Ich freue mich über die Demokratie ... (3)
... weil sie Himmelsbürgern eine Möglichkeit bietet!

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 18.09.2004, aktualisiert: 10.05.2021

Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel ist aus dem Holländischen übersetzt (Übersetzungsfehler übrigens nicht auszuschließen). Er berücksichtigt selbstverständlich die holländische und nicht die deutsche politische Situation. So gibt es in den Niederlanden keine 5-Prozent-Hürde, die für kleine (auch christliche) Parteien von besonderer Bedeutung ist. Insofern wird auch dem Zeugnischarakter von christlichen Parteien in Deutschland ein größerer Stellenwert zukommen als in den Niederlanden. Und das Wählen einer bibeltreuen Partei, hat neben dem symbolischem Wert, oft nur die Bedeutung, dass man – durch die Wahlkampfkostenrückerstattung – diese Parteien finanziell unterstützt.

Leitverse: Philipper 3,20; 1. Petrus 2,11

Phil 3,20: Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten.

1Pet 2,11: Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind, …

Demokratie

Nun gibt es noch ein Argument, worauf ich ganz kurz eingehen möchte. Das ist nun die Frage der Demokratie; können wir uns damit überhaupt einlassen? Ich bin tatsächlich aufgewachsen mit dem Gedanken, dass Gottes ideale Regierungsform ein totalitärer Staat ist mit einem „erleuchteten“, nicht selbstsüchtigen und brillanten Herrscher (denk z.B. an König David!), und mit dem Gedanken, dass die Demokratie davon am weitesten entfernt ist. In gewisser Weise glaube ich das auch noch stets. Nur bin ich nicht mehr so naiv, um deswegen die Demokratie abzuweisen. Klar, in der heutigen Haushaltung ist es ein schönes Ideal, nach einem brillanten, vollkommenen, nicht selbstsüchtigen Herrscher Ausschau zu halten. Ich erwarte diesen Herrscher in der Person Jesu Christi. Aber in der heutigen Zeit – vor der Wiederkunft Christi – gibt es einen solchen Herrscher nicht. Stärker noch: Alle totalitären Herrscher – wie intelligent auch immer – haben ihre Macht zum Nachteil des Volkes (selbst David ist diesem Fallstrick nicht entkommen) missbraucht.

Gerade deswegen ist nach einem langen Entwicklungsweg die Demokratie entstanden, um Terror und Unterdrückung so viel wie möglich (mehr ist nicht zu erreichen!) ein Ende zu bereiten. Und so nehmen wir die Demokratie dankbar als ein Geschenk der Gottes Vorsehung an. In unserer heutigen Welt ist die Demokratie die am wenigsten schlechte Regierungsform, dadurch dass sie einerseits die Mächte der Bosheit miteinander im Gleichgewicht hält und anderseits optimale Garantien für den Schutz und die Entfaltung von Minderheiten bietet – auch der Minderheit von bibeltreuen Christen. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, dass Christen nur dann ein ruhiges und stilles Leben führen können – wofür sie nach 1. Timotheus 2,2 auch beten sollen! –, wenn eine demokratische Regierungsform ihnen dazu die Möglichkeit bietet. Weder unter dem Kommunismus noch unter dem Faschismus oder Nationalsozialismus haben die Christen ein stilles und ruhiges Leben gehabt (im Gegenteil, bei den Regimen von rechts hatten sie oft am meisten zu leiden!). Deswegen sind wir Gott zutiefst dankbar für unsere demokratische Regierungsform, um „selbst“ einige faschistische „Christen“ im Zaum zu halten!

Natürlich ist die Demokratie nicht die „beste“, sondern die „am wenigsten schlechte“ Regierungsform, so wie Churchill einmal gesagt hat. Denn in einer stark unchristlichen Gesellschaft ist auch eine Demokratie, wo jedenfalls „50%+1“ die traurigsten unbiblischen Beschlüsse fassen können, nicht ideal. Aber es ist immer noch besser als ein totalitäres System, wo ein Alleinherrscher Spott mit Gott und seinen Geboten treiben kann und Gottes Volk verfolgt. Letztendlich kann „selbst“ die Demokratie die Christen verfolgen, wenn sie nur klein genug an Zahl geworden sind und immer mehr eine irritierende Außenseiterrolle in der Gesellschaft angenommen hat (denk z.B. an das „Antidiskriminierungsgesetz“). Aber selbst dann ist es der Mühe wert, um innerhalb der Möglichkeiten, die die Demokratie uns bietet, unsere Stimme zu erheben (was unter einem totalitären System kaum möglich sein kann).

Ich sage das vor allen Dingen für die Christen, die argumentieren: Ach, warum soll ich wählen gehen? Es bringt nur eine Handvoll bibeltreue Christen in den Gemeinderat, den Landrat, des Parlamentes; was soll das schon ausmachen? So eine Argumentation zeugt nicht von viel Glauben. Ich muss hier immer an einen Johannes den Täufer denken, der geradeheraus gegen König Herodes sagte: „Es ist nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben“ (Mt 14,4). Er hätte doch wissen müssen, dass das wahrscheinlich nicht helfen würde und es für ihn selbst riskant sein würde, dies zu äußern – es kostete ihn in der Tat schließlich seinen Kopf –, aber er tat es trotzdem. Und so bin ich tief dankbar für die Handvoll treuer Brüder dort in der ersten und zweiten Kammer [Anm. d. Red.: niederländisches Parlamentssystem], die natürlich auch ganz positiv und konstruktiv mitarbeiten in der alltäglichen politischen Arbeit, aber darüber hinaus in entscheidenden Momenten, wenn unsere Volksvertretung dabei ist, einen Fehler zu machen, die klare Sprache des Wortes Gottes im Parlament hören lässt. Vielleicht hilft es im Endeffekt nicht viel und vielleicht kostet es ihnen einmal noch den Kopf. Aber sie stehen treu auf ihrem Posten, genauso wie Johannes der Täufer. Ich bin davon überzeugt, dass das Gott wohlgefällig ist.

Der Leser muss mich richtig verstehen: Eine sogenannte „Zeugnis-Partei“ ist streng genommen Unsinn. Wenn ich zeugen will in der Politik, dann kann ich das auch mit einem Banner vor dem Regierungsgebäude tun. Was das betrifft, zieht das Beispiel von Johannes den Täufer natürlich nicht. Aber wir dürfen das Beispiel nicht biblizistisch anwenden, als ob das beweisen würde, dass nur Propheten, nicht aber christliche Politiker ihre Stimme in der Politik hören lassen dürfen. Daniel war ein Prophet, aber er war auch eine Art Minister am Hof des persischen Fürsten. Sicher, er war das gegen seinen Willen, aber er hat es aus Gottes Hand angenommen, dass sie ihn zum Minister gemacht hatten, und er wollte daraus das Beste machen. Und so zeugte er nicht nur allein als Prophet, sondern tat auch sein Leben lang seine tägliche Arbeit als Minister, und auch darin versuchte er ein schrifttreuer Gläubiger zu sein, der nicht versuchte, Persien zu einem jüdischen Staat zu verändern, aber anderseits auch in seiner Arbeit niemals außerhalb des Rahmens seiner schriftgemäßen Grundsätze trat.

Die Mitgliedschaft in der zweiten Kammer ist in der Tat nicht allein dazu da, ein Zeugnis zu geben. Das kann sie auch nicht, denn bei 90% der Arbeit geht es gewöhnlich um das laufende Geschäft, wobei es nur implizit um christliche Grundsätze geht. Es geht meistens um die alltägliche politische Arbeit – aber dann wohl im Rahmen der Grundsätze der Schrift, die für den Politiker selbst bestimmend sind und ab und zu in der Kammer auch explizit nach vorne gebracht werden müssen, wobei er darauf achtet, dass seine Kollegen aus ihrer Weltanschauung heraus daran mitarbeiten, diese Grundsätze bei der Gesetzgebung zur Geltung zu bringen.

Darin liegt für mich die Rechtfertigung für christliche Politik. Das ist nicht ein Streben, das Reich Gottes mit politischen Mittel auf der Erde einzurichten. Das geht nicht, dieses Abzwingen wird Christus selbst tun, wenn Er in Macht und Majestät wiederkommt. Aber christliche Politik ist wohl der Auftrag, um die Grundsätze des Wortes Gottes auf alle Lebensgebiete auszutragen, nicht nur als Zeugnis, sondern durch aktives Mitarbeiten daran, dass die Grundsätze konkret Gestalt bekommen auch in dem Zusammenleben, auch in der Politik.

Schlussbemerkung

Zum Schluss will ich noch darauf hinweisen, dass, auch wenn Christen wählen können und selbst in bestimmter Weise politisch aktiv werden können, das nicht bedeutet, dass alles möglich ist. In der zweiten Kammer mitzusitzen, bedeutet ganz etwas anderes, als teilzuhaben an einer Regierung und für ihr Verhalten mitverantwortlich zu sein. Es ist verständlich und richtig, dass die kleinen christlichen Parteien sich da, wo sie die (seltsame) Möglichkeit zur Regierungsteilnahme bekommen haben, sehr zurückhaltend waren. Hier kommen wir auf den wichtigen Punkt des ungleichen Joches von 2. Korinther 6. Für sich selbst ist es ein schwieriger Vers, nicht nur, was die Politik, sondern auch was das Betriebs-, Schul-, und Vereinsleben betrifft. Oft wird die Auslegung, die jemand von diesem Vers hat, bestimmt durch die darunterliegende Vision vom Zusammenleben, statt dass es umgekehrt ist! Aber dass dieser Vers einen wichtigen Grundsatz beinhaltet, der besonders auch in der Politik von großer Bedeutung ist, das müssen wir uns allezeit vor Augen halten.

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Erschienen in einer Zusammenstellung von Aufsätzen zum Thema Politik von J.J.Frinsel sr. e.a.
Titel: „Vreemdelingschap en politiek“ (1994)

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