Das Fragen nach dem bekannten Weg
4. Mose 22

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© SoundWords, online seit: 28.12.2010, aktualisiert: 02.04.2023

Leitverse: 4. Mose 22

Die Geschichte Bileams enthält für unser tägliches Leben so wichtige Unterweisungen, dass es wohl der Mühe wert ist, einige Augenblicke dabei zu verweilen. Uns werden darin die Ursachen und die Folgen eines Wandelns im Nichtbefolgen der Gebote des Herrn deutlich vor Augen gestellt. „Alle Schrift ist von Gott, eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2Tim 2,16). Wir wollen im Blick auf diese Wahrheit die Geschichte Bileams lesen und betrachten, und das wird uns gewiss von reichem Segen sein.

Die Kinder Israels waren bis zu den Grenzen des verheißenen Landes gekommen und hatten in den Ebenen Moabs ihr Lager aufgeschlagen. Nun wurde Balak, der Moabiter, beim Anblick der Israeliten nicht wenig besorgt und sandte daher Boten zu Bileam mit folgendem Auftrag: „Siehe, ein Volk ist aus Ägypten gezogen; siehe, es bedeckt die Fläche des Landes, und es liegt mir gegenüber. Und nun, komm doch, verfluche mir dieses Volk, denn es ist stärker als ich, vielleicht gelingt es mir, dass wir es schlagen und ich es aus dem Lande vertreibe; denn ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht“ (4Mo 22,5.6). Das kann mit Recht eine Botschaft des Teufels genannt werden. Der Feind des Volkes Gottes brauchte Balak und wollte Bileam gebrauchen, um das Volk zu verfluchen und zu vertilgen.

Wie aus der ganzen Geschichte hervorgeht, war Bileam mit dem Gott Israels bekannt. Er wusste sehr gut, mit welch großer Macht der HERR dieses Volk aus Ägypten befreit und durch das Schilfmeer geführt hatte. Wäre also wahre Gottesfurcht in seinem Herzen gewesen, so hätte er wohl erkannt, dass der HERR es unmöglich zulassen könnte, dass dieses von Ihm so wunderbar geleitete Volk verflucht und vertilgt würde. Doch wahre Gottesfurcht war bei Bileam nicht zu finden – dafür werden wir noch sichere Beweise finden –, und darum sagt er: „Übernachtet hier diese Nacht, und ich werde euch Antwort bringen, so wie der HERR zu mir reden wird“ (4Mo 22,8).

Wie mancher ähnelt Bileam! Wie mancher kennt die List des Feindes nicht, weil er nicht in Gemeinschaft mit Gott ist! Wenn wir mit dem Herrn wandeln, dann wandeln wir im Licht, und das Licht macht die Finsternis offenbar. Im Licht Gottes erkennen wir die Absichten Satans. Doch oft sind wir in Verlegenheit und fragen, was vom Teufel und was von Gott kommt. Diese Frage ist unnötig, wenn wir in Gemeinschaft mit Gott wandeln. Ist unser Auge einfältig, so wird unser ganzer Leib Licht sein.

Gott kam bei Nacht zu Bileam und sagte zu ihm: „Du sollst nicht mit ihnen gehen; du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet“ (4Mo 22,12). Das war eine deutliche Sprache, die keine Zweifel erlaubte. Sie enthielt ein bestimmtes und eindeutiges Verbot, und das hätte für Bileam genügen sollen. Und wirklich, er gehorcht und geht nicht mit den Boten Balaks. Er unterwirft sich dem Willen des HERRN. Ob es wohl aus einem guten Beweggrund hervorging? War es die Furcht Gottes, die ihn dazu brachte? Die Geschichte zeigt uns deutlich, dass es nicht so war. Schon die Worte, die er an die Boten richtet, verraten uns den Zustand seines Herzens: „Zieht in euer Land; denn der HERR hat sich geweigert, mir zu gestatten, mit euch zu gehen“ (4Mo 22,13). Man hört aus diesen Worten, wie verdrossen er ist, dass er nicht mit ihnen gehen darf: „Der HERR hat sich geweigert.“ Er wäre gern mitgegangen, aber er durfte nicht. Er fürchtete die Folgen, den Zorn des HERRN. Ein Herz, das in Übereinstimmung mit dem Herrn ist, führt keine solche Sprache, sondern sagt mit Joseph: „Wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen?“ Das wusste Satan nur zu gut. Er wusste, dass Bileams Herz den Lohn der Ungerechtigkeit liebte, und darum kommt er zum zweiten Mal mit derselben Botschaft zurück. Er hatte deutlich erkannt, dass in Bileams Worten „Der HERR hat sich geweigert“ zu lesen war, dass er lieber mitgegangen wäre. Darum lässt Balak ihm sagen: „Lass dich doch nicht abhalten, zu mir zu kommen“ (4Mo 22,16). Wie listig ist doch der Teufel! Und wie schlau versteht er, auf den Zustand zu wirken, in dem sich das Herz gerade befindet!

Welch eine ernste Warnung ist dieses für uns! Wir können versichert sein, dass der Teufel von uns ablässt, wenn er merkt, dass wir nicht auf seine Stimme lauschen. Sind wir bereit, den Weg Gottes zu gehen und seinen Willen zu tun, dann sind die Versuchungen des Teufels wirkungslos und er stellt sie ein. Doch wenn er sieht, dass, wenn auch unser Mund diese Versuchung abweist, unser Herz nach der uns vorgestellten Sache verlangt, dann kehrt er beständig wieder zurück und wiederholt seine Angriffe so lange, bis wir in seinen Stricken gefangen sind. Es kommt daher immer darauf an, ob wir mit einem wahrhaftigen Herzen für den Herrn leben. Dann werden wir auch mit Freuden und keineswegs gezwungen die Versuchungen Satans abweisen können.

Als nun die Boten Balaks zum zweiten Mal zu Bileam kamen, sagte er: „Wenn Balak mir sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so vermöchte ich nicht den Befehl des HERRN, meines Gottes, zu übertreten, um Kleines oder Großes zu tun“ (4Mo 22,18). Das war eine feste Sprache, wird vielleicht mancher ausrufen. O ja, aber der Schein trügt. Der Mund kann oft sehr schöne und fromme Worte aussprechen, während das Herz mit ganz anderen Dingen erfüllt ist. Wäre das Herz Bileams mit seinen Worten in Übereinstimmung gewesen, so hätte er die Boten Balaks augenblicklich zurückgeschickt. Doch was tut er? Auf seine stolze Weigerung lässt er sofort die Worte folgen: „Und nun bleibt doch hier, auch ihr, diese Nacht, und ich werde erfahren, was der HERR ferner mit mir reden wird“ (4Mo 22,19). Aber was hat der HERR noch weiter zu sagen? Hat Er nicht ausdrücklich gesagt: „Du sollst nicht mit ihnen gehen; du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet“? Kannte denn Bileam den wohlgefälligen Willen Gottes nicht? Gewiss. Aber warum sendet er denn die Boten nicht sofort zurück? Warum bleibt er nicht einfach bei den Worten, die er zu Anfang gesprochen hat? Warum lässt er sie noch eine Nacht bleiben? Ach, sein Herz zieht ihn nach Moab, es verlangt nach den Geschenken Balaks. Die Welt und ihre Schätze hatten einen so großen Wert für sein Herz, dass er nicht widerstehen konnte. Mit einem Wort, er liebte den Lohn der Ungerechtigkeit, wie der Apostel Petrus uns mitteilt. Sein Mund sprach zwar fromme Worte, aber sein Herz war fern von Gott. Er verlangte nach Silber und Gold, obwohl er, nach seinen Worten zu urteilen, keinen Wert darauf legte. Die Boten mussten noch über Nacht bei ihm bleiben, weil er hoffte, dass der HERR ihm gestatten würde, mit nach Moab zu ziehen. Wiewohl er den Willen Gottes genau kannte, wollte er dennoch noch einmal nach Gottes Willen fragen. Das ist aber ein Fragen nach dem bekannten Wege, und es offenbart stets die Abneigung des Herzens, den Weg zu gehen, den wir nach dem Willen des Herrn gehen sollen.

Wie oft geschieht aber Ähnliches bei den Christen! Wie oft fragt man nach dem bekannten Weg! Man kennt den Willen des Herrn oft sehr gut, man hat jedoch keine Lust, diesen Willen zu tun, weil das Herz durch die Welt und ihre Lust angezogen wird. Was tut man dann? Natürlich wäre es zu grob, wenn man sagen wollte, dass man keine Lust habe, den Willen Gottes zu tun. Darum sucht das arglistige Herz nach einem Ausweg. „Für kein Geld in der Welt möchte ich gegen den Willen des Herrn handeln“, ruft man aus, „wenn ich nur wüsste, was der Herr wollte, dann schlüge ich sicher diesen Weg ein.“ Solche Worte klingen allerdings sehr gottesfürchtig, aber sie verbergen leider nur zu oft die Abneigung des Herzens. Man sucht sich selbst zu überreden, dass man bereit sei, den Willen des Herrn zu tun, und doch beweist das ständige Fragen um Rat nur zu deutlich, dass man in Wirklichkeit keine Lust hat, den Weg zu gehen, den uns der Wille Gottes vorzeichnet.

Nehmen wir ein Beispiel. Ein Christ hat eine starke Zuneigung für eine unbekehrte Person in sich aufkommen lassen. Er weiß sehr gut, dass es gegen den Willen des Herrn ist, mit einer Unbekehrten in den Ehebund zu treten. „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen“, hat der Herr gesagt. Das ist ein bestimmtes Gebot, das keine Zweifel zulässt. Wenn nun die Furcht Gottes in seinem Herzen wohnte und es seine Lust wäre, den Willen des Herrn zu tun, so würde er eine solche Neigung sofort als unerlaubt verurteilen. Aber das tut er nicht, sondern versucht auf allerlei Weise, diesen Schritt zu rechtfertigen. Er fragt beständig um Rat, und wenn ihm dieser nach der Heiligen Schrift erteilt wird, ist er unzufrieden. Vielleicht bittet er den Herrn, Er möge der Eheschließung ein Hindernis in den Weg legen, falls sie nicht nach seinem wohlgefälligen Willen sei. Doch wie fromm solche Worte auch sein mögen, so geschieht doch alles nur, um das Gewissen zum Schweigen zu bringen und dann der Lust des Herzens zu folgen.

Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Ein Christ will sein bisheriges Geschäft aufgeben und Handel treiben. Sein Gewissen sagt ihm, dass die Beweggründe, die ihn dazu leiten, verkehrt sind. Hochmut, Habsucht und Weltsinn sind die Quellen; er hat an seinem täglichen Brot nicht genug und will mehr verdienen. Er weiß wohl, dass das Wort Gottes solche Grundsätze verurteilt, doch sein Herz ist von seinem Vorhaben so sehr erfüllt, dass es ihm unmöglich ist, damit zu brechen. Was tut er nun? Er geht zu den Brüdern und fragt um Rat. Er sagt, dass ihm die Sache nicht ganz klar sei, dass er nicht recht wisse, was er tun solle, und dass er darum den Rat anderer einhole. Wenn nun die Brüder ihm von seinem Vorhaben abraten, ist er dann zufriedengestellt? Keineswegs. In seinem Herzen verlangt er danach, sein Vorhaben zur Ausführung zu bringen, nur wagt er es nicht, solange nicht auch andere seinen Schritt billigen. Er geht darum gerade zu denen, von denen er hofft, dass sie ihm Ratschläge nach seinem Willen erteilen. Erreicht er auf diesem Wege seinen Zweck, so ist er aufs Höchste erfreut und sucht sich selbst zu überreden, dass jetzt alles in Ordnung sei. Unglücklicher Zustand! Man kennt den Willen des Herrn, und dennoch fragt man um Rat. Ist das nicht ein Fragen nach einem bekannten Wege? Und verrät solches Fragen nicht die Abneigung unseres Herzens, das zu tun, was dem Herrn wohlgefällig ist? Ja, in einem solchen Fall gebraucht man wohl schöne und fromme Worte, aber dahinter verbirgt man nur den eigenen Willen und die Härte des Herzens. Wie bedauernswert sind solche Zustände! Möchten wir doch alle lernen, solche Wege vor Gott zu verurteilen, damit wir noch beizeiten bewahrt bleiben vor unausbleiblichen, traurigen Folgen!

Die Folgen eines solchen Zustandes sind höchst traurig. Das sehen wir bei Bileam. Sein Herz sehnte sich nach Moab, darum ging er nochmals zu Gott und fragte nach dem bekannten Wege. Und was tut Gott? „Da kam Gott des Nachts zu Bileam und sprach zu ihm: Wenn die Männer gekommen sind, um dich zu rufen, so mache dich auf, gehe mit ihnen; aber nur dasjenige, was ich dir sagen werde, sollst du tun“ (4Mo 22,20). Oberflächlich betrachtet ist dies eine sehr seltsame Handlungsweise. Zuerst sagt der HERR: „Du sollst nicht mit ihnen gehen“, und nun sagt Er: „Mache dich auf, gehe mit ihnen.“ Wenn wir jedoch bedenken, was in der Zwischenzeit geoffenbart worden war, dann wird uns die Handlungsweise des HERRN durchaus nicht befremden. Die Worte und Werke Bileams hatten unzweideutig bewiesen, dass er nur gezwungenermaßen zu Hause geblieben war. Sein Herz verlangt nach den Geschenken Balaks. Obwohl Gott gesagt hatte, dass er nicht gehen sollte, ließ er die Boten zum zweiten Mal in seinem Haus übernachten, um nochmals den HERRN zu fragen. Darauf sagt ihm der HERR: „Gehe mit ihnen.“ War ein anderer Weg möglich? Nein, denn Gott will keinen gezwungenen Dienst; Er will ein vollkommenes und ungeteiltes Herz. Der Herr sagt mit anderen Worten: „Wenn du durchaus willst, so mache dich auf; du wirst früh genug die Folgen davontragen.“

Ebenso ist es mit uns. Haben wir keine Lust, den Willen des Herrn zu tun, und bleiben wir nur aus Furcht vor der Strafe äußerlich auf dem guten Weg und kehren wir immer wieder zurück, um nach dem Willen des Herrn zu fragen, dann sagt der Herr endlich: „Tu, was du willst, gehe deinen eigenen Weg!“ – Du willst eine unbekehrte Person heiraten. Du weißt, dass das gegen den Willen Gottes ist, doch du hast allerlei Entschuldigungen; du redest dir ein, dass es doch vielleicht noch gut sein könnte und dass du wohl gar noch das Mittel zur Bekehrung dieser Person sein könntest. Dann lässt Gott es dir vielleicht endlich zu, damit du durch die traurigen Folgen deiner Torheit zu einer wirklichen Demütigung kommen möchtest. – Oder willst du irgendein Geschäft beginnen. Man hat dich aus guten Gründen davor gewarnt. Dein eigenes Gewissen sagt dir, dass es nicht gut ist. Doch dein Herz ist ganz und gar davon erfüllt und du willst nicht davon zurücktreten. Dann lässt der Herr vielleicht die Umstände so zusammentreffen, dass du darin seine Anerkennung deines Vorhabens zu erkennen meinst. Er lässt dir gleichsam sagen: „Beginne, gehe deinen Weg!“ Und du beginnst, doch ach, nur um bald einzusehen, wie sehr du dich getäuscht hast. Der Herr kann unmöglich anders handeln. Durch das wiederholte Fragen nach dem bekannten Weg bekundet man nur seine Abneigung, den Willen Gottes zu tun, daher ist kein anderer Weg zur Heilung möglich. Der Herr gibt darum schließlich deinem Verlangen nach, damit du durch die Umstände deine Torheit einsehen lernst. Wenn der Herr sieht, dass unsere Füße zwar auf dem rechten Weg wandeln, aber unser Herz weit davon entfernt ist, dann lässt Er es zu, dass unsere Füße dahin schreiten, wo unser Herz sich befindet. Sind unsere Füße bei den Kindern Gottes, während unser Herz mit der Welt liebäugelt, dann lässt der Herr es zu, dass auch unsere Füße in die Welt kommen. Was nützt es auch, ob du äußerlich mit dem Herrn wandelst, aber innerlich in der Welt bist? Dann ist es besser, dass du auch äußerlich in der Welt lebst, denn dann kannst du dich und andere nicht mehr täuschen, und dann ist noch Aussicht vorhanden, dass du zur Erkenntnis deines schlechten Zustandes kommst.

Beachten wir jedoch, dass ein solches Nachgeben vonseiten Gottes ein über uns verhängtes Gericht ist. Du hast auf seine Stimme nicht hören wollen, du hast deinen eigenen Willen durchgesetzt – nun, wer nicht hören will, muss fühlen. Es gibt kein anderes Mittel, um dich zur Einsicht zu bringen, als dich die traurigen Folgen deiner Verkehrtheit fühlen zu lassen.

In seiner Freude darüber, dass sein Wunsch erfüllt wurde, hatte Bileam seine Eselin gesattelt und sich auf den Weg gemacht. Doch kaum ist er ausgezogen, da entbrennt der Zorn des HERRN, weil er ausgezogen ist: Der Engel des HERRN tritt ihm in den Weg. Dasselbe wirst auch du erfahren. Kaum hast du die Ehe geschlossen oder dein Geschäft begonnen, so tritt der Herr dir mit seiner züchtigenden Hand entgegen. Allerlei Widerwärtigkeiten dringen auf dich ein. Deine Ehe ist nicht glücklich, in deinem Geschäft geht es nicht vorwärts. Und wie bei Bileam werden die Umstände je länger desto schwieriger. Erst trat ihm der Engel auf offenem Weg entgegen, dann zwischen zwei Mauern, wo sein Fuß gegen die Mauer geklemmt wurde, und endlich an einem engen Ort, wo er weder zur Rechten noch zur Linken ausweichen konnte.

Aber wozu dies alles, fragst du vielleicht? Antwort: Der Herr will dir die Augen öffnen. Er will dich erkennen lassen, wie töricht und verkehrt du gehandelt hast, wie du unter dem Schein der Frömmigkeit deinem eigenen Willen gefolgt bist und nach deinen eigenen Gedanken gehandelt hast. Aber ach, welche Mühe kostet Ihn das oft! Wie blind sind wir oft in Bezug auf uns selbst. Haben wir endlich unser Ziel erreicht, dann überwältigt uns die Freude darüber oft so sehr, dass wir die Schwierigkeiten, die uns auf dem Wege begegnen, keineswegs als von der Hand des Herrn kommend betrachten, sondern sie den verschiedensten Umständen zuschreiben. Bileam dachte nicht daran, dass der Zorn des HERRN über ihn entbrannt sein könnte; er war über seinen Gang nach Moab so sehr erfreut, dass jedes Hindernis auf dem Weg seinen höchsten Unwillen wachrief. Ach, wie oft handeln wir in ähnlicher Weise! Wir werfen die Schuld auf andere Menschen – der Mann auf seine Frau, die Frau auf ihren Mann, der Kaufmann auf die Zeitverhältnisse oder auf die Betrügerei der Menschen –, und die Hand des Herrn wird nicht gesehen. So wie Bileam seine Eselin schlug, so eifern wir über die Umstände; wie er das arme Tier erwürgen wollte, so sind wir beschäftigt, die Umstände und Menschen, wenn möglich, aus dem Weg zu räumen. Ach, wie blind ist unser Auge, wie verkehrt unser Herz!

Doch zu unserem Glück hört der Herr nicht auf. Nein, Er hat sein Ziel, und dieses Ziel muss erreicht werden. Wenn wir der ersten Ermahnung kein Gehör schenken wollen, dann folgen mehrere. Bringen uns kleinere Schwierigkeiten nicht zum Nachdenken, dann folgen größere. Gott lässt nicht von uns ab. Welche Gnade! Er hat uns lieb, und mögen wir noch so verkehrt und halsstarrig sein, so bringt Er uns dennoch dahin, wo Er uns haben will. Zwar ist es traurig, dass dies auf so schwierigem Weg geschehen muss. Wenn wir in Einfalt mit Ihm wandeln und uns seiner Leitung übergeben würden, dann wären solche Wege nicht nötig. Hüten wir uns vor dem Gedanken, als ob unsere Heiligung nur auf so schwierigen Wegen zu bewirken sei. O nein, es ist eine große Betrübnis für Gott, wenn Er solche Wege mit uns gehen muss. Wenn sich bei uns Unterwürfigkeit und wahre Abhängigkeit von Ihm zeigt, dann würde Er uns mit ganz anderen Dingen bekanntmachen. Er würde mit uns, wie einst mit Abraham, reden können, wie ein Freund mit seinem Freund redet. Er würde uns seine Gedanken mitteilen können. Alles dieses verhindern wir durch unsere Verkehrtheit, und die in einem solchen Zustand verlebte Zeit ist verlorene Zeit, von der wir in der Ewigkeit keine Früchte ernten werden.

Wie beklagenswert die Zustände, die Gott zu solchen Wegen zwingen, jedoch auch sein mögen: Er liefert dadurch, dass Er uns dennoch nicht uns selbst überlässt, immer neue Beweise seiner unendlichen Liebe. Er wird uns dahin bringen, wohin Er auch Bileam gebracht hat, der schließlich ausrufen musste: „Ich habe gesündigt“ (4Mo 22,34)! Ja der Herr lässt es so weit kommen, dass wir endlich keinen Ausweg mehr sehen, dass die Mühsale so groß und so zahlreich werden, dass wir weder zur Rechten noch zur Linken ausweichen können. Dann beginnen die Umstände zu uns zu reden, bis wir so weit sind, dass wir nicht mehr die Hand des Menschen, sondern die Hand des Herrn in allem sehen. Dann wird uns klar, dass Gott seine Zuchtrute über uns erhoben hat und dass darum alles verkehrt gegangen ist. Dann beugen wir unser Haupt und unsere Lippen öffnen sich zu dem Ausruf: „Ich habe gesündigt!“ Dahin muss es kommen. Gott will, dass wir unsere Sünden erkennen und vor Ihm bekennen und uns selber richten. Oh, möchte es doch mit allen dahin kommen!

Geliebte Leser, diese ernste Geschichte Bileams ist uns zur Warnung und Belehrung durch den Heiligen Geist mitgeteilt worden. Möchte sie doch in Wahrheit für unsere Seelen von Segen sein! Bist du auf einem verkehrten Wege, bist du deinem eigenen Willen gefolgt, hast du einen eigenen Weg eingeschlagen und bist dadurch in allerlei Schwierigkeiten geraten, dann bitte ich dich: Suche die Schuld bei dir und nicht bei anderen Menschen oder in den Umständen. Bedenke, dass der Herr dir widersteht und du darum solche Erfahrungen machen musst. Wirf dich vor Ihm nieder und rufe: „Ich habe gesündigt!“

„Und dann?“, wirst du vielleicht fragen. Dann wird der Herr dir zeigen, welchen Weg du einschlagen sollst. Vielleicht ist es sein Wille, dass du den bisher verfolgten Weg verlassen sollst, vielleicht auch, dass es nicht geschehen soll. Beides ist möglich. Elia floh aus Unglauben vor lsebel und ging vierzig Tage und vierzig Nächte durch die Wüste, bis er an den Berg Horeb kam. Und als Gott ihn dort zur Erkenntnis seines Irrtums gebracht hatte, musste er vierzig Tage und vierzig Nächte durch die Wüste zurück bis nach Samaria gehen. – Bileam hingegen wurde nicht zurückgesandt, sondern der HERR sagt zu ihm: „Gehe mit den Männern; aber nur dasjenige, was ich dir sagen werde, sollst du reden“ (4Mo 22,35). Der HERR wollte Bileam gebrauchen, um dem heidnischen König seine Gedanken über Israel mitzuteilen und die herrliche Weissagung in Bezug auf den Messias zu offenbaren. So wurde also Bileam zur Verherrlichung Gottes nach Moab gesandt.

Ebenso geht es mit uns. Oft sendet der Herr uns zurück, wenn wir einen verkehrten Weg eingeschlagen haben. In diesem Fall gebietet Er uns, unseren Handel wieder aufzugeben und unsere Geschäfte abzubrechen. Oft geschieht es jedoch auch, dass wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen sollen, um inmitten der Schwierigkeiten den Herrn zu verherrlichen. Wie nötig ist es daher, in völliger Abhängigkeit den Herrn zu fragen: „Herr, was willst Du, dass ich tun soll?“ Wir sind oft der Meinung, dass wir den eingeschlagenen verkehrten Weg sogleich verlassen müssten, wenn uns die Schwierigkeiten zum Nachdenken gebracht haben. Das ist auch oft weit bequemer, als darin auszuharren. Doch unsere Gedanken sind nicht die Gedanken des Herrn. Er allein weiß, was gut und nötig für uns ist. Und sind wir wirklich abhängig von Ihm, dann wird Er uns schon den rechten Weg zeigen. Wir müssen uns daher nicht nur demütigen und, wenn wir verkehrte Wege gegangen sind, unsere Sünden bekennen, sondern wir müssen uns auch ganz dem Herrn übergeben, damit Er uns auf seinen Weg leiten kann. Der Herr schenke uns dazu seine Gnade! Aber vor allen Dingen möge Er uns bewahren vor Eigenwillen und vor dem Fragen nach dem bekannten Weg, damit Er nicht gezwungen ist, uns durch schwierige Wege dahin bringen zu müssen, wo Er uns haben will. 

Möge diese Geschichte uns zur Warnung dienen und uns anspornen, mit ungeteiltem Herzen für den Herrn zu leben und in seiner Gemeinschaft zu wandeln! Dann wird der Herr auch uns, wie einst Abraham, zu seinen Vertrauten machen, und wir werden all die geistlichen Segnungen, die Gott in Christus für uns bereitet hat, reichlich genießen.


Originaltitel: „Das Fragen nach dem bekannten Wege“
aus Botschafter des Heils, 1869, S. 29–37

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