Das Geheimnis des Christus
Epheser 3,1-9

Henk Pieter Medema

© SoundWords, online seit: 12.11.2005, aktualisiert: 06.03.2024

Leitverse: Epheser 3,1-9

Eph 3,1-9: Dieserhalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen – (wenn ihr anders gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden, wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, woran ihr im Lesen merken könnt mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus – welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden, wie es jetzt geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geiste: dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium, dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist nach der Wirksamkeit seiner Kraft. Mir, dem Allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, unter den Nationen den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen, und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat.

Wir haben in Epheser 2 deutlich vor Augen bekommen, dass uns – Gläubigen aus den Heiden – zusammen mit den Gläubigen aus Israel aufgrund des Werkes Christi ein Reichtum von völlig neuen Segnungen geschenkt worden ist. Aber wie einzigartig diese Dinge sind, das muss uns Epheser 3 noch weiter auseinandersetzen. Diese Vorrechte sind nämlich nicht allein in dem Sinn einzigartig, dass sie früher nicht bestanden, sondern der Apostel wird nun auseinandersetzen, dass sie in anderen Geschlechtern selbst nicht bekanntgemacht waren. Wir haben schon gesehen, wie alle Anspielungen auf alttestamentliche Prophezeiungen nur Anzeichen waren, dass die „Erfüllung“ so weit über die Prophezeiung hinausging, dass wir eigentlich nicht mehr von Erfüllung sprechen können, so neu und einzigartig sind diese Dinge. Aber nun wird Paulus rundheraus sagen, was der andächtige Leser schon vermutet hat: dass es hier um ein Geheimnis geht, das von Gott einfach noch nicht offenbart war.

Nichts hiervon war „den Söhnen der Menschen“ bekanntgemacht worden. Das ist deutlich eine Anspielung auf die Ausdrücke „Kinder Israel“ und „Menschenkinder“, die wir so oft im Alten Testament finden. Den Heiden, die einfach „Menschenkinder“ waren und nichts mehr als das, war überhaupt nichts offenbart worden; das musste kaum erwähnt werden. Es sieht daher auch danach aus, dass Paulus offensichtlich das Volk Israel auf dieselbe niedrige Ebene stellt wie die Heiden: Alle sind sie nur „Söhne der Menschen“. Von Vorrechten war in dieser Hinsicht keine Rede. Keinem Menschen, sei es Jude oder Heide, war dies offenbart worden. Es war wirklich ein Geheimnis.

Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns das Geheimnis, das Geheimnis seines Willens, bekanntgemacht. Hier wird der Apostel viel konkreter in seinen Mitteilungen, wie diese Bekanntmachung uns erreicht hat: Er sagt, dass das Geheimnis speziell an ihn bekanntgemacht wurde, damit er vor allem den Inhalt davon ans Licht bringen sollte (Eph 3,9).

Vorher schon in diesem Brief, besonders in Epheser 2, hatte er darüber schon „in kurzem“ geschrieben. Wenn dieser Brief in der Gemeinde vorgelesen werden sollte, sollten sie dadurch einigermaßen einen Eindruck von den reichen Schätzen bekommen, die Paulus als Verwalter anvertraut waren. Das Bild eines Verwalters ist hier sehr bedeutsam: Als der durch Gott dazu angewiesene Diener öffnete der Apostel die Schatzkammern des unausforschlichen Reichtums des Christus (Eph 3,8).

Das Geheimnis ist ein Geheimnis, das auf uns Bezug hat, aber zuallererst und vor allem ist es „das Geheimnis des Christus“: Es geht von Ihm aus, hat auf Ihn Bezug und wird durch Ihn offenbart. Der Christus, der Gesalbte, der Mensch des Ratschlusses Gottes, ist der Mittelpunkt von allem.

In anderen Geschlechtern wusste man nichts von diesem Geheimnis, aber jetzt ist es offenbar. Paulus ist dabei das besondere Instrument in Gottes Händen gewesen, denn durch ihn ist es durch die Kraft des Geistes an die heiligen Apostel und Propheten und mittels der ganzen neutestamentlichen Offenbarung schließlich „den Heiligen offenbart“ worden, so wie die Parallelstelle in Kolosser 1,26 sagt.

Das Neue Testament ist uns überliefert durch Apostel und Propheten. Nicht nur Paulus hat über die kennzeichnende neue Offenbarung dieser Haushaltung gesprochen, sondern auch andere. Johannes spricht über das ewige Leben, über den Inhalt der Segnungen, wovon Paulus den Rahmen gezogen hat (siehe z.B. 1Joh 1,2). Auch Petrus schließt an die Schriften von Paulus an (2Pet 3,16). Aber das besondere Instrument, dem Gott die Verwaltung anvertraut hat, ist doch der Apostel Paulus.

Mit drei neuen Begriffen umschreibt der Apostel, was das göttliche Geheimnis für uns beinhaltet. Gerade aus der Tatsache, dass hier Wörter gebraucht werden, die im ganzen Alten Testament nicht zu finden sind, wird deutlich, dass es um vollständig neue Dinge geht. Es werden drei Wörter gebraucht, die im Deutschen anfangen mit der Vorsilbe „mit“ (griechisch syn):

  1. Miterben (gr. synkleronomos)
  2. Miteinverleibte (gr. syssoomos)
  3. Mitteilhaber (gr. summetochos).

Es gibt eine ganze Reihe solcher Wörter im Sprachgebrauch des Paulus. Sie sind auch sehr geeignet, um den Kern seiner Unterweisung deutlich zu machen: die enge Verbindung der Gläubigen mit Christus. Das griechische Wort syn bedeutet nicht allein „mit“ (und deshalb: „mit Christus“), sondern auch „zusammen“. Ein deutliches Bild von der Bedeutung ist „Mitarbeiter Gottes“ (1Kor 3,9): das heißt Arbeiter, die zusammenarbeiten (also Mitarbeiter voneinander) und doch Arbeiter unter Gottes Autorität sind. So ist es auch hier, und zwar in zweierlei Hinsicht: Wir teilen die Reichtümer von Christus, aber wir teilen darin auch zusammen.

  1. Zuallererst sind wir „Miterben“. Christus ist der Erbe aller Dinge (Heb 1,2), und wir dürfen mit Ihm teilen in allem, was Er erworben hat. Wir sind Miterben mit Ihm (Röm 8,17). Über das Erbe hatte Paulus schon in Kapitel 1 gesprochen. Das Unterpfand des Erbes, die Garantie, dass wir alles, was Gott uns verheißen hat, auch tatsächlich bekommen sollen, ist der Heilige Geist, mit dem wir versiegelt sind. Durch die Versiegelung mit dem Heiligen Geist hat Gott uns schon einen „Vorschuss“ gegeben von dem, was Er uns bald in der Zukunft mit Christus geben wird.

    Das Alte Testament kannte die Verheißung, dass die Gläubigen das Land erben sollten (u.a. Ps 37,11). Kein Heide hatte daran Anteil. Es war eine exklusive Verheißung für Gottes Volk. Aber hier im Epheserbrief geht es um ein schier unbegrenztes Erbe. Es ist das Vorhaben Gottes, alles, was in dem Himmel und was auf der Erde ist, unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus. Nun, in Ihm sind wir Erben geworden; so war es in Epheser 1,10.11 gesagt worden. Was für ein Reichtum! Der Apostel geht dann auch auf die Knie, um eindringlich zu beten, dass die Gläubigen verstehen möchten, „was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“ (Eph 1,18) ist. Dieser Reichtum ist so überwältigend, dass es nicht mit ein paar Worten auszulegen ist.

  2. Das Zweite ist eigentlich noch schöner: Wir sind „Mit-Einverleibte“ oder, so wie man auch übersetzen kann, „zusammen ein Leib“. Man kann sich noch vorstellen, dass jemand Erbe wird, aber dabei außerhalb der Familie bleibt. Das ist nicht das, was hier stattfindet. Zusammen mit den Gläubigen aus Israel sind die gläubigen Heiden ein Leib – und für beide Gruppen ist dieses völlig neu. Es war überhaupt nichts Neues, dass die Heiden in Israel einverleibt werden konnten. Das war durch die Jahrhunderte hin geschehen. Beim Kommen Christi gab es Mengen solcher Proselyten und „Gottesfürchtigen“, von denen allein Tausende zu Pfingsten in Jerusalem waren, als der Heilige Geist ausgegossen wurde.

    Aber der Ausdruck „mit-einverleibt“ ist etwas Neues. Selbst das griechische Wort ist neu: Es kommt außerhalb des neuen Testamentes nirgends vor. Für den Leser dieses Briefes klang darin deutlich das griechische Wort sooma = „Leib“ an, und er wird dabei unmittelbar daran gedacht haben, dass der Apostel schon ausführlich Unterweisung über die Gemeinde gegeben hatte. Ausgebreitet beschreibt er jedenfalls in diesem Brief, wie die Gläubigen eine Einheit in dem Leib Christi bilden, wovon Er selbst Haupt ist. Das Alte Testament ist voll von reichen Verheißungen, aber das gab es darin nicht: dass Gläubige aus Juden und Heiden auf der Grundlage von Gleichheit einsgemacht werden sollten miteinander und mit dem verherrlichten Christus im Himmel. Nicht allein die Verwirklichung, sondern selbst die Offenbarung hiervon musste warten, bis Gott die Zeit als gekommen ansah, um dies Paulus zu offenbaren.

  3. Schließlich haben wir Teil bekommen an der Verheißung in Christus Jesus und wieder aufs Neue zusammen. Auch die Bündnisse, an denen die Juden früher wohl und die Heiden kein Teil hatten, waren „Bündnisse der Verheißung“ (Eph 2,12). Aber dies war eine Verheißung, die noch nicht in der Schrift ausgesprochen worden war. Man kann sich vielleicht fragen, wie wir über eine Verheißung sprechen können, wenn es sich um neue Dinge handelt, die wir noch nicht in den Schriften des Alten Bundes finden. Eine Verheißung setzt immerhin voraus, dass sie auch ausgesprochen wird. Eine unausgesprochene Verheißung ist eigentlich keine echte Verheißung. Wenn Gott dann etwas verheißen hat und kein Mensch hat davon gehört, wenn die Verheißung „vor allen Zeitaltern verborgen war in Gott“ (Eph 3,9), wem hat Gott dann etwas verheißen? Wir lesen in Vers 10 über einen „ewigen Vorsatz“ (Eph 3,10). Ein Vorsatz muss nicht ausgesprochen werden; er kann verborgen bleiben. Aber eine Verheißung muss ausgesprochen werden. Gegenüber wem hat Gott die Verheißung dann ausgesprochen?

    Einen ähnlichen Ausdruck finden wir in Titus 1,2, wo gesprochen wird über „das ewige Leben, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor den Zeiten der Zeitalter“, also noch bevor irgendein Mensch da war (siehe auch 1Joh 2,25; vgl. mit Tit 1,2.). Aber es war wohl jemand da! Der Sohn war bei dem Vater. Das Wort war bei Gott. Der ewige Sohn war in dem Schoß des Vaters. Diese Verheißung war so kostbar, dass Gott sie allein an seinen Sohn geben konnte. Und als Er dann gekommen war und das Werk vollbracht hatte, das der Vater Ihm zu tun gegeben hatte, konnte Er die Verheißung als Mensch mit uns teilen. Wir sind dann auch zusammen Teilhaber geworden in Christus Jesus – das heißt in diesem Gesalbten: dem Menschen Jesus –, und diese gewaltige Tatsache wurde gerade in dem Evangelium mitgeteilt, das dem Paulus anvertraut worden war [1Tim 1,11].

Alle diese gewaltigen Segnungen waren in Christus Jesus, aber sie kamen durch das Evangelium zu uns. Christus Jesus ist in seiner eigenen Person die Grundlage und der Mittelpunkt von all diesen Reichtümern, aber das Evangelium ist der Weg, auf dem Gott sie uns offenbaren kann. Gott hat uns nun „gute Dinge mitzuteilen“ (das ist die eigentliche Bedeutung des Wortes „Evangelium“): den unausforschlichen Reichtum des Christus.


Übersetzt aus: De nieuwe Mens, Vaassen (Medema) 1991, S.138ff.

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