Gibst du dich dem Herrn völlig hin?
Biblische Vorbilder für Hingabe

Walter Thomas Turpin

© SoundWords, online seit: 24.11.2014, aktualisiert: 29.05.2022

Leitverse: 1. Samuel 17,48; 18,4; 31,1-6; 2. Samuel 1,11-27; Johannes 20,11-18

Zwei Arten von Hingabe

Unser Thema heute Abend ist: die wahre Quelle und der Beweggrund der Hingabe und wie Hingabe belohnt wird. Dazu möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die [oben genannten] Bibelstellen lenken, die ich gerade vorgelesen habe. Sie zeigen zwei Arten oder zwei Aspekte der Hingabe, die in der Bibel zu finden sind. Der Herr hat es gewollt, dass diese Aspekte zueinanderführen. Denn wenn ein Aspekt nur für sich selbst existiert, also nicht zum nächsten weiterführt, dann können wir Christi Gedanken dazu nicht völlig erkennen. Zudem wird der Mensch, in dem nur ein Aspekt der Hingabe existiert, vor den Gefahren und Lügen des Feindes nicht bewahrt werden können. Gewiss ist diese, sagen wir einmal, „niedrigere“ Hingabe ein Stück weit echt, denn die Person, die diese Hingabe besitzt, ist nicht untreu. Zweifellos aber folgt daraus, dass ein Mensch, der nur diese niedrigere Eigenschaft der Hingabe besitzt, zu diesem Zeitpunkt noch kein Freund von Christus ist. Er kennt das Geheimnis des Herrn nicht und ist nicht sicher vor den Verlockungen um ihn herum. Das Ziel und die Gedanken Gottes sind, dass eine Eigenschaft zur anderen führt. Es ist gut, bereits die „niedrigere“ Hingabe zu besitzen, doch es ist gefährlich, sich nur mit ihr zufriedenzugeben. Wenn das Herz sich darauf ausruht und sich nicht bemüht, den höheren Grad, die vollere Hingabe zu erlangen, dann ist das Herz nicht sicher.

Jonathans Hingabe

Ich möchte nun versuchen, dir diese zwei Arten der Hingabe zu erklären. In 1. Samuel 18,4 haben wir eine wunderschöne Illustration der ersten, der niedrigeren Art der Hingabe. Diese Hingabe entspringt einfach dem Wissen, dass einem Hilfe widerfahren ist; sie kennt aber nicht die Person selbst, die diese Hilfe, diesen Dienst geleistet hat. Das war die Natur, das Wesen von Jonathans Hingabe. Zweifellos wissen viele von euch, dass Jonathans Hingabe oftmals als das größte Beispiel für Hingabe in der Bibel vorgestellt wird. Ich bin jedoch überzeugt, dass dem nicht so ist. Diese Hingabe an sich ist wunderbar, doch sie ist beschränkt, sie geht nicht sehr weit; und sie ist nicht vollkommen, eben weil sie beschränkt ist. Sie versagt gerade in einem wesentlichen Kennzeichen: dass sie nämlich nicht völlig und nicht vollständig ist. Ich möchte den Wert der Hingabe, die Jonathan hier zu Anfang zeigt, ganz und gar nicht kleinreden, doch die Geschichte selbst wird uns das Ausmaß seiner Zuneigung zeigen. Es ist traurig, einen Mann, dessen Herz so mit dem Retter Israels verbunden war, einem solchen Ende entgegengehen zu sehen. Wir finden das im 31. Kapitel des ersten Buches Samuel.

Jonathan hatte David vorher scheinbar nicht gekannt, sie hatten in keiner Weise in Verbindung gestanden. David aber hatte diese wunderbare Rettung für Israel, für das Volk des HERRN, bewirkt, denn dazu war er Gottes Diener geworden. Ich denke, genau diese Rettung im Alleingang vor den Philistern, die David durch den schlichten Glauben an den HERRN gewirkt hatte, beeindruckte Jonathan auf eine solche Weise, dass sein Herz sich mit dem Herzen Davids verband, als er die Zeichen des Todes in der Hand dieses einfachen Jungen aus Juda sah. Tatsächlich stand hier der Retter seiner Nation vor ihm.

Die ersten Verse aus 1. Samuel 18 bedeuten ganz einfach Folgendes: Jonathan sah David mit den Zeichen des Sieges, mit dem Kopf des Philisters in seiner Hand, und sagte sozusagen zu sich selbst: „Da ist mein Retter.“ Und in dieser ersten Stunde der Freiheit, durch diese wunderbare Eroberung „verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele“ (1Sam 18,1). Das Empfinden dieses Dienstes war in seinem Herzen so überragend (er hatte eine klare Erkenntnis dieses wunderbaren Segens, der Israel zuteilwurde, und dieser Befreiung, die gewirkt wurde), dass sein Herz sich mit dem Herzen Davids verband. Und nicht nur das: Er zieht sich aus – er gibt David das, was ihn als Krieger kennzeichnet. Er könnte David gar nicht genug geben. Dennoch ist zu bemerken, dass er nicht sich selbst gegeben hatte. Er gab seine Besitztümer, doch hielt er sich selbst zurück. Bedenke, was er zurückhielt! Er gab alles, was er hatte; er entblößte sich, zog sich aus. Ich gebe zu, das zeigt eine wunderbare Wertschätzung der Person Davids. Es ist wunderschön in seiner Ordnung; doch was Jonathan zurückhielt, war tausendmal kostbarer, als was er gab. Und ich versichere dir, das ist die Art, wie Gott alles misst, was wir geben: nicht anhand dessen, was wir geben, sondern anhand dessen, was wir zurückhalten. Das ist der göttliche Maßstab.

Und nun stelle ich dir eine ernste Frage: Was hältst du zurück? Zähle nicht all das auf, was du gegeben hast. Vielleicht hast du deinen Bogen und Gürtel oder etwas Vergleichbares gegeben; vielleicht hast du deine Besitztümer gegeben; vielleicht hast du alles von dir abgelegt; vielleicht hast du dich oft selbst verleugnet. Du magst sagen: „Alles, was ich in dieser Welt besitze, ist unbedeutend im Vergleich zu seiner wundervollen Liebe, und mein Herz weiß um den Dienst, den Er mir geleistet hat. War nicht Er es, der durch seinen Tod die mächtige Kraft des großen Goliaths unwirksam gemacht hat, unter dessen Einfluss wir alle einmal standen? War nicht der Herr Jesus Christus es, der die Macht Satans besiegt hat, die Sünde und den Tod? David wirkte tatsächlich eine wunderbare Erlösung; doch unser Erlöser errang den Sieg, indem Er sein eigenes Leben hingab, indem Er sich selbst hingab. Du magst in deinem Herzen wissen, dass Er dich aus der Not, dem Elend und der Sünde geholt hat. Und die Erlösung ist so wunderbar, dass du Ihm alles gibst, was du hast. Doch wenn du Ihm dich selbst vorenthältst, wenn du dich selbst nicht gibst, dann entspricht dies nicht dem, was Er sich wünscht und was Er gern besitzen möchte.

Nun magst du fragen, wie ich denn beweisen möchte, dass Jonathan sich selbst vorenthielt? Ganz einfach: Jonathan entschloss sich nie dazu, sein Los mit David zu teilen; er stellte sich nie ganz auf Davids Seite: Während David verworfen ist, befindet Jonathan sich an Sauls Hof; während David in der Höhle ist, befindet Jonathan sich neben dem Thron; während David in Gefahr ist, befindet Jonathan sich in Sicherheit im Palast Sauls. Jonathan identifizierte sich nie völlig, nie öffentlich, nie offenkundig mit dem verworfenen, gejagten, verachteten, ausgestoßenen David. Ich sage nicht, dass er keine Zuneigung für David hatte. Doch das war nie öffentlich sichtbar; es war alles verborgen. Ich sehe durchaus, dass Jonathan große Zuneigung zu David hegte, doch er würde sich nie vor die ganze Welt stellen und sagen: „Ich möchte lieber David haben als Sauls Königshof.“ Das tat er nie und die Konsequenz daraus war: Als die Philister (die Feinde, die sich mitten in Israel befanden und die Gott gegen Israel benutzte wegen ihrer Sünden) an Stärke gewonnen hatten und Israels Armeen besiegten, werden unter den Toten nicht nur der König, sondern auch Jonathan aufgeführt.

Und daher habe ich am Anfang 2. Samuel 1 vorgelesen, ein äußerst melancholisches und berührendes Lied der Traurigkeit, eine Wehklage von einem, der Jonathan wirklich liebte. Was ist doch alles in diesen Worten enthalten: „Deine Zierde, Israel, ist erschlagen auf deinen Höhen!“ (2Sam 1,19)! Jonathan hatte niemals die Höhen für die Orte der Verwerfung verlassen. David war sozusagen ausgestoßen und Jonathan befand sich am Königshof, und so fiel Jonathan. Deshalb sage ich: Obwohl die Hingabe Jonathans an David an sich wunderbar war, verhinderte sie nicht, dass David und Jonathan getrennt wurden. Kann das nun die höchste Form der Liebe sein, die zufrieden ist, wenn sie getrennt ist von dem, den man liebt? Und doch finden wir hier einen Mann, der sich von allem Wertvollen lossagen und es dem geben konnte, der ihn rettete; der sich aber dennoch weiter am Hof der Feinde Davids aufhielt, während dieser verworfen war, ausgestoßen von jedem – ein wahres Vorbild auf den Herrn Jesus Christus in der heutigen Zeit. Seid versichert, geliebte Freunde: Wenn ihr mit Christus nicht mehr verbindet als das Empfinden, dass Er euch einen Dienst erwiesen hat, ein Werk für euch vollbracht hat, werdet ihr nie wahrhaftig hingegeben sein! Möchte ich diesen Dienst, dieses Werk herunterspielen? Gott bewahre! Nehme ich etwas von der Größe dieses Werkes? Gott bewahre! Doch ich möchte, dass ihr wisst, was größer ist: das Werk oder der Eine, der den Dienst erwiesen hat. Das ist die Frage. 

Was ist nun der Unterschied zwischen dem niedrigeren Grad der Hingabe, die wir jetzt betrachtet haben, und dem höheren Grad der Hingabe? Es geht nicht darum, dass wir danach trachten, Christus etwas zu geben, sondern es geht um das Bewusstsein, dass wir alles in Christus bzw. von Christus erhalten haben, so dass Er selbst alles andere in unseren Herzen ersetzt. Der niedrigere Grad der Hingabe entspringt im Dienst; er sagt: „Ich möchte Dir im Gegenzug gern alles geben, was ich habe.“ Der höhere Grad sagt: „Ich empfange von Dir, damit Du persönlich in meiner Zuneigung all das ersetzt, was sonst noch einen Platz dort haben könnte.“ Das ist genau der Unterschied zwischen einer Person, die das Werk Christi kennt, und der Person, die Christus persönlich kennt.

Ich danke Gott für jeden hier, der schon das Werk Christi kennt; doch mein großes Ziel ist es, euch den überragenden Segen der persönlichen Vertrautheit mit dem Einen, der dieses Werk für dich vollbracht hat, nahezubringen. Und ich wünsche es mir für dich, denn ich weiß, dass du niemals sicher sein wirst vor den Täuschungen, den Reizen, den Verlockungen dieser Welt, bis du den Einen kennst, der all das für dich in den Schatten geworfen hat. Es gibt zwei Mächte; eine bestimmt jedes Herz hier: Die eine Macht ist die Welt, die andere ist Christus. Und du kannst sicher sein, dass du nicht geschützt bist vor der einen, wenn du nicht die andere gefunden hast.

Du magst mir jetzt sagen, du weißt, dass dir all deine Sünden vergeben sind. Das leugne ich nicht; das ist Erleichterung. Du sagst, es ist eine wunderbare Erleichterung. Das gebe ich auch zu und ich danke Gott dafür. Doch wenn du bis jetzt nicht den Einen kennengelernt hast, der sein kostbares Blut vergossen hat, um dir deine Sünden zu vergeben, dann bist du nicht sicher vor all den Reizen dieser Zeit. Ich kenne viele liebe Verwandte von mir, die sich ihrer Sündenvergebung bewusst sind, und doch sind sie der Welt so nah wie nur möglich. Sie stellen ihre Sündenvergebung bestimmt nicht in Frage; und sie können einen göttlichen Grund für ihre Sicherheit angeben, genauso wie ihr, die ihr heute Abend hier seid; noch mehr, sie erfreuen sich daran. Ich möchte das nicht herabsetzen, doch ich sage dir, sie erfreuen sich auch an der Welt. Sie haben die Vergebung ihrer Sünden und sie genießen sie; sie kennen die Dienste Christi und genießen sie; und sie erzählen dir fortwährend, dass es wunderbar ist, die Sünde, den Tod, Satan, die Hölle und alles von Christus besiegt und erobert zu sehen; sie wissen all das zu schätzen. Doch sie haben niemals den Segen kennengelernt, der damit verbunden ist, wenn man die eigene Person eintauscht. Man kennt dann die Person, die alles aus dem Herzen beiseitesetzen kann, weil Er das Herz selbst besitzt. Sie wissen nichts davon, sie haben nie etwas davon gewusst und werden wohl auch in Zukunft nichts davon wissen. Wenn du zu Christen über Christus sprichst, dann haben sie kein großes Interesse zuzuhören.

Ich richte mich ernstlich an jeden Einzelnen hier. Ich frage dich: Wenn wir uns hinsetzen würden, um miteinander über den Herrn Jesus Christus zu sprechen, wie gut würdest du dich da auskennen? Wenn ich mit dir über seinen Dienst sprechen würde, kennst du dich aus; doch wenn wir über Ihn selbst reden würden, kennst du dich dann aus? Wäre das ein Thema, von dem dein Herz übergehen würde – die verschiedenen Vollkommenheiten des Einen, dessen Gnade es uns erlaubt, Ihn voller Bewunderung unseren Freund zu nennen? Für jeden von uns ist das eine ernste Sache. Was wäre deine Antwort, wenn ich sagte: Lass uns über den heiligen Einen sprechen, der den Thron Gottes verließ und auf die Erde herunterkam, um Mensch zu werden, um einem Elenden wie mir die Liebe seines Vaters zu offenbaren – dass Er mein armes, elendes Herz nehmen würde und es für sich selbst gewinnt? Wenn Er mein und dein Herz gewonnen hat, dann können wir sicherlich über den Einen sprechen, der so zu unserem gemeinsamen Ziel geworden ist.

Ich bin oft erstaunt, wie wenig viele Gläubige mit Christus persönlich vertraut sind: Christus persönlich zu kennen und sich an Ihm selbst als Person zu erfreuen und nicht nur an einer Lehre über Ihn. Man kennt kaum mehr als nur eine Lehre über Ihn; man hat kaum verstanden, dass ein lebendiger Mensch auf dem Thron Gottes im Himmel sitzt – eine lebende Person, die jedes Verlangen des Herzens stillen kann und die ich kenne als Gott in einem Menschen; das ist das Wunderbare daran. Ich kenne Gott in Jesus. Wie sonst könnte ich Gott kennen? Nur in diesem heiligen Einen, geliebte Freunde, kann ich Gott kennen; das ist das Wunderbare daran. Wahrer Mensch, wahrhaft Mensch und doch der mächtige Gott. Gott im Menschen. „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3). Das ist der einzige Weg, wie ich Gott kennenlernen kann; ich sehe Gott in Christus; ich kenne Gott durch diesen Menschen; und ich bin durch Ihn zu Gott gebracht worden. Was für ein Segen! Das allein rettet mich und nichts anderes kann mich retten.

Ich möchte es dir ans Herz legen – du bist nicht sicher, dein Herz ist nicht geschützt, wenn Christus nicht der einzige gebietende Eine ist, dem der Thron gehört. Wenn Er regiert und wenn Er persönlich auf dem Thron deines Herzens ist, dann hast du das wahre Motiv, die wahre Quelle, die wahre Kraft für den Weg und das Zeugnis für Ihn auf dieser Erde. Das war es, was Jonathan fehlte. Ich möchte nicht einseitig klingen; ich gebe zu, dass seine Hingabe, soweit sie eben reichte, echt und wunderschön war; doch sie erhob sich niemals über den niederen Grad. In dieser Hinsicht war es unzureichend, dass die Sache, die Davids Seele begehrte, zurückgehalten wurde. Das ist es, wonach Christus Ausschau hält; Er möchte dein Herz haben – mit anderen Worten, dich selbst; deshalb sagt der Heilige Geist: „Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens“ (Spr 4,23).

Ruths Hingabe

Ich möchte euch auf eine andere Begebenheit im Alten Testament verweisen. Sie steht ganz im Gegensatz zu dem bisher Gesagten und wird Jonathans Geschichte mehr erhellen. Wir kommen zu der Geschichte von Ruth; ich denke, ihr alle kennt die Geschichte. Bei Ruth ging es nicht um den Dienst. Naomi hatte ihr allen Dienst erwiesen, der ihr möglich war; ihre Tage des Dienstes waren vorbei; so beginnt das Buch Ruth. Wir finden eine arme, einsame Witwe, eine zweifach Hinterbliebene – eine Frau, die ihren Mann und ihre Kinder verloren hat, die sagt: „Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der HERR zurückkehren lassen“ (Ruth 1,21). Sie hätte ebenso gut sagen können: „Diese Welt ist für mich vorbei; meine Sonne ist untergegangen, während es noch Tag war; ich kann nichts mehr für dich tun; geh zurück zu deinen Göttern; ich kann dir nichts mehr geben; ich kann dir keinen Dienst mehr erweisen; deine Schwester ist zurückgegangen; kehre ebenso um.“ Nun, was denkst du, was die Antwort darauf war? Was rief diese Aussage in Ruths Herzen wach? Was war die Auswirkung dieser Aufforderung? Nun, diese Aufforderung zeigte die einfache Tatsache, dass Naomi persönlich in dem Herz der Moabiterin sozusagen verankert war. Im Grunde war Ruths Antwort: „Du bist es, die ich will, ich schätze dich. Es ist deine Person, an der ich hänge, es ist nicht der Dienst, ich möchte nicht mehr haben. Du hast mir alles gegeben, was du konntest, doch ich möchte dich nicht verlassen, weder im Leben noch im Tod kann ich mich von dir trennen. Ich kannte dich, als es dir gutging, und ich möchte mich an dich halten, wenn dir nun Unglück geschieht. Ich habe dich in den guten Tagen gekannt, ich möchte dich niemals in den dunklen Tagen verlassen.“

Beachte den Unterschied. Weder war es der Dienst Naomis an Ruth noch verlangte Ruth nach weiterem Dienst von Naomi. Und das sage ich, weil ich viele Menschen kenne, die denken: Wenn ich den ganzen Tag im Dienst verbringe, wenn ich besonders aktiv bin, wenn ich hierhin und dorthin gehe, dann bin ich sehr hingegeben. – Das kann ich so aber überhaupt nicht sagen. Vielleicht bist du all das und noch mehr; du hast vielleicht jede Kneipe dieser Stadt mit Traktaten abgeklappert und besitzt dennoch nicht eine einzige Eigenschaft dieser Hingabe, die das Herz unseres Herrn Jesus Christus erfreut. Du magst eine hart arbeitende Person sein – und das möchte ich nicht geringachten, Gott bewahre –, aber es gibt einen großen Unterschied zwischen dieser Sache und einer Person, die in der Vertrautheit persönlicher Nähe zu dem Herrn Jesus Christus lebt, so dass Er von ihr sagen kann: „Da gibt es jemand, der schätzt meine Gedanken mehr als alles in der Welt; ich nenne ihn meinen Freund und ich werde ihm meine Gedanken kundtun.“ Ist das nicht etwas ganz anderes? Ich könnte niemals sagen, dass jemand in dieser Stellung in seinem Dienst weniger fortgeschritten wäre; doch der Unterschied ist einfach, dass der Dienst den Charakter der Gedanken Christi trägt und nicht den unserer eigenen Vorliebe. Dann sinnen wir über seine Vorliebe nach und was Er haben möchte.

Ich möchte eure Liebe zum Dienst in euren Herzen nicht verringern, sondern dass ihr darauf achtet, dass euer Dienst das Wohlgefallen Christi hat und nicht nur eure eigene Freude. Das ist es, was eine hingebungsvolle Person ausmacht. Diese Person erfreut sich daran, das zu erforschen, was dem Herrn gefällt. Gibt es etwas, was mehr Segen bringt, als zu erforschen, was dem gefällt, der unser Ziel ist? Was wird Er mögen? Ich denke gern an Saulus von Tarsus. Was war das Erste, was er nach seiner Bekehrung sagte? „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ (Apg 9,6; Schlachter-Üb.). Sein Gedanke ist: Ich habe nun den Herrn Jesus Christus, Er hat alles in meinem Herzen ersetzt, mich mit Ihm selbst zufriedengestellt, und ich erforsche nun das, was dem Einen im Himmel gefällt, den ich einst verfolgte.

Nun betrachte die andere Tatsache, die wir in Ruths Geschichte finden; ist sie nicht wunderschön? Du findest im nächsten Kapitel, dass sie selbst in der sengenden Hitze des Tages fröhlich dient, und sie arbeitet und müht sich für die eine, der sie ergeben war; doch zuerst kam die Hingabe. Sie sagt gleichsam: „Ich sorge für dich; das ist das Erste. Und ich zeige diese Fürsorge nicht für etwas, was du mir geben könntest oder geben magst; sondern ich drücke meine Hingabe dadurch aus, dass ich – obwohl du nur eine arme Witwe bist – dich nicht verlassen kann.“ – „Wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden. So soll mir der HERR tun und so hinzufügen, nur der Tod soll scheiden zwischen mir und dir!“ (Ruth 1,17). Das ist wahre Hingabe, geliebte Freunde. Ich brauche die Geschichte nicht weiter zu verfolgen, doch was bekommt sie zum Schluss? Es ist sehr interessant, das zu verfolgen. Sie bekommt Boas, und was bedeutet dieser Name? Stärke.

Und nun lasst mich eine Bibelstelle damit verbinden – eine wunderbare Stelle, doch die Zeit erlaubt es nicht, sie ausführlich zu behandeln. Der Herr Jesus Christus sagt zu den armen, schwachen und doch hingebungsvollen Gläubigen in Philadelphia: „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule [das heißt, zu einem „Boas“] machen in dem Tempel meines Gottes“ (Off 3,12). „Wer überwindet“, das bedeutet: „Wer hingebungsvoll ist; wer meinen Namen nicht verleugnet; wer mich, den Heiligen und Wahren, durch böse und gute Kunde hindurch mehr schätzt als alles andere in der Welt – er mag jetzt ausgestoßen sein, doch ihn werde ich ‚zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes‘. Er mag ein Ausgestoßener sein; ein armer, elender, ausgeschlossener Mensch; ein Mensch, den man ansieht als jemand, der alle religiösen Ordnungen als auch alles andere umstößt; doch ich werde ihn ‚zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen‘“ (Off 3,12).

Maria Magdalenes Hingabe

Ich gehe darauf nun nicht weiter ein, geliebte Freunde, sondern ich kehre zurück zum Neuen Testament, zu Maria Magdalene. Hier sehen wir eine Person, der von Jesus Christus gedient worden war, genauso wie Jonathan von David gedient worden war, und es ist sehr interessant, diese Geschichte zu verfolgen. Natürlich war es der Dienst, der sie zuallererst dem Herrn nahebrachte. Er war ihr Erlöser, Er hatte eine Legion von Dämonen aus ihr herausgetrieben; das wird aus den Andeutungen, die wir lesen, deutlich. Doch was wir danach finden, ist für jeden von uns interessant, herauszufinden. Wenn du ihre ganze Geschichte in den Evangelien verfolgst – und ich bitte dich ernstlich darum –, wenn du die Geschichte von Maria Magdalene erforschst, wirst du herausfinden: Seit sie seine erlösende Kraft erfahren hatte, war diese Frau in jede Lebenslage des Herrn Jesus Christus miteinbezogen. Sie hatte sich Ihm vorbehaltlos hingegeben – sie gab sich selbst, ihr ganzes Sein; sie wird als eine derjenigen erwähnt, die Ihm dienten; sie bediente Ihn. Sie gab sich selbst und alles, was sie hatte. Du wirst sie in seinem Leben finden, sie war mit Ihm am Kreuz, sie war mit Ihm die Allerletzte am Grab und die Erste am ersten Tag der Woche am Grab. Eine höchstinteressante Geschichte!Wo du im Neuen Testament auch suchst: Du findest Maria Magdalene in Verbindung mit der Geschichte des Herrn Jesus Christus von dem Moment an, als sie seine erlösende Kraft erfuhr. Er hatte sie erlöst und Er war ihr Retter – hatte ihr sieben Dämonen ausgetrieben –, und sie fühlte sich durch diesen Dienst von Ihm selbst angezogen, das ist der Punkt, und sie verließ Ihn nie. Und was mich so berührt: Sie klammert sich an Ihn; in Leid, Schande und Scham am Kreuz genauso wie in anderen Lebensumständen.

Die wahre Prüfung für die Hingabe ist, ob eine Person zu Christus steht in den dunklen Zeiten. Der Tag wird kommen, wenn Christus alles so haben wird, wie Er es will, und es ist ein Segen, sich bereits darauf zu freuen; doch wie viele sind im Geist und im Herzen jetzt mit Ihm, wenn Er noch nicht seine eigenen Rechte und Titel in Anspruch genommen hat? Das ist eine ernste Frage! Die Hingebungsvollen sind jene, die bei Christus bleiben, während Er verworfen ist, und das ist genau die Prüfung in der heutigen Zeit. Wenn Christus an der Macht wäre, wenn jetzt alles in göttlicher Ordnung wäre, wenn alles so wäre, wie Er es haben wollte, wie es eines Tages sein wird, dann gäbe es kein Kreuz, keine Prüfung, keine Versuchung; jeder würde mit Ihm das Los teilen. Doch die Prüfung besteht darin, ob ich mein Los in seiner Verwerfung mit Ihm teile; und das hat nicht, wie ich zuvor sagte, nur mit einem Menschen zu tun, dem vergeben wurde, der die Vergebung der Sünden hat.

Du hast vielleicht diese Vergebung, ebenso wie Jonathan den Nutzen von Davids Sieg genoss, und doch verbrachte er keinen Moment mit David in der Verwerfung. Und das trifft heute auf viele zu. Sie sagen: „Ich habe die Vergebung meiner Sünden“, und dort hören sie auf. Doch die Frage ist: Wo ist Christus jetzt? Ich sagte das einmal zu jemand und er entgegnete: „Wo Christus ist? Was meinst du?“ Ich meine damit: Welche Stellung hat Christus heute in dieser Zeitepoche zum gegenwärtigen Zeitpunkt? Wie wird die Wahrheit des Christus, das Wort des Christus geschätzt? Sind seine Heiligen vertieft in die Dinge, die Er heute am meisten schätzt und liebt? Ihr wisst, dass es sich ganz anders verhält. Es gibt niemand, der widersprechen würde, dass man Christus heute nicht wirklich kennt. Diese Generation hat Christus verworfen und ausgestoßen. Wir leben in der Welt, da, wo Er ermordet wurde, und die Generation seiner Mörder ist an der Macht; dort leben wir. Christus ist verworfen, ausgestoßen und überall abgewiesen. Ich gebe zu, dass es solche gibt, die äußerst froh darüber sind, die Vorteile des „Erlösungsplans“ in Anspruch nehmen zu können. Tatsächlich ist Selbstsucht genau das Prinzip, der versteckte Grundsatz des menschlichen Herzens. Die Menschen sind froh, den Nutzen aus dem Werk Christi zu bekommen, sind froh, sicher zu sein, dass sie nicht in die Hölle kommen, wenn sie sterben; sie freuen sich daran, vor dem Gericht sicher zu sein. Doch die große Frage heute, wo so wenig an die Interessen und die Wahrheit und das Wort Christi gedacht wird, ist: Wie weit teilst du den Platz mit Ihm? Das ist die Prüfung für wahre Treue zu und Hingabe an Ihn. Bist du in der heutigen Zeit bereit, zu Ihm zu stehen, verbunden mit Kosten, Verlust, Leiden und Scham?

Es gibt viele, die davor zurückschrecken; dennoch kann ich ihnen nicht absprechen, dass sie Christen sind. Doch sage ich: Solche sind nicht hingegeben an Christus. Ich gehe sogar noch weiter und sage: Jene, die die Stellung, die Christus jetzt im Himmel einnimmt, sowie seine gegenwärtige Verwerfung von der Welt verstehen, schätzen es, in Umständen zu sein, in ihrem Beruf, in ihrem Haus, in ihrer Person, die zu solch einem Christus passen. Sie empfinden es als angemessen, wenn das Kreuz einen Schatten über alle ihre Angelegenheiten wirft. Es geht ihnen nicht einfach darum, von dem Guten des Werkes am Kreuz zu profitieren und deshalb in den Himmel zu kommen, sondern sie wollen jetzt bei Christus sein; ihr Wunsch ist es, Ihm jetzt auf seine Gedanken zu antworten, hier in der Gegenwart. Wenn Er keinen Platz hatte, wo Er seinen Kopf niederlegen konnte; wenn Er nur eine Krippe hatte bei seiner Geburt und ein Kreuz zwischen zwei Schwerverbrechern in seinem Tod und das Grab Josephs zu seiner Beerdigung – wie viel können dann die, die Ihn lieben, sich wünschen, in dieser Welt zu besitzen? Wäre doch unser Weg zu Gott ein wenig mehr so geformt wie sein eigener! Wie anders erginge es uns, wäre dem so! Und darf ich das nicht zu jedem von euch sagen: dass ihr jetzt eine wundervolle Möglichkeit habt, zu zeigen, dass Christus den Platz der Herrschaft in euren Herzen besitzt, weil es mit jedem Tag schwieriger wird, in dieser Welt ein Zeugnis für den verworfenen Herrn und Christus zu geben? Welch ein Segen, dass Gott erlaubt hat, dass solche Zeiten über uns kommen; es ist der beste Gefallen, den Er uns tun kann. Es ist wunderbar, dass Er uns erlaubt, in der dunkelsten Stunde der Nacht zu sein, damit wir den Wert und den Segen und die Fülle von Ihm, der das einzige Licht unseres Herzens ist, beweisen. Möchtest du nicht leiden für die Person, die du liebst? Geht es nur darum, das zu geben, was dich nichts kostet?

Ich möchte das nicht weiter ausweiten; doch wenn der Herr es erlaubt, möchte ich an einem anderen Abend auf die Belohnung dieser Hingabe eingehen. Es ist gut, das im Zusammenhang mit Johannes 20 zu betrachten, wo der Lohn, den die hingebungsvolle Frau dort bekommt, einen doppelten Charakter hat. Sie erhält einen doppelten Lohn. Zum einen darf sie ihren eigenen Namen hören, gesprochen von seinen auferstandenen Lippen. Was für ein Moment des Segens für ihr Herz! Hast du jemals bedacht, was das für ihre Seele bedeutete, als dieser Heilige, den sie für tot hielt, nun lebend vor ihr stand? Die Engel sahen sie weinen, aber ebenso sah Er es. Und Er wusste um den Wert ihrer Tränen und sagte zu ihr: „Maria!“ Ist das kein Lohn, geliebte Freunde? Welche Quellen musste das in ihrem Herzen geöffnet haben! „Rabbuni!“, antwortet sie, als sie Ihn voller Freude erkennt. Aber Er geht noch weiter. Nun sagt Er: „Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17). Das heißt: „Geh und bring meinen Brüdern die beste Nachricht, die jemals von menschlichen Lippen zu menschlichen Herzen mitgeteilt wurde.“

Wir leben in Zeiten, wo sich der Teufel mit aller Kraft bemüht, alles zu ersetzen; das an die Seite zu stellen, was die Nummer eins in Gottes Gedanken ist. Es ist sein oberstes Ziel, alles aus der göttlichen Ordnung zu bringen! Er ist der Urheber all dieser Dinge. Ich sehe auf Maria Magdalene und sehe, wie sie sich in Hingabe an Christus klammert, und ich sehe, wie sie für ihre Hingabe auf eine Weise belohnt wird, dass ein hingebungsvolles Herz sich freut. Christus sandte sie nicht hinaus zum Predigen – die großen Bemühungen und das Ziel des Teufels ist es, Menschen aus ihrer Sphäre, Dinge aus ihrer Ordnung herauszuholen –; sie wurde nicht gesandt, um der Welt zu predigen. Sie wurde zu den Brüdern Christi gesandt, um ihnen die beste Nachricht zu überbringen, die jemals über menschliche Lippen kam; sie wurde gesandt, um ihnen zu sagen, dass Christus aus dem Tod auferstanden war und dass der Erstgeborene vieler Brüder zu seinem Vater und zu ihrem Vater gegangen war, zu seinem Gott und zu ihrem Gott. War das nicht ein reicher Lohn? Ihr erster Lohn war persönlich; ihr zweiter Lohn war mit Bezug auf andere. Sie war ein Schaf Christi und deshalb hatte Er sie bei ihrem Namen gerufen; sie war ein Freund Christi und deshalb bringt Er ihr die beste Nachricht.

Völlige Hingabe an Christus

Möge der Herr dich heute den Geschmack dieser Hingabe schmecken lassen, deren Ursprung Christus selbst ist. So wirst du bewahrt werden, so wirst du das finden, was dein Herz von anderen Dingen entwöhnt. Ich leugne nicht, dass die Welt anziehend ist oder dass die Gläubigen in Zeiten der Versuchungen leben; ich bin überzeugt davon. Glaube nicht, dass alle Schwierigkeiten vorbei sind, wenn du es einmal mit Christus zu tun hattest; bis dahin haben sie noch gar nicht richtig begonnen. Du hast niemals solche Schwierigkeiten, niemals so viele Probleme, solch mühselige Arbeit, als wenn du auf der Seite Christi stehst. Und warum? Es gibt heute all diese Schwierigkeit und diese Arbeit, weil Christus noch nicht an der Macht ist und Satan noch wirken darf. Doch es bleibt wahr: Er ist es wert, wert, dass ich in dieser armen, elenden Welt, die Ihn verstoßen hat, einfach und völlig nur für Ihn bin. Darum bete ich ernstlich für dich und für mich (besonders meinen Brüdern lege ich es ans Herz), dass wir uns mehr in Umstände begeben, die zu dem verworfenen Christus passen, dass unsere Häuser, unsere Person und gerade auch unsere Gespräche und unser Verhalten das Zeugnis aufrechterhält. Es ist wahr, dass wir in der Welt leben müssen, in der unser Herr ermordet wurde, und wir haben mit der Generation der Menschen zu tun, die dies getan haben. Doch wir sind von der Welt getrennt, wir gehören nicht ihr an, sondern einem größeren Schauplatz und dem Einen, der sich an diesem Schauplatz befindet.

Möge der Herr durch seinen Geist jeden dazu leiten, die Freude zu schmecken, Christus zu haben und einfach Ihm hingegeben zu sein, so dass das, worin Christus Freude findet, in jedem von uns zu finden sei; um seines Namens willen.

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Dritter Vortrag aus der Vortragsreihe „The Christian: What is He? Heavenly or Earthly?“ aus dem Jahr 1880

Übersetzung: Simone Storek

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