Wie bekomme ich eine himmlische Gesinnung?
Hebräer 2,9

Botschafter

© SoundWords, online seit: 06.07.2009, aktualisiert: 17.02.2022

Leitvers: Hebräer 2,9

Heb 2,9: Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt – so dass er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte.

Es ist sehr gesegnet, stets die geeigneten Gedanken und Gefühle in Bezug auf die göttlichen Dinge zu haben, aber die Frage ist: Wie erlangen und wie bewahren wir sie? Wie wir wissen, ist der gesetzliche Geist dazu außerstande; er „gebiert zur Knechtschaft“ (Gal 4,24). Das Gesetz macht niemand glücklich, denn selbst wenn wir es vollkommen halten können, hätten wir doch nur unsere Pflicht getan; wenn wir es aber im Geringsten übertreten, sind wir der Strafe verfallen. Eine Seele, die mit ihren Gefühlen beschäftigt ist, befindet sich in einer noch übleren Lage, denn sie steht unter der Herrschaft ihrer Gefühle, und diese schlagen oft eine verwerfliche Richtung ein, da sie dem Wechsel unterworfen sind.

Aber wie anders ist es, wenn das Herz durch das Werk Christi in der Gegenwart Gottes in Freiheit gesetzt ist! Es ist dann wirklich frei und steht über der Herrschaft seiner Gefühle; es kostet zum ersten Mal die Süßigkeit eines vollkommenen Friedens sowie die Freude, die unaussprechlich und voll von Herrlichkeit ist. Wenn wir Christus als den Auferstandenen im Himmel anerkennen und unser Auge unverrückt auf Ihn gerichtet ist, dann werden wir Gedanken und Gefühle haben, die seiner Stellung droben entsprechen; und diese Gedanken und Gefühle werden in dem Maß beständig sein, als das Anschauen seines Angesichtes von unserer Seite nicht unterbrochen oder vernachlässigt wird. Dann werden wir sowohl die himmlischen als auch die irdischen Dinge so beurteilen, wie Christus selbst sie beurteilt. Wenn das Auge einfältig ist, wird alles in seinem wahren Licht gesehen. „Jetzt aber“, sagt der Apostel, „sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,8.9).

Hier stellt der Apostel uns zweierlei vor Augen: das, was wir sehen, und das, was wir nicht sehen. Wir schauen zur Erde und sehen dort noch nicht alles Christus unterworfen; wir blicken zum Himmel und sehen Ihn dort in Macht und Herrlichkeit. Aber in der Erkenntnis und dem Genuss Christi, des Auferstandenen, betrachtet der Glaube den Schauplatz auf der Erde stets in seinem Verhältnis zu dem, der droben ist. Wenn wir in der unmittelbaren Nähe des Herrn Jesus sind, dann schärft Er unser Auge. Dann betrachten wir Menschen und Dinge als für Ihn bestimmt. Nur in dieser Weise beurteilen wir die irdischen Dinge richtig. Christus befindet sich nicht auf den glänzendsten Schauplätzen der Erde; dort sieht Ihn das Auge nicht. Ich sehe um mich her das geschäftige, emsige Treiben der Menschen, die sich ihrer neuen Erfindungen und Entdeckungen rühmen und sich den Vergnügungen der Welt in die Arme stürzen; aber alles ist eitel und nichtig. Man mag die Herrlichkeiten aller Nationen, Sprachen und Völker an einem Punkt vereinigen, so dass das Auge sie mit einem Mal überschauen kann, aber was ist das alles, wenn wir nicht Jesus darin erblicken? Die blendendsten Erscheinungen verblassen für das Auge des Glaubens, denn der Gedanke an die Abwesenheit des Herrn dämpft den größten Glanz.

Aber empfinden wir das immer so? Es geschieht leider oft, dass Christen sich mit ihrem Herzen so weit von Christus entfernt haben, dass sie gänzlich fortgerissen werden von den Beschäftigungen dieses Lebens und dass einige von ihnen teilnehmen an den glitzernden, prunkvollen, aber armseligen Nichtigkeiten dieser Welt. Was könnte beklagenswerter sein? Sie haben vergessen, dass alles diesseits der Auferstehung den tief eingegrabenen Stempel des Todes trägt. Ein so trauriges Betragen beweist sicher, dass das Herz sich schon längst von Christus entfernt hat und vielleicht von Sünden verunreinigt ist. Denn ein solcher Zustand tritt nicht plötzlich ein, sondern diesen Höhepunkt eines schlechten Wandels erreicht man Schritt für Schritt; und die erste geringste Untreue ist der erste Schritt in dieser Richtung.

Selbst der natürliche Mensch wird anerkennen müssen, dass all dieser Glanz menschlicher Eitelkeit und alles, wonach das Herz trachtet, nicht imstande ist, ihm ein dauerndes Glück zu verschaffen und die fortdauernde Unruhe seiner Seele zu stillen. Aber nach dem Urteil des Glaubens ist alles, worin Christus nicht zu finden ist, eitel und leer; und es ist doch offenbar, dass in allen Herrlichkeiten dieser Welt nirgends seine Hand zu entdecken ist. Denn dies alles ist Ihm noch nicht unterworfen und zeigt daher noch nicht den geringsten Widerschein seiner Herrlichkeit. Wir sollten daher bei allem, was uns anziehen will, die Frage erheben: Wem ist es unterworfen und von wessen Herrlichkeit ist es der Widerschein? Der Glaube wird dann immer die Antwort bereit haben: Was nicht vom Vater ist, ist von der Welt, und was nicht von Christus ist, ist von Satan, und was nicht vom Geist ist, das ist vom Fleisch. „Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“

Wir brauchen nur noch „ein Kleines“ zu warten und der „zukünftige Erdkreis“ wird dem Sohn des Menschen unterworfen sein. Unter dem Ausdruck „zukünftiger Erdkreis“ ist nicht, wie im Allgemeinen angenommen wird, der Himmel und die Hölle zu verstehen, sondern vielmehr die zukünftige Periode in dieser Welt oder das Tausendjährige Reich. Wir können nicht von einem „zukünftigen“ Himmel und einer „zukünftigen“ Hölle sprechen, weil beides jetzt schon besteht. Aber wir wissen alle, dass das Tausendjährige Reich – jene Zeit, in der Christus herrschen wird über die Himmel und die Erde, die in Ihm als unter einem Haupt zusammengefasst sein werden – zukünftig ist. Dann wird es ganz am Platz sein, dass der Gläubige sich an der Welt in all ihrer Herrlichkeit erfreut und mit der ganzen Freude seines Herzens ihre Segnungen genießt. Dann wird der Name des Herrn auf der ganzen Erde herrlich und seine Majestät über die Himmel gesetzt sein (Ps 8). Bis dahin aber muss er die Welt als Pilger und Fremdling betrachten. Unser Bürgerrecht ist im Himmel; wir können nicht Bürger des Himmels und zu gleicher Zeit Bürger der Erde sein. Ehemals waren wir Bürger dieser Welt, jetzt aber sind wir Bürger des Himmels und sollen, solange unsere Füße über diese Welt gehen, als solche wandeln. Wir gehören nicht mehr der alten Welt an, aus der uns der Herr auserwählt hat, sondern sind Bürger der neuen Welt, in die Er uns bringen will. Welch ein Zeugnis hat uns der Heilige Geist von den wandernden Erzvätern bewahrt, von denen wir lesen: „Und wenn sie an jenes [Vaterland] gedacht hätten, von dem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet“ (Heb 11,15.16). Welch ein herrliches Zeugnis geben uns diese Pilger! Glückselig der Gläubige, wenn der Herr sich des Platzes nicht schämt, den der Gläubige in der Welt – oder vielmehr außer ihr – einnimmt!

Richten wir jetzt unsere Blicke auf den zweiten Gegenstand unserer Betrachtung, nämlich auf das, was wir sehen. „Wir sehen aber Jesus.“ Das ist wichtiger als das zukünftige Tausendjährige Reich.

Er, der unsere Sünden auf dem Kreuz trug, der um unsertwillen ein wenig unter die Engel erniedrigt wurde, ist mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt auf dem Thron. Was könnte anziehender sein für das Herz, das in dieser Welt nichts findet, was Wert genug besäße, um sich damit zu beschäftigen? Könnte ein deutlicherer Beweis geliefert werden für die Wahrheit, dass unsere Sünden für ewig weggenommen sind? Das sollte für uns die vollständige Antwort auf jede Frage, die vollkommene Ruhe des Herzens und die lebendige Triebfeder und Quelle unserer Freude und Anbetung sein. Der erste Schimmer von Jesus, des mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Herrn und Heilandes, sollte genügen, um das Herz für immer von einer Welt zu trennen, die Ihn verworfen und gekreuzigt hat, und es praktisch innig mit dem zu vereinigen, was droben im Himmel ist. Der schwächste Strahl, der von dieser Herrlichkeit ausgeht, ist geeignet, die Gedanken und Gefühle des Herzens zu verändern und sie auf den hinzulenken, der droben ist. Alles, was der Liebe würdig ist, ist droben – alles, was uns anzieht, befindet sich droben. Die Beschäftigung mit diesen Dingen ist das einzige Mittel und der einzige Weg zu einer himmlischen Gesinnung. Unser geistlicher Zustand hängt ganz davon ab, ob wir „Jesus … mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ sehen.

Sicherlich gibt es vieles, sehr vieles auf der Erde, was wir lieben und hochschätzen, und vielleicht mögen viele Freundschaften und Verhältnisse da sein, die wir pflegen und unterhalten. Aber vergessen wir nicht, dass wir alles im Licht des auferstandenen Jesus zu beurteilen haben. Jeder Gegenstand, der mich anzieht, sollte stets die Frage in mir hervorrufen: Sind diese Neigungen angemessen angesichts der Tatsache, dass ich mit Jesus verbunden bin? Leider gibt es bei uns oft nichts, was weniger verwirklicht wird als unser Auferstehungsleben.

Stets sollte das lebendige Bewusstsein in unseren Herzen wohnen, dass, als Christus starb, auch wir in Ihm gestorben sind und dass wir durch seinen Tod die alte Welt verlassen haben. „Ich bin mit Christus gekreuzigt“, sagt der Apostel; „nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Aber ebenso sollte uns der Gedanke begleiten, dass wir in Christus wieder auferstanden und in der Macht des Auferstehungslebens in die neue Schöpfung eingetreten sind. „Gott aber … hat uns mit dem Christus lebendig gemacht … und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesu“ (Eph 2,4-6). Wir sind also, wie uns gesagt wird, „in Christus Jesus“; und wenn wir in Ihm sind, so müssen wir auch sein, wo Er ist. Das natürliche Herz ist unfähig, in das Verständnis solcher Wahrheiten einzudringen, aber der Glaube findet darin keine Schwierigkeit. Der Glaube betrachtet die Dinge stets so, wie Gott sie betrachtet.

Was sehen wir, wenn wir unseren Blick auf den mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Jesus richten? Sehr viel! Wir sehen dort unseren Platz und unser Bild in Ihm. Wie einfach und doch von welcher Tragweite ist das. Hier ist der Platz, an dem der Glaube die ihm eigentümliche Macht und Tätigkeit entfaltet. Christus ist der göttliche Ausdruck, die vollkommene Erklärung der Stellung jedes Christen in der Gegenwart Gottes. Welch eine herrliche Wahrheit ist das, und welche Macht übt sie aus, wenn sie mit einem geistlich gesinnten Herzen aufgenommen und in Gemeinschaft mit dem Herrn genossen wird! Je mehr wir Ihn anschauen, desto fester und dauernder richtet sich der Blick auf Ihn und desto mehr tragen unsere Gedanken und Gefühle einen himmlischen Ausdruck zur Schau. „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2Kor 3,18). Das ist der einzige Weg zu einer geistlichen Gesinnung, der einzige Pfad zu wahrer Glückseligkeit, der einzige Grund einer dem Himmelsbürger geziemenden Anbetung und die einzige Quelle einer fortdauernden Freude im Herrn.

Hier ist der Ruhepunkt für jeden, der niedergeschlagen ist. Darum lasst uns inmitten des Bösen, das uns umgibt und das uns laut bezeugt, dass dem Herrn Jesus noch nicht alles unterworfen ist, unverwandt unseren Blick auf den richten, der einst ein wenig unter die Engel erniedrigt war, jetzt aber mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt auf dem Thron zur Rechten der Majestät in der Höhe sitzt. Dort droben bei Ihm ist alles in Ordnung. Und welch eine wunderbare Wahrheit, dass es mit Ihm nicht anders ist als mit uns, obwohl wir noch nicht in Wirklichkeit die glückselige Stätte unserer Heimat droben erreicht haben. Aber „wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Sein Titel ist unser Titel. Wenn wir unverwandt unseren Blick auf Ihn gerichtet haben, dann geht der Fuß sicher über die dornenreichen Wege dieser Wüste. Dann gibt es kein Schwanken, kein Straucheln; für den Glauben ist der Weg stets gebahnt, und alle Dornen sind niedergetreten, alle Tiefen ausgefüllt, alle Klippen weggeräumt. Darum, wie oft auch unser Auge durch das Umhersehen nach unwürdigen Gegenständen unser Herz verleitet haben mag, so lasst uns doch von jetzt an unseren Blick unverwandt auf das freundliche Angesicht Jesu richten, und unser Herz wird mit Freude, Trost und Kraft erfüllt sein. Es bleibt eine unumstößliche Wahrheit, dass der Gegenstand, der das Auge fesselt, immer seinen Einfluss auf das Herz ausüben wird. Ist der Gegenstand unseres Blickes nicht würdig, dann wird der kämpfende Arm entkräftet, der pilgernde Fuß gelähmt und das Zeugnis ohne Wirkung bleiben.

„Wie er ist, so sind auch wir in diese Welt“ (1Joh 4,17). Wie klar bezeichnet dieser Ausdruck unsere Stellung! Und dieses Wort bleibt Wahrheit immer und ewiglich, denn es ist das Wort Gottes. Könnte unsere ewige und lebendige Vereinigung mit Christus deutlicher ausgedrückt werden? Gewiss nicht. Der Heilige Geist selbst versichert uns, dass, gerade so wie Christus ist inmitten der Herrlichkeit und der Segnungen des Himmels, auch wir sind in den Augen Gottes, obgleich wir noch in großer Schwachheit durch eine Welt gehen, in der Sünde, Tod und Gericht noch nicht aufgehoben sind. Wie reich ist doch die Gnade! Und alles ist das Werk dessen, der ein wenig unter die Engel erniedrigt, nun aber mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt worden ist. Wie ermutigend sind daher die Worte des Apostels, wenn er unbekümmert um das, was ihn in dieser Welt des Verfalls umgibt, die Worte ausruft: „Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war wegen des Leides des Todes, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ Ja, wir sehen Jesus und in Ihm unseren Platz und unser Bild. Lassen wir uns doch nicht dieser vom Himmel herabströmenden Segnung berauben, wie schwach wir uns auch in uns selbst fühlen und wie vielfachen Versuchungen wir auch ausgesetzt sein mögen!

Möchten wir doch stets mit Ruhe, mit Zuversicht, mit Ausharren und einem glücklichen Herzen unseren geliebten mit Ehre und Herrlichkeit gekrönten Herrn anschauen! Möchten wir uns doch auch daran erinnern, dass wir, wenn wir Ihn in seiner Herrlichkeit und Schönheit schauen, in gewissem Sinne uns selbst sehen! Wie der Himmlische (ist) so auch die Himmlischen (1Kor 15,48). Die beiden Stellen, bei denen wir verweilt haben, sind in der Tat geeignet und dazu bestimmt, unsere Seele zu stärken und mit Dank und Anbetung zu erfüllen. Christus ist Herrlichkeit für das Auge und das Wort Christi für das Herz. Hätte der auf dem Meer wandelnde Petrus sein Auge auf die Person Christi und sein Herz auf das Wort Christi „Komm!" gerichtet, so würde er im Sturm so sicher über die Wellen geschritten sein wie der Herr Jesus selbst.


Originaltitel: „Wir sehen Jesum“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1870, S. 32–38


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