Sieben Kennzeichen des Wortes in Johannes 1
Johannes 1,1-28

Frank Binford Hole

© CSV, online seit: 23.08.2001, aktualisiert: 06.07.2023

Leitverse: Johannes 1,1-28

Einleitung

Das Evangelium des Johannes wurde offensichtlich einige Zeit später als die drei anderen Evangelien geschrieben. Matthäus, Markus und Lukas hatten ein jeder in der ihm göttlich bestimmten Weise die Geschichte von der Geburt Jesu Christi, von seinen frühen Jahren, dem Anfang und Fortgang seines Dienstes erzählt. Ihre Berichte setzt Johannes als bekannt voraus, denn sonst würden wir seine Eingangsworte kaum verstehen. Um die Zeit, als das 1. Jahrhundert zu Ende ging, war die Person des Herrn Jesus – Er selbst ist die Burgfeste des Glaubens – bereits verfälschenden Angriffen ausgesetzt. Philosophische und halbheidnische Deutungen kamen in Umlauf und verbanden sich mit der christlichen Lehre, was zu verheerenden Auswirkungen geführt haben müsste, wäre man ihnen nicht in der Kraft des Geistes Gottes entgegengetreten. Solche Kraft nun wirkte durch die Schriften des Apostels Johannes, die er anscheinend schrieb, nachdem sowohl Paulus als auch Petrus bereits ein Vierteljahrhundert früher ihren Lauf vollendet hatten.

Die Christen jener frühen Tage wurden durch die sogenannten Gnostiker stark beunruhigt. Übersetzt bedeutet diese Bezeichnung „Wissende“. Von den Agnostikern wissen wir, dass es Leute sind, die jede sichere Erkenntnis über Gott und über göttliche Dinge verneinen. Die Gnostiker hatten ihren Standort auf der entgegengesetzten Seite. Sie beanspruchten, eingeweiht zu sein und höhere Erkenntnis zu haben. Aber ihre Lehren leugneten sowohl die eigentliche Gottheit als auch die wirkliche Menschheit Jesu. Auch gab es solche, die „Jesus“ und „den Christus“ voneinander trennten. „Christus“ erschien ihnen als ein Ideal, als die Verkörperung eines Zustandes, zu dem hin man sich fortschreitend höherentwickeln könnte; dagegen sollte „Jesus“ bloß der historische Mensch sein, der als der „Nazarener“ bekannt geworden war. Das Evangelium, wie Johannes es schrieb, trat diesen Irrtümern entgegen, und eben dazu war es bestimmt.

Bevor wir die Eingangsworte betrachten, mag es nützlich sein, die beiden Schlussverse von Kapitel 20 zu lesen, denn sie beinhalten die Absicht des Geistes Gottes bei der Abfassung dieses Evangeliums. Die berichteten Wunder sind alle „Zeichen“, die beweisen, dass Jesus der Christus ist, so dass es zwischen beiden keine Trennung geben kann. Sie erweisen Ihn auch als den Sohn Gottes und stellen dadurch seine Gottheit fest. Der Glaube an diese Zeugnisse bringt das Leben, sie zurückzuweisen bedeutet, im Tod zu bleiben. So erkennen wir die klare Absicht des Geistes Gottes bei diesem Evangelium. Daran sollten wir beständig denken, wenn wir uns nun damit beschäftigen. Diese Einsicht ist gleichsam ein wichtiger Schlüssel, um den Zugang zu seinen Schätzen aufzuschließen.

Das Wort – seine ewige Existenz

Joh 1,1: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. 

Die Eingangsworte des ersten Verses führen uns zu dem am weitesten zurückliegenden Augenblick, der unserm Geist noch zu erfassen möglich ist, jener Augenblick, wo zuerst begann, was jemals einen Anfang hatte; jener Augenblick, vor dem es nichts gab als GOTT, Gott allein! Und in jenem Augenblick des Anfangs war „das Wort“, das heißt, es existierte. Nicht, dass es begann, es existierte bereits. Sein ewiges Sein ist damit verkündet, und wir werden vor den Zeitpunkt zurückversetzt, der in den einleitenden Worten von 1. Mose 1 liegt.

Das Wort – seine bestimmte Persönlichkeit

Weiter war es das Wort „bei Gott“. Und indem unsere Gedanken noch bei dem so fernen Augenblick verweilen, entdecken wir, dass Ihm dem Wort schon in jenem Anfang eine klar bezeichnete Persönlichkeit zukommt. „Das Wort“ ist nicht einfach ein allgemeiner Titel für die Gottheit, unabhängig von einer besonderen Unterscheidung, sondern indem es „bei Gott“ war, ist Ihm ausdrücklich ein besonderer, unterscheidbarer Platz zuerkannt.

Das Wort – seine wesenhafte Gottheit

Indem es sich so verhält, möchte der denkende Verstand des Menschen vielleicht einwenden: „Dann können wir also nicht im vollen, eigentlichen Sinn von dem ,Wort‘ sagen, dass es wirklich Gott ist; auch wenn Es (Er) genau genommen kein Geschöpf ist, da wir ja erkennen, dass Er vor der Schöpfung da war.“ Solche Vernunftschlüsse sind den letzten Worten von Vers 1 „das Wort war Gott“ klar entgegengesetzt. Wesenhafte Gottheit gehörte Ihm zu. Es sind Versuche unternommen worden, die Kraft dieser erhabenen Aussage abzuschwächen und etwa zu übersetzen: „Das Wort war göttlich“, oder: „Das Wort war ein Gott“, indem man sich auf das Fehlen des bestimmten Artikels stützte, das heißt, dass nicht gesagt würde: „Das Wort war der Gott.“ Indessen sagen uns Kenner der griechischen Sprache, dass es in dieser Sprache keinen unbestimmten Artikel gibt und dass das mit „Gott“ übersetzte Wort in kraftvoller Weise die eigentliche und absolute Gottheit bezeichnet. Wenn es heißen würde, dass das Wort der Gott war, würde die Gottheit auf „das Wort“ beschränkt und von daher die anderen Personen der Gottheit ausgeschlossen worden sein. Die Wörter sind mit göttlicher Genauigkeit ausgewählt: Das „Wort“ war eigentlich und absolut Gott.

Das Wort – seine ewige Persönlichkeit

Joh 1,2: Dieses war im Anfang bei Gott. 

Vers 2 bringt uns dann zurück zu der ersten und zweiten Aussage von Vers 1. Diese klar bezeichnete Persönlichkeit, die „das Wort“ kennzeichnet, ist nicht etwas, was zu irgendeinem späteren Zeitpunkt angenommen worden wäre. Die ewige Persönlichkeit gehörte zu Ihm. Auf diese Weise war Er am Anfang bei „Gott“, denn diese Unterscheidung als Persönlichkeit liegt im Wesen der Gottheit. So haben wir vier Dinge, die in Bezug auf das Wort festgestellt werden: sein ewiges Sein, seine bestimmte Persönlichkeit, seine wesenhafte Gottheit, seine ewige Persönlichkeit. Was wir auch sonst noch über das „Wort“ zu lernen haben, diese vier Einsichten sollten uns zur Beugung und demütiger Anbetung leiten.

Das Wort – der erschaffende Urheber

Joh 1,3: Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist. 

Ein fünfter Punkt begegnet uns in Vers 3: Er ist der erschaffende Urheber, und das in einem alles umfassenden Sinn. Nun treten Dinge vor uns, die gemacht wurden, das heißt ins Dasein kamen. In den Versen 1 und 2 wird ein anderes Wort gebraucht. Das „Wort“ kam nicht ins Dasein: Es (Er) war, denn  Dasein war ewig. Aber Er brachte alles hervor, was ins Dasein kam, denn Er erschuf „alle Dinge“. Um auch nicht das kleinste Schlupfloch für einen Irrtum zu lassen, wird dies im zweiten Teil des Verses nachdrücklich betont. Die Sprache ist bemerkenswert angesichts der modernen „fälschlich sogenannten Kenntnis“ (1Tim 6,20), die so weithin unter das Volk gebracht wird und die sich große Mühe gibt, alles „ohne Ihn“ zu erklären. Ungläubige Geister hängen der Evolutionstheorie an trotz einer bemitleidenswerten Armut an Tatsachen, die sie stützen sollen. Die vorgebrachten Argumente sind ebendeshalb so fragwürdig, weil sie Ihn ausschließen, den Menschen aber verherrlichen möchten. In Wahrheit kann Er aber nicht ausgemerzt werden. Von all den ungezählten Dingen, die ursprünglich ihr Dasein empfingen, empfing auch nicht eines es ohne Ihn.

Bedenken wir diese Tatsache! Denn hier haben wir eine Erklärung dafür, dass die Himmel die Ehre Gottes erzählen und Gott bis zu einem gewissen Grad in dem Gemachten wahrgenommen werden kann, wie Römer 1,19.20 mitteilt. Das „Wort“ erschuf alle Dinge, und von daher kommt es, dass uns die Schöpfung, soweit sie reicht, einen wahren Ausdruck Gottes selbst und seiner Gedanken gibt. Auch wir drücken unsere Gedanken in Worten aus, ebenso besteht die Bedeutung dieses großen Namens „WORT“ darin, dass Er, der ihn trägt, der Ausdruck all dessen ist, was Gott ist, und, wie die Verse 1 und 2 zeigen, ist Er selbst wesenhaft all das, was Er ausdrückt. Die Schöpfung, wie sie durch das Wort ins Dasein gerufen wurde, war nicht ein sinnloses Durcheinander, sondern eine Kundgebung der Macht und Weisheit Gottes.

Das Wort – das Leben

Joh 1,4.5: 4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. 

In Vers 4 kommen wir zu einer sechsten bedeutungsvollen Tatsache: Das Wort umschließt wesenhaft Leben. In Ihm ist das Leben nicht von irgendwoher abzuleiten, sondern es ist ursprünglich und aus Ihm hervorgehend. Wenn wir das mit dem, was zuvor gesagt ist, verbinden, bemerken wir, wie umfassend die Gottheit des Wortes dargelegt und behütet ist. Die verwendeten Worte sind von äußerster Kürze und Einfachheit und doch voll göttlicher Fülle und Bedeutung. Gleich dem kreisenden Schwert der Cherubim in 1. Mose 3,24 wenden sie sich in jede Richtung, um in unserem Geist die Wahrheit, die den Einen betrifft, der der Baum des Lebens für den Menschen ist, unverletzt zu bewahren. Dieses Evangelium wird uns bald zeigen, wie das Leben des Gläubigen wahrhaftig von Ihm herkommt; doch ist dies nicht der Punkt in Vers 4, sondern vielmehr: „Das Leben war das Licht der Menschen.“ Dieser Punkt wird in den Eingangsversen des ersten Johannesbriefes ausführlicher behandelt. Das Leben ist offenbart worden, und daraus folgt, dass Gott, der Licht ist, sich im Licht offenbart hat, und in diesem Licht wandelt der Gläubige.

Jenes Licht, in dem Menschen wandeln sollen, ist nicht nur das Licht der Schöpfung, so wundervoll es ist, sondern auch das Licht, das in dem Wirken und Reden des Wortes entfaltet worden ist. Als das Wort offenbart wurde, da schien das Licht, und es war ein Bereich der Finsternis, in dem diese Offenbarung geschah. In 1. Mose 1 lesen wir, wie durch das göttliche Wort das Licht der Schöpfung inmitten der Finsternis aufbrach, und siehe, die Finsternis schwand! Hier nun haben wir das Licht einer weit höheren Ordnung, und es erscheint inmitten moralischer und geistlicher Finsternis, die nur durch ein wahres Erfassen des Lichtes vertrieben werden konnte. Ach, ein solches Erfassen war nicht gegeben. Aber wenn auch die Finsternis noch fortbestand, so gab es doch kein anderes Licht für den Menschen als „das Leben“. In diesen Aussagen findet sich kein Widerspruch, denn wie es oft der Fall ist, spricht Johannes auch hier von Dingen hinsichtlich ihres abstrakten Charakters und ist noch nicht bei Ereignissen im Gang der Geschichte angekommen.

Doch wie geschah es, dass das Leben des Wortes wirklich in der Finsternis schien und zum Leben des Menschen wurde? Johannes 1,14 gibt die Antwort auf diese Frage. Bevor wir zu diesem Vers kommen, liegt in den Versen 6-13 ein wichtiger Abschnitt vor uns, der uns gestattet, die Dinge in einem geschichtlichen Überblick zu sehen:

Joh 1,6-13: 6 Da war ein Mensch, von Gott gesandt, sein Name Johannes. 7 Dieser kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeugte, damit alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern damit er von dem Licht zeugte. 9 Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet. 10 Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht. 11 Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an; 12 so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. 

Johannes der Täufer wird zu dem Zweck eingeführt, die überragende Bedeutung des „wahren Lichtes“ zu enthüllen. Ebendieser Johannes war „ein Mensch, von Gott gesandt“, der zum Zeugnis kam, „auf dass er zeugte von dem Lichte“. Wohl stimmt es, dass in Johannes 5,35 von ihm als „einer scheinenden Lampe“ gesprochen wird. Johannes schien gleich einer Lampe und gab Zeugnis, dass derjenige das wahre Licht war, „der, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet“. Das bedeutet nicht, dass jeder Mensch innerlich erleuchtet wird (das würde Vers 5 widersprechen), sondern es meint, dass Er nicht nur ein begrenztes Licht war, wohl aber der Sonne glich, die ihre Strahlen ins ganze Universum aussendet. Nicht eine einzelne Nation konnte im Alleinbesitz des wahren Lichtes sein. So lässt dieses Evangelium schon bei seinem Beginn unsere Gedanken die engen Grenzen Israels überschreiten.

In den letzten Versen dieses Abschnitts (Joh 1,10-13) haben wir weitere historische Aussagen, die das, was uns in Johannes 1,4 und 5 mitgeteilt worden ist, noch ausführlicher erläutern und klarstellen. Wir haben schon begriffen, dass das Wort eine Person in der Gottheit ist, dass  Leben als Licht für die Menschen scheint, obwohl inmitten der Finsternis. Jetzt finden wir, dass ebendiese Welt der Sitz dieser Finsternis war, dass Er in sie eintrat und dass diese Welt, obwohl Er sie geschaffen hatte, sich Ihm doch so entfremdet hatte, dass sie Ihn nicht kannte. In diesem Vers handelt es sich wieder nicht um Israel oder die Juden, sondern um die Welt. Das Licht, wie es durch die Propheten verbreitet worden war, mochte im Wesentlichen auf Israel beschränkt sein, nicht aber das Leuchten des wahren Lichts.

Der Apostel Johannes erwähnt oft die Welt in seinen Schriften, und er benutzt immer ein Wort, das wir auch in unsere Sprache übernommen haben, wenn wir von „Kosmos“ sprechen. Dabei denken wir an das Universum als ein geordnetes Ganzes oder manchmal auch in einem engeren Sinn an unsere Welt, auch als ein geordnetes Ganzes. Letzteres ist der Sinn von „Welt“ in Vers 10. Als Schöpfer hatte Er das Universum als ein geordnetes Ganzes erschaffen, und es war ein wundervoller Augenblick, als Er in einer besonderen Weise darin gefunden wurde. Das war der Fall, als Er in diesen enger begrenzten Kosmos (die Welt) eintrat, die sich – es ist traurig, zu sagen – durch die Sünde so verderbt und entfremdet hatte, dass sie Ihn nicht einmal kannte.

Und dann kam Er, um diesen Punkt noch näher zu bestimmen, tatsächlich zu einem ziemlich unbekannten Winkel in diesem Kosmos, und zwar in „das Seine“, wie es die Prophezeiungen angekündigt hatten. Doch  sein eigenes Volk Israel, mit dem jenes „Seine“ verbunden war, nahm Ihn nicht an. Er wurde verworfen, denn die Finsternis konnte Ihn nicht begreifen. Doch ungeachtet dieser Tatsache gab es Ausnahmen, wie dieses Evangelium uns zeigen wird. Einige nahmen Ihn auf und glaubten an seinen Namen. Sie waren nicht von der Finsternis. Ihre Augen waren geöffnet, und sie erkannten Ihn, als sie die Herrlichkeit seines Namens schauten und glaubten. Als Folge erhielten sie von Ihm das Recht, Kinder Gottes zu werden, nicht etwa bessere oder mehr erleuchtete Juden. Das Wort lautet hier ausdrücklich „Kinder“, ein Wort, das Johannes gewöhnlich benutzt im Unterschied zu dem Wort für „Söhne“, das mehr von Paulus gebraucht wird. Hier ergibt sich bei beiden eine gewisse Verschiedenheit. Es geht in beiden Fällen um die gleiche gesegnete Beziehung zu Gott, aber bei „Söhnen“ wird unsere Reife und Stellung in der Beziehung zu Gott vornehmlich gesehen; bei „Kindern“ liegt der Nachdruck auf der Tatsache, dass wir wahrhaft aus Gott geboren sind.

Vers 13 hebt die Bedeutung dieser Tatsache durch Gegenüberstellung hervor (Joh 1,13). Die Juden rühmten sich, dass Abrahams Blut in ihren Adern flösse, ebenso wie auch heutzutage ein Mensch sich darauf etwas zugute tun mag, dass er aus adeligem oder sogar königlichem Blut entsprossen ist. Jene demütigen Seelen jedoch, die, von der Regel ausgenommen, Christus annahmen, als Er kam, waren aus Gott geboren. Der Wille der Fleisches würde das nie geleistet haben, denn das Fleisch ist Gott völlig entgegengesetzt. Der Wille des Mannes, selbst des besten unter ihnen, konnte es ebenso wenig vollbracht haben, weil diese Sache seine Kraft gänzlich überstiege. Ihre Geburt war aus Gott und damit ein göttlicher Akt. Und der, den sie im Glauben aufnahmen, gab ihnen das Recht, diesen Platz auch äußerlich einzunehmen, weil er dem Leben nach schon der ihre war.

Ja, wieso konnte es geschehen, dass jene frommen Juden, die uns in Lukas 1 und 2 flüchtig begegnen, Christus im selben Augenblick annahmen, wo Er ihnen erschien? Nicht weil sie Abrahams Blut in sich hatten, nicht weil das Fleisch in ihnen von überlegener Qualität war und sie dazu angetrieben hätte, nicht weil sie dem mächtigen Willen irgendeines Mannes gefolgt wären, sondern einfach, weil sie aus Gott geboren waren. Ich wiederhole: Es war ein göttlicher Akt! Wenn wir zu Kapitel 10 kommen, werden wir dieselbe grundlegende Tatsache in anderer Form dargestellt finden. Als der Hirte zur Herde kam, fand Er dort einige, die „seine eigenen Schafe“ waren, die seine Stimme hörten und von Ihm hinausgeführt wurden. Da waren viele, die der Nationalität nach seine Schafe waren, die aber nicht seine eigenen Schafe waren, in dem Sinn, wie es Maria Magdalene und die Jünger und die Familie zu Bethanien und Simeon und Anna waren. Diese Menschen waren aus Gott geboren, und sie waren es, die Ihn aufnahmen.

Das Wort – seine vollkommene Menschheit

Joh 1,14: Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit. 

In Vers 14 nehmen wir den Gedanken von Vers 5 wieder auf. Wir finden bezüglich des Wortes eine siebte bedeutsame Tatsache. Er wurde Fleisch und wohnte unter uns. Die Verse 1 und 2 sagen uns, was Er in seinem Wesen und in ewiger Weise war. Vers 14 sagt uns, was Er wurde. Er wurde Fleisch, d.i., Er nahm vollkommene Menschheit an, dadurch wurden uns die sechs anderen großen Tatsachen enthüllt, um aus ihnen geistlichen Nutzen zu ziehen. Nur dadurch, dass Er selbst in dieser Weise eine Beziehung zur Schöpfung herstellte, konnte der Absolute und in sich selbst Existierende von den Menschen erkannt werden.

Die Tatsache, dass das Wort Fleisch wurde, verbürgt nicht nur, dass Er wirklich einen menschlichen Leib besaß (was schon von einigen der frühesten Irrlehrer geleugnet wurde), sie begründet ebenso, dass Er die Engel außer Acht gelassen und sich des Samens Abrahams angenommen hat. In jedem wesenseigenen Sinn ist Er ein Mensch geworden. Es ist bezeichnend, dass gerade in diesem Evangelium, das schon bei Beginn seine Gottheit entschieden zur Geltung bringt, Er von sich selbst als von einem „Menschen“ spricht (Joh 8,40). Schließlich wurde alles, was Gott ist, in einem Menschen offenbart. Er wohnte unter uns „voller Gnade und Wahrheit“. Die Grundlage ist die Erkenntnis Gottes. Wenn solche Erkenntnis uns ohne die Gnade erreicht hätte, würde sie uns vernichtet haben, aber hier war jemand von beidem erfüllt, von Gnade und Wahrheit, und so wohnte Er unter uns.

Die Herrlichkeit des Eingeborenen

Vers 14 hat eine Einschaltung, die in unseren Bibeln in Klammern gesetzt ist; auch Vers 15 ist eine solche Einschaltung. Die erste sagt uns, dass die Apostel und „so viele ihn aufnahmen“ (Joh 1,12), seine Herrlichkeit anschauten, „eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater“. Sie war nicht wie die Herrlichkeit vom Sinai. Die letztere war mit Majestät und gerechter Forderung verbunden, diese jedoch entsprach einer liebevollen und innigen Beziehung.

Größer als Johannes

Joh 1,15: (Johannes zeugt von ihm und rief und sprach: Dieser war es, von dem ich sagte: Der nach mir Kommende hat den Vorrang vor mir, denn er war vor mir.) 

Die zweite Einschaltung berichtet mit kurzen Worten das Zeugnis des Johannes, das einige Verse später ausführlich dargelegt wird. Es zeigt uns, wie er um die frühere Existenz und deshalb um die göttliche Herrlichkeit des Einen weiß, dessen Zeuge er war. Historisch gesehen, kam Er nach ihm, im Blick sowohl auf seine Geburt als auch den Beginn es Dienstes, aber Er war vor ihm, und so nahm Er den ersten und höchsten Platz ein.

Fülle von Gnade

Joh 1,16.17: 16 Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 

Wenn wir die beiden Einschaltungen einmal übersehen, so ergibt sich: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, voller Gnade und Wahrheit, denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ Hier ist noch einmal das Ergebnis für die glaubenden „wir“ festgehalten. Nur „so viele ihn aufnahmen“, können in Wahrheit sagen: Wir „empfingen“ aus seiner Fülle; solche können es aber auch wirklich sagen, und zwar sie alle, Gott sei gepriesen dafür! Eine Fülle von Gnade und eine Fülle von Wahrheit sind das Teil eines jeden Gläubigen, selbst des schwächsten unter ihnen, obwohl sie niemals seine ganze Fülle zu erschöpfen vermögen. In auffälliger Weise wird die Gnade betont. Wir brauchen sie, aufgehäuft gleich hohen Bergen „Gnade um Gnade“. Das Gesetz wurde durch Mose gegeben; es umschrieb die Forderungen Gottes, richtete aber nichts aus. Gnade und Wahrheit sind durch die Ankunft des Herrn Jesus eingeführt und in der Tat hier auf Erden aufgerichtet worden.

Schließlich hat Johannes jene Person, die das Wort ist und die schon die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich zog, zuverlässig erkannt. Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, voller Gnade und Wahrheit; und siehe, diese Fülle ist in Jesus Christus! Diese herrliche Einleitung in das Evangelium hat uns geradewegs zu Jesus geführt.

Im Schoß des Vaters

Joh 1,18: Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.

An dieser Stelle treten weitere Herrlichkeiten dieses Einen vor unser Auge. Er offenbart den Gott, den kein Mensch je gesehen hatte. Als der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, konnte Er Ihn als den Vater völlig kundtun. In dem Wort „Schoß“ haben wir ein menschliches Bild, doch müssen wir uns davor hüten, es in der menschlichen Vorstellung zu gebrauchen. Das Bild wird woanders in der Schrift benutzt, um die engste Vereinigung und die innigste Vertrautheit anzuzeigen. Der Sohn ist so völlig eins mit dem Vater und steht in der Vertrautheit er Gedanken, dass Er Ihn in Vollkommenheit kundtun kann. Unser Vers sagt nicht, dass Er in dem Schoß war, so als wäre es ein Ort, den Er verlassen haben könnte, sondern dass Er dort ist. Es ist ein ewiges „ist“ Er war immer dort, Er ist es, Er wird immer in des Vaters Schoß sein. „Das Wort ward Fleisch“ bedeutet, dass die Gnade und die Wahrheit in Christus erschienen sind und dadurch Gott als Vater völlig offenbart worden ist.

Das Zeugnis des Johannes

Joh 1,19-28: 19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten, damit sie ihn fragen sollten: Wer bist du? 20 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. 21 Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elia? Und er sagt: Ich bin es nicht. ? Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. 22 Sie sprachen nun zu ihm: Wer bist du? ? damit wir denen Antwort geben, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? 23 Er sprach: Ich bin die ?Stimme eines Rufenden in der Wüste: Macht gerade den Weg des Herrn?, wie Jesaja, der Prophet, gesagt hat. 24 Und sie waren abgesandt von den Pharisäern. 25 Und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia, noch der Prophet? 26 Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt, 27 der nach mir Kommende, dessen ich nicht würdig bin, ihm den Riemen seiner Sandale zu lösen. 28 Dies geschah in Bethanien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte.

Die Verse 19-28 vermitteln uns das Zeugnis des Johannes, das er gab, als er am Jordan taufte. Es ist sehr verschieden von den Berichten in den anderen Evangelien. Wir finden zunächst seine negative Seite, weil die religiösen Führer, von Neugierde getrieben, zu ihm kamen und gerne wissen wollten, ob er denn der Christus wäre oder Elias oder der Prophet, von dem Mose geredet hatte.  Sein Zeugnis war klar und fest; er war keiner von diesen, sondern die Stimme eines Rufenden in der Wüste, von der Jesaja gesprochen hatte. Als sie ihn dann wegen seiner Taufe befragten, hörten sie sein positives Zeugnis. Da war Einer bereits mitten unter ihnen, den sie nicht kannten, der aber umso viel größer war als er, Johannes, selbst, dass er nicht würdig war, seine Sandale zu lösen. Indem er dieses anschauliche Bild benutzt, drückt Johannes sein Gefühl für die höchste Herrlichkeit des Einen aus, dessen Offenbarung bevorstand.

Dieses war der Anfang des Zeugnisses des Johannes. Es wird bald noch bestimmter und kraftvoller werden, wie die folgenden Verse es zeigen.


Aus Grundzüge des Neuen Testamentes von F.B. Hole, Hückeswagen (CSV) 22007, S. 5–14
mit freundlicher Genehmigung; 
leicht geändert; Bibelverse und Zwischenüberschriften eingefügt von SoundWords

Weitere Artikel in der Kategorie Anbetung (37)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen