dafür, wie grundlegend Gott nur äußere, irdische, kirchliche Einheit hasst, die nur so daran gehindert ist, sich selbst wieder aufzubauen?

Doch seien wir nicht erschreckt. Gott und seine Wahrheit bleiben unverändert. „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist.“ Wenn wir in Schwachheit und Niedrigkeit es zufrieden sind, seinen Willen zu tun und nicht Namen oder Macht suchen, sondern den Segen, der sich durch Frieden und Annehmlichkeit seiner heiligen Wege erweist, werden wir seine Wahrheit so wahr wie eh und je finden, und seine Kraft wird noch immer in unserer Schwachheit sich vollkommen erweisen. Wenn nur „zwei oder drei“ ganz wörtlich zusammen blieben, hat sein „ich bin bei ihnen“ noch immer ihnen Segen und Sanktion gegeben. War es ein anderer, mit dem Henoch wandelte, von dem in alter Zeit gesagt ist: „Er wandelte mit Gott“? Wir wissen es nicht, aber nur von ihm (in seiner Generation) wird dies geschrieben. Die „zwei oder drei“ scheinen uns die Gewissheit zu geben, dass es bei uns nicht ganz so sein soll. Aber doch, als Einzelne, müssen unsere Füße doch sozusagen allein mit Gott gehen.

So der Herr will, werden wir Jesabel noch in anderer Gestalt ein nächstes Mal wieder begegnen. Aber ich stelle es euch anheim, ob diese Kirchenlehren – viel verbreiteter als die der Jesabel – nicht tatsächlich den Charakter haben, den wir ihnen beigelegt haben; ob sie nicht auf einer falschen Annahme beruhen über eine Vollmacht, wo vom Wort Christi her keine gegeben ist? Ob sie nicht Gottes Wort für weniger klar ausgesprochen und für unvollständiger halten als Menschenwort? Und ob sie nicht dazu geführt haben und noch führen, dass Christi Schafe zerstreut statt gesammelt werden? Sie vermuten zweifellos, dass sie sammeln, nicht zerstreuen; aber wir müssen die Worte unseres Herrn wohl in Acht nehmen: „Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ Als Tatsache ist nicht dann die Folge weitere und weitere Spaltung? Muss das nicht so sein? Und wenn all dies wahr ist, was ist unsere Pflicht, wenn sich die Kirche anmaßt, an Christi Stelle zu treten und den Gehorsam für sich zu fordern, den wir nur Ihm schulden? Ist es Demut, wenn wir weichen und nichts sagen? Ist es Treue gegen Ihn, wenn wir aufgeben, was Ihm zukommt? Sicherlich wird jeder seiner Diner, der ein ehrliches Herz hat, Nein antworten.

Dann muss die Antwort praktisch und klar formuliert sein. Kehren wir zurück zum einfachen Segen aus dem Hören auf sein Wort und dem Tun seines Willens – zu dem Joch, das, da es seines ist (ganz anders als wie sich das Joch der Kirche zu jeder Zeit erwiesen hat), leicht ist, und zu seiner Last, die auch leicht ist. Hören wir die Worte, die sich, wenn sie über die Jahrhunderte hinweg aus der Vergangenheit zu uns kommen, wirklich als prophetisch erweisen: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Versammlungen sagt!“

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Originaltitel: „Lecture 4. The Woman Jezebel, and the Voice of the Church“
aus The Prophetic History of the Church or, „Some evils which afflict Christendom and their remedy, as depicted by the Lord’s own words to the seven churches“


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