Die prophetische Geschichte der Gemeinde (2)
Offenbarung 2,12-17

Frederick William Grant

© SoundWords, online seit: 01.01.2001, aktualisiert: 13.07.2021

Leitverse: Offenbarung 2,12-17

Off 2,12-17: 12 Und dem Engel der Versammlung in Pergamus schreibe: Dieses sagt der, der das scharfe, zweischneidige Schwert hat: 13 Ich weiß, wo du wohnst: wo der Thron des Satans ist; und du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet, auch in den Tagen, in denen Antipas mein treuer Zeuge war, der bei euch, wo der Satan wohnt, ermordet worden ist. 14 Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du solche dort hast, die die Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, einen Fallstrick vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben. 15 So hast auch du solche, die in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten. 16 Tu nun Buße; wenn aber nicht, so komme ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes. 17 Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt! Dem, der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben; und ich werde ihm einen weißen Stein geben, und auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, den niemand kennt als nur der, der ihn empfängt.

Nikolaitentum oder Aufstieg und Wachstum der Geistlichkeit

Wir wollen nun Vers Offenbarung 2,15 genau betrachten: „Du hast auch solche, welche in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten, welches ich hasse[1].“

Diese nächste Stufe des Abweichens der Kirche auf ihrem Wege weg von der Wahrheit lässt sich leicht historisch erkennen. Dies trifft auf die Zeit zu, als die Kirche die Verfolgung durch die Heiden hinter sich gebracht hatte (und dabei hatte sich die Treue so manches Antipas bewiesen) und nun öffentlich anerkannt und in der Welt fest gegründet wurde. Merkmal dieses Sendschreibens ist – obwohl ich darauf jetzt hier nicht eingehen will und zu anderer Zeit darauf zu kommen hoffe –, dass die Kirche dort lebt, wo der Thron des Satans ist. Es muss „Thron“ heißen und nicht „Sitz“. Nun hat der Satan seinen Thron nicht in der Hölle (die sein Gefängnis ist und wo er niemals regiert), sondern in der Welt. Er wird ausdrücklich „der Fürst dieser Welt“ genannt. Wohnen, wo Satans Thron ist, bedeutet, sich niederlassen in der Welt, gewissermaßen unter der Herrschaft des Satans und unter seinem Schutz. Das nennen die Leute das Establishment der Kirche. Es vollzog sich zur Zeit Kaiser Konstantins.

Obwohl die Verschmelzung mit der Welt seit langem mehr und mehr vor sich ging, geschah es zu diesem Zeitpunkt, dass die Kirche die Machtpositionen der alten heidnischen Götzen übernahm. Die Leute nennen dies den Sieg des Christentums; aber die Folge war, dass die Kirche die weltlichen Dinge nun in Händen hielt wie nie zuvor und sicher in Besitz hatte: Ihr gehörte der wichtigste Platz in der Welt, und die Grundsätze der Welt durchdrangen sie überall. Schon der Name „Pergamus“ gibt dies zu verstehen. Es ist ein Wort (ohne Artikel, was an sich schon bezeichnend ist), das „Heirat“ bedeutet; und die Heirat der Kirche, ehe Christus kommt, um sie zu sich zu nehmen, ist notwendigerweise Untreue gegen Ihn, dem sie anverlobt ist. Es ist die Heirat der Kirche mit der Welt, von der das Sendschreiben an Pergamus spricht – das Ende eines Werbens, das sich schon lange hingezogen hatte.

Es gibt jedoch etwas, was dem wirklich vorangeht – es wird im ersten Sendschreiben erwähnt –, was ich hier heute aufgreifen will, weil es hierher gehört. Ich konnte es nicht so recht einbeziehen, als wir über das Sendschreiben an Ephesus sprachen, denn dort ist es offenbar nebensächlich und kennzeichnet nicht den Stand der Dinge. In dem Sendschreiben an Ephesus sagt der Herr: „Aber dieses hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse“ (Eph 2,6). Hier geht es um mehr als die „Werke“ der Nikolaiten. Jetzt sind es nicht nur „Werke“, sondern es ist die „Lehre“. Und statt es zu tadeln, hielt sich die Kirche daran. In den Tagen von Ephesus hasste man die Werke der Nikolaiten, aber in Pergamus „hatten“ sie jene, welche die Lehre vertraten, und tadelten sie nicht.

Nun stellt sich die ernste Frage: Wie soll man das interpretieren? Meine Antwort ist, dass wir wirklich nur das Wort „Nikolaiten“ haben, mit dessen Hilfe wir dies deuten können. Man hat sich sehr bemüht, nachzuweisen, dass es eine Sekte der Nikolaiten gegeben habe, aber die heute Schriftkundigen fast allgemein halten es für recht zweifelhaft. Es ist auch kaum verständlich, warum in Sendschreiben mit prophetischem Charakter – wie ich ihn doch wohl hinreichend nachgewiesen habe – irgendeine obskure Sekte wiederholt und nachdrücklich erwähnt werden sollte, über die uns die Leute nichts sagen können und die passend für den vor uns liegenden Text hervorgebracht worden zu sein scheint. Der Herr spricht feierlich gegen sie: „Die auch ich hasse.“ Sie muss für Ihn von besonderer Wichtigkeit sein und von Bedeutung für die Kirchengeschichte – so wenig man sie auch erkannt haben mag.

Und als Weiteres müssen wir auch bedenken, dass es nicht die Art der Schrift ist, uns auf Geschichten der Kirche oder auf irgendwelche Geschichte hinzuweisen, nur um ihre Bedeutung zu interpretieren. Gottes Wort legt sich selbst aus, und wir müssen nicht anderswo suchen, um herauszufinden, was da gesagt ist. Sonst wird es eine Angelegenheit der Gelehrten, die forschen und entdecken müssen für jene, die nicht die gleichen Möglichkeiten oder Fähigkeiten haben – und zwar Anwendungen, die man nur auf ihre Vollmacht hin annehmen muss. Derartigem setzt Gott uns nicht aus. Außerdem ist es in der Schrift – und vor allem in Abschnitten mit symbolischem Charakter wie dieser Abschnitt vor uns – sehr üblich, dass auch die Namen ihre Bedeutung haben. Ich brauche nicht daran zu erinnern, wie reichlich dies im Alten Testament der Fall ist; und im Neuen Testament wird es zwar nicht so häufig bemerkt, aber ich zweifle nicht, dass sie dort die gleiche Bedeutung haben. Wenn uns hier nur der Name allein geblieben ist, so ist er schon hinreichend bemerkenswert und aufschlussreich.

Natürlich war die Bedeutung für jene, welche die Sprache beherrschten, nicht verhüllt oder unbekannt, sondern so offenkundig wie die Allegorien Bunyans. Er bedeutet demnach „das Volk erobern“. Der letzte Teil des Wortes (Laos) ist das im Griechischen für „Volk“ gebrauchte Wort, und es ist das Wort, von dem das allgemein gebräuchliche Wort „Laien“ abgeleitet ist. Die Nikolaiten waren genau das: „Sie unterwarfen die Laien und setzten sie herab“, die Masse des christlichen Volkes, um über sie zu herrschen, wie es ihnen nicht zukam.

Es ist da noch ein Wort, das in diesem Zusammenhang sehr eindrucksvoll ist und sich ebenfalls in diesem Sendschreiben findet, und zwar gleich neben diesem; ein Wort, das diesem Wort „Nikolaiten“ sehr ähnlich ist, auch wenn es ein hebräisches und kein griechisches Wort ist; wie von der Lehre der Nikolaiten die Rede ist, so auch von der „Lehre des Balaam; und wie Nikolaiten „das Volk erobern“ bedeutet, so bedeutet Balaam „das Volk zerstören“. Es wird erwähnt, was er Balak „lehrte“. Balaams Lehre war, „ein Ärgernis vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben“. Zu diesem Zweck verleitete er sie, sich mit Nationen zu vermischen, aus denen Gott sie sorgfältig ausgesondert hatte. Wo immer diese notwendige Trennung aufgehoben wurde, führte dies zu ihrer Vernichtung.

Wir haben gesehen, dass die Kirche ebenso aus der Welt herausgerufen ist, und es ist nur zu leicht, den göttlichen Vergleich hier anzuwenden. Doch hier haben wir ein zugegebenermaßen typisches Volk, mit einem entsprechend bedeutsamen Namen und in so enger Verbindung, dass die Deutung des gleichen Wortes „Nikolaiten“ die vollkommen gleiche Bedeutung bestätigt. Darüber wird zu anderer Zeit mehr zu sagen sein, so der Herr will.

Betrachten wir nun die Entwicklung des Nikolaitentums. Erstens einmal sind es bestimmte Leute, die diesen Charakter haben, und die – ich übersetze nur das Wort – zunächst die Position von Vorgesetzten über das Volk einnehmen. Ihre „Werke“ zeigen, wer sie sind. Noch gibt es keine „Lehre“. Aber es endet in Pergamus mit der Lehre der Nikolaiten. Jetzt wird angenommen, dass ihnen die Stellung rechtmäßig zukommt. Es gibt eine Lehre, eine Unterweisung darüber, die wenigstens von einigen angenommen wird und gegen die die Kirche im Ganzen – so treue Seelen es sonst auch sein mögen – gleichgültig geworden ist. Was hat sich nun zwischen diese beiden Dinge – die „Werke“ und die „Lehre“ – geschoben? Es ist das, was wir das letzte Mal betrachtet haben: der Aufstieg einer Partei, welche der Herr bezeichnet als jene, die sagten, sie seien Juden, und es nicht waren, sondern welche die Synagoge des Satans waren – der Versuch des Widersachers (leider nur allzu erfolgreich), das Judentum in die Kirche einzuführen.

Ich habe das letzte Mal versucht, die Merkmale des Judentums aufzuzeigen. Es war ein Bewährungssystem, ein System des Gerichts, in welchem erkundet werden sollte, ob der Mensch seine Gerechtigkeit vor Gott schaffen konnte. Wir wissen, wie das Verfahren ausging und dass Gott den Richterspruch tat: „kein Gerechter; auch nicht einer“. Und erst dann war es so weit, dass Gott seine Gnade offenbaren konnte. Solange Er den Menschen dem Gerichtsverfahren unterwarf, war es für Ihn unmöglich, ihm den Weg in seine eigene Gegenwart zu eröffnen und den Sünder dort zu rechtfertigen. Er musste ihn für die Dauer des Prozesses davon ausschließen. Denn auf dieser Grundlage konnte niemand Gott sehen und leben bleiben.

Nun ist gerade der Kern allen Christentums, dass alle willkommen sind. Die Tür ist offen und der Zugang frei, wo das Blut Christi jeden dazu berechtigt, und sei er auch der größte Sünder, sich Gott zu nähern und aus seiner Hand die Rechtfertigung zu empfangen als ein Gottloser. Gott in Christus sehen, heißt nicht sterben, sondern leben. Und was folgt weiter daraus? Jene, die so zu Ihm gekommen sind – jene, die den Zugang in seine Gegenwart gefunden haben durch das Frieden verkündigende Blut, die erfahren haben, was er in Christus ist, und die gerechtfertigt sind vor Gott –, sind nun fähig und unterwiesen, einen Platz einzunehmen zum Unterschied von allen anderen, nun als die Seinen: als Kinder des Vaters, als Glieder Christi und seines Leibes. Das ist die Kirche, ein herausgerufener Leib, getrennt von der Welt.

Das Judentum andererseits vermischte alles. Niemand darunter kann einen solchen Platz bei Gott einnehmen. Niemand kann wirklich rufen „Abba, Vater“; darum konnte es auch keine Trennung geben. Das war zweifellos einst eine von Gott gewirkte Notwendigkeit gewesen. Aber nun, da das Judentum wieder aufgerichtet wird, nachdem Gott es abgeschafft hatte, braucht man nicht zu betonen, dass es einmal von ihm ausging; seine Wiedereinführung war das nur zu erfolgreiche Werk dessen, der dem Evangelium und der Kirche Feind ist. Christus brandmarkt die, die das Judentum wieder aufleben lassen als die „Synagoge des Satans“.

Nun versteht man sogleich, als die Kirche in ihrer wahren Art praktisch aus dem Blick entschwand, als Christsein bedeutete, nur mit Wasser getauft zu werden statt mit dem Heiligen Geist, oder als Taufe mit Wasser und mit dem Heiligen Geist als eins angenommen wurden (und dies wurde schon sehr früh gültige Lehre), da war natürlich die jüdische Synagoge praktisch wieder eingeführt. Es wurde zunehmend unmöglicher, von Christen zu sagen, sie hätten Frieden mit Gott oder seien gerettet. Sie hofften, es zu sein, und Sakramente und Weihen wurden zu Gnadenmitteln, die, so meinte man, irgendwie eine Erlösung bewirken sollten.

Sehen wir nach, wie weit dies bei der Lehre der Nikolaiten eine Hilfe sein kann. Es ist klar, dass, als die Kirche zurückfiel in die Synagoge, das Christenvolk praktisch das wurde, was das Jüdische gewesen war. Welche Position aber war das? Wie ich schon sagte, konnte man Gott überhaupt nicht mehr wirklich nahe kommen. Sogar der Hohepriester, der (als ein Vorzeichen auf Christus) einmal jährlich, am Versöhnungstag, ins Allerheiligste ging, musste den Gnadenthron in eine Wolke von Weihrauch hüllen, damit er nicht sterben musste. Doch die gewöhnlichen Priester konnten dort überhaupt nicht eintreten, sondern nur in den Vorraum: in das Heilige; während das ganz allgemeine Volk nicht einmal dort hinein durfte; und das war ausdrücklich so bestimmt als Zeugnis über seinen Zustand. Es war die Folge des Versagens all jener; denn Gottes Angebot an sie, die sich im in 2. Mose 19 findet, lautete: „Wenn ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.“

So wurde ihnen unter bestimmten Bedingungen gleicher Zugang zu Gott angeboten – sie sollten alle Priester sein. Doch wurde dies wieder zurückgenommen, denn sie hielten den Bund nicht; und dann wird eine besondere Familie in die Priesterstellung gebracht, der Einzelne des Volkes wird in den Hintergrund gestellt und kann nur durch diese Gott nahen.

So war das Judentum durch eine abgesonderte und als Mittler wirkende Priesterschaft gekennzeichnet; und aus dem gleichen Grunde gab es auch nicht das, was wir heute missionarisches Wirken nennen. Es gab kein In-die-Welt-Hinausgehen, keinen Auftrag, keinen Befehl, das Gesetz überhaupt zu predigen. Was hätten sie denn auch sagen sollen? Dass Gott in tiefer Dunkelheit war? Dass niemand Ihn anschauen und weiterleben konnte? Es ist ganz offensichtlich: Eine „Gute Botschaft“ gab es da nicht. Das Judentum hatte kein wahres Evangelium. Das Fehlen des Evangelisten und das Vorhandensein des Priesters als Mittler gaben über den gleichen traurigen Sachverhalt Auskunft und passten vollkommen zueinander. So war das Judentum.

Wie ganz anders ist da das Christentum! Kaum hatte der Tod Christi den Vorhang zerrissen und den Weg in die Gegenwart Gottes frei gemacht, als auch schon eine frohe Botschaft da war, und der neue Befehl lautet: „Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ Gott macht sich bekannt, und „ist er nur der Juden Gott“? Kann man das Evangelium von Christus auf die Grenzen einer Nation einschränken? Nein, das Gären des neuen Weins würde die Schläuche zum Bersten bringen.

Die Mittlerschaft des Priestertums ist durch das Evangelium nun aufgehoben; denn alle christlichen Menschen sind nun Priester vor Gott. Was an Bedingungen geknüpft Israel angeboten worden war, ist nun erlangte Tatsache im Christentum. Wir sind ein Königsvolk von Priestern; und durch die Weisheit Gottes ist es Petrus – von den Menschen zum großen Haupt der Ritualfrömmigkeit geweiht –, der in seinem ersten Brief an jene, die an Ihn glaubten, die beiden Dinge nennt, welche die Ritualfrömmigkeit mit Stumpf und Stiel ausrotten. Erstens: dass wir „wiedergeboren“ sind nicht durch die Taufe, sondern „durch das lebendige und bleibende Wort Gottes … Dies aber ist das Wort, welches euch verkündigt worden ist.“ Zweitens sagt er statt zu einer Gruppe von Priestern zu allen Christen: „Werdet auch ihr selbst, als lebendige Steine, aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus“ (1Pet 2,5). Die Opfer sind geistlich – Lobpreis und Danksagung – und unsere Körper und unser Leben ebenso (Heb 13,15.16; Röm 12,1). Das soll für uns wahres priesterliches Werk sein, und dadurch bekommt unser Leben sein richtiges Kennzeichen: Es ist der Dienst des Dankopferns zur Freude Gottes.

Im Judentum, ich wiederhole es, kam niemand Gott wirklich nahe; doch nun kann es das Volk – die Laienschaft (denn das ist nur ein Lehnwort aus dem Griechischen) –, und zwar auf bessere Weise als der jüdische Priester. Die Priesterkaste, wo man sie auch findet, bedeutet das Gleiche. Dort gibt es kein Herzutreten des gesamten Volkes. Es bedeutet immer Abstand von Gott und Dunkelheit: Gott ausgeschlossen vom Volk. Und genau dies ist die Bedeutung „der Geistlichkeit“. Betrachten wir das mit aller Sorgfalt. Ich möchte nicht, dass man es für eine bloße Frage einer bestimmten Kirchenordnung hält, denn die Leute tun das nur allzu gern. Ich möchte die wichtigen Prinzipien aufzeigen, die damit zusammenhängen, und wie der Herr wirklich Veranlassung hat, wie er diese Veranlassung haben muss, vom Nikolaitentum zu sagen, „das ich auch hasse“. Und mein Ziel und Zweck heute sind, euch auch dahin zu bringen, es so zu hassen, wie Gott es hasst.

Ich spreche nicht von Menschen, Gott bewahre. Ich spreche von einer Sache. Das Unglück ist, dass wir am Ende einer langen Reihe von Abtrünnigkeiten von Gott leben, und infolgedessen wachsen wir inmitten vieler Dinge auf, die als „Tradition der Ältesten“ auf uns gekommen sind, verbunden mit Namen, die wir alle ehren und lieben, um deren Vollmacht willen wir sie alle hingenommen haben, ohne sie einmal prüfend im Licht vor Gottes Gegenwart betrachtet zu haben. Und so gibt es viele wahre Menschen Gottes und Diener Gottes, die wir mit Freuden in eine falsche Stellung umorganisieren. Von der Stellung habe ich zu reden, um sie geht es. Es geht um die „Werke“, von denen auch der Herr spricht: „die ich hasse“. Er sagt nicht: „die Menschen, die ich hasse“, obwohl in jenen Tagen das Böse dieser Art nicht ererbt war wie heute. Und die ersten Verfechter hatten natürlich eine ihnen ganz eigene Verantwortung, so sehr sie sich auch selbst täuschen mochten; doch wie in anderen Dingen auch, brauchen wir uns hier nicht zu schämen oder zu fürchten, dort zu stehen, wo der Herr steht. Ja, wir können nicht uns zu Ihm zählen, wenn wir nicht in dieser Sache zu Ihm stehen. Und Er sagt vom Nikolaitentum: „das ich hasse“.

Denn, was bedeutet es? Ich werde kurz beschreiben, was genau eine Geistlichkeit ist. Es ist eine geistliche Kaste oder Klasse; eine Gruppe von Leuten, die offiziell das Recht auf Führung in geistlichen Dingen hat; eine Nähe zu Gott, die sich aus der offiziellen Stellung nicht aus der geistlichen Macht herleitet: Es ist tatsächlich die Wiederbelebung jener mittlerschaftlichen Priesterschaft, die das Judentum kennzeichnete und die das Christentum betont ablehnte, aber jetzt unter anderen Namen und mit verschiedenen Abwandlungen. Das bedeutet Geistlichkeit; und im Gegensatz zu diesen sind alle übrigen Christen nur die Laienschaft, die Weltlichen, die notwendigerweise mehr oder weniger auf die alte Distanz gebracht werden, die doch eigentlich das Kreuz Christi beseitigt hat.

Wir sehen nun, warum die Kirche erst wieder jüdisch werden musste, ehe die Werke der Nikolaiten zur „Lehre“ reifen konnten. Der Herr hatte sogar Schriftgelehrten und Pharisäern Gehorsam übertragen, die auf dem Sitz des Moses saßen; und um diesen Text nun anzuwenden, wie ihn die Leute heute anwenden, musste der „Sitz des Mose“ natürlich in der christlichen Kirche errichtet werden: Sobald dies getan war und die Masse der Christen von der Priesterschaft degradiert worden war, von der Petrus sprach als bloßen „Laienmitgliedern“, war die Lehre der Nikolaiten sogleich eingeführt.

Versteht mich recht, dass ich in keiner Weise die göttliche Einrichtung des christlichen Amtes in Frage stelle. Gott bewahre; denn dieser Dienst in seinem vollkommensten Sinne ist kennzeichnend für das Christentum, wie ich es als Tatsache bereits festgestellt habe. Und ich leugne auch nicht einen besonderen und eigenen Dienst am Wort (wenn ich auch glaube, dass alle wahren Christen aus ebendieser Tatsache heraus Diener am Wort sind) als etwas, was Gott einigen gegeben hat und nicht allen, aber doch zum Nutzen aller. Niemand, der wahrhaft von Gott unterrichtet ist, kann leugnen, dass einige, nicht alle, unter den Christen den Platz des Evangelisten, Hirten, Lehrers einnehmen. Ich glaube, ich halte davon mehr, als heute davon gehalten wird; denn ich glaube, dass jeder wahre Geistliche ein Geschenk Christi in seiner Liebe als Haupt der Gemeinde an sein Volk ist – und einer, der seinen Platz allein von Gott hat und darum auch Gott und nur Gott allein in dieser Eigenschaft verantwortlich ist. Das elende System, das ich drum herum sehe, degradiert ihn von diesem geweihten Platz und macht ihn tatsächlich zu nichts anderem mehr als dem Machwerk und Sklaven von Menschen. Während dieses System ihm eine Position der Herrschaft über Menschen gibt, die einen weltlich Gesinnten befriedigen mag, fesselt es doch einen geistlichen Menschen und legt ihm Ketten an und gibt ihm überall eine künstliche Gewissensbindung an Menschen und hindert ihn dadurch, mit seinem Gewissen in der rechten Weise vor Gott zu stehen.

Es sei kurz gesagt, was die Lehre der Schrift über das geistliche Amt ist; sie ist sehr einfach. Die Gemeinde Gottes ist der Leib Christi; alle Glieder sind Glieder Christi. Es gibt keine andere Mitgliedschaft in der Schrift als diese: die Gliedschaft am Leib Christi, zu der alle wahren Christen gehören; nicht viele Leiber Christi, sondern ein Leib; nicht viele Kirchen, sondern eine Kirche.

Natürlich hat jedes Glied am Leib seinen besonderen Platz aus dem einfachen Grunde, weil es ein Leib ist. Nicht alle Glieder haben das gleiche Amt: Da gibt es Auge, Ohr und so weiter, aber alle sind notwendig und dienen notwendigerweise einander auf die eine oder andere Art. Jedes Glied hat seinen Platz nicht nur örtlich und zum Vorteil gewisser anderer Glieder, sondern zum Wohl des ganzen Körpers. Jedes Glied hat seine Gabe, wie der Apostel deutlich lehrt: „Denn gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Verrichtung haben, also sind wir, die Vielen, ein Leib in Christo, einzeln aber Glieder voneinander. Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade“ (Röm 12,4-6).

In 1. Korinther 12 spricht der Apostel insgesamt über diese Gaben; und er gibt ihnen einen bedeutsamen Namen: „Offenbarungen des Geistes“. Es sind natürlich Gaben des Geistes; doch noch mehr, es sind „Offenbarungen des Geistes“; sie offenbaren sich von selbst, wo sie sich finden, wo (das muss ich kaum erwähnen) geistliche Erkenntnis ist, wo Seelen vor Gott sind.

Zum Beispiel: Wenn man die Botschaft von Gott nimmt, woher hat sie ihre Vollmacht und Kraft? Weil irgendwelche Menschen sie gutgeheißen haben? Weil sie irgendwelche menschliche Beglaubigungen hat? Oder durch die Kraft, die in ihr steckt? Ich behaupte, dass der übliche Versuch, den Botschafter zu autorisieren, dem Wort mehr an Kraft nimmt, als es ihm hinzufügt. Gottes Wort muss als solches empfangen werden: Wer es empfängt, fügt seinem Stempel ein „Gott ist getreu“ hinzu. Seine Fähigkeit, den Nöten des Herzens und Gewissens gerecht zu werden, bezieht es gerade aus der Tatsache, dass es „Gottes gute Botschaft“ ist, der doch vollkommen genau weiß, was jeder Mensch gerade braucht und der entsprechend für das Richtige sorgt. Wer seine Kraft gespürt hat, weiß wohl, woher es kommt. Wirken und Zeugnis des Geistes Gottes in der Seele brauchen nicht durch das Zeugnis von Menschen ergänzt zu werden.

Auch in seiner eigenen Sache plädierte der Herr für die Richtigkeit dieser Wahrheit: „Wenn ich die Wahrheit rede, warum glaubt ihr mir nicht?“ Wenn Er in den Synagogen oder anderswo auftrat, war Er in den Augen der Menschen nur ein einfacher Zimmermannsohn ohne die Qualifikation einer besonderen Schule oder eines Kreises von Menschen. Das ganze Gewicht der Autorität war immer gegen Ihn. Er gab offen zu, niemals „Zeugnis von Menschen empfangen“ zu haben. Gottes Wort allein sollte für Gott sprechen. „Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat.“

Und wie bewies sich das? Durch die Tatsache, dass es die Wahrheit war. „Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?“ Es war die Wahrheit, die sich durch den Wahren durchsetzen sollte. „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede.“ Er sagt: Ich rede die Wahrheit; ich bringe sie euch von Gott; und wenn es Wahrheit ist, wenn ihr trachtet, Gottes Willen zu tun, werdet ihr erfahren, dass ihr die Wahrheit als solche erkennt. Gott wird Menschen nicht in Unwissenheit und Dunkelheit lassen, wenn sie versuchen, seinen Willen zu tun. Können wir annehmen, Gott könnte zulassen, dass aufrichtige Herzen getäuscht werden von irgendwelchen einleuchtenden Täuschungen, die gerade in Umlauf sind? Er kann seine Stimme sehr wohl verständlich machen in denen, die seine Stimme zu hören versuchen. Und so sagt der Herr zu Pilatus: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh 17,57). „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir“; und noch einmal: „Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie seine Stimme nicht kennen“ (Joh 10,5.27).

Das ist demnach das Wesen der Wahrheit: Wenn man vorgibt, sie für jene zu bestätigen, die selbst wahrhaftig sind, bedeutet es, sie zu entehren, als sei die Wahrheit nicht fähig, sich selbst zu beweisen; und es heißt Gott verunehren, als bedürfe Er der Bestätigung für die Seelen oder für das, was Er selbst gegeben hat. Im Gegenteil sagt der Apostel: „Durch die Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns selbst jedem Gewissen der Menschen vor Gott“ (2Kor 4,2). Und der Herr spricht davon, dies sei das Gericht über die Welt, „dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse“ (Joh 5,19). Es fehlte nicht an Erkennbarem: Licht war da, und die Menschen gaben seine Kraft zu ihrem eigenen Schaden auf, als sie ihm zu entgehen trachteten.

Dennoch war in der Gabe „die Offenbarung des Geistes“, und sie wurde „einem jeden zum Nutzen gegeben“. Schon durch die Tatsache, dass der Mensch sie hatte, war er verpflichtet, sie zu nutzen – dem verpflichtet, der sie nicht umsonst gegeben hatte. In der Gabe selbst lag die Befähigung zum Dienst und auch die Ernennung; denn ich muss helfen und dienen mit dem, was ich habe. Und wenn Seelen geholfen wird, brauchen sie kaum zu fragen, ob ich berechtigt bin, es zu tun. Das ist das einfache Wesen des Dienstes: der Dienst der Liebe gemäß der Fähigkeit, die Gott gegeben hat; gegenseitiger Dienst eines am anderen und eines jeden an allen, ohne einander zu verdrängen oder auszuschließen.

Jede Gabe wurde in die gemeinsame Schatztruhe gelegt, und alle gemeinsam wurden dadurch bereichert. Gottes Segen und die Offenbarung des Geistes waren die ganze Berechtigung, die gebraucht wurden. Nicht alle waren Lehrer, noch weniger waren öffentliche Lehrer des Wortes; doch auch in diesen Fällen galten die gleichen Prinzipien. Das war nur ein Bereich eines Dienstes, der viele umfasste, und der von jedem an jedem getan wurde, je nachdem wie weit er reichte.

Gab es außer diesem nichts? Gab es da gar keine ordinierte Klasse? Das ist eine andere Frage. Es gab zweifellos in der frühen Kirche zwei Klassen von Beamteten, regulär ernannt, ordiniert, wenn man so will. Die Diakone waren jene, die zur Verwaltung der Armengelder und für andere Aufgaben von den Heiligen zunächst für diese Position gewählt und mit deren Vertrauen ausgestattet waren und die dann von den Aposteln mit Vollmacht vorübergehend oder auf Dauer ernannt wurden.

Älteste waren eine zweite Klasse, ältere Männer, wie das Wort erkennen lässt; sie wurden in den örtlichen Versammlungen als „Bischöfe“ oder „Aufseher“ ernannt, um über deren Zustand zu wachen. Dass die Ältesten mit den Bischöfen identisch waren, erkennt man aus den Worten des Paulus an die Ältesten von Ephesus, wenn er sie ermahnt: „Habet nun acht … auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat.“ Hier hat man das Wort „Bischöfe“ übersetzt, aber in Titus hat man es stehenlassen: „… dass du … in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: Wenn jemand untadelig ist … Denn der Aufseher (Bischof) muss untadelig sein“ (Apg 20,28; Tit 1,5.7). Ihr Werk war, zu „beaufsichtigen“, und obwohl sie zu diesem Zweck „fähig zum Ermahnen“ sein mussten, darf man doch nicht annehmen, dass Belehrung auf jene beschränkt blieb, welche „Älteste“ waren, „eines Weibes Mann, der gläubige Kinder hat [engl.: dem seine Kinder mit allem Ernst gehorchen]“. Das war eine notwendige Prüfung für einen, der ein Bischof sein sollte. „Wenn jemand dem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er die Versammlung Gottes besorgen?“ (1Tim 5,1-7). Sie gebrauchten die Gaben, die sie hatten, und so bestimmt der Apostel: „Die Ältesten, welche wohl vorstehen, lass doppelter Ehre würdig geachtet werden, sonderlich die da arbeiten in Wort und Lehre“ (1Tim 5,17). Aber sie konnten auch vorstehen, und sogar gut, ohne diese.

Die Bedeutung ihrer Weihe war nur dies, dass es hier nicht um eine Gabe ging, sondern um die Vollmacht. Es war die Frage der Berechtigung, sich oft schwieriger und heikler Dinge anzunehmen und sie aufzudecken, und dazu bei Leuten, die höchst wahrscheinlich nicht imstande waren, sich dem unterzuordnen, was einfach nur geistlich war. Die dienstbare Verwendung der Gabe war eine andere Sache und unter Gott allen frei zugänglich.

So viel in aller Kürze zur biblischen Lehre. Wir haben nun die schmerzliche Pflicht, im Gegensatz dazu ein System aufzuzeigen, das ich missbillige, wonach eine besondere Klasse förmlich hingegeben ist an geistlichen Dingen, und das Volk, die Laienschaft, ist mit gleicher Überlegung ausgeschlossen von solchem Beruf. Das ist echtes Nikolaitentum: die „Unterwerfung des Volkes“.

Nochmals: Nicht nur ist der Dienst am Wort völlig richtig, sondern dass es jene gibt, die besondere Gaben und Verantwortung haben (wenn auch nicht ausschließlich), am Wort zu dienen. Aber Priestertum ist eine andere Sache und eine hinreichend besondere Sache, um leicht erkannt zu werden, wo darauf bestanden wird und es tatsächlich besteht. Ich bin mir natürlich bewusst, dass Protestanten im Allgemeinen priesterliche Vollmacht für ihre Pastoren verneinen. Ich habe nicht den Wunsch oder Gedanken, ihre vollkommene Ehrlichkeit in dieser Behauptung anzuzweifeln. Sie meinen, dass sie mit keinem Gedanken daran denken, dass der Pastor irgendwelche Macht hätte, Absolution zu erteilen, und dass sie den Tisch des Herrn nicht zum Altar machen, auf dem Tag für Tag erneut die Vollkommenheit des Opfertodes Christi geleugnet wird durch die zahllosen Wiederholungen. Sie sind in beiderlei Hinsicht im Recht; aber das ist kaum die ganze Sache. Wenn wir tiefer schauen, stellen wir fest, dass dort noch viel vom priesterlichen Wesen anhängt, wo diese beiden Dinge gar nicht berührt werden.

Priesterschaft und geistliches Amt lassen sich wie folgt unterscheiden: Geistliches Amt (in dem Sinne, wie wir es jetzt betrachten) dient den Menschen; Priesterschaff dient Gott. Der geistliche Amtsträger bringt Gottes Botschaft dem Volk; er spricht für Ihn zu ihnen. Der Priester geht zu Gott für das Volk; er spricht im umgekehrten Wege für sie zu Ihm. Diese beiden Verhaltensweisen sind zweifellos klar zu unterscheiden. „Lobpreis und Danksagung“ sind „geistliche Opfer“, sie sind Teil unseres Opfers als Priester. Stellt man eine besondere Klasse an einen Platz, wo sie regelmäßig, formell und offiziell für die Übrigen handeln, stehen sie sogleich im Rang vermittelnder Priesterschaft: Mittler bei Gott für jene, die nicht so nahe stehen.

Das Abendmahl ist der herausragendste und vollständigste Ausdruck christlicher Dankbarkeit und Anbetung, öffentlich und erklärtermaßen. Aber welcher protestantische Pastor sieht es nicht als sein offizielles Recht an, es auszuteilen? Welcher „Laie“ scheute nicht davor zurück, es zu entweihen, weil er es austeilt? Und das ist eins der schrecklichen Übel des Systems, dass die Masse der Christen so eindeutig säkularisiert wird. Da sie mit weltlichen Dingen beschäftigt sind, kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie geistlich das sind, was die Geistlichen sind. Und damit sind sie sozusagen aufgegeben. Sie sind von geistlichen Beschäftigungen ausgeschlossen, denen sie nicht genügen können und denen sich andere hingeben.

Doch muss dies offensichtlich noch viel weiter gehen. „Die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren.“ Die Laien, die solche geworden sind, weil sie ihrem Priestertum entsagt haben, wie sollen sie die Erkenntnis bewahren, die zur Klasse der Priester gehört? Die Ungeistlichkeit, der sie sich selbst hingegeben haben, verfolgt sie hier. Die Klasse, deren Aufgabe es ist, stellt auch die autorisierten Interpreten des Wortes, denn wie sollte der säkulare Mensch so genau wissen, was die Schrift besagt? So werden die Geistlichen zu geistlichen Augen, Ohren und Lippen für die Laien und sind auf dem besten Wege, der ganze Leib zu werden.

Man verstehe mich nicht falsch. Ich behaupte nicht, dass all dies entstanden sei allein durch die Anmaßung nur einer Klasse. Das ist es zweifellos, aber niemals hätte sich diese elende und unbiblische Unterscheidung zwischen Geistlichkeit und Laien so rasch um sich greifen können, wenn man es nicht überall sehr passend für den Geschmack jener gefunden hätte, die dadurch tatsächlich verdrängt und degradiert wurden. Nicht nur in Israel, sondern auch im Christentum hat es sich erfüllt: „Die Propheten weissagen falsch, und die Priester herrschen unter ihrer Leitung, und mein Volk liebt es so.“ Ach, sie taten es und tun es.

Ein geistlicher Niedergang setzt ein. Das Herz, das sich der Welt zuwendet, verschachert, wie Esau, sein geistliches Geburtsrecht für ein Linsengericht. Es überlässt sein Verlangen, zu viel für geistliche Dinge bedacht zu sein, dankbar jenen, die dafür die Verantwortung übernehmen wollen. Weltlichkeit lässt sich unter dem Gewand des Laien leicht verstecken. Als die Kirche im Großen und Ganzen die erste Liebe verließ, wie sie es schnell tat, drang nach und nach die Welt durch die schlecht bewachten Pforten ein, und es wurde immer unmöglicher für das Fußvolk des Christentums, jenen gesegneten und wundervollen Platz einzunehmen, der Christen zukommt. Der eine Schritt abwärts wurde nicht etwa rückgängig gemacht, sondern machte nur die nachfolgenden Schritte immer leichter, bis kaum fünfhundert Jahre später ein jüdisches Priestertum und eine ritualistische Religion überall eingeführt war. Doch dieses alles nur umso schlimmer, weil die kostbaren Dinge der Christenheit dem Eindringling ihre Namen als Tarnung ließen, und für die meisten der Abklatsch zum Original wurde.

Doch ich muss zurückkehren, um einen besonderen Zug dieser Geistlichkeit genauer zu betrachten. Ich habe das Verwirrende an geistlichem Amt und Priestertum aufgezeigt; die Anmaßung einer offiziellen Bestellung in geistlichen Dingen, der Bestellung, das Abendmahl auszuteilen, und ich darf hinzufügen, zu taufen. Für keines von diesen findet sich eine biblische Begründung.

Doch muss ich noch ein wenig auf das Gewicht eingehen, das der Ordination beigemessen wird. Ich möchte ein wenig deutlicher machen, was Ordination bedeutet. Erstens einmal, wenn wir das Neue Testament durchforschen, finden wir nicht, was sich über die Ordination lehren oder predigen ließe. Man findet Leute, die überall umhergehen und frei die Gabe anwenden, die sie hatten; die ganze Gemeinde wurde aus Jerusalem zerstreut, bis auf die Apostel, und sie zogen umher und predigten (wörtlich: evangelisierten) das Wort. Durch die Verfolgung wurden sie vermutlich nicht ordiniert. So machte es Apollos, ebenso Philippus, der Diakon. Tatsächlich findet sich keine Spur von etwas anderem.

Timotheus empfing eine prophetische Gabe durch das Handauflegen des Paulus zusammen mit den Ältesten, aber das war eine Gabe, keine Vollmacht, sie zu gebrauchen. So wird ihm geboten, seine eigene Erkenntnis an getreue Menschen weiterzugeben, die auch fähig sein müssen, andere zu lehren; aber nirgendwo steht ein Wort darüber, dass sie ordiniert wurden. Die Sache mit den Ältesten habe ich bereits erläutert. Das von Paulus und Barnabas in Antiochien ist das Unglücklichste, was geschehen kann für den Zweck, für welchen Menschen es gebrauchen. Denn hier Propheten und Lehrer werden veranlasst, einen Apostel zu ordinieren, und noch dazu einen, der für sich ganz und gar ablehnt, „von Menschen oder durch Menschen“ dazu gemacht worden zu sein. Und hier überträgt nicht der Heilige Geist Vollmacht für die Ordination, sondern Er sagt: „Sondert mir aus Barnabas und Saulus für das Werk, zu dem ich sie berufen habe“ – für eine besondere Missionsreise, von der sich erst hinterher zeigte, dass sie diese im Auftrag gemacht hatten. Siehe Apostelgeschichte 8,1.5; 11,19.21; 15,2-4; 18,24-28; 1. Timotheus 4,14 etc.

Was aber bedeutet die „Ordination“? Sie bedeutet viel, das steht außer Zweifel, sonst würde nicht so heftig dafür gestritten. Es gibt zweifellos dabei zwei Phasen. Im extremsten Fall, etwa bei den römisch-katholischen und ritualistischen Verfechtern, wird mit aller Ausschließlichkeit behauptet, dass damit nicht nur Vollmacht übertragen werde, sondern auch geistliche Kraft. Sie nehmen mit aller Vollmacht von Aposteln an, sie könnten den Heiligen Geist durch das Auflegen der Hände weitergeben und gleichzeitig Priesterschaft in Vollendung haben. Das Volk Gottes als solches wird von der Priesterschaft ausgeschlossen, die Gott ihm gegeben hat, und eine besondere Klasse wird an seinen Platz gerückt, die so Mittler für das Volk sein soll, dass das Werk Christi und seine Frucht verdrängt wird und das Volk an die Kirche als den einzigen Zugang zur Gnade gebunden wird. Unter Protestanten mag man vielleicht meinen, ich brauchte darauf nicht einzugehen; doch unter einigen von ihnen geschieht dies auch mit Worten, die für eine bestimmte Klasse von ihnen seltsamerweise nichts bedeuten, während eine andere Klasse in ihnen die vollständigste Sanktion ihrer höchsten Ansprüche findet.

Jene andererseits, die mit Recht und beständig diese unchristlichen Ansprüche zurückweisen, geben gar nicht erst vor, bei der Ordination eine Gabe weiterzugeben, sondern nur, die Gabe „anzuerkennen“ die Gott gegeben hat. Aber dann wird diese Anerkennung doch für nötig gehalten, bevor die jeweilige Person taufen oder das Abendmahl austeilen darf – Dinge, die wirklich keine besondere Gabe erfordern. Und was den Dienst am Wort betrifft, so wird auch hier Gottes Gabe so hingestellt, als erfordere sie die menschliche Sanktion, und sie wird „anerkannt“ im Interesse seines Volkes von jenen, von denen man annimmt, sie hätten ein besonderes Urteilsvermögen, welches das Volk als Ganzes nicht hat. Ob sie selbst blind sind oder nicht, diese Leute sollen „der Blinden Führer“ werden; oder warum sonst müssen andere für sie Augen sein, während ihre eigenen Seelen herausgenommen sind aus der Stellung unmittelbarer Verantwortung vor Gott und unpassenderweise vor Menschen verantwortlich gemacht werden? Ein künstliches Gewissen wird für sie erzeugt, und es werden ihnen beständig Bedingungen auferlegt, denen sie sich anpassen müssen, um die notwendige Anerkennung zu finden. Es ist gut, wenn sie hinsichtlich ihres Dienstes nicht unter der Kontrolle derer stehen, die sie ordiniert haben, wie das meist der Fall ist.

Im Prinzip ist dies Untreue gegen Gott: Denn wenn Er mir eine Begabung gegeben hat, die ich für Ihn gebrauchen soll, bin ich sicherlich ungetreu, wenn ich zu irgendeinem Menschen oder einer Körperschaft von Menschen gehe und mir von ihnen die Erlaubnis hole, sie zu gebrauchen. Denn die Gabe selbst bringt die Verantwortung mit sich, sie zu gebrauchen, wie wir gesehen haben. Man mag sagen: „Aber die Leute machen Fehler“, das gebe ich von Herzen zu; aber wer soll meine Verantwortung übernehmen, wenn ich mich irre? Und wiederum sind die Fehler einer ordinierenden Körperschaft unendlich schwerwiegender als diejenigen eines Menschen, der nur unbeauftragt seinen Weg geht. Ihre Fehler werden geweiht und vervielfältigt durch die Ordination, die sie erteilen; und der Mensch, der sich nur auf seine eigenen Erfolge stützt, fände bald sein eigenes Niveau, doch nun wird ihm ein Charakter auferlegt, den das System mit seinem ganzen Gewicht hochhalten muss. Ob er Fehler macht oder nicht, er ist nichts weniger als einer aus der geistlichen Körperschaft – ein Geistlicher, auch wenn es ihm an Geist fehlt. Er muss versorgt werden, und sei es auch mit einem weniger verfänglichen Platz, wo Seelen, die Gott so teuer sind wie alle anderen, seiner Fürsorge anvertraut werden, die dann ungenährt bleiben müssen, wenn er sie nicht nähren kann.

Man werfe mir nicht Sarkasmus vor; das System, von dem ich spreche, ist ein Sarkasmus: ein Einwickeln des Leibes Christi in Binden, welche die freie Zirkulation des belebenden Blutes behindern, welches ungehindert das Ganze durchdringen sollte. Die Natur selbst sollte einen solchen Unsinn tadeln. Welch gewaltige Folgerung wird aus den biblischen Voraussetzungen gezogen, wie die, dass Apostel und apostolische Menschen „Älteste ordinierten“! Sie müssen beweisen, dass sie eins von beiden sind und (gesteht man ihnen das zu) dass der biblische „Älteste“ nicht älter gewesen sein mochte als ein junger noch unverheirateter Mann, der gerade um die Zwanzig ist und andererseits Evangelist, Pastor, Lehrer war – lauter verschiedene Gaben Gottes in eine zusammengefasst. Das ist der Geistliche, dem System nach wirklich der Geistliche, dieser eine für vielleicht fünfzig oder fünfhundert Seelen, die ihm als „seine Herde“ anvertraut sind, worin kein anderer ihm in die Quere kommen darf. Gewiss, gewiss, das Brandmal des Nikolaitentums ist deutlich sichtbar auf einem derartigen System zu erkennen!

Und wenn der Mann überhaupt begabt ist, so hat er dennoch niemals alle Gaben. Nehmen wir an, er ist ein Evangelist, und Seelen bekehren sich mit Freuden, so ist er doch kein Lehrer und kann sie nicht weiterbringen. Oder er ist ein Lehrer und an einen Platz geschickt, wo es nur ein paar Christen gibt, und die Mehrzahl seiner Gemeinde sind unbekehrte Leute. Es kommt nur zu wenigen Bekehrungen, und seine Anwesenheit dort (dem System entsprechend) hält den Evangelisten fern, der dort gebraucht wird. Gott sei Dank, dass Er immer wieder diese Beschränkungen niederreißt und auf irgendeine unübliche Weise den Bedürfnissen gerecht wird. Aber diese Versorgung bewirkt Spaltung und Verwirrung: Der neue Wein zerreißt die armen menschlichen Schläuche.

Für all das ist das System verantwortlich. Der ausschließliche Dienst eines einzelnen Mannes oder einer Anzahl von Männern in einer Gemeinde lässt sich mit keiner noch so mageren Bibelstelle belegen. Während die Ordination, wie wir gesehen haben, der Versuch ist, alle Kompetenz auf eine bestimmte Klasse zu beschränken und die auf Ermächtigung durch Menschen zu stützen statt auf göttliche Begabung, wird den Menschen, den Schafen Christi, ihre Fähigkeit abgesprochen, seine Stimme zu hören. Das bringt unweigerlich die Neigung hervor, die Aufmerksamkeit auf den Prediger zu fixieren, die doch auf das Wort gerichtet sein sollte, das er bringt. Die Frage ist: Ist er zugelassen? Ob er wahr spricht, wird zurückgestellt hinter der Frage: Ist er ordiniert?, oder ich sollte vielleicht sagen, seine Rechtgläubigkeit ist für alle bereits durch seine Ordination bestätigt.

Paulus, ein Apostel nicht von Menschen noch durch Menschen ernannt, wäre auf dieser Basis nicht annehmbar gewesen. Es gab schon vor ihm Apostel, und er ging nicht zu ihnen oder empfing irgendetwas von ihnen. Wenn es eine Traditionsfolge gab, war er ein Bruch in dieser Folge. Und was er tat, tat er extra, um zu zeigen, dass sein Evangelium nicht nach dem Menschen war (Gal 1,11) und dass es sich nicht auf die Vollmacht von Menschen stützen konnte. Ja, wenn er selbst ein anderes Evangelium verkündigte als das, welches er predigte (da es ja kein anderes gab), ja oder auch ein Engel vom Himmel (wo die Autorität, falls sie in Frage gestellt wurde, doch wohl sein musste), lautet seine ernsthafte Entscheidung: „Der sei verflucht.“

Autorität ist also nichts, wenn es sich nicht um die Autorität des Wortes Gottes handelt. Das ist die Prüfung: Ist es der Schrift entsprechend? Wenn die Blinden die Blinden führen, werden sie nicht miteinander in die Grube fallen? Wer sagt: „Das konnte ich nicht wissen; ich habe einem anderen vertraut“, bleibt damit natürlich nicht vor der Grube bewahrt.

Aber der Ungeistliche und der ungelehrte Laie, wie kann der vorgeben, gleiches Wissen zu haben wie der gebildete und bevollmächtigte Geistliche, der sich ganz den geistlichen Dingen widmet? Tatsächlich hat er es im Allgemeinen nicht. Er weicht zurück vor dem, der es besser wissen muss, und praktisch überdeckt die Lehre des Geistlichen großenteils die Autorität des Wortes Gottes. Nicht, dass tatsächlich auf diese Weise Gewissheit erlangt würde. Er kann es vor sich selbst nicht verbergen, dass die Leute anderer Meinung sind, weise und gut und gelehrt und anerkannt, wie sie sein mögen. Doch hier tritt nun der Teufel dazwischen und – wenn Gott die Vollmachten der Menschen zu einer babylonischen Verwirrung hat werden lassen, wie es geschehen ist – deutet der ungewarnten Seele an, dass die Verwirrung die Folge der Unverständlichkeit der Bibel sein müsse, während man doch da hineingeraten ist, weil man die Schrift außer Acht gelassen hat.

Doch so ist es überall! Meinung, kein Glaube; Meinung, die man zwar haben darf und auf die man natürlich ein Recht hat; und man muss anderen das Recht auf ihre Meinung zugestehen. Man darf sagen „Ich glaube“, solange man damit nicht meint „Ich weiß“. Wer „Wissen“ für sich beansprucht, behauptet damit, er sei weiser, gelehrter, besser als ganze Generationen vor ihm, die anders als er dachten.

Muss ich noch zeigen, wie die Untreue darauf gedeiht? Wie Satan sich freut, wenn es ihm gelingt, das schlichte und nachdrückliche Ja der göttlichen Stimme durch das Ja und Nein einer ganzen Heerschar von misstönenden Kommentatoren zu ersetzen? Glaubt ihr, ihr könnt die Schlachten des Herrn schlagen mit dem Aufflammen menschlicher Meinungen statt mit „dem Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist“? Meint ihr, ein „So spricht Johannes Paul II oder Johannes Calvin oder Martin Luther“ begegnet dem Satan ebenso durchschlagend wie das „So spricht der Herr“?

Wer kann leugnen, dass solche Gedanken in Umlauf sind und dass sie in keiner Weise auf Katholiken oder Ritualisten beschränkt sind? Die Neigung dazu ist leider im Herzen des Unglaubens, der sich beständig vom lebendigen Gott entfernt; sie ist den Seinen von heute so nahe wie zu jeder anderen Zeit in all den Jahrhunderten, durch die seine Kirche gegangen ist; so geeignet zur Unterweisung wie eh und je, so bereit, das Wort zu erfüllen ist: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist.“ Es sind die Augen des Herzens, nicht die im Kopf. Den Weisen und Klugen hat Er verborgen, was Er den Unmündigen kundgetan hat. Die Schule Gottes ist wirkungsvoller als alle Hochschulen zusammengenommen, und hier sind Laien und Geistliche gleich: „Wer geistlich ist, erkennt alle Dinge“, und nur er allein. Es gibt keinen Ersatz für geistliche Gesinnung: Ungeistliche Gesinnung kann nur Gottes Geist allein heilen. Die Ordination, wie sie geübt wird, ist mehr eine Bestätigung, die gegeben wird – der Versuch, zu offenbaren, was vom Geist schon offenbart worden ist oder was überhaupt nicht sein Werk ist, und damit Führer für die Blinden zu beschaffen, bei denen man doch bei aller menschlichen Sorgfalt nicht sicher sein kann, dass sie nicht selbst blind sind.

Ehe ich schließe, muss ich noch einiges über die „apostolische Nachfolge“ sagen. Eine Ordination, die vorgibt, von den Aposteln hergeleitet zu sein, muss notwendigerweise (um folgerichtig zu sein) den Nachfolgegedanken enthalten. Wer anders kann Vollmacht weitergeben (und in den bescheidensten und demütigsten Theorien über die Ordination wird Vollmacht weitergegeben, etwa zu taufen und das Abendmahl auszuteilen) als einer, der selbst für ebendiesen Zweck bevollmächtigt wurde? Es bedarf daher einer Kette von ordinierten Männern, die der Reihe nach einer dem anderen folgen. Die apostolische Nachfolge ist auf der Ebene der Presbyterianer so wichtig wie auf der der Episkopalen. Doch beachten wir nun das Ergebnis. Die Sache hat nichts mehr mit geistlicher Gesinnung und nicht einmal mehr etwas mit Wahrheit zu tun. Ein katholischer Priester kann sie ebenso gut haben wie jeder andere; und tatsächlich ist das Meiste, was wir jetzt um uns sehen, unvermeidlich durch die römische Verkommenheit auf uns gekommen. Mangelnde Frömmigkeit und Reinheit machen aber den Auftrag Christi nicht im Geringsten ungültig. Der Lehrer falscher Lehre kann ebenso sein Botschafter sein wie der Lehrer der Wahrheit. Ja, der Besitz der Wahrheit, verbunden mit der Gabe, damit zu dienen und mit Frömmigkeit, sind eigentlich kein Bestandteil der Beglaubigung eines wahren Botschafters. Er mag all dies besitzen und doch keiner sein. Sie mögen ihm alle abgehen, und er kann dennoch wahrhaftig einer sein.

Wer kann eine solche Lehre glauben? Kann er, der die Wahrheit ist, den Irrtum gutheißen? Der Gerechte die Ungerechtigkeit? Das ist unmöglich. Diese Kirchlichkeit verletzt jedes Moralprinzip und verhärtet das Gewissen, das mit ihr zu tun hat. Denn warum sollten wir sorgsam auf Wahrheit bedacht sein, wenn er es nicht ist? Und wie kann er Botschafter senden, bei denen er nicht erwartet, dass ihnen geglaubt wird? Sein eigenes Zeugnis über einen treuen Zeugen versagt: Denn „wer aus sich selbst redet, sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, dieser ist wahrhaftig, und Ungerechtigkeit ist nicht in ihm“. Seine Prüfung der eigenen Glaubwürdigkeit versagt, denn „Warum glaubt ihr mir nicht, wenn ich die Wahrheit sage?“ war seine Aufforderung.

Nein: Dies Prinzip aufstellen heißt, es verdammen. Er, der das Versagen dessen sah und vorhersagte, was ein klares und überzeugendes Zeugnis für seine Wahrheit und Gnade hatte sein sollen, konnte nicht eine Folge von Lehrern dafür ordinieren, die seinen Auftrag weitertragen sollten, unantastbar für alle nur möglichen Versagen! Ehe noch die Apostel diese Erde verlassen hatten, war das Haus Gottes wie ein „großes Haus“ geworden, und es wurde nötig, sich von Gefäßen zur Unehre darin zu trennen. Er, der seinen Apostel anwies, einen anderen zu unterrichten, er solle „streben nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ – Er konnte uns wohl kaum anweisen, auf Menschen als seine Diener zu hören, denen all dies fremd ist und die trotzdem seinen Auftrag haben. Und so ist bemerkenswert, dass sich im zweiten Brief an Timotheus, wo all dies gesagt wird, keine Rede mehr von Ältesten und ordinierten Männern ist. Es geht um „getreue Menschen“, die gebraucht werden nicht für die Ordination, sondern um ihnen die Wahrheit anzuvertrauen, die Timotheus anvertraut ist: „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue trauen Leuten an, welche tüchtig sein werden, auch andere zu lehren.“

So bestätigt sich Gottes heiliges Wort selbst immer wieder dem Herzen und Gewissen. Das Bemühen, seine Billigung auf eine katholische Priesterschaft oder eine protestantische Hierarchie zu beschränken, versagt aus den gleichen Gründen; denn sie stehen auf gleichem Grund. Ach, das Nikolaitentum ist keine Angelegenheit der Vergangenheit, keine Geheimlehre vergangener Zeiten, sondern ein weitverzweigtes und gewaltiges System des Irrtums und fruchtbar in seinen bösen Ergebnissen. Der Irrtum ist zählebig, aber nicht unsterblich. Ehren wir ihn nicht um seiner grauen Haare willen und „folgen wir nicht der Menge zum Bösen“. Aus gutem Grund sagt der Herr in diesem Fall: „Die ich hasse.“ Wenn Er das tut, sollten wir uns fürchten, mit ihm Gemeinschaft zu haben? Dass gute Menschen darin verwickelt sind, muss jeder zugeben. Es gibt fromme Menschen und wahre Diener Gottes, die unwissend die Livree (Dieneruniform) der Menschen tragen. Möge Gott sie befreien; mögen sie ihre Fesseln abwerfen und frei sein! Mögen sie zur wahren Würde ihrer Berufung sich erheben, nur Gott verantwortlich und wandelnd nur vor Ihm allein!

Andererseits, geliebte Brüder, ist es von ungeheurer Wichtigkeit, dass sein ganzes Volk, all die Seinen, wie unterschiedlich ihre Plätze im Leib Christi auch sein mögen, erkennen müssen, dass sie alle ebenso wirklich Diener Gottes sind, wie sie alle Priester sind. Wir müssen anerkennen, dass jeder Christ geistliche Pflichten hat, die ihn in geistliche Wechselbeziehung zu jedem anderen Christen bringen. Jeder hat das Vorrecht, seinen Beitrag zum gemeinsamen Schatz der Gabe beizutragen, mit der Christus seine Kirche ausgestattet hat. Ja, wer nichts beiträgt, hält tatsächlich das für sich zurück, was er der ganzen Familie Gottes schuldet. Keiner, der auch nur ein Talent hat, ist berechtigt, es darum in ein Tuch zu hüllen: Das wäre einfach Treulosigkeit und Unglauben.

„Geben ist seliger denn Nehmen.“ Brüder in Christus, wann werden wir endlich wach für die Wirklichkeit der Worte unseres Herrn hierin? Wir haben eine nie versiegende Quelle beständiger Freude und Segnung, und wenn wir nur zu ihr kommen, sooft wir durstig sind, sollen von unserem Leib Ströme lebendigen Wasser ausgehen. Die Quelle wird nicht eingeschränkt durch das Gefäß, das aus ihr schöpft: Sie ist göttlich und gehört doch ganz uns – so vollkommen, wie das nur möglich ist! Ach, dass wir mehr von diesem Reichtum wüssten und von der Verantwortung solchen Besitzes in einer dürren und öden Umwelt wie dieser! Ach, dass wir besser die grenzenlose Gnade kennten, die uns zu Kanälen genommen hat für ihren Überfluss unter den Menschen! Wann werden wir uns zum Bewusstsein unserer gemeinsamen Würde erheben? Zur süßen Wirklichkeit der Bruderschaft mit Ihm, der „gekommen ist, nicht dass er sich dienen lassen, sondern dass er diene“? Ach, dass der inoffizielle Dienst zunehme, das Überfließen erfüllter Herzen in die leeren Herzen, so viele rings um uns her sind! Wie sollten wir uns freuen, in einer Welt des Mangels und Elendes und der Sünde beständig Gelegenheit zu finden, dass wir zeigen können, wie fähig die Fülle des Christus ist, all dem zu begegnen und zu dienen!

Das offizielle geistliche Amt ist praktisch Unabhängigkeit vom Geist Gottes. Es bedeutet, man bestimmt, dass ein solches Gefäß überzufließen hat, auch wenn es zu dem Zeitpunkt gerade praktisch leer sein mag; und andererseits, dass ein anderes nicht überfließen darf, wie erfüllt es auch sein mag. Es bedeutet, im Angesicht dessen, der herabgekommen ist, um in Abwesenheit Christi der Bewahrer seines Volkes zu sein, für Ordnung und Erbauung zu sorgen nicht durch geistliche Kraft, sondern durch Gesetzlichkeit. Es bedeutet, Christi Schafe müssen sich irren, wenn sie seine Stimme hören, denn es ist für sie ja, soweit das möglich ist, unnötig gemacht worden, dies zu tun. Damit wird Ungeistlichkeit gebilligt und aufrechterhalten, statt sie zu verdammen und zu meiden.

Es ist schon richtig, dass bei der Handlungsweise Gottes das Versagen aufseiten des Menschen äußerlich sichtbarer werden könnte, denn Gott liegt wenig an einem korrekten Äußeren, wenn dennoch das Herz nicht richtig ist vor Ihm, und Er weiß wohl, dass die Fähigkeit, den korrekten äußeren Schein zu wahren, tatsächlich das wahrhafte Urteil über unseren wirklichen Zustand vor Ihm verhindern kann. Menschen hätten Petrus heftig gescholten für seinen Versuch, über jene Wellen zu laufen, bei dem sein kleiner Glaube so deutlich sichtbar wurde. Der Herr tadelte nur die Kleinheit seines Glaubens, die ihn versagen ließ. Und heute wie zu jeder Zeit würden die Menschen das Boot als Heilmittel gegen das Versagen vorschlagen statt der Kraft, mit der der Herr Petrus stützte, so dass er sehr wohl gehen konnte.

Schließlich müssen wir zugeben: Das Boot kann versagen; Wind und Wellen können es kentern lassen; aber „der Herr in der Höhe ist gewaltiger als die Stimmen großer Wasser, als die gewaltigen Wogen des Meeres“. Haben wir Ihn durch diese vielen Jahrhunderte des Versagens als nicht vertrauenswürdig erwiesen? Geliebte im Herrn, ist es eure aufrichtige Überzeugung, dass es absolut sicher ist, dem lebendigen Gott zu vertrauen? Dann lasst uns nicht an der Darstellung arbeiten, als versagte Er, wie sehr auch dadurch deutlich werden mag, dass wir versagt haben! Lasst uns so handeln, als vertrauten wir Ihm wirklich!


Originaltitel: „Lecture 2. Nicolatianism; or, The Rise and Growth of Clerisy“
aus The Prophetic History of the Church or, „Some evils which afflict Christendom and their remedy, as depicted by the Lord’s own words to the seven churches“

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Übers.: Dieser Satzteil steht nicht in der Elberfelder Übersetzung (CSV).


Hinweis der Redaktion:

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