Das Brandopfer
3. Mose 1

Samuel Ridout

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Leitverse: 3. Mose 1

Die Grundlage des Nahens zu Gott: die Opfer

Am Anfang des zweiten Teils des ersten Buches Mose, in dem die Geschichte des Handelns Gottes mit seinem Volk erzählt wird, steht die Opfergabe Abels. Sie diente offensichtlich als Vorbild für seine Nachfolger, wie zum Beispiel Noah und später Abraham. In ähnlicher Weise steht im zweiten Buch Mose die Opferung des Passahlamms am Anfang der gesamten Erlösungsgeschichte. Im dritten Buch Mose widmet sich der erste Teil (3Mo 1–7) diesem Thema und erweitert das, was in den früheren Büchern nur teilweise behandelt wird.

Wir sehen hier, welch herausragenden Platz das Opfer in den Gedanken Gottes einnimmt. Vielleicht wird in keinem anderen Teil der Heiligen Schrift diese große grundlegende Notwendigkeit so umfassend und detailliert beschrieben. Es ist natürlich das eine vollkommene Opfer Christi, das durchgehend versinnbildlicht wird. Christus war das Gegenbild von Abels Opfer, von Noahs Brandopfer und von Abrahams Opfer. Er war das wahre Passahlamm, dessen Blut für uns vergossen wurde, und nur sein Opfer wird in all seinen verschiedenen Aspekten, Vollkommenheiten und Ausprägungen so dargestellt, wie wir es hier sehen. Eine direkte lehrmäßige Unterweisung gibt es in diesen Opfern natürlich nicht. Sie werden als „Schatten“ und „Vorbild“ beschrieben; das bedeutet jedoch nicht, dass es Ungenauigkeiten in den Einzelheiten gäbe oder dass wir nicht wertvolle Wahrheiten aus jedem Element entnehmen könnten, das Gott uns im Vorbild vor Augen stellt. Das wird sich zeigen, wenn wir auf die verschiedenen Opfer eingehen.

Es gibt fünf verschiedene Opfer. Eins von ihnen, das Speisopfer, ist jedoch kein Tieropfer und  wird immer in Verbindung mit dem Brandopfer betrachtet: „das Brandopfer und sein Speisopfer“. Die Opfer werden in zwei Kategorien eingeteilt, und zwar in Opfer „zum lieblichen Geruch“ und in Opfer „zum Sündopfer“. Bei den Opfern „zum lieblichen Geruch“ steht der Gedanke im Vordergrund, dass Gott durch den Tod Christi verherrlicht wird, bei den Opfern „zum Sündopfer“, dass der Sünde begegnet wird.

Das Brandopfer

Bei der Ausstattung der Stiftshütte beginnt Gott mit der Lade, dem Symbol für seinen Thron. Ebenso beginnen [im dritten Buch Mose] die Opfer mit dem, was unmittelbar mit Gott selbst verbunden ist und damit, dass Er das Werk Christi annimmt. Das Brandopfer war das wichtigste Opfer zum lieblichen Geruch; es wurde Gott vollständig dargebracht und stieg mit seinem ganzen Wohlgeruch zu Ihm empor. In erster Linie war es ganz für Gott bestimmt, obwohl der Opfernde darin das Maß sehen konnte, wie er bei Gott angenommen war. Das Opfer war ein Typus für Christus, der sich selbst Gott als Opfer darbrachte, „ein lieblicher Geruch“. Es zeigt uns jenen Aspekt des Todes Christi, in dem Er im völligen Gehorsam einer Liebe gesehen wird, die seinen Vater in allen Dingen verherrlichen wollte, indem Er sich im Tod Gott darbrachte. Sein Tod wäre natürlich nicht notwendig gewesen, wenn wir nicht gesündigt hätten. Deshalb wurde das Opfer im Hinblick auf die Sünde dargebracht, und doch ist darin nicht direkt von Sünde die Rede, sondern von der Hingabe einer Liebe, die stark ist wie der Tod [Hld 8,6]. Demnach war das Maß des Gehorsams Christi „bis zum Tod“ (Phil 2,8).

Es gab drei Kategorien von Brandopfern. Sie verdeutlichen drei Aspekte des Todes unseres Herrn, als Er sich selbst Gott darbrachte. Das Opfer konnte vom Rindvieh ein Stier sein; vom Kleinvieh ein Lamm oder eine Ziege; oder vom Geflügel eine Taube.

Das Rind deutet auf die volle Kraft eines Dienstes hin, der sich bis zum Tod hingegeben hat. Das Lamm oder die Ziege vom Kleinvieh deutet nicht so sehr auf die Kraft, sondern auf die völlige Willigkeit hin, die unseren Herrn kennzeichnete, der „wie ein Lamm zur Schlachtung geführt wurde“ (Jes 53,7). Der Vogel dagegen spricht von dem himmlischen Charakter des Herrn, von dem „Sohn des Menschen, der im Himmel ist“ (Joh 3,13) und herabkam, um den Willen Gottes zu erfüllen, indem Er seinen Leib „ein für alle Mal“ hingab und sich selbst opferte (Heb 7,27).

Dieser letzte Aspekt des Opfers unseres Herrn ist zwar in gewissem Sinne höher als die beiden anderen, kann aber gerade deshalb nicht so vollständig zerlegt werden wie die beiden anderen Arten des Brandopfers. Bestimmte Details waren sowohl dem Opfer vom Rindvieh als auch dem Opfer vom Kleinvieh gemeinsam. Beide fanden zweifelsohne ihre Erfüllung in Christus. Das Opfertier sollte jeweils ein männliches Tier sein, was auf Führung, Verantwortung und Stärke hindeutet. Es sollte ein einjähriges Tier sein, in der ganzen Kraft eines Lebens, in dem es keine Anzeichen von Altersschwäche oder Mühsal gab. Es sollte „ohne Fehl“ sein (3Mo 1,3.10), denn das, was ein Sinnbild für den Sohn Gottes ist, muss seine absolute und Ihm innewohnende Heiligkeit hervorheben.

Der Opfernde legte seine Hand auf den Kopf des Opfers und machte sich auf diese Weise eins mit ihm, und von nun an war alles, was das Opfer durchmachte, stellvertretend für den Opfernden. Der Glaube ist natürlich die Einsmachung des Sünders mit Christus, der fortan den Platz des Opfernden einnimmt, sowohl in den Leiden, die Christus durchmacht, als auch in dem unendlich lieblichen Geruch seines Opfers vor Gott.

Dann wurde das Tier geschlachtet, denn der Tod musste eintreten. Auch wenn Christus sich Gott völlig hingab und sein Gehorsam gegenüber Gott vollkommen war – das konnte die schreckliche Tatsache  nicht aufheben, dass die Sünde eine unüberwindliche Kluft geschaffen hatte. Und diese Kluft konnte nur überbrückt werden, indem Christus die gleiche Strafe trug, die der Sünder verdiente.

Anschließend wurde das Blut an den Altar gesprengt als Zeichen dafür, dass Gott das Ihm dargebrachte Opfer annahm. Das Tier wurde gehäutet, seine äußere Hülle entfernt, so wie auch die innersten Beweggründe unseres Herrn vor dem heiligen Auge Gottes in seinem Kreuz offengelegt wurden. Die Teile des Tieropfers wurden dann der Reihe nach auf den Altar gelegt. Hier sollte es keine Unordnung, keine Vermischung geben: Der Kopf, das Fett, die Eingeweide und die Beine wurden voneinander unterschieden. Das Opfer wurde in seine Einzelteile zerlegt. Es sollte nicht zerhackt und zerschlagen werden: „Kein Bein von ihm wird zerbrochen werden“ (Joh 19,36; vgl. 2Mo 12,46; Ps 34,21), aber alles wurde unterschieden. Der Kopf, die Gedanken, die nur die des Gehorsams waren; die Beine, der äußere Wandel; das Innere, die Neigungen, Wünsche und geheimen Beweggründe – alles wurde von Gott unterschieden und wahrgenommen. Alles, was Gott fand, verherrlichte jede Eigenschaft in jedem Lebensbereich unseres Herrn vollkommen.

Die Eingeweide und die Beine wurden mit Wasser gewaschen. Das deutet darauf hin, dass alle Dinge vollkommen geprüft wurden durch das Wort Gottes, dem unser Herr unterworfen war. Im Tod musste alles getan werden, „damit die Schrift erfüllt würde“. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Teile einer Reinigung bedurften – natürlich auch nicht im Gegenbild, denn alles war von Grund auf rein; aber unser Herr unterzog sich stets den umfassendsten Prüfungen des heiligen Wortes Gottes und bewies damit, dass „Sünde nicht in ihm ist“ (1Joh 3,5).

Abschließend wurde alles mit Feuer auf dem Altar verbrannt; das Feuer der göttlichen Heiligkeit verzehrte das Opfer vollständig. So brachte unser Herr sich selbst nicht nur Gott dar, sondern in seinem Tod verzehrte das Feuer des gerechten Gerichts alles; alles stieg in ewigem Wohlgeruch zu Gott empor und hat für immer erklärt, dass sein geliebter Sohn nur das in sich hatte, was die unendliche Heiligkeit, Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit und Liebe vollkommen verherrlichte.

In ähnlicher Weise wurde das Opfer vom Kleinvieh behandelt. Bemerkenswerterweise wird in beiden Fällen, beim Rindvieh und beim Kleinvieh, besonders vom Fett gesprochen. Fett ist ein Sinnbild für den Eigenwillen, der sich im Menschen so oft gegen Gott richtet – „Da wurde Jeschurun fett und schlug aus … Und er verließ Gott … und verachtete den Felsen seiner Rettung“ (5Mo 32,15) –, den unser Herr im Tod jedoch bereitwillig Gott übergab.

Beim Opfer vom Geflügel wurde das Opfertier, wie gesagt, nicht in seine Einzelteile zerlegt. Zuerst wurde all das, was irgendwie auf Nahrung oder eine Verbindung mit der Erde hinweisen könnte, entfernt, damit das Bild ausschließlich von dem spricht, der vom Himmel herabkam, Christus [vgl. Joh 6,38]. Der Vogel wurde teilweise eingerissen, um sein Inneres freizulegen, aber aus dem bereits erwähnten Grund nicht zertrennt. Sein Blut wurde an die Wand des Altars ausgedrückt. Wie erstaunlich: Das Blut Christi floss zur Ehre seines Vaters durch seine Adern, doch am Kreuz wurde jeder Tropfen dieses Blutes sozusagen aus Ihm „ausgepresst“, „ausgedrückt“; und doch war es unendlich annehmbar – erst recht für den [Gott], der dieses große Werk auf Christus legte, damit Er es ausführte!

Im Zusammenhang mit dem Brandopfer werden zwei Punkte erwähnt, die wir vielleicht gut beachten sollten, denn jede Einzelheit sollte für uns wichtig sein. Das Opfer vom Kleinvieh musste „an der nördlichen Seite des Altars vor dem HERRN“ geschlachtet werden (3Mo 1,11). Der Norden bedeutet wörtlich „das Verborgene“, da er der Teil des Himmels ist, wo die Sonne nicht direkt sichtbar ist. Er steht damit im Gegensatz zum Süden, der immer unter voller Sonneneinstrahlung liegt, und deutet auf den Mangel an Licht hin, den wir am Kreuz finden. Wir finden hier beim Opfern des Kleinviehs „an der nördlichen Seite des Altars“ nicht absolute Dunkelheit, sondern es zeigt hier jenes gerichtliche Merkmal des Todes unseres Herrn, das auch beim Brandopfer nicht fehlen durfte. Bei der Darbringung des Vogels wurde der Kropf zusammen mit der Asche auf die Ostseite des Altars gelegt, die dem Tor am nächsten lag, denn die Stiftshütte war nach Osten ausgerichtet. Die Asche war das Zeugnis dafür, dass das Feuer sein Werk vollständig vollbracht hatte.

In Psalm 20, der dem großen Opfer von Psalm 22 (dem Sündopferpsalm) nahesteht, heißt es: „Er gedenke aller deiner Speisopfer, und dein Brandopfer möge er annehmen!“ (Ps 20,4). Das Wort „annehmen“ bedeutet wörtlich „zu Asche machen“. Auch hier ist das Wort für „Asche“ ein besonderes Wort, zum Beispiel: „Wer der Asche nachgeht – ein betörtes Herz hat ihn irregeführt“ (Jes 44,20). Es unterscheidet sich von dem üblicherweise verwendeten Wort für Asche, das Unfruchtbarkeit andeutet. Im Zusammenhang mit dem Opfer ist das Wort wirklich „Fettasche“ – was auf die Fülle, den Reichtum dessen hinweist, von dem sie spricht. Wenn man auf die Asche blickt, könnte man sagen: „Das Feuer hat sein Werk vollbracht“; demnach können wir, wenn wir auf den Tod unseres Herrn blicken, sagen: Alles ist vollbracht; die göttliche Gerechtigkeit kann nichts mehr verlangen; daher ist dieses Zeugnis eines vollkommenen Werkes passenderweise auf der Ostseite des Altars platziert, dem Sonnenaufgang zugewandt, was darauf hindeutet, dass nach dem Kreuz nichts anderes bleibt als die Auferstehung unseres Herrn. Sie ist auch der Anbruch eines neuen, ewigen Tages für alle, die den unendlichen Wert seines vollbrachten Werkes in Anspruch nehmen.

Im Zusammenhang mit dem Sündopfer wird besonderer Nachdruck auf die verschiedenen Stufen gelegt; eine Unterscheidung, von der beim Brandopfer nicht direkt gesprochen wird, obwohl es bei den Opfertieren eine deutlich erkennbare Abstufung vom Rind bis hinunter zum Vogel gibt. Das Rind ist in gewissem Sinne das Hauptopfer und in vielerlei Hinsicht dem Lamm überlegen, das seinerseits den Vogel an Wert übertrifft. Jeder Aspekt des Todes Christi ist also in sich vollkommen und besitzt eine ganz eigene Kostbarkeit, die nicht durch den Vergleich mit einem anderen Aspekt beeinträchtigt werden darf. Dennoch gibt es eine Abstufung der Reihe nach. Diese Abstufung deutet auf die Art der Empfindung des Opfernden hin, die dem Aspekt jeder Klasse von Opfern entspricht. Ein volles Maß an Verständnis umfasst alle drei Klassen dieser Opfer.


Auszug aus „Division 1 (3Mo 1–7)“ in Teil II, „Chapter 3: Leviticus“ aus The Pentateuch, New York (Loizeaux Brothers) 1946
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Stephan Isenberg

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